Das Leben ist wertvoll - Teil 2

Autor: Anna :)
veröffentlicht am: 24.05.2011


Hey Leute,
ich wollte nur mal sagen (zu den Skeptikern) dass ich die Geschichte nicht irgendwie von Parisienne abgekupfert habe. Ich hab die nämlich schon fertig gehabt, als ich noch gar nichts von Parisienne wusste :D
Also gebt doch bitte auch anderen Arzt-Geschichten eine Chance, nicht nur Parisiennes.
LG Anna :)
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Die neun Wochen kamen Morgana wie eine Ewigkeit vor. Sie konnte es kaum erwarten, mehr über ihr Baby zu erfahren und es endlich wieder zu sehen. Auch wenn der Ultraschall nicht besonders genau oder scharf war, durchströmte sie jedes Mal, wenn sie an diesem Arztbesuch zurückdachte, ein unglaublich warmes Gefühl. Sogar Daves abendliche Verführungen konnten sie nicht von diesem Gedanken ablenken. Es war einfach wundervoll, mit anzusehen, wie sich ihr Bauch jede Woche mehr und mehr wölbte. Die kleine Erhebung wurde immer größer und Morgana merkte sogar, wie ihr Kind wuchs. In der achtzehnten Woche, am Freitag, geschah dann etwas Wunderbares. Als sie gerade dabei war zu duschen, spürte sie am Bauch eine kleine Erhebung. Sie tastete danach und fand einen winzigen Fußabdruck, der sich durch die Bauchdecke nach außen drückte. Beim Anblick des Fußes mit den fünf kleinen Zehen wurde ihr etwas schwindelig. Sie wusste, dass Föten manchmal so etwas machten, oder sogar gegen die Bauchdecke traten, doch es war etwas völlig anderes, davon zu hören oder es selbst zu spüren. Wundervoll. Himmlisch. Unbeschreiblich. Dave hatte dann nach einigen Tagen das Ritual eingeführt, ihren Bauch jeden Abend vor dem Schlafengehen zu streicheln, mit ihm zu reden, dem Baby zuzuhören. Sie fand das unheimlich süß und war sich sicher, dass Dave mal ein guter Vater werden würde. Kurz vor dem Arztbesuch, um genau zu sein, fünf Tage davor, entdeckte Morgana eine weitere Neuheit. Sie hörte gerne klassische Musik, wobei Dvôráks neunte Symphonie ihr Favorit war. Und jedes Mal, wenn sie dieses Lied hörte, spürte sie eine Ruhe durch sich hindurchfließen, die einzig und allein vom Baby ausging. Es bewegte sich nicht mehr, es zappelte, trat und drückte nicht. Es lag still in ihrem Bauch und Morgana war sich absolut sicher, diese beruhigende Wirkung kam von der Musik.

