Das Herz hat seine Gründe, die die Vernunft nicht kennt - Teil 20

Autor: Anna :)
veröffentlicht am: 15.10.2011


Der Teil hat nicht so viel von Abigail und Moses, ich hoffe, ihr verzeiht mir das :)
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Die Nacht war vorbei, und damit auch Maggies Recht auf das Zimmer. Als sie der Wirt an der Tür schon erwartete- „andere bezahlen mehr für ein Zimmer!“- wunderte sie sich, wie hektisch es in der Stadt zuging. Kaum war ein Zimmer geräumt, zogen schon die nächsten ein. Kopfschüttelnd trat sie auf die Straße. ´Wo soll ich hier bloß anfangen´, dachte sie verzweifelt. Schon so früh am Morgen waren die Straßen voll mit den unterschiedlichsten Menschen. Die Kutschen nahmen hier überhaupt keine Rücksicht. Wer nicht schnell genug ans andere Straßenende gelangte, hatte eben Pech gehabt. Die nächste Peinlichkeit lies nicht lange auf sich warten und Maggie entdeckte den halbnackten Mann vom Abend zuvor, der gerade sein Pferd vom Pfahl losband. Jetzt trug er natürlich ein Hemd. Zu allem Übel sah er gerade in ihre Richtung und schien gar nicht peinlich berührt zu sein. Ganz anders als Maggie, die förmlich erstarre und rot anlief. „Und?“, sagte er grinsend. „Doch noch die richtige Tür gefunden?“
Er musste in ihrem Alter sein, hatte pechschwarze Haare und ein freches Grinsen. Maggies Gesichtsfarbe ging zu Dunkelrot über. Sie besaß leider nicht den schlagfertigen Charakter ihrer Schwester und so gab sie nur ein kleinlautes „Ja“ von sich. Den übermäßigen Stolz in ihrer Familie hatte sie wohl noch nicht entdeckt. Ohne auf eine Reaktion des jungen Mannes zu warten- zugegeben, kennengelernt hätte sie ihn schon gerne- eilte sie über die Straße. Ihr Magen knurrte, aber sie musste nicht lange nach einem Gasthaus suchen. Das Essen war nicht besonders gut, aber reichlich. Erst als sie fertig war, ließ dieses Hitzegefühl in ihrem Gesicht etwas nach. ´Hoffentlich begegne ich ihm nie wieder!´, dachte sie verbittert, als sie durch die Straßen ging. Ein Bild von ihren Geschwistern hatte sie nicht und auch die Leute, denen sie ihr Aussehen zu beschreiben versuchte, schüttelten nur den Kopf. Mit Maggies doch sehr vagen Schilderungen konnte niemand etwas anfangen. Aber die junge Frau war nicht so lange gelaufen, um jetzt am ersten Tag aufzugeben. Sie würde hier so lange suchen, bis sie wenigstens einen kleinen Hinweis auf den Verbleib ihrer Geschwister bekam. Mit neuem Eifer schlug sie den Weg zur Bank Poteaus ein, um den Scheck mit den vier Dollar einzulösen, den Nancy ihr gegeben hatte.

„Lasst uns erstmal eine Nacht ausruhen“, schlug Winston vor. „Jetzt ist es schon zu spät.“
Dem Rat stimmten Archie und Cillian nur zu gern zu. Die lange Fahrt hatte alle erschöpft und jetzt wollten sie nur noch schlafen. Die Pension war gut, das Essen schmeckte und die Zimmer hatten eine gemütliche Atmosphäre.
Aber Cillian gelang es nicht einzuschlafen, trotz Winstons beruhigendem Schnarchen. Er betrachtete das kleine schwarz umrahmte Foto seiner großen Schwester Maggie. Von Abigail hatte er auch eins, nur das seines Bruders musste er verloren haben. Er trug diese Bilder immer bei sich, deswegen waren sie das einzige Persönliche, was er aus dem Feuer retten konnte. Der kleine Junge drückte beide Bilder an sein Herz. Seine Hoffnungen wuchsen mit jedem Tag. Er war zuversichtlich, dass irgendjemand in der Stadt Maggie bestimmt gesehen hatte. Dieser Gedanke lies ihn irgendwann einschlafen.

