Das Leben ist wertvoll - Teil 8

Autor: Anna :)
veröffentlicht am: 15.06.2011


Hallo Leute, ich hab eine kleine "Schreibpause" eingelegt. Jetzt hab ich weitergeschrieben, ich hoffe, der Teil ist besser :)
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Am darauffolgenden Tag bekam Morgana eine leichte Dosis Morphium, von der sie sehr schläfrig wurde und gegen Mittag auch einschlief.
Sie wurde von einer sanften Berührung geweckt. Vor ihr stand, mit einem breiten Lächeln im Gesicht, eine große Krankenschwester. Ihre dunklen Augen musterten Morgana forschend und die schwarzen kurzen Haare standen ihr wirr vom Kopf ab.
„Mrs. Evans?“
„Ja“, sagte Morgana schläfrig. Sie mochte es nicht, wenn sie jemand gewaltsam aus dem Schlaf holte.
„Hier ist Besuch für Sie. Ihre Mutter.“
Morgana fuhr hoch. Ihre Mutter? Die Person, die sie am meisten hasste? Sie war hier?
„Soll ich sie hereinbitten?“, fragte die Schwester immer noch lächelnd.
Morgana nickte leicht. Die Schwester ging hinaus und wenig später trat Gwendolin Afflec ein. Morgana musterte die hochgewachsene Person mit dem schlanken Körper und den geschmeidigen Bewegungen. In den neun Jahren, in denen die beiden sich nicht mehr begegnet waren, hatte Gwendolin nichts von ihrer herben Schönheit eingebüßt. Nun sah sie ihre Tochter mit einem abschätzenden Blick an. Sie hatte die Bindung zwischen Dave und Morgana nie akzeptiert und nach der Heirat den Kontakt zu ihrer Tochter abgebrochen. Sie war eine Frau, die es gewohnt war, sich durchzusetzen. Deswegen war sie umso verletzter und wütender gewesen, als sie in ihrem schicken Penthouse von der Heirat der beiden erfahren hatte.
Morgana musterte ihre Mutter ebenso abschätzig. Sie hatte die große, schöne Frau immer verehrt, zu ihr aufgeblickt, immer versucht, für sie perfekt zu sein. Daran war sie in jungen Jahren fast zerbrochen. Egal was sie versuchte, ein Verein, Ballet, Chor, in allem war sie für ihre Mutter zu schlecht gewesen. Gwendolin hatte Morgana insgeheim verabscheut, ebenso wie ihren Mann, den sie kurz vor Morganas achtzehntem Geburtstag verließ. Ein selbstmitleidiger Mann mit Halbglatze und Bierbauch. Sie war nicht bereit gewesen, wegen ihm ihre Jugend zu verschwenden. Sie war froh gewesen, als Morgana, die nichtsnutzige, sie ewig anhimmelnde Morgana, endlich das Haus verließ.
An eine Szene konnte sich Morgana jetzt, im Krankenhausbett, noch erinnern. Sie war ausschlaggebend für den Hass gewesen, den sie neun Jahre lang in sich trug. Es war der Tag der Abreise, ein Studium an einer Universität und Morgana, damals neunzehn Jahre alt, stand an diesem sonnigen Junitag bei dem wartenden Taxi. Gwendolin, kühl und abweisend wie immer, kam nur aus Pflichtbewusstsein, um ihre Tochter zu verabschieden. Als Morgana ihren steinernen Gesichtsausdruck sah, fragte sie mit einer Traurigkeit in der Stimme, die selbst dem Härtesten das Herz berührt hätte: „Liebst du mich denn überhaupt nicht?“
Die Antwort kam grausam und kalt. „Nein.“
Morgana hatte nur genickt, war eingestiegen und eine sehr lange Zeit nicht mehr zurückgekehrt.
Jetzt stand ihre Mutter hier, nach neun Jahren, im Krankenhaus.
„Was willst du hier?“, fragte Morgana genauso kühl wie ihre Mutter es immer zu sagen pflegte.
„Ich habe von deinem Missgeschick gehört.“ Die blasierte, gleichgültige Stimme einer verbitterten dreiundfünfzigjährigen Frau. Gwendolin machte keine Anstalten, auf ihre Tochter zuzugehen, sie zu umarmen, ihr Mut zuzureden. Sie stand einfach nur da, in ihrem Chanelkostüm. Fast meinte Morgana eine Spur von Genugtuung in ihrer Stimme zu hören.
„Ach, und es interessiert dich?“, sagte Morgana spöttisch.
„Ich habe dich immer vor diesem Mann gewarnt.“
„Und da hast du deine Bestätigung. Soll ich mich jetzt bei dir entschuldigen?“, entgegnete sie bissig. „Du hast dich neun Jahre lang nicht gemeldet. Warum bist du hier? Um dich über mich lustig zu machen?“
Jetzt kam Gwendolin auf das Bett zu, wahrte jedoch einen gewissen Abstand. Die kleine braunhaarige Schwester hatte ihr von Morganas gelegentlichen Wutanfällen erzählt.
„Nein.“
„Warum bist du dann hier?“
„Um dich zu sehen.“
Morgana schnaubte. „Du hast es neun Jahre lang versäumt, meinst du, ein Tag macht alles wieder gut?“
„Du bist meine Tochter, ich habe die Pflicht, dir nach solch einem schweren Vergehen beizustehen.“
Morgana schaute ihre Mutter an. „Seit dem Tag, an dem ich zur Universität gegangen bin, bist du für mich gestorben.“
Ihre Mutter schien das nicht sonderlich zu verwundern. Sie wusste bereits von dem Hass ihrer Tochter.
Morgana wünschte sich in diesem Moment ihre Großeltern in das sterile Krankenhauszimmer. Sie fielen aus der Reihe bei den selbstsüchtigen, reichen Generationen der Afflecs. Es waren unglaublich freundliche, warmherzige Menschen gewesen, immer darauf bedacht, jedem alles recht zu machen. Seit dem Tag, an dem beide gestorben waren, war ein Teil von Morganas Herz mit ihnen gegangen.
„Egal wie groß dein Hass gegen mich ist, kein Mensch hat das Recht, meiner Tochter so etwas anzutun.“ Gwendolin ballte die Hände. „Schon mal gar nicht dieser miese- “
„Es interessiert dich doch gar nicht, was er mit mir gemacht hat“, fuhr Morgana ihre Mutter an. „Und es geht dich einen Dreck an. Du bist nicht mehr meine Mutter!“
Gwendolin stand empört auf. In ihrem Gesicht lag ein Ausdruck von Verachtung und grenzenlosen Hochmuts.
„Du bist genauso wenig wert wie dein Vater“, sagte sie herablassend und ging erhobenen Hauptes aus dem Raum.







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