Das Ende des Schweigens - Teil 8

Autor: Anna :)
veröffentlicht am: 18.05.2011


Und der vorletzte Teil :D


Kiara versuchte, während sie redete, James Dearing aus ihren Gedanken zu verbannen, aber so richtig bekam sie es einfach nicht hin. Doch als sie Lou die Geschichte von ihr und Jack erzählte, und was der Grund für den Elternbesuch war, gelang es ihr schon besser, sich nur auf dieses Thema zu konzentrieren.
„Er wollte Sie umbringen?“, keuchte Lou mit weit aufgerissenen Augen. Kiara nickte. Lou tat ihr auf einmal leid und sie wünschte sich, ihm nie davon erzählt zu haben. Er hatte auch ohne ihre Probleme am Hals ein schweres Leben. Als Taxifahrer verdiente man nicht allzu viel. Doch langsam gewann bei Lou mehr die Wut als das Entsetzen die Oberhand.
„Wie kann ein Mensch so grausam sein?“, sagte er empört, als Kiara geendet hatte.
Sie hob die Schultern. „Lou, ich brauch deine Hilfe. Ich kann dich auch gerne bezahlen, wenn…“
„Nein, nein, nein!“, unterbrach Lou sie. „Ich helfe Ihnen gerne Mrs. C. Wer weiß, was Ihr Mann mit Ihrer Tochter alles anstellen könnte.“ Er warf die Hände in die Luft.
Armer Lou, dachte Kiara stirnkrausend. Doch als sie ihm von ihrem ziemlich fantastischen Plan erzählte, brach er schließlich in sein allbekanntes, dröhnendes Lachen aus. Als er sich wieder gefangen hatte, sagte er immer noch kichernd: „Tut mir leid, Mrs. C. aber so ein Plan kann nicht gut gehen.“
Kiara stockte.
„Wieso denn nicht? Ich war mir der Sache eigentlich ziemlich sicher gewesen.“
Lou wurde ernst und schüttelte den Kopf. „Haben Sie allen ernstes gedacht, dass Jack Sie nicht wieder erkennen würde?“
Stille. Kiara runzelte die Stirn. „Na ja, ich dachte…“
„Sie dachten wahrscheinlich, mit der passenden Maskerade klappt das schon, oder?“ Kiara staunte. Lou war ja ziemlich scharfsinnig. Sie lief rot an.
„Scheisse“, murmelte sie. „Du hast Recht.“ Sie schlug sich an die Stirn. „Wie konnte ich nur so blöd sein zu denken, dass dieser Plan klappt?“
Den Kopf auf die Hände gestützt, saß Kiara da und dachte nach. „Wie soll ich denn sonst in Jacks Haus kommen?“, fragte sie schließlich.
Lous Antwort war simpel. „Durchs Fenster.“
Sie hob den Kopf. Wieder ein Moment Stille. Dann grinste sie schließlich.
„Mein Gott, Lou, du bist genial.“
„Na ja, das ist eigentlich die typische Einbrecher – Nummer“, entgegnete er bescheiden.
„Ich bin heute nicht besonders auf der Höhe, tut mir leid“, seufzte sie und dachte gleichzeitig an den attraktiven Kellner. Vielleicht war sie deswegen so verwirrt.
Nach einem weiteren Moment Stille beugte sie sich vor und umarmte Lou.
„Danke dass du mir hilfst“, sagte sie.
Lou winkte ab. „Tu ich doch gerne. Wann wollen Sie denn…na Sie wissen schon…“
Kiara verstand. „Morgen Abend. Dann geht Jack für gewöhnlich immer ins Fitnesscenter.“
Lou runzelte fragend die Stirn.
„Um seine Wampe zu trainieren“, fügte sie grinsend hinzu.
Lou nickte. „Okay, soll ich Sie um acht Uhr abholen?“
Kiara dachte nach. „Nein, lieber um Neun. Er geht ziemlich spät.“
„Alles klar, Mrs. C.“
Kiara kniff die Augen zusammen. „Wir machen ihn ordentlich fertig, Lou.“
Er lies sein Pferdegrinsen erscheinen.
„Ja.“