Obwohl Moses vor Glücksgefühlen fast platzte, musste er jeden Abend vor dem Schlafengehen an Aneesa denken. Er hatte Samuel geschworen, auf sie aufzupassen und er hatte versagt.
„Das ist doch nicht deine Schuld gewesen“, meinte Abigail immer. „Sie ist weggerannt, du konntest gar nichts tun. Ich glaube, dass es ihr dort wo sie ist, sehr gut geht.“ Das hoffte Moses sehr, aber die Schuldgefühle blieben. Jeden Abend betete er für Aneesa und war in Gedanken bei ihr.
Dank seines Feingefühles bemerkte er auch etwas zwischen Miss Abigail und dem jungen Master Andrew. Vielleicht nichts im Hintergrund und auch nichts was mit Verständnis oder gar Liebe zu tun hatte. Denn Miss Abigails gelegentliche „Wutausbrüche“ ließen nicht unbedingt darauf schließen. Doch dass Master Andrew so geduldig blieb, musste doch einen höheren Grund haben. Zuneigung vielleicht? Oder Bewunderung? Bei Miss Abigail stieß er offensichtlich auf Stolz und Ablehnung. Ob das nur eine Fassade war?

Maggie stellte sich hinten an die relativ kurze Schlange. Es waren insgesamt drei Bankschalter geöffnet und teilweise gaben die Goldgräber Nuggets von einer Größe ab, die sich die junge Frau niemals hätte erträumen lassen. Zurzeit sollten die Claims sowieso fast überlaufen und alle waren im Goldrausch. Maggie nahm an, dass vieles davon nur Katzengold war.
Sie hielt den Scheck fest in der Hand. Vier Dollar waren damals unheimlich wertvoll und sie wollte ihn um keinen Preis verlieren.
Gerade als sie an der Reihe war, wurde die Tür geöffnet und ein Aufschrei ging durch die Leute. Einige warfen sich zu Maggies Unverständnis auf den Boden. Sie hatte nur flüchtig zwei Männer hereinkommen sehen und sich dann wieder dem Schalter zugewandt. Doch als sie jetzt genauer hinschaute, erkannte sie den jungen Mann von vorhin. Aber wieso lagen alle auf dem Boden? Und warum hielt er einen Revolver in der Hand?
Schlagartig wurde der jungen Frau klar, wer dieser Mann war, der ihr so harmlos vorkam. Sie musste erst dieses Bild verarbeiten, das sich ihr da bot. Star vor Schreck und als einzige noch stehend begriff sie, dass er ein Räuber war. Ein Bandit, der am meisten gesuchte Mann in Poteau.
„Alle ganz ruhig bleiben, dann passiert auch keinem was“, sagte er locker und schwenkte einmal einschüchternd den Revolver. Sein Partner warf einem der Bankiers einen Leinensack von der Größe eines Pferdekopfes zu. Er war wesentlich kratzbürstiger als der junge Mann.
Jetzt schien dieser Maggie zu erkennen. Das war doch das Mädchen von draußen! Doch bevor er eine Regung zeigen konnte, zog der Bankier ganz rechts eine Schrotflinte hervor und richtete sie umständlich auf ihn. Er musste diese Waffe wohl immer für Notfälle unter dem Tresen aufbewahrt haben, vor allen Augen versteckt.
Aber der junge Mann war schlauer. Er schaute zu Maggie, schien kurz zu überlegen und griff dann blitzschnell nach ihrem Arm. Er nahm sie in den Schwitzkasten und ehe sie nur an Gegenwehr denken konnte, hielt er ihr den Revolver an die Schläfe. Das kalte Eisen drückte sich unangenehm in ihre Haut. Sein Griff war stahlhart, er schnürte ihr die Luft ab.
„Das würde ich nicht tun“, sagte er immer noch ruhig und dann so leise zu Maggie, dass nur sie es hören konnte: „Es tut mir leid.“
Sie spürte, wie sie keine Luft mehr bekam und rot anlief. Die auf dem Boden liegenden Leute sahen entsetzt zu ihr hoch. Maggie wollte etwas antworten, aber sie bekam nur ein verächtliches „Pah“ heraus. Auch der Bankier schien den Ernst der Lage begriffen zu haben. Er legte die Schrotflinte weg und hob die Hände, sein Gesicht eine Maske der Angst.






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