Music is the Key - Teil 2

Autor: MusicJunkie91
veröffentlicht am: 08.07.2011


Sie drehte sich zu mir um und grinste breit.
„Hey, du wirst Anna sein.“
„Die bin ich“, erwiderte ich und trat ein.
Das Zimmer war langweilig. Zwei Betten die mit dem Fußende aneinander standen und gegenüber zwei Schreibtische. Außerdem gab es eine Glastür, die auf einen Balkon führte. Ich musterte meine Mitbewohnerin. Ihre Haare hatte sie sich gebleicht, sodass sie fast weiß erschienen. Sie hatte mehrere Piercings. Augenbrauen, Lippe, oben wie auch unten, in der Nase, in den Uhren. Sie grinste, als ich sie so musterte.
„In der Zunge hab ich auch eins. Und an anderen Körperstellen, die aber nur mein Freund sehen darf. Ich bin Dora.“
Ich grinste und sah die Betten an.
„Welches ist deins?“
„Das.“
Sie zeigte auf das, was weiter weg von der Tür war und widmete sich wieder dem, was sie getan hatte, bevor ich sie gestört hatte, nämlich ihren Schrank einzuräumen. Ich legte meine Tasche auf das andere Bett und tat es ihr dann gleich. Sie schien kein Mensch großer Worte zu sein und das war mir sehr recht. Sie summte leise was vor sich her. Ich grinste und sah zu ihr rüber.
„Stehst wohl auf Klassiker? Mozart?“
„Jap. Ich liebe seine Stücke. Aber auch Bach, Händel .. alle, die man so kennt. Sieht man mir nicht an, was?“
Ich lachte.
„Nein, nicht wirklich.“
Sie warf sich auf ihr Bett und verschränkte die Arme hinter dem Kopf.
„Ich werd wahrscheinlich nie einen der großen Jobs ans Land ziehen, aber das ist mir auch eigentlich egal. Will einfach nur die Musik leben, verstehst du? Und vor allem auch zum Beruf machen. Aber man hat ja keine Chance, wenn man nicht auf so einer Schule war.“
Sie setzte sich auf und sah mich ernst an.
„Egal, wie nett du bist oder so, du bist eine Konkurrentin. Ich brauch dieses Stipendium. Ich muss raus Zuhause.“
Ich legte mein letztes Kleidungsstück in den Schrank und schüttelte den Kopf.
„Keine Sorge, ich brauch das nicht.“
Auch ich nahm Platz auf meinem Bett.
„Mein Vater will mich schon seit Jahren herschicken. Ich hatte bisher keine Lust, hab ja auch Freunde auf meiner Schule, die ich eigentlich nicht verlieren will. Aber jetzt, beim Wechsel von der Zehn in die Oberstufe, sind so viele von der Schule abgegangen. Also dachte ich, ich versuchs mal.“
„Dein Vater will dich herschicken? Gott, meine Eltern würde mich am liebsten nie gehen lassen.“
Ich zuckte mit den Schultern.
„Es steht auch erst seit dem Tod meiner Mutter vor drei Jahren zur Debatte. Sie wollte es nie. Aber er ist beruflich viel unterwegs und mein Bruder ist voll und ganz mit seinem Studium beschäftigt.“
„Oh, das mit deiner Mutter tut mir leid.“
Ich winkte ab.
„Sie hatte Krebs. Sie hat noch ein Jahr länger gelebt, als ihr vorausgesagt wurde.“
Es hatte trotzdem wehgetan. Ich war in der Schule gewesen, als es passiert war. Ich war nach Hause gekommen und hatte meinen Vater und meinen Bruder in der Küche sitzen sehen, mit verweinten Augen. Da hatte ich gewusst, dass es vorbei war.
Ich hatte die Starke gespielt und nicht geweint. Ich hab keine einzige Träne wegen meiner Mutter vergossen. Obwohl ich es so gerne wollte, es ging einfach nicht.
Ich kniff kurz die Augen zusammen und sprach dann weiter.
„Mein Vater ist ein ziemlich bekannter Pianist, darum spiele ich auch schon seit meiner Kindheit Klavier.“
Sie lächelte.
„Darum sind wir wohl zusammen in einem Zimmer. Ich spiel auch Klavier. Machst du noch was?“

