Die Stille der Nacht - Teil 2

Autor: chanti95
veröffentlicht am: 29.03.2011


„Ich bin Sam.“
„Ich nehme an, dein voller Name ist Samantha?“
„Ja“, brachte ich heraus. Ich mochte es nicht, wenn mich jemand Samantha nannte. Dann fühlte ich mich immer so schwach und klein. Ich überlegte angestrengt. Wenn Damian wirklich seinen Freund suchte, der normalerweise einen Rappen reitet, dann konnte es doch gut sein, dass sein Freund der Tote war?!
„Damian, wie hiess das Pferd deines Bekannten?“, fragte ich.
„Ich glaube, er hiess Manuk, oder so etwas. Auf jeden Fall war es Arabisch und hiess `König`.“
Mir stockte der Atem. „Malik.“
„Ja, genau, Malik hiess er“, sagte er nun. Er blickte mich misstrauisch an. Ich wusste, was er dachte. Er dachte, ich hätte das Pferd gestohlen. Stimmte ja auch.
„Das ist Malik, nicht wahr? Was hast du mit John gemacht?“ John? Wer war John? War das der Reiter gewesen? Was sollte ich nun machen? Konnte ich ihm sagen, was ich wusste, und wenn ich es ihm sagen würde, würde er mir glauben? Ich beschloss, ihm zu vertrauen. Allerdings würde ich nicht alles erzählen.
„Dein Freund ist tot. Ich habe gehört, wie sich zwei Männer über ihn unterhalten haben, sie waren froh darüber, dass er tot ist. Da hab ich mir das Pferd genommen und bin weg geritten.“
Er sollte nicht wissen, dass ich schon mehrere Tage lang auf so eine Gelegenheit gewartet hatte, um ein Pferd zu stehlen.
Offenbar hatte Damian seine Zweifel, er liess es sich jedoch nicht richtig anmerken.
„Nun gut. Wenn du mir das beweisen kannst, werde ich dir glauben.“
Was? Wie, um Himmels Willen, soll ich denn einen Mord beweisen?
„Wie kann ich es dir beweisen?“
„Bringe mich zu der Leiche.“
„Nein.“
„Warum nicht?“
„Weil seine Begleiter gesehen haben, dass ich das mit angehört habe und mich auf dem Pferd wegreiten sahen. Ich werde bestimmt nicht zu ihnen reiten!“
„Dann muss ich dich wohl bei der Polizei abliefern!“
Ich schalt mich selber. Warum hatte ich nur diesen Rastplatz gewählt? Weshalb konnte ich nicht weiter reiten und an einem anderen Ort rasten? Wenn er mich ausliefern würde, dann wusste ich, was auf mich wartete: Gefängnis. Wäre ich aus gutem Hause gekommen, hätte ich nur eine Geldstrafe bekommen, aber so musste ich garantiert ins Gefängnis.
„Ich zeige es dir. Aber wenn die Männer kommen, wirst du mir helfen! Ich will nämlich nicht sterben!“ Verzweifelt wartete ich auf die Antwort.
„Gut. Wir brechen sofort auf.“
Mir gefiel sein herrischer Ton nicht, mir passte es nicht, dass er mir nach kaum 5 Minuten Bekanntschaft schon einen Befehl gab. Aber ich beugte mich, um mich selber nicht noch mehr Ärger aufzuhalsen.
Ich sattelte also den verwirrten, schwarzen Hengst wieder, zog ihm das Zaumzeug an und band die Satteltaschen fest. Ich schwang mich auf ihn hinauf und ritt dann voraus.
„Ich würde dir raten, nicht weg zu reiten. Sonst bist du nämlich echt in der Patsche“, warnte mich Damian vor.
Ich wusste jetzt schon, dass die ganze Aktion nach hinten losgehen würde. Wir ritten ohne Pause bis zu dem Ort, an dem die Leiche lag. Von weitem schon sah ich die braune Stute und den weissen Wallach.
