Insel des Vergessens - Teil 2

Autor: Jana
veröffentlicht am: 13.05.2011


Hey!
Beim vorigen Teil ist mir aufgefallen, dass ich einmal "William" statt "Jason" geschrieben habe und auch beim Prolog den letzten Absatz mitgeschickte habe. Den hatte ich eigentlich gelöscht, weil er mir nicht mehr als passend erschien, aber scheinbar hat er sich wieder eingeschlichen... blödes Ding!:D

Und hier das nächste Kapitel:)

Zweites Kapitel
„Sag bloß, ihr habt schon wieder einen neuen Mitbewohner?“ Verdutzt musterte Jenny mein verschlossenes Gesicht. „Ich dachte dein Bruder hatte dir versprochen, keinen neuen Typen mehr anzuschleppen, nachdem die letzten paar Male in einer totalen Katastrophe endeten?“
Catherine seufzte und strich sich resigniert eine Strähne ihres schwarzen Haares aus dem Gesicht. „Du kennst meinen Bruder nicht gut genug. Ich hätte wissen müssen, dass er wieder einen Grund finden würde, einen neuen Mitbewohner anzuschleppen. Er hält es alleine mit mir nicht aus und das kann ich ihm nicht einmal verübeln.“
Kritisch ließ Jenny ihren Blick über Catherine schweifen und schüttelte ungläubig den Kopf. „Das kann ich mir nicht vorstellen. Wir kennen uns schon lange genug, Catherine, und ich glaube dein Bruder übertreibt. Er ist eine Mimose. Er hält nicht einmal die Laune eines pubertierenden Teenagers aus, obwohl er selbst einmal unerträglich war.“
Noch einen kurzen Moment hielt Catherine den Blick ihrer besten Freundin stand, doch dann wandte sie sich der Tafel zu, um die Emotionen, die sich unbändig in ihren Augen spiegelten, zu verbergen. „Vielleicht hast du Recht“, sagte sie und überflog die Notizen, die in weißer Kreideschrift auf schwarzem Tafelhintergrund prangten. Ablenkung. Der Mensch kann nicht in einem einzelnen Lebensbereich recht tun, während er in irgendeinem anderen unrecht tut. Das Leben ist ein unteilbares Ganzes. Ein Zitat nach Mohandas Karamchand Gandhi.
Bekannt als Mahatma Gandhi, war er ein indischer Freiheitskämpfer und war, als er im Jahre 1948 erschossen wurde, bereits eine große Legende. Er inspirierte mit seinem Konzept des gewaltfreien Widerstandes und dem Festhalten an der Wahrheit bereits einige bekannte und weltgeschichtlich wichtige Persönlichkeiten wie Martin Luther King.
„Ein bemerkenswerter Mann“, sagte Catherine gedankenversunken.
„Was?“ Verwirrt runzelte Jenny die Stirn.
„Mahatma Gandhi. Ich frage mich, wie die Welt heute ohne ihn aussehen würde.“
Einige Sekunden fixierte das brünette Mädchen ihre Freundin zynisch und schüttelte anschließend verständnislos den Kopf. „Manchmal werde ich nicht aus dir schlau, Catherine. Hast du mir überhaupt zugehört, was ich dir gesagt habe?“
Catherine seufzte und richtete sich auf ihrem Stuhl auf. „Du sagtest, dass du meinen Bruder für verrückt hältst und ich dem neuen Mitbewohner die Hölle heiß machen solle, damit er bald verschwindet. Zufrieden?“
Jenny rümpfte die Nase und wandte sich ab. „Manchmal sind deine Launen echt unmenschlich. Man bekommt Schleudertrauma davon.“
„Langsam müsstest du dich daran gewöhnt haben“, ein kleines Lächeln stahl sich auf Catherines Gesicht. „Zumindest bekomme ich mit meinen Launen nervige Menschen relativ schnell los. Es wird mir nicht schwer fallen, William zu vergraulen. Arroganter Schnösel.“ Sie runzelte die Stirn und malte gedankenverloren irgendwelche Zeichnungen in ihr Heft. „Er hat eine unheimliche Ausstrahlung. Man könnte sich glatt vor ihm fürchten.“
„Das hast du schon oft über irgendwelche Typen gesagt, Catherine. Hör auf immer nur Schlechtes in den Menschen zu sehen. Fang endlich einmal an zu vertrauen, es wird dich nicht umbringen.“
Wenn du wüsstest, liebe Jenny. Wenn du wüsstest. Sie wünschte sich, mit ihrer Freundin über all das reden zu können, doch egal wie sehr sie sich dies auch ersehnte, sie wusste, dass sie sie damit in Gefahr bringen würde. Egal wie sehr sie sie liebte und ihr vertraute, Jenny hatte nichts in ihrer Welt zu suchen. Es gab eine bestimmte Grenze, die sie niemanden überschreiten lassen durfte. Zum Schutz ihrer selbst und aller anderen.