Es war schwül, als Kiara am nächsten Tag vor das Haus trat. Ihre Eltern waren natürlich nicht besonders begeistert von ihrem Plan gewesen.
„Kiara, Schatz, das ist mir zu gefährlich“, hatte ihr Vater vorwurfsvoll gesagt und ihre Mutter hatte angeboten, lieber die Polizei zu verständigen. Aber Kiara blieb hartnäckig und hielt an dem Plan fest. Schließlich hatten ihre Eltern keine andere Wahl und mussten sie gehen lassen. Als sie an der Tür stand, lies Evelyn Anderson ein kleines Lächeln erscheinen.
„Du warst schon immer dickköpfig“, hatte sie gesagt und ihrer Tochter liebevoll über die Wange gestrichen.
Jetzt wartete Kiara in der Einfahrt. Weil sie Hochsommer hatten, war es noch relativ hell, auch zu dieser späten Stunde. Sie atmete tief ein. Die Luft roch elektrisiert und überall sah man kleine Schwärme Insekten nah am Boden fliegen. Sie kündigten ein Sommergewitter an. Kiara liebte die Momente vor solch einem Gewitter. Es war schwül und die drückende Luft roch nach Erde. Die kleinen Insekten retteten sich unter die schützenden Blätter. Ein winziger Wassertropfen war schon tödlich für sie.
Kiara fühlte sich gut. Kein Auto fuhr die kleine Straße entlang. Die Schule lag ihr gegenüber, ein steinerner hässlicher Betonklotz, der jetzt völlig dunkel war. Sie bemerkte Lous Wagen schon von weitem, da kein anderes Geräusch zu hören war. Der Chevrolet hielt knatternd vor der Einfahrt und Kiara stieg ins Auto.
„Das perfekte Wetter, finden Sie nicht, Mrs. C?“, fragte Lou grinsend.
„Ja, ein sehr schönes Wetter.“
Lou sah sie an. „Das könnte ein Vorteil für uns sein, wenn keine Menschen auf den Straßen sind.“
Kiara nickte, doch dann verdunkelte sich ihr Blick. „Er lässt Amy-Jane so spät abends noch allein, obwohl er genau weiß, dass sie vor Gewittern Angst hat.“
Lou sagte nichts. Er fuhr zielsicher die Straßen entlang, immerhin war er Taxifahrer und kannte Emeryville in - und auswendig. Die ersten Regentropfen fielen auf die Windschutzscheibe. Als sie über die Bay Bridge an der Yerba Buena Island fuhren, sah Kiara die Tropfen auf das Wasser platschen, welches sich zusammen mit dem Himmel immer weiter verdunkelte.
„Marin City ist nicht mehr weit“, nuschelte Lou. „Wenn ich in diesem Tempo weiter fahre, sind wir in einer Dreiviertelstunde da.“
Kiara zupfte nervös an ihrer Jacke herum. Was, wenn Jack noch da wäre? Wenn er auf sie wartete?
„Das ist ziemlich unwahrscheinlich“, kommentierte Lou. „Er weiß ja gar nicht, dass Sie Ihre Tochter holen wollen, oder?“
Kiara schüttelte den Kopf. „Nein Lou. Er weiß, dass ich Amy-Jane liebe, mehr als ihn, mehr als mein Leben. Ich würde sterben für sie. Und er weiß auch, dass ich irgendwann versuchen würde, sie zu mir zu holen.“
Sie lies ein kleines Lächeln erscheinen. „Aber dieser Schwachkopf denkt dabei eher an Gerichtsverfahren und Anwaltskämpfe.“
Lou grinste. „Mit einer so energischen Frau rechnet er wohl nicht.“
Es war grau und stürmisch draußen. Die wind- und regengepeitschten Häuserreihen flogen an ihnen vorbei und manchmal war der Donner so laut, dass Kiara ihre eigenen Worte nicht verstand.
Endlich waren sie da. Jacks Haus lag dunkel und unheilvoll zu ihrer Rechten. Ihre Beine fingen unwillkürlich an, zu zittern.
„Scheisse“, murmelte sie. Lou nahm ihre Hand und drückte sie. „Keine Angst, Mrs. C. Wenn Sie in der nächsten Viertelstunde nicht draußen sind, rufe ich die Polizei und komme rein.“
Kiara lächelte. „Danke, Lou.“ Sie gab ihm ihre Handynummer.
„Falls er doch früher kommt, ruf mich so schnell wie möglich an, okay?“
Lou nickte und zog sein altes Samsung heraus.
Kiara stieg aus. Ihre Beine waren wie aus Butter. Der Wind schlug ihr unbarmherzig entgegen und innerhalb kurzer Zeit war sie völlig durchnässt. Doch zielstrebig ging, oder besser gesagt, schlich sie auf das Küchenfenster im Erdgeschoss zu und zog probeweise daran. Es bewegte sich kein Stück. Mist. Egal, weiter zum nächsten. Doch das Wohnzimmer- wie auch das Arbeitszimmerfenster waren fest verschlossen. Erst das kleine Bullauge im Badezimmer gab nach. Kiara zog ihren trainierten kleinen Körper daran hoch und arbeitete sich langsam durch das winzige Fenster vor. Von oben sah sie schon die weißen Kacheln. Das Fenster hing tief, also kein Problem für sie, ohne Aufsehen zu erregen, ins Haus zu gelangen. Leise wie eine Katze glitt sie zu Boden und schlich auf Zehenspitzen zur Tür. Schweißperlen liefen ihr die Stirn herab, vermischt mit Regentropfen. Kiara stockte. Ihre Schuhe machten zu viel Lärm. Sie zog sie aus und stellte sie hinter die Tür. Weiter.
Kiara zog die Tür auf. Bevor sie hinaushuschte, warf sie einen Blick auf die Badewanne. Wie oft hatte Jack sie dort hineingestoßen, sie geschlagen, getreten und auf sie gespuckt. Manchmal hatte sie danach noch Stunden dort und gelegen und leise geweint.
Sie wandte sich verächtlich dem Flur zu, der vor ihr lag. Das war Vergangenheit. Sie war jetzt ein neuer Mensch, und sie würde sich nie wieder von diesem Mistkerl unterbuttern lassen.
Die Dielen des Flures knirschten bei jedem Schritt und auch die Treppe war nicht leiser. Kiara hielt den Atem an und erst, als ihr schwindelig wurde, holte sie wieder Luft. Nicht das geringste Geräusch war zu hören.

Kommis und Kritik ;)





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