Die Wesertalsage

Autor: Bernd Bernard
veröffentlicht am: 27.06.2011


Im Wesertal bei Minden lebt‘ eine schöne Maid, die wollt‘ ein jeder finden in ihrem schwarzen Kleid. - Sie lebte ganz alleine mit Augen voller Scheu, und sie dachte nur das Eine: „Ich bleib dem Liebsten treu!“ - Der lag bei Minsk im Graben und war in großer Not; die Liebe musst‘ ihn laben, sonst wär er lieber tot. Und schrieb ihr: „ Meine Kleine, bald endet dieser Krieg, dann bin ich nur der deine, und mit uns ist der Sieg!“ - So zogen dumpf die Jahre voll Trauer durch das Land, und sie zählt‘ die grauen Haare in ihrem roten Band.
Da ging sie zu dem Feste, zum Tanzen in den Mai, sie meinte bloß das Beste und war im Herz nicht frei. - Und er hört‘ die Kanonen, sein Herz wurd‘ hart wie Stein, - der Führer konnt’s nicht lohnen und wähnt‘ sich ganz allein. - Sie sah die bunten Reigen durch die Menge fliehn, ein Jüngling tat sich neigen, sie in die Meute ziehn. - Das Mädel mochte zaudern, - zum Tanzen trieb ihr Sinn; ihr Körper fasst‘ ein Schaudern, und dann gab sie sich hin.
Der Mond war aufgegangen, im Grase ruht‘ sie aus, der Knabe regt Verlangen, sie drängte schnell nach Haus. - Er konnt‘ nicht von ihr lassen, erhitzte rasch das Blut, wie magisch sich umfassend und stillten ihre Glut. - Dann lief sie in die Ferne, mit Tränen im Gesicht, es blinkten tausend Sterne; doch die da oben sah sie nicht. - Sie ließ sich heut‘ betören, brach ihren heil’gen Schwur; zum Himmel tat sie schwören: „Ich lieb den Einen nur!“
Hinauf blickt‘ sie zum Hange, dort, wo der Wilhelm thront, sie betete ganz lange; doch sie wurde nicht belohnt. - Da irrt‘ sie zu den Auen, dort stieg sie in die Flut, ein Schiffer sah mit Grauen die Weser voller Glut. - Ihr Liebster floh vom Graben, er sprang gleich hintendrein; die Liebe musst ihn laben, konnt‘ ohne sie nicht sein.

Und unser Kaiser Wilhelm hoch über’m Wesertal bedenkt die kühne Treue noch heut‘ ein manches Mal.

Geistiges Eigentum, lg Fleder.







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