„Dort sind sie. Die haben deinen Freund umgebracht“, sagte ich zu meinem Begleiter. Dieser nickte kurz, blieb jedoch stumm. Als wir bei den Reitern angekommen waren, hatten diese schon mir unbekannte Schusswaffen in der Hand. Der hochgewachsene Mann ging auf Damian zu, während der andere immer noch auf mich zielte.
„Hallo, Damian.“
„Charlie. Wie ich höre, ist es erledigt?“
„Ja, ist es. Er ist tot. Seine Leiche liegt immer noch dort.“
Was? Damian steckte mit denen unter einer Decke? Nein, das konnte doch nicht sein.
„Aber ihr habt Fehler gemacht. Wie konntet ihr so dumm sein und sie mithören lassen?“, fragte Damian aufgebracht. Charlie, der grosse Mann, zuckte entschuldigend mit den Schultern.
„Ich will mal nicht so sein. Immerhin ist sie hier und John ist tot. Tom, hol sie runter.“
Der Mann, der bisher mit seiner Waffe auf mich gezielt hatte, kam zu mir herüber, während Charlie den schwarzen Hengst festhielt. Tom zog mich vom Pferd, und obwohl ich mich wehrte, schaffte er es, meine beiden Handgelenke mit einer Hand festzuhalten, mit der anderen Hand drückte er mir die Waffe in den Rücken. Damian hatte inzwischen ein Seil aus seinen Satteltaschen geholt und warf es Charlie zu. Dieser fesselte mit einer Hand meine beiden Handgelenke, während er immer noch Malik festhielt. Tom nahm das Seil und gab die Waffe an Charlie ab. Danach packte er mich an den Armen und zerrte mich in den Wald hinein. Nicht weit entfernt vom Waldrand war eine kleine Lichtung mit einem Feuerplatz in der Mitte. Um diesen Feuerplatz herum lagen drei Schlafsäcke. Tom band das Seil so an den Baum, dass ich bequem sitzen konnte und ging dann wieder zu den Pferden. Kurz darauf kamen die drei Männer mit den vier Pferden und banden diese ebenfalls an die umstehenden Bäume. Mir fiel auf, dass alle drei immer wieder prüfende Blicke zu mir warfen. Malik starrte mich unverwandt an, ich konnte seine Intelligenz spüren, mit der er mich betrachtete. Ich glaube, er wusste, weshalb ich da gefesselt am Boden sass.
Der Tag verging sehr schnell. Ich war so erschöpft, dass ich immer wieder mal einschlief. Die Männer sammelten Holz, richteten das Lager ein oder pflegten die Pferde. Als die Sonne untergegangen war, brannte schon ein Feuer, dessen Wärme eigentlich gar nicht nötig gewesen wäre. Schliesslich war es zu dieser Jahreszeit immer warm, selbst in der Nacht. Inzwischen war ich schon wieder müde, allerdings konnte und wollte ich nicht einschlafen. Gerade setzte sich Charlie zu Tom und Damian.
„Was machen wir nun? Wir können sie doch nicht da sitzen lassen“, sagte Tom gerade.
„Bringen wir sie um!“, schlug Charlie mit einem seltsamen Leuchten in seinen schwarzen Augen vor. Charlie kam mir unheimlich vor, er war ziemlich bleich, hatte schwarzes Haar und dunkelbraune Augen, obwohl man meistens das Gefühl hatte, dass seine Augen ebenfalls schwarz seien. Er hatte eine dunkle Aura und das machte mir wirklich Angst. Charlie war das pure Gegenteil von Damian.
Tom war noch einmal anders. Seine blauen Augen waren wunderschön, ausserdem hatte er strohblondes Haar, genau so wie Damian. Tom schien mir von den dreien bisher am nettesten. Er hatte mich zwar etwas grob behandelt, allerdings hatte er mich noch nicht einmal „das Ding“ genannt, Charlie hingegen schon. Mir gefiel es nicht, dass ich den dreien so ausgeliefert war.
„Wir werden sie nicht umbringen!“, sagte Tom aufgebracht. Er wandte sich nun an Damian.
