Geheimnis der Tiefe - Teil 5

Autor: Sternchen
veröffentlicht am: 02.09.2011


“Levent!” Auf einmal steht Levis Vater im Raum und durchbricht mit seiner sanften, dunklen Stimme meine, sich überschlagenden Gedanken. Erschrocken fahre ich zusammen und rücke peinlich berührt ein Stück von Levent weg.
„Was?“, fragt dieser ungehalten.
“Hallo Klara, schön dich kennen zu lernen, ich bin Levents Vater, Marinus. - Levent! Wie lange warst du nicht mehr im Wasser?”
“Siebeneinhalb Stunden.”, gibt er gequält zu. “Oder ein bisschen mehr.”
“Und wir wollen doch nicht, dass das passiert, was letztes Mal passiert ist, als du mit dieser jungen Dame zusammen warst!” Mit einem Blick zu mir fügt er hinzu: “Er kam unter fürchterlichen Schmerzen hier her und ich musste ihn sozusagen löschen!”
“Aber ich kann jetzt nicht ins Wasser gehen. Mach‘ ich später. Das verstehst du nicht.”, protestiert Levi genervt und verdreht die Augen.
“Doch, doch, ich war auch mal in deinem Alter. Aber genau dieselbe Erklärung hast du mir auch letztes Mal gebracht. Und dann hast du geschrien vor Schmerz. Ich habe doch Augen im Kopf. In fünf Minuten geht es wieder los!”, brummt Marinus streng.
“Es geht schon noch!”
Marinus drückt auf einen Knopf neben dem Bücherregal, macht ein überlegenes Gesicht und verschränkt die Arme vor der triumphierend vor der Brust. Der riesige Teppich oder vielmehr der Boden darunter schiebt sich zur Seite und gibt sie Sicht auf ein riesiges, weiß gefliestes Schwimmbecken frei. Darin stehen sogar Stühle und es gibt richtige, aufeinander gestapelte Matratzen auf einer Seite. Das Wasser darin ist klar, nur ein Stück Tang treibt darin herum.
“Wow”, staune ich. Dann fällt mein Blick zu Levent. Er schenkt dem Bassin einen sehnsüchtigen Blick, flüstert dann:
“Tut mir leid!” und springt, voll bekleidet in das Wasserbecken zu unseren Füßen. Mein Gott, zum Glück ahnt keiner, wie erleichtert ich darüber bin.
Er seufzt ein wenig, als er im Wasser liegt und schließt die Augen für einen kurzen Moment.
Als er meinen Blick bemerkt, sieht er mich schuldbewusst an. “Entschuldige. Ich bin… kein Landmensch.”
Dann taucht er ab.
Ich sehe mich zu Marinus um, und flüstere, noch immer verwirrt von dem ‚Beinahe-Kuss‘: “Warum ist er nicht schon eher da rein gesprungen?”
“Bindungsphase.”, seufzt Marinus und ist mit einigen Schritten bei mir. “Du erlaubst doch?” Mit einem Satz ist auch er im Wasser, er zieht sich nur vorher die Schuhe aus, stützt die Arme auf den Beckenrand und erzählt.
“Wenn ein junger Mann unserer… Sippe seine Frau gefunden hat, lässt er sie nicht mehr gehen. Levi wird dir noch mindestens zwei Wochen lang folgen, wie ein junger Hund.” Plötzlich ist auch Rhea im Wasser und fügt hinzu:
“Marinus war damals unausstehlich. Wir haben uns bei einem Korallenriff-Urlaub kennen gelernt. Wir waren gerade fünfzehn. - Wir hatten schon Sorge, dass Levent sich gar nicht mehr bindet, er ist immerhin schon achtzehn.”
“Also, ich finde, mit Achtzehn ist man noch sehr jung um den Partner fürs Leben zu finden.”, protestiere ich. Mir schwirrt der Kopf.
“Tja, bei Meerleuten geht das schneller.”, lacht Marinus. Mein Blick fällt auf seine Hände. Schwimmhäute. Auch zwischen Rheas Fingern haben sie sich gebildet. Ihre Füße sind paddelähnlich, sehen ein bisschen so aus wie die Schwimmflossen von Tauchern.
“Oh, Schätzchen, für dich muss das alles furchtbar viel sein.”, sagt Rhea fürsorglich, als sie meinen Blick bemerkt. Bei jeder Bewegung treibt ihr langes Haar im Wasser auf und ab.
“Wo ist eigentlich Levi?”, wundere ich mich. Im Becken ist er nicht auf einmal mehr zu sehen.
Marinus lacht. “Der ist irgendwo im Meer und ärgert sich schwarz und wartet, bis das Brennen aufhört. Wir haben hier einen direkten Zugang zum Ozean, einen Tunnel. Ich nehme mal stark an, mein Sohn ist in tiefere Gewässer geschwommen, wo das Wasser kühler ist, damit das Brennen schneller nachlässt.”
“Aber das wird in den nächsten Stunden nichts mehr.”, sagt Rhea sanft, taucht kurz unter und fischt das Stück Tang aus dem Wasser. “Komm, ich bringe dich nach Hause, dort ruhst du dich erst einmal aus. Morgen kannst du wiederkommen und Levis Schwestern kennen lernen.”
“Er hat Schwestern?”, frage ich.
“Ha!”, ruft Marinus stolz aus. “Fünf Stück.”