Ich zählte ihr die gleichen Instrumente auf, wie Xaver vorhin, fügte dann aber noch hinzu, was ich eben nicht hatte sagen können.
„Und ich singe Mezzosopran. Mehr oder weniger gut.“
Sie grinste.
„Also eine kleine Sängerin.“
Ich zuckte mit den Schultern. Sie machte sich über mich lustig, wie die meisten, wenn sie hörten, dass ich im Schulchor sang. Also brauchte ich auch erst gar nicht zu erwähnen, dass ich selber Lieder schrieb.
Nach einem Blick auf die Uhr stand ich auf.
„Die Stunde ist fast um. Ich werde runter gehen.“
„Ja, tu das. Ich rauch noch eine.“
Sie angelte sich eine Zigarettenschachtel von ihrem Nachtschrank und ging auf den Balkon, während ich das Zimmer verließ, um unten auf den Tafeln meinen Namen zu suchen. Raum 1.49. Okay, den musste ich nur finden. Die eins wies auf das Stockwerk hin, also stieg ich eine Treppe hoch. Der Raum war dann doch schnell gefunden, ich ging einfach zu dem, vor dem schon ein paar Leute standen, unter anderem auch Xaver, der mich breit angrinste.
„Sieh an, die kleine Anna.“
Ich streckte ihm die Zunge raus.
„Du bist nur einen Kopf größer, also, ich bitte dich.“
„Hey, Anna, wie alt bist du eigentlich?“
„Sechzehn. Kurz vor der Siebzehn.“
„Du wirkst älter.“
„Wird mir oft gesagt. Wie alt bist du?“
„Neunzehn.“
„Oh, doch schon so alt.“
Bei diesen Worten schaute ich mich um und musste feststellen, dass ich anscheinend irgendwie die Jüngste der Gruppe hier war.
„Du, Xaver, nach was ist das hier eingeteilt?“
„Keine Ahnung.“
Da schloss ein Mann, der aussah, als wäre er ungefähr fünfundzwanzig und als würde er jeden Tag drei Stunden lang mit Hanteln trainieren, die Tür auf und bat uns herein. Ich setzte mich gleich neben Xaver. Ich hasste es, irgendwo zu sein, wo ich niemanden kannte und ihn hatte ich schon kennengelernt, also ..
Der Mann ergriff das Wort. Er erzählte uns, dass wir nach dem Können, das man dem Vorspieltermin hatte entnehmen können, eingeteilt waren, aber sich das im Laufe der ersten Woche hier und da nochmal ändern könnte, wenn man feststellte, dass jemand doch besser oder schlechter war, als an diesem Tag. Nach drei Wochen sollten ein paar Leute, die nicht für das Stipendium in Frage kamen, nach Hause geschickte werden. Für Leute wie mich, deren Aufenthalt komplett bezahlt war, traf dies aber nicht zu.
Dann begann die Vorstellungsrunde. Ich konnte mir die ganzen Namen nicht merken, außer dem von Xaver und auch dem Mädchen, dass ich am Morgen angesprochen hatte. Sie hieß Amy und gehörte, wie ich schon geahnt hatte, zu den „reichen Kids“. So nett, wie sie heute Morgen gewirkt hatte, so arrogant wirkte sie jetzt.
Danach sollte jeder was auf seinem Instrument vorspielen, nur was kurzes, eine Minute lang und ich muss sagen – wow, die Leute hier, die waren echt begabt. Ich war absolut begeistert! Ich konnte den Unterschied zwischen Beherrschen eines Instrumentes oder Liebe zu einem Instrument richtig hören.
Am meisten begeisterte mich Xaver. Der Junge rockte den Klassenraum mit seiner seinem Kontrabass. Ehrlich, ich hatte noch nie einen Menschen besser spielen sehen. Hören schon, aber gesehen nein und ich war schon bei vielen Konzerten gewesen. Nachdem Xaver geendet hatte war ich dran. Junge, war ich aufgeregt! Ich setzte mich an den riesigen Flügel, der hier stand, schloss die Augen und begann eines meiner eigenen Lieder zu spielen. Ich versank darin, denn das spiegelte all meine Gefühle wider, die ich sonst nicht herauslassen konnte.
Nachdem ich den letzten Ton verklingen ließ, herrschte eine angespannte Ruhe im Zimmer.





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