Das Herz hat seine Gründe, die die Vernunft nicht kennt - Teil 11

Autor: Anna :)
veröffentlicht am: 27.08.2011


Also Leute hier ein etwas längerer Teil :)
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Nancy hatte in der Stadt einige Kleider für Maggie gekauft. Sie und Winston waren leider nie mit Kindern gesegnet worden, deswegen freute sie sich, dass die junge Frau da war. Winston war etwas überrascht gewesen, als er Maggie am Morgen nach ihrem etwas stürmischen Auftreten tatsächlich im Gästebett liegen sah. Er hatte den Aussagen seiner Frau wenig Glauben geschenkt und wollte sich am späten Abend noch von deren Richtigkeit überzeugen, aber Nancy hatte darauf bestanden, dass er der junge Frau ihre Ruhe lies. Als Winston auf das Feld ging- er stand immer mit den ersten Sonnenstrahlen auf- hatte Maggie noch geschlafen. Sie tat Nancy leid, hatte bestimmt viel durchgemacht, das arme Ding.
Die alte Dame klopfte an die Tür, die drei verhältnismäßig günstigen Kleider in der Hand. Ein altes Ehepaar hatte ja sonst kaum Ausgaben. Als ein leises „Herein“ erklang, trat sie ins Zimmer. Maggie sah viel besser aus als am Vortag, und vor allem auch sauberer. Sie saß auf der Bettkante und sah sich einen bei genauerem Hinsehen relativ tiefen Schnitt auf dem linken Unterarm an. Ihre langen dunklen Haare fielen ihr ins Gesicht und die hellen braunen Augen hatten den Schrecken vom Vortag verloren.
„Guten Morgen Kindchen“, begrüßte Nancy sie. Maggie lächelte leicht. „Guten Morgen Ma’am… und vielen Dank-“
„Oh nein, damit fängst du mir gar nicht erst an“, unterbrach sie Maggie energisch. „Ich bin eine ganz normale ältere Dame und keine Ma’am. Kein Mensch nennt spricht mich so an und Winston auch nicht. Du sagst einfach Nancy und Winston und wenn du willst, noch mit einem „Oma“ oder „Opa“ davor. Aber nie wieder Ma’am! Sonst werde ich wütend.“ Doch das Lächeln der kleinen Frau lies Maggie wissen, dass sie es mit dem wütend werden nicht so ernst meinte. Ihr Lächeln wurde noch breiter.
„Wenn Sie es so wollen“, lachte Maggie. Nancys Worte vom Vortag hatten ihr einen Teil der Trauer und Wut genommen.
„Hier habe ich einige Kleider. Die alten Lumpen habe ich verbrannt“, sagte sie naserümpfend. „Sie waren fürchterlich dreckig. Ich hoffe, die hier haben deine Größe.“ Sie legte die Kleider auf das Bett und ging zur Tür. „Wenn du fertig bist, komm runter in die Küche. Dann mach ich dir was zu essen. Außerdem haben wir noch etwas zusammen mit Winston zu besprechen.“
Die junge Frau nickte dankbar. Als sie allein war ging sie ins kleine Gästebadezimmer. Die Kleider waren schlicht, zwei davon blassgrün und das dritte von angenehmen Brauntönen. Letzteres gefiel Maggie am besten. Die Ärmel endeten kurz unter dem Ellenbogen und das helle Braun war von dunkleren Fäden durchzogen. Dieses Kleid passte am Besten, die beiden anderen waren etwas zu groß. Maggies Schuhe sahen noch leidlich aus. Sie zog sie an und ging nach unten. Erst jetzt beim Laufen merkte sie, dass ihr alles wehtat. Die Beine wurden bei jedem Schritt wie Gummi und sie hatte fürchterlichen Muskelkater, der sich den gesamten Rücken hinaufzog. Trotzdem verspürte sie einen Hunger, den sie noch nie hatte. Doch es war nicht nur materieller Hunger. Kein Hunger, der ihren Magen füllen würde. Sie verspürte den Drang nach Suchen, ihre Brüder, ihre Schwester. Sie konnte nicht in dieser Ungewissheit hier bleiben.