Vor unserem Haus sehe ich auf meine Armbanduhr. Es ist erst sechs Uhr, meine Eltern sind noch nicht zu Hause. Dabei habe ich das Gefühl, mehrere Tage bei Levis Familie verbracht zu haben. Kein Wunder, bei alldem, was ich erfahren habe. Da alle annehmen, ich sei krank, komme ich sogar um das gemeinsame Abendessen herum.
Irgendwie kann ich nicht schlafen. Ich bin furchtbar müde, aber das entfernte Geräusch der brechenden Wellen hält mich davon ab, die Augen zu schließen. Langsam gehe ich zum Fenster. Der Mond scheint. Ich muss raus!
An der Tür besinne ich mich. Es ist nur diese komische Meermenschen-Sache. Ich wäre letzte Nacht fast gestorben, deswegen.
Entschlossen öffne ich das Fenster, um die Läden zu schließen. Eine kühle Brise weht mir den salzigen, fischigen Geruch des Ozeans entgegen. Er ist nur ganz leicht, aber ich nehme es trotzdem wahr. Ich kann diesen Geruch nicht ausstehen. Ekelhaft. Aber so verlockend.
Was soll schon passieren… Ich gehe nicht ins Wasser… Nur zum Strand… Ich muss die Wellen sehen… das Mondlicht auf dem Wasser… und die gewaltigen, mächtigen Wellen… so wunderschön…
Verdammt, ich bin ja schon wieder am Strand!!
Macht doch nichts… ist doch schön hier… der Duft des Wassers… die Gischt… Ich muss es berühren… ich muss es fühlen, wie das Wasser mich umspült…
“Heyheyhey!”, höre ich eine Stimme hinter mir. Der Mond ist hinter einer Wolke versteckt.
“OH!”, gebe ich erstaunt von mir, und blicke in Levis grüne Augen. “Ich wollte gar nicht herkommen, ehrlich!”
“Rhea hat sich schon so etwas gedacht.”, sagt Levi und sieht mich an.
“Was machen wir denn nun mit dir? Na komm, ich bringe dich nach Hause.”, sagt er sanft.
“Geht das jetzt immer so weiter?”, will ich wissen. “Ich würde nämlich echt gern mal wieder schlafen.”
Dann kommt der Mond wieder hervor, lässt das Wasser verlockend glitzern.
Der Mond…
“Er ist so schön… der Mond… und er lässt das Wasser so schön glänzen.”, hauche ich andächtig. Oder ist es überhaupt meine Stimme? Egal, auf jedenfalls hat der, der es gesagt hat, genau das ausgedrückt, was ich gerade gedacht habe.
“Es ist nur der Mond!”, sagt irgendjemand - Levi?
“Nur der Mond? … Er ist… verantwortlich für Ebbe und Flut… Er ist… ein Teil des Ozeans. Und ich mag den Ozean… er ist so groß und geheimnisvoll… genau wie der Mond… den Mond mag ich auch…”, lallt die Stimme.
“Äh, ja, schon klar. - RHEA!”
-
Am nächsten Morgen fühle ich mich schwach. Mein Kopf dröhnt und ich tue mich schwer damit, meine Decke zurückzuschlagen und aufzustehen. Was ist in der Nacht passiert? Ich weiß nur noch - es war dunkel und der Mond schien. Und glitzerndes Wasser. War ich am Strand? Moment, grüne Augen. Das heißt, Levent war auch da. Oder habe ich alles nur geträumt?
Oh Gott! Ich trage einen anderen Schlafanzug! Das weiße Nachthemd von gestern hängt säuberlich an seinen Spaghettiträgern an der Gardinenstange und tropft auf ein Handtuch, welches irgendjemand auf meine Fensterbank gelegt hat. Es ist nass! Und ich habe nicht geträumt…
So schnell wie möglich versuche ich meine Erinnerungsfetzen zu kombinieren, um ein Bild der vergangenen Nacht herzustellen.
Ich muss am Strand gewesen sein, wo auch Levi war. Und ich vermute mal, ich war nicht besonders ansprechbar. Die Tatsache, dass mein Nachthemd nass ist, sagt mir, dass ich es wohl nicht für nötig gehalten habe, mir vor meinem Spaziergang etwas Angemesseneres anzuziehen. Und dass ich jetzt etwas anderes anhabe, bedeutet… Oh mein Gott! Levi hat mich nach Hause gebracht und
UMGEZOGEN!

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Tut mir leid, dass ich schon wieder so lang nichts von mir hören lassen habe...aber ich komme eben leider nur so selten zum Schreiben. Nehmt es mir nicht übel:)
Ach ja und danke, danke, danke für eure Kommentare!





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