„Wenn du das zulässt, dann bist du dran! Glaub mir, auch wenn ich dein Bruder bin, mache ich dir die Hölle heiss!“
Ich war geschockt. Deshalb sahen sich die beiden so ähnlich! Ich konzentrierte mich wieder auf das Gespräch.
„Keine Angst, Tom. Wir werden ihr nichts tun. Vorerst kommt sie mit uns mit, wir werden schauen, was mit ihr passiert. Tom, ich übergebe dir die Verantwortung. Pass auf sie auf. Und du, Charlie, wirst sie nicht anrühren. Sie ist zwar eine Gefangene, aber wir werden ihr nicht weh tun.“
Ich sah, wie Charlie mürrisch das Gesicht verzog. Anscheinend bereitete es ihm Freude, anderen Menschen Schmerzen zuzufügen. Diese Erkenntnis verstärkte meine Angst noch mehr.
„Wie lange werden wir noch hier bleiben?“, fragte Charlie mit seiner schleimigen Stimme.
„Morgen früh reisen wir ab. Wir müssen hier verschwinden. Wenn jemand aufkreuzt und Johns Leiche entdeckt, sind wir geliefert“, antwortete Damian. Er blickte kurz hinüber, wand jedoch sofort wieder den Blick ab. Dann fuhr er fort. „Gehen wir schlafen. Wir brauchen unsere Kräfte morgen.“
Charlie und Damian legten sich in ihre Schlafsäcke und schliefen scheinbar sofort ein. Tom verschwand noch kurz von der Lichtung und kam mit einem Gewehr wieder. Er schleifte seinen Schlafsack an einen Baum neben mir, legte das Gewehr auf die andere Seite und setzte sich. Mit glühenden Augen betrachtete er mich. Er musterte mich. Sein Blick wanderte von meinen dunkel-blonden Haaren über mein Gesicht den gefesselten Körper herab. Ich hatte kurze, ausgefranste Jeans an, die, wie ich nun feststellte, extrem dreckig waren. Mein Top mit den Spaghetti-Trägern hatte ich auch schon mehrere Tage nicht mehr gewechselt, auch das sah man. Das einst orange Top war inzwischen schlammbraun. Meine Schuhe waren recht ausgetreten. Einst waren es mal schöne, schwarze Turnschuhe gewesen, die sich wunderbar anfühlten. Inzwischen waren sie recht dreckig und alt, allerdings waren sie immer noch bequem. Ich wurde von seiner Stimme aus den Gedanken gerissen.
„Weißt du, Damian ist gar nicht so ein Arsch, wie er immer tut. Er kann ganz nett sein. Vor ihm musst du keine Angst haben. Aber bleib weg von Charlie. Der ist echt ein mieser Vollidiot.“
Schon wieder schaute er mich mit diesem Blick an, den ich nicht einordnen konnte. Er hatte seine Arme vor der Brust verschränkt und lehnte an den Baum. Ich schätze sein Alter auf etwa 22, das heisst, etwa 4 Jahre älter als ich. Ich schaute ihm direkt in die Augen. Was für schöne Augen das waren! Halt, was dachte ich denn! Ich konnte doch nicht den Mann, der mich bewachen musste, attraktiv finden! Oder doch? Doch, ich fand, dass Tom ein echt schöner Mann war. Nein! Ich durfte so nicht denken. Immerhin hielt er und sein Bruder mich gefangen. Nein, ich durfte ihn nicht schön finden. Ich löste meinen Blick von seinem und starrte gerade aus. Das Feuer brannte nur noch schwach und beleuchtete inzwischen nur noch die Schlafsäcke. Ich suchte nach Malik. Er stand immer noch bei den anderen Pferden. Natürlich. Was denn sonst?!
Ich wagte einen Blick zu Tom. Auch er schaute zu den Pferden hinüber.
Ich spürte meine Erschöpfung, mehr als jemals zuvor. Meine Augen schlossen sich von selbst und langsam glitt ich in einen traumlosen Schlaf.






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