Das Ende des Schweigens - Teil 9

Autor: Anna :)
veröffentlicht am: 19.05.2011


Ok DAS ist jetzt der vorletzte Teil ;)
LG


Jack war also wirklich zum Fitnesscenter gegangen.
Als sie oben angekommen war, atmete sie erleichtert ein. Geschafft. Doch als sie die Tür zum Zimmer ihrer Tochter berührte, wurden ihre Knie wieder weich. Sie stellte sich die grausamsten Bilder vor. Jack, wie er Amy-Jane schlug, sie trat, nur um seine Wut auszulassen. Kiara kam sich so schuldig vor. Ihre Tochter hatte wegen ihrer blöden Flucht bestimmt viel leiden müssen.
Doch als Kiara eintrat und Amy-Jane gleichmäßig atmend in ihrem Bett liegen sah, ohne Schrammen, Blutergüsse oder einem blauen Auge, fiel ihr ein Stein vom Herzen. Dort wo sie stand, fiel sie auf die Knie und dankte Gott dafür, dass ihre Tochter gesund war.
Leise schlich sie zur schlafenden Amy-Jane und berührte sanft ihre Wange. Sie war vor zehn Tagen sieben geworden. Ihre wunderschöne Amy-Jane. Kiara strich ihr eine schwarze Strähne aus dem Gesicht und betrachtete sie. Das Mädchen war ihr immer ähnlicher gewesen als Jack. Schwarze Haare wie Kiara, grüne Augen wie Kiara und denselben entschlossenen Blick wie Kiara. Ganz die Mutter. Kiara schnaubte. Jack hatte so etwas Wundervolles wie Amy-Jane gar nicht verdient.
„Hey“, flüsterte sie leise. Ihre Tochter riss sofort die Augen auf. Sie hatte einen leichten Schlaf. Ihre großen Augen blickten erschrocken hin und her.
„Nein, Daddy, bitte nicht.“ Doch als sie ihre Mutter erblickte, rannen ihr augenblicklich Tränen über die Wange.
„Mom!“, rief sie und fiel Kiara um den Hals. Diese kniete starr daneben. Was hatte ihre Tochter gesagt? `Nein, Daddy, bitte nicht`?
Sie verhärtete sich. Dieses Schwein, dieses miese, feige Schwein!
„Hat er dich geschlagen, Kleines?“, fragte sie ihre Tochter.
Amy-Jane schüttelte den Kopf. „Nein, aber er hat mir gedroht, Mommy, er hat mir gedroht, mich im Keller einzusperren. Er hat mich nicht nach unten gelassen. Den ganzen Tag musste ich hier oben bleiben.“
Ihr rannen weitere Tränen über ihr kleines Kindergesicht. Kiara nahm sie in den Arm. Sie fühlte sich so schuldig.
„Es tut mir so leid, Kleines“, sagte sie mit unterdrückter Wut und küsste ihre Tochter auf die Stirn. „Ich lasse dich nie wieder allein mit ihm. Du kommst mit mir.“ Amy-Jane nahm das Gesicht ihrer Mutter zwischen beide Hände und sah sie an. „Du bist schön, Mommy“, sagte sie lächelnd. „Deine Wunden sind weg und deine Lebensfreude ist wieder da. Ich fühle es.“
Kiara stiegen die Tränen in die Augen. Sie hatte ganz vergessen, wie klug ihre Tochter war. Sie war nicht der Typ Kinder, denen man noch vom Weihnachtsmann und Knecht Ruprecht erzählen konnte.
„Ich habe dich so vermisst, mein Schatz“, stieß sie hervor. Doch da geschah etwas, was Kiara die ganze Zeit über befürchtet hatte.
Ihr Handy klingelte.
„Lou?“, fragte sie sofort.
Lous hektische, aufgebrachte Stimme. Das konnte nichts Gutes bedeuten.
„Er ist da, Mrs. C! Er kommt ins Haus!“ Sie sprang auf und im selben Moment hörte man unten die Haustüre aufgehen.
„Ruf die Polizei, Lou!“, flüsterte sie. „Verdammt noch mal, ruf die Polizei!“
Sie legte auf und blickte sich gehetzt um.
„Geh wieder ins Bett“, sagte sie so leise wie möglich zu ihrer Tochter.
Gott sei dank war Amy-Jane scharfsinnig genug, nicht weiter zu fragen und kroch angstzitternd in ihr Bett.
Kiaras Blick fiel auf den großen Kleiderschrank. Ohne nachzudenken hastete sie darauf zu, riss die Tür auf und hockte sich hinein. Sie ließ einen winzigen Spalt offen. Ihr Timing war nicht zu spät und nicht zu früh. Im selben Augenblick ging die Tür auf und er kam herein. Er. Jack.
Sie wich zurück. Ein Schauer jagte den anderen und ihr brach der kalte Schweiß aus. Geistesgegenwärtig suchte sie mit einer Hand im Dunkeln nach irgendeiner Waffe, doch sie fand nur unnützes Spielzeug.
„Mit wem hast du geredet?“, hörte sie Jacks Stimme. Rau. Nicht die Stimme eines liebenden Vaters. Amy-Jane spielte die Ahnungslose.
„Ich weiß nicht was du meinst, Daddy“, sagte sie naiv. „Ich hab geschlafen, bis du hereingekommen bist.“