Als Nancy gerade dabei war, die Spiegeleier anzubraten, kam Winston in die Küche. Er hatte, wie jeden Morgen, die Pferde vor den Pflug gespannt und sie gefüttert. Dann erst aß er selber. Als Maggie hereinkam, breitete sich ein Grinsen auf seinem alten, faltigen Gesicht aus.
„Du musst Maggie sein“, sagte er und gab ihr die Hand. Sie nickte.
„Ich bin Winston, Nancys Frau.“ Auf seinem runzeligen Gesicht breitete sich plötzlich Mitgefühl aus. „Nach allem, was Nancy mir erzählt hat, musst du ziemlich viel durchgemacht haben. Setz dich doch und erzähl mir alles.“ Maggie nahm auf einem der Stühle am Tisch platz.
„Winston, lass doch das Mädchen in Ruhe“, tadelte die alte Dame von der Kochstelle aus. Sie stellte einen Teller mit Brot, Speck und Spiegeleiern vor sie auf den Tisch. Bei Winston das gleiche und schließlich saßen sie alle drei am Tisch. „Iss erst einmal, Kindchen. Du siehst ganz ausgehungert aus.“ Maggie machte sich nach dem kurzen Tischgebet über das Essen her. Es schmeckte fantastisch und erst nach einer fast genauso großen zweiten Portion war sie satt. Mittlerweile kam ihr die ganze Geschichte leichter über die Lippen. Sie erzählte Winston, was passiert war. Der alte Mann schüttelte ungläubig den Kopf. „Diese Menschen müsste man einsperren“, brummte er. Nancy pflichtete ihm stumm bei, doch sie fand, dass Maggie noch bei ihnen bleiben sollte. Sie konnte sich nicht einfach auf die Suche nach ihren Geschwistern machen, ohne ein Heim. Womöglich trieben sich diese Männer noch irgendwo hier herum. Idabel war eine relativ kleine Stadt. Trotzdem sah man sich immer zweimal im Leben und das sollte in diesem Fall vermieden werden.
„Maggie“, begann die alte Frau. „du solltest bei uns bleiben. Wenigstens ein paar Wochen. Die Gefahr ist noch nicht vorbei, du bist immer noch geschwächt und eine Zuflucht hast du auch nicht.“
„Aber vielleicht geht es meinen Geschwistern noch schlechter“, protestierte die junge Frau.
„Wir werden uns in der Stadt umhören, in Ordnung? Vielleicht kennt hier der ein oder andere deine Brüder oder deine Schwester.“
„Richtig“, bestärkte Winston den Vorschlag seiner Frau.
Nancy räusperte sich. „Aber allein solltest du auf keinen Fall in der Stadt herumlaufen.“
Maggie seufzte, sie hatte nicht vor, hier zu bleiben, so liebenswürdig diese Menschen auch waren. „Es sind so viele Meilen von unserer Farm bis hier hin. Diese Männer können doch gar nicht so weit gekommen sein. Auf ihrer Strecke liegt noch eine Stadt, Poteau, und die ist doch wesentlich größer als Idabel.“
Nancy und Winston tauschten besorgte Blicke aus. In Winstons Augen las die alte Frau ´lass sie doch gehen, sie wird hier nicht glücklich, ohne ihre Geschwister´ aber Nancy wollte sie nicht gehen lassen. Sie war so allein, so hilflos.
„Kindchen, so hör doch auf uns-“, fing sie an aber Maggie lies sie nicht weiter reden.
„Ich danke euch wirklich sehr für das, was ihr für mich getan habt. Aber ich kann nicht in dieser Unwissenheit leben. Ich muss meine Geschwister suchen.“ Sie langte über den Tisch und nahm Winstons Hand in die Rechte und Nancys in die Linke. „Ich werde euch eine Nachricht zukommen lassen, sobald ich in Poteau bin. Dort ist die Wahrscheinlichkeit am größten, sie zu finden.“ Sie lächelte leicht. „Sorgt euch nicht um mich. Wir sehen uns sicher wieder. Und danke noch einmal!“
Es war kaum zu glauben, aber der alten Dame mit dem grauen Dutt kamen tatsächlich die Tränen. Winston war ebenfalls gerührt, aber er zeigte es nicht. „Pass gut auf dich auf, Mädchen“, riet er ihr mit seiner tiefen, brummigen Stimme. Nancy wischte sich die Tränen weg und stand auf.
„Ich packe dir etwas zu essen ein“, sagte sie und erwiderte Maggies Lächeln. „Wann gehst du?“
„Sofort.“
Die Antwort gab Nancy einen Stich ins Herz. Sie hatte gehofft, dass die junge Frau wenigstens noch bis zum nächsten Tag blieb.
Winston erhob sich. Er musste zurück aufs Feld. „Wenn du es dir anders überlegen solltest“, sagte er zu Maggie. „dann kannst du jederzeit zu uns zurück kommen.“ Die beiden umarmten sich.
Als Winston weg war und Maggie ihre zwei Kleider eingepackt hatte, gab Nancy ihr den Proviant und drei Dollar. „Das ist alles, was ich im Haus habe. Du wirst es brauchen!“ Sie gab der jungen Frau eine herzliche Umarmung. Drei Dollar waren für die damaligen Verhältnisse sehr viel. Als Maggie in die brennende Sonne hinaustrat, lächelte sie. Diese beiden netten Leute würde sie nicht vergessen. Während sie so am Little River entlanglief, summte sie unbewusst ein Lied, das Mrs. O’Brian ihnen oft vorgesungen hatte.