„Ich werde es lernen“, sagte sie schließlich nur und pfefferte ihren Stift zurück ins Mäppchen. Es war nicht immer leicht mit all dem, was sie durchmachen musste, alleine zu sein. Sie hätte gerne einen Menschen gehabt, bei dem sie Schwäche zeigen durfte, einen Menschen, zu dem sie hingehen und ihm alles erzählen konnte.
Doch sie wusste, dass dies niemals möglich sein würde. Und alle andere Wesen in ihrer Heimat würde sie niemals vertrauen können. Nie.
„Wie sieht er eigentlich aus, dein eingebildeter Schnösel? Genau so heiß wie Jason?“, fragte Jenny grinsend. Catherine war der Interesse ihrer besten Freundin an ihrem Bruder sehr wohl bewusst. Doch sie hatte sich fest vorgenommen, sie niemals in seine Nähe zu lassen. Er war wie sie selbst, nicht sonderlich menschlich und er war der rebellischere, unbeherrschtere von ihnen Beiden. Er wandelte zwar unter Menschen, wie sie selbst und konnte das, was er war verbergen. Doch er hatte sich nicht immer unter Kontrolle, wenn er mit einem Mädchen alleine war. Manchmal überkam ihm die Begierde. Und das konnte tödlich enden.
Catherine schob die Gedanken vor sich und zwinkerte ihrer Freundin zu. „Viel besser. An seinem Aussehen ist wirklich nichts auszusetzen. Sein Sex-Appeal ist ganz oben, er ist muskelbepackt und eindeutig gefährlich...“
„Blablabla“, unterbrach Jenny sie genervt. Catherine wusste, dass das brünette, etwas pummelige Mädchen nichts über ihr Misstrauen gegenüber William wissen wollte. Doch Catherine konnte nicht lassen, es zu erwähnen, um Jenny vor ihm zu warnen. „Stellst du mich ihm einmal vor? Es interessiert mich, mit wem du nun wieder dein Haus teilen musst.“
Natürlich war das eine lausige Lüge. Jenny war schon seit Jahren auf der Suche nach ihrem perfekten Mann mit dem perfektem Aussehen. Jedes Mal, wenn sie erfuhr, dass Catherine einen neuen Mitbewohner hatte, der dazu noch ein Freund von Jason war, galt ihre einzige Interesse diesen Kerl kennenzulernen. Die letzten Male war es Catherine gelungen ihre Freundin von den Typen fernzuhalten, denn sie waren gefährlich und kein guter Umgang für einen Menschen. Doch das konnte sie Jenny nicht sagen. Sie hatte jedes Mal Ausreden erfinden müssen und sich dadurch schon einen gewaltigen Streit mit ihr eingehandelt.
Doch das war es ihr wert. Sie würde Jenny niemals sagen können, was sie und ihr Bruder waren. Nicht, dass es etwas Neues war, dass Wesen wie Vampire, Werwölfe, Nymphen, Elfe oder Feen oder andere Wesen unter den Menschen wandelten. Den Menschen war dies durchaus klar. Sie pflegten sogar bewussten, täglichen Umgang mit ihnen. Allerdings hatten genug Wesen die Macht, zu verbergen was sie waren. Und das konnte gefährlich sein, denn es lag in der Natur des Menschen, mit ihrem Vertrauen nur so um sich zu verwerfen.
Catherine selbst wollte weiterhin als Mensch gelten. Sie hatte die nötige Macht, auszusehen und sich zu bewegen, benehmen und zu sprechen, wie es ein menschliches Wesen tat. Je weniger von ihrer wahren Existenz wussten, desto sicherer war es für jeden anderen und für sie selbst.
„Erde an Catherine, jemand da? Könntest du bitte aufhören, Löcher vor dich in die Luft zu starren? Dabei siehst du echt wahnsinnig gruselig aus...“
Kurz hielt Catherine noch Inne und biss sich auf die Lippen. Ein äußerst schlechtes Gewissen nagte aufgrund der Geheimnisse, die sie vor ihrer besten Freundin haben musste, an ihr. Doch sie sperrte all diese Gefühle zurück in ihr Inneres und raffte sich zusammen. „Tut mir leid. Ich bin heute etwas unkonzentriert. Habe nicht sonderlich gut geschlafen.“
Zum zweiten Mal heute, seufzte Jenny. „Ist in Ordnung, ich kenne dich ja. Aber was ist nun? Werde ich diesmal deinen Mitbewohner kennenlernen oder wirst du ihn wieder vor mir verbergen?“
In diesem Moment wurde der Philosophieunterricht von einem schrillen Läuten unterbrochen und so blieb Catherine Jenny vorerst eine Antwort schuldig.