Lou, beeil dich, dachte Kiara verzweifelt, doch im selben Moment wurde sie von der dröhnenden Stimme ihres Ex-Mannes aus den Gedanken gerissen.
„Ich weiß doch wohl, was ich gehört habe!!“, brüllte er Amy-Jane an, die unwillkürlich ihre Decke höher zog.
„N-nein, D…Daddy…“, begann sie ängstlich und warf einen flehenden Blick zum Kleiderschrank. Kiara versteifte sich. Doch da ertastete ihre Hand etwas Langes, hartes. Kiara hob es vor ihre Augen und erkannte einen alten, aber stabil aussehenden Gardienenstab.
In diesem Moment packte Jack seine Tochter am Arm und kam ihr ganz nahe. Amy-Jane konnte seinen Atem riechen. Er stank nach Alkohol.
„Du sagst mir jetzt sofort, wer bei dir war!“
Das war der Zeitpunkt, wo Kiara der Kragen platzte.
„Ich würde sterben für sie“, hatte sie zu Lou gesagt und jetzt in diesem Augenblick war sie tatsächlich dazu bereit. Sie schob lautlos die Schranktür auf und kletterte hinaus. Den Gardienenstab fest in der Hand und eine ordentliche Portion Wut, die ihr fast die Gedanken nahm, holte sie weit aus und lies ihn auf Jacks Schädel niedersausen. Amy-Jane sprang auf und rannte in die hinterste Ecke des Zimmers. In ihren Augen stand nackte Angst.
Kiara grinste. Was für eine Genugtuung, Jack, den beherrschten und herrschenden Jack, so zu sehen. Doch er erholte sich körperlich schneller als seelisch.
„Du!“, stieß er hervor.
„Ja, ich, Jacky“, antwortete sie kalt und hielt ihn mit dem Stab auf Abstand.
Ohne die Augen von ihm zu wenden, sagte sie zu ihrer Tochter: „Mach das Fenster auf, Kleines, und versuch, an der Regenrinne herunter zu klettern.“ Sie kniff die Augen zusammen. „Dein Vater wird dir nichts mehr tun.“
Amy-Jane öffnete zögernd das Fenster, welches hinter ihrer Mutter auf der sicheren Seite lag und schaute nach unten. „Das kann ich nicht, Mom, es ist zu hoch. Wenn ich runterfalle-“
„Du wirst nicht runterfallen, Kleines“, unterbrach Kiara sie. „Ich weiß, dass du es kannst.“
Das Mädchen zögerte wieder, kletterte dann aber auf den Sims und fasste die regennasse Rinne an. Im selben Augenblick, und zu schnell für Kiara, packte Jack die Gardinenstange und riss sie mit einem Ruck aus ihren Händen.
„Meinst du etwa, das hält mich auf?“, fragte er spöttisch. Kiara riss die Augen auf. Doch die Wut siegte schließlich gegen die Angst und mit einem lauten Schrei stürzte sie sich auf ihren Ex-Mann. Jack ging zwar ins Fitnesscenter, doch wieder einmal war er nicht darauf gefasst, dass sich eine Frau wehren konnte. Kiara kämpfte mit allen Mitteln. Doch Jack war stärker. Er war schließlich ein Mann. Am Ende hatte er seine Frau im Schwitzkasten und blies ihr seinen alkoholisierten Atem ins Gesicht.
„Du siehst gut aus“, sagte er mit einem widerlichen Grinsen im Gesicht. Kiara würgte. Sie bekam kaum noch Luft.
Jack stieß sie verächtlich zu Boden. „Aber früher hast du mir doch besser gefallen, mit den schönen roten Flecken im Gesicht.“
Er beugte sich über sie und legte eine Hand um ihren Hals.
Sein Gesichtsaudruck sprach Bände. „Hast du wirklich geglaubt, du könntest einfach abhauen, mich stehen lassen und dann die Frechheit haben, wieder zu kommen?“, fragte er mit zusammengebissenen Zähnen. Kiara spuckte ihm ins Gesicht, obwohl sie kaum noch Luft bekam. Wenigstens das sollte ihm in Erinnerung an sie bleiben.
„Mommy!“
Sie sah ihre Tochter unschlüssig am Fenstersims stehen.
„Verschwinde!“, röchelte Kiara. „Bring dich in Sicherheit. Ich werde schon mit ihm fertig.“
Die Sicht verschwamm und Kiara wusste nicht, ob Amy-Jane weg war oder immer noch da stand. „Jetzt bring ich dich wirklich um“, knurrte Jack wütend. Kiara bekam immer weniger Luft. Ihr Blick verschwamm immer mehr, aber trotzdem hatte sie ein Lächeln auf den Lippen. Auf Wiedersehen Amy-Jane, dachte sie. Wenigstens ihre Tochter hatte sie in Sicherheit gebracht, und das war alles was zählte.
„Ich werde es genießen.“ Sie hörte Jacks Stimme nur von weit weg, sein Bild wurde immer unklarer.

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