Mary wachte auf, weil sie eine Berührung an der Schulter spürte. Sie schrak hoch und sah den Abdruck ihrer Arme, auf denen sie die ganze Nacht über den Kopf gestützt hatte, auf der unteren Bettseite.
„Mary“, sagte eine warme Stimme hinter ihr. Jetzt erst bemerkte sie, dass das Bett leer war. Sie drehte sich um. Ihre Arme taten fürchterlich weh, sie waren wahrscheinlich die ganze Nacht angewinkelt gewesen.
Hinter ihr stand Tadgh und lächelte sie an. Er sah gut aus, keine Anzeichen von Fieber oder sonstigen Verletzungen.
„Tadgh, du…du bist gesund“, sagte Mary überrascht und auch noch etwas verschlafen. Sie rieb sich über die Augen.
„Ja, du bist eine gute Krankenschwester“, grinste er und nahm ihre Hand. Mary schloss die Augen und lies ihren Körper die Wärme fühlen, die von seiner Berührung ausging. Sie stand auf.
„Und du fühlst auch keine Schmerzen?“, fragte sie pflichtbewusst.
Er schüttelte den Kopf. „Mary, ich habe viel nachgedacht, als ich krank war und ich möchte dir danken.“
Sie schaute zu ihm auf, unfähig irgendetwas zu sagen. Ihr war bis jetzt noch nie aufgefallen, wie groß er war, wie gut er aussah, wie anziehend sie ihn fand. Ihr Mund fühlte sich plötzlich ganz trocken an, als er sie mit diesem Blick ansah.
Tadgh wusste nicht, was er weiter sagen sollte. Sie hatte so wunderschöne grüne Augen, so weiches schwarzes Haar. Unbewusst hob er die Hand und berührte es. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, und schloss ihn wieder.
Mary verlor sich erneut in seinen Augen, die so tief zu sein schienen, wie das Meer. So etwas hatte sie noch nie erlebt. Es war um so vieles intensiver als der eine Moment ein paar Tage zuvor. Sie fühlte etwas, das sie für längst erloschen geglaubt hatte. Sie leckte sich über die Lippen, die Tadgh jetzt immer unwiderstehlicher fand. Als sie sich küssten, brach ein Feuer in der jungen Frau aus, etwas, das so lange Zeit gewartete hatte, hervorkommen zu dürfen. Der Kuss war nicht zärtlich, nicht leicht. Er war so intensiv, so leidenschaftlich, dass es nicht nur bei einem Kuss blieb. Er artete zu einem richtigen Liebesspiel aus, sodass das Bett bedrohlich knirschte und fast zu Bruch ging. Aber das kümmerte die beiden nicht. Sie machten weiter, Mary hoffte, dass sie unbeobachtet und vor allem ungehört blieben, bis sie schließlich erschöpft nebeneinander auf dem Bett liegen blieben.
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Also der letzte Absatz war mir ja regelrecht peinlich! :D hoffentlich seid ihr nicht zu kritisch! LG





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