Das Leben ist wertvoll - Teil 9

Autor: Anna :)
veröffentlicht am: 19.06.2011


Morgana war froh, als diese grauenhafte Person endlich gegangen war.
Warum musste mit solch einer Mutter gestraft sein? Warum musste sie solch einen Mann haben? Hatte sie denn gar kein bisschen Glück im Leben verdient? Sie betastete ihren Bauch.
„Du bist mein Glück“, flüsterte sie. Als Antwort drückte sich ein winziger Fuß gegen die Bauchdecke, genau dort, wo Morganas Hand lag.

„Es tut mir so unendlich leid, was Ihnen passiert ist. Das hätte ich nie von Ihrem Mann gedacht.“ Dr. Elijah Griffin saß auf einem Stuhl an Morganas Bett und hatte den Kopf in die Hände gestützt.
„Er schien mir so klug und gebildet und besorgt.“
„Das ist er auch. Er liebt mich zu sehr, um das hinzunehmen, was ich tun will“, entgegnete Morgana. Sie freute sich über Griffins Besuch. Der Doktor seufzte. Er war nach Schichtende so schnell wie möglich zum Krankenhaus geeilt, um seine Patientin zu besuchen. Jetzt, nachdem sie ihm ihr Herz ausgeschüttet hatte, machte er sich an seine üblichen fachmännischen Feststellungen.
„Es grenzt an ein Wunder, dass Ihr Baby diesen Schlag überlebt hat“, sagte er, griff nach Morganas Hand und drückte sie fest.
Sie schaute ihn ernst an. „Und ich hoffe auf ein weiteres Wunder.“
Der Arzt seufzte. „Mrs. Evans“, sagte er geduldig. „Das Kind ist sehr geschwächt nach diesem Unfall. Sogar eine Spätabtreibung ist dadurch nun sehr kompliziert geworden. Es ist fast unmöglich, das Baby zu gebären.“
„Es ist bereits ein kleines Wunder geschehen“, antwortete Morgana und sah den Doktor eindringlich an. Sie erwiderte seinen Händedruck sehr fest. Griffin sah die eben noch kränkliche kleine Gestalt in dem Krankenhausbett an. Gerade eben war sein Respekt vor ihr bis ins Unermessliche gestiegen. Ihr Mann hatte ihr das Undenkbare angetan und der entschlossene Blick in ihren Augen war trotzdem nicht erloschen.
„Sie sind eine starke Frau“, sagte er. Und einen Moment später: „Aber ich habe vor langer Zeit aufgehört, an Wunder zu glauben.“ Er stand auf und verschränkte die Arme hinter dem Rücken.
„Ich habe Abtreibungen durchgeführt, ich habe Menschen für tot erklärt, ich habe schwerwiegende Operationen durchgeführt und ich habe noch nie ein Wunder miterlebt. Ich habe Menschen sterben sehen, Mrs. Evans, ihre Geister suchen mich nachts heim…“
„Und was ist mit den guten Erlebnissen?“, unterbrach Morgana ihn energisch. „Sie haben Müttern ein Stück Lebensglück gegeben, ihnen ihre Babys gebracht. Jedes Strahlen in den Augen einer Frau, die gerade ihr Baby zum ersten Mal in den Armen hält, ist doch Gold wert, oder nicht, Doktor? Wo sind denn all die guten Sachen in ihrem Gedächtnis. Sie haben Leben gerettet-“
„Und zerstört.“
Morgana seufzte tief. „Sie sind Arzt, kein wunderreicher Gott.“
Griffin wandte sich ihr zu. „Ja“, sagte er. „Und deswegen muss ich Ihnen mitteilen, dass Sie Ihr Baby nicht bekommen können.“
Morgana kniff die Augen zusammen. „Das werden wir ja sehen.“

In dieser Nacht schlief Morgana unruhig. Als der Zeiger der weißen Wanduhr bereits auf drei fünfundzwanzig stand, fuhr sie plötzlich schweißgebadet im Bett hoch.
„Dave!“
Sie schaute sich im Zimmer um und im nächsten Moment wurde ihr klar, dass sie nur von ihrem Mann geträumt hatte. Jetzt erinnerte sie sich auch an den Traum. Die beiden lagen auf einer grünen Wiese. Um sie herum schwirrten Schmetterlinge und die Sonne stand hoch am Himmel. Dave streichelte ihr übers Gesicht. Dann stand er auf. Morgana sah den Traum so klar, dass er fast real wirkte. Dave kniete sich vor Morgana hin. In seiner einen Hand lag ihre, und in der anderen hielt er einen wunderschönen Diamantring, der die Strahlen der Sonne auffangen, und sie in tausend Strahlen wiederzuspiegeln schien.
Morgana blieb bei seinem Anblick die Luft weg.
„Morgana Afflec, willst du meine Frau werden?“ Dieser Satz kam so klar und rein, dass ihr unwillkürlich im dunklen Zimmer des Krankenhauses die Tränen übers Gesicht liefen.
Doch bevor sie Ja sagen konnte, geschah etwas Grauenvolles. Der Himmel verdunkelte sich, die Sonne erlosch. Daves Hand, die gerade noch ihre Hand gehalten hatte, zerfloss zwischen ihren Fingern. Der Ring fiel auf den Boden, der nunmehr aus verbranntem Gras bestand. Entsetzt durchlebte Morgana diesen Traum noch einmal, Daves Körper, wie er vor ihren Augen zerfloss. Und an seiner Stelle, zart und zerbrechlich, lag nun auf dem brachen Land ein kleines Baby, das mit großen blauen Augen zu ihr hoch schaute. Das letzte, was Morgana noch mitbekam, bevor sie schweißgebadet aufgewacht war, war die hohe, schrille Stimme des Babys, welches sie laut „Mommy!“ nannte und die fleischigen Ärmchen nach ihr ausstreckte. Es war ein Mädchen.






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