„Das ist durchaus möglich“, sagte Dr. Griffin und schaute über das dünne Brillengestell auf seiner Nase hinweg in Morganas Gesicht. „Manchmal hat eine bestimmte Musik eine außergewöhnliche Wirkung auf einen Fötus. Er hört diese Klänge und beruhigt sich dadurch.“ Morgana nickte. Sie hatte das schon angenommen.
„Manche Föten reagieren so auch auf den Klang der Stimme der Mutter.“
Morgana entblößte die runde, pralle Bauchkugel und legte sich auf den Rücken. Griffin musterte ihren Bauch und legte schließlich ein Ohr an die Bauchdecke. „Ich höre es“, sagte er leise und lächelte leicht.
Morgana erwiderte das Lächeln und wartete gespannt auf das Bild des Ultraschalls. Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, bis endlich etwas auf dem Bildschirm zu sehen war. Sie hatte feuchte Hände, die sich erst entspannten, als sie den kleinen Kopf sah. Er sah so ganz anders aus als bei der ersten Untersuchung. Sie sah die einzelnen Finger und Zehen und der Kopf war gewachsen. Jetzt konnte sie Nase, Mund, Augen deutlich sehen. Die wohlbekannte Wärme durchfuhr sie wieder einmal und die Tränen rannen ihr in Strömen über die Wangen.
Griffin sah sie an und lächelte. Er reichte ihr ein Taschentuch, ganz der verständnisvolle Onkel Doktor, und wandte sich wieder dem Bildschirm zu.
Er fuhr eine ganze Weile mit dem Schallkopf auf ihrem Bauch herum und schaute Morgana schließlich wieder an. Er runzelte die Stirn. Morgana sah fragend zurück. Sein Stirnrunzeln ging in ein Grinsen über. „Glückwunsch, Mrs. Evans“, sagte er. „Es ist ein Mädchen.“ Morgana schlug die Hände vor den Mund. Nicht, dass sie nicht genauso viel Liebe für einen Jungen empfunden hätte, aber diese Erkenntnis des Geschlechts ließ sie noch ein Stück mehr für das kleine Wesen empfinden. Jetzt war das Baby kein „es“ mehr, sondern eine „sie“.
„Noch ein Taschentuch, bitte“, schluchzte Morgana und Griffin gab es ihr immer noch lächelnd.
Als er weiter mit dem Schallkopf auf ihrem Bauch herumgekurvt war, stockte er jedoch plötzlich und weitete ungläubig die Augen, immer noch den Blick auf den Bildschirm gerichtet. Er sah erschüttert aus, was so gar nicht zu dem Dr. Griffin passte, den Morgana sonst kannte.
„Oh mein Gott“, stieß er hervor und wandte sich mit schreckgeweiteten Augen an Morgana.
Ihr brach kalter Schweiß aus. Irgendetwas stimmte nicht.
„Was ist denn Doktor?“, fragte sie vorsichtig.
Griffin fuhr sich mit der Hand durch die dichten Haare und leckte sich über die Lippen. Er schaute sich verwirrt um. So etwas hatte er noch nie gesehen. Sicher, er kannte es, er hatte darüber gelesen, es studiert, doch in seiner gesamten Laufbahn als Gynäkologe hatte er es noch nie wirklich zu Gesicht bekommen. Er räusperte sich.
„Ich möchte Sie nicht verunsichern, Mrs. Evans“, sagte er und stand auf. „Aber wir müssen unbedingt eine Amniozentese durchführen.“
Morgana runzelte die Stirn. „Eine was?“, fragte sie.
Der Doktor wischte sich mit einem Tuch über die Stirn. „Eine Fruchtwasseruntersuchung.“
Morgana riss die Augen auf. „W-warum? Warum, Doktor, stimmt etwas mit meinem Kind nicht? Es…es ist doch alles in Ordnung, o- oder nicht?“, stotterte sie. Fruchtwasseruntersuchung! Schnell, aber mit Risiko für Mutter und Kind. Sie überlief ein Schauer.
Griffin leckte sich wieder über die Lippen. „Ich will Sie nicht beunruhigen und Ihnen schon mal gar keine Angst machen, Mrs. Evans, aber ich würde lügen, wenn ich sage, dass alles in Ordnung sei.“
Morgana riss die Augen auf. „Was ist denn los, Doktor? Sagen Sie es mir!“, sagte sie. Ihr Angst zu machen hatte er nicht beabsichtigt aber genau das hatte er geschafft.
„Ich werde morgen die Amniozentese durchführen“, murmelte er. „Ich will Sie, wie gesagt, nicht beunruhigen, es ist nur eine Vermutung.“ Er begann, ihr den Bauch abzuwischen und nuschelte dabei immer wieder „nur eine Vermutung“. Morgana kam gar nicht dazu, ihn zu fragen, was er gesehen hatte. Er gab ihr nur die Uhrzeit des Termins und schob sie dann zur Tür hinaus. Morgana kam völlig konfus zu Hause an und verbrachte den gesamten Abend in Angst um ihre Tochter.

„Ich sage dir doch, da stimmt was nicht!“
Morgana und Dave waren im Schlafzimmer. Nachdem sie ihm von dem Vorfall erzählt hatte, war eine heftige Diskussion entstanden und am Ende saß Morgana mit roten Wangen und erhitzter Haut auf dem Bett. Sie war fertig.
„Er wird schon wissen, was er tut“, redete Dave auf sei ein. „Er ist ein Doktor.“ Er sagte das, als ob die Tatsache, dass Griffin ein Arzt war, alle Zweifel zunichte machen würde. Dave seufzte, setzte sich neben sie und legte einen Arm um ihre Schulter. „Es wird schon nichts Ernstes sein“, sagte er aufmunternd und sah sie an. Morgana brach fast das Herz. Er war so lieb, so umsorgend, und sie machte hier einen auf Xanthippe und keifte durch die Gegend.
„Du hast wohl Recht“, seufzte sie versöhnt und schmiegte sich an ihn. Es tat gut, jetzt eine starke Schulter zu haben und Morgana genoss es, in zu spüren, zu riechen und in seiner Nähe zu sein. Er sah in ihr Gesicht und lächelte sanft. „Du bist so schön“, sagte er unerwartet. Morgana wurde rot. Dave nickte. „Das stimmt. Und damit“, er zeigte auf ihren prallen Bauch „bist du noch schöner als je zuvor.“
Ihr wurde abwechselnd heiß und kalt und ein angenehmer Schauer jagte den anderen. Er hatte so etwas schon oft gesagt, aber immer wieder tat es unendlich gut, es aus seinem Mund zu hören.
„Du kannst dich aber auch sehen lassen“, antwortete sie lächelnd. Egal, wie sauer sie auf ihren Mann war, jedes Mal, wenn er so mit ihr redete, war sie sofort wieder versöhnt. Das war zwar eine Schwäche, aber das war ihr egal, denn diese Schwäche war einfach wundervoll.







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