„Was gibt es zu Essen?“ Fragend lugte Catherine in die silberne Töpfe auf dem Herd, in denen eine rötliche Flüssigkeit vor sich hin köchelte. Der Wasserdampf, der gen Decke stieg wurde von einer Lüftung oberhalb der Platten aufgefangen und aufgesogen.
„Ist das Bolognese?“, fragte sie und rümpfte die Nase. „Hast du nicht gesagt, du lässt dir eine neue Leibspeise einfallen? Ich kann dein Essen nicht einmal mehr riechen. Es hängt mir bis zu den Ohren raus.“
„Zicke!“, lachte ihr Bruder und trat hinter sie. „Du brauchst nichts davon zu essen, wenn du nicht willst. Wenn es dir nicht passt, dann koch selber oder gehe irgendwo anders essen. Das habe ich dir schon oft genug gesagt.“ Grinsend nahm er einen blauen Kochlöffel zur Hand und schob seine Schwester zur Seite.
„Du weißt, dass es zu teuer ist, woanders essen zu gehen. Wir haben kein Geld, also wie wäre es, wenn du ausnahmsweise auch einmal etwas kochst, was ich essen möchte?“ Kritisch beobachtete sie Jason, wie er weiterhin ruhig in den Töpfen herumrührte und lehnte sich mit verschränkten Armen und dem Rücken an die Küchentheke. „Du weißt, dass ich es meide, Fleisch zu essen und trotzdem stellst du jeden Tag etwas auf den Tisch, das nicht vegetarisch ist.“
„Vielleicht will ich ja damit bezwecken, dass du nicht so viel isst? Dadurch sparen wir eine Menge Geld und ich weiß doch, dass du ein kleiner Fresssack bist.“ Er zwinkerte ihr schelmisch zu. Mit einer einzigen fließenden Bewegung stand Catherine hinter ihm und bleckte die Zähne. „Sehr witzig.“
„Schlechte Nacht gehabt, nehme ich?“
Sie trat einige Schritte zurück, um ihre Kontrolle zurückzuerlangen.
Jason drehte sich zu ihr um und musterte sie schweigend. „Wenn du kein Fleisch isst, wird deine Laune nur noch schlimmer. Du brauchst es. Und das weißt du. Es wird nicht besser, wenn du es meidest.“
„Aber es wird auch nicht besser!“, fauchte sie und wandte sich von ihm ab, damit er das zornige Feuer in ihren Augen nicht sah. Es war normal, dass sie leicht reizbar war. Ihr Temperament war feurig. Ein falsches Wort und sie konnte ausrasten.
Unter Menschen war es ihr leichter, sich zu beherrschen, denn da wusste sie, dass sie andere ernsthaft verletzen konnte, wenn sie sich vergaß. Doch ihr Bruder war stark, hatte genug Kraft sich ihrer zu erwehren. Bei ihm konnte sie sich gehen lassen, denn es kostete sie unendlich Kraft, ihr Inneres unter Kontrolle zu halten.
„Im Gegenteil!“, fuhr sie mit zittriger Stimme fort. „Esse ich Fleisch, füttere ich damit das, was in mir ist! Es wird stärker werden, und das weißt du. Also zwing mich nicht dazu. Ich weiß, was gut für mich ist. Besser als du!“
Lautlos trat er hinter sie, packte ihr Handgelenk und drehte sie zu sich um. Sie hätte sich sekundenschnell los reisen können, doch sie ließ ihn gewähren. „Catherine, schau mich an!“
Doch sie ließ ihren Blick gesenkt. Sie wusste, was er in ihren Augen sehen würde. Er würde ihre fürchterliche Angst sehen, gemischt mit dem Feuer des Biestes, das in ihr tobte. „Schau mich an, habe ich gesagt!“, zischte er, nahm ihr Gesicht zwischen ihre Hände und zwang sie so, seinen Blick zu erwidern. „Du brauchst das Essen, du brauchst die Kraft. Wenn du kraftlos wirst, kannst du dich nicht mehr wehren. Das wäre genau so schlimm.“ Als ihr wütendes zittern nicht abnahm, strich er ihr beruhigend mit den Daumen über ihre Wangen. „Beruhig dich, es ist okay.“
Das half immer. Ihr Bruder war der einzige, der sie so schnell in Rage und ebenso schnell wieder beruhigen konnte.
Wahrscheinlich, weil er der einzige war, vor dem sie keine Geheimnisse haben musste.
Sie atmete tief durch, streckte den guten Teil ihres Geistes weit in ihrem Körper aus und drängte das Dunkle zurück in seine Ecke. Das Zittern ließ nach und auch ihre Augen normalisierten sich.
„Tut mir leid“, sagte sie schließlich und seufzte. „Es ist so schwer, nicht wegen jeder Kleinigkeit auszuflippen, wenn ich mich den ganzen Tag unter den Menschen unter Kontrolle haben muss. Ich hasse es, alles an dir auszulassen.“
„Ich weiß“, sagte er sanft und drückte ihr einen leichten Kuss auf die Stirn, bevor er sie losließ, um sich wieder seinen Töpfen zuzuwenden. „Das Essen ist gleich fertig. Ich überlasse es dir, ob du etwas davon zu dir nimmst oder nicht.“
Catherine schwieg und setzte sich schließlich an den Tisch. „Isst unser neuer Mitbewohner nicht mit?“





Teil 1 Teil 2 Teil 3 Teil 4 Teil 5 Teil 6 Teil 7


© rockundliebe.de - Impressum Datenschutz