Wunderschön !? - Teil 9

Autor: Sternchen
veröffentlicht am: 02.05.2011


Samstag, fünf Uhr morgens. Müde tappte Sergej in die Küche, stellte die Kaffeemaschine an. Vorsichtig schlich er ins Zimmer seiner Mutter. Leer. Sie hatte doch am Vorabend nur ein Geschäftsessen gehabt…
Eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter.
„Guten Morgen Sergej, mein Großer. Es ist noch was dazwischengekommen, ich komme vielleicht nicht zurück, bevor du losmusst. Du weißt ja, wann dein Zug kommt. Gute Fahrt! Küsschen!!!“
Was dazwischengekommen. Das war ungefähr die Krönung seiner miesen Osterferien. Sergej betrat nochmals das Zimmer seiner Mutter. Das Bild seines Vaters stand nicht mehr auf dem Nachttisch.
Von wegen ‚Geschäftsessen‘. Wütend zerrte er seine Reisetasche in den Flur, trank dann hastig eine Tasse heißen Kaffee und schüttete den Rest in eine Thermoskanne. Putzte sich die Zähne und zog sich ein blaues T-shirt an, und verließ die Wohnung.
Sergej nahm den Bus zum Bahnhof, wo er sich ein belegtes Brötchen zum Frühstück kaufte, und setzte sich schließlich um 06.05Uhr in den Zug.
Der Rest der Zeit verbrachte er mit dösen, richtig schlafen konnte er nicht, denn der Manager auf dem Platz vor ihm telefonierte lautstark (so früh am Morgen!)
Nachdem er umgestiegen war (er hätte wegen einer Verspätung beinahe seinen Anschlusszug verpasst) saß neben ihm eine alte Oma, die immer wieder beinahe einnickte und einmal im Halbschlaf auf Sergejs Schulter sabberte. Alles in allem war er froh, als er um 10.00Uhr endlich im Internat ankam. Er war der Erste.
Einige würden noch am Nachmittag eintreffen, die anderen erst Sonntag.
„Morgen, Sergej!“, begrüßte ihn Herr Girschner, als Sergej sich bei ihm im Büro anmeldete. Was danach passierte, wusste Sergej später nicht mehr. Sobald er auf seinem Zimmer angekommen war, übermannte ihn der Schlaf.
Das nächste, was er wahrnahm, war Frederick, der an ihm rüttelte.
„Alter, aufstehen!“, rief er und schubste Sergej vom Bett zu Boden. Sergej brummte genervt.
„Ich bin hier normalerweise der, der pennt! Wie waren die Osterferien?“
„Beschissen.“ Sergej hievte sich zurück aufs Bett und drehte sich mit dem Kopf zur Wand.
„Mann, es ist schon gleich um drei. Steh mal auf!“
„WAS?!“, ruckartig sprang Sergej aus dem Bett und kam zufällig (zum Glück!) auf seinen Füßen zu stehen. „Ist Aurelius schon da?“
„Äh, keine Ahnung… Was willst du überhaupt von dem? ICH bin da! Aber da gibt es mal wieder keine Reaktion.“, verständnislos schüttelte Frederick den Kopf. Doch Sergej hörte ihn schon gar nicht mehr. So schnell er konnte, rannte er zum Waschraum. Eigentlich hatte sich Aurelius seit dem Frühlingsball NUR dort aufgehalten. Direkt vor der Tür des Waschraumes rannte er in Aurelius hinein.
„Aurelius! Wie lange bist du schon da?“
„Vielleicht ‘ne halbe Minute!“, brummte Aurelius.
Sergej rannte zum Fenster. Das klapprige Auto von Aurelius‘ Großvater stand noch im Hof. Ebenso Josephine.
Sergej sah an sich herunter. Sein T-shirt war völlig zerknittert und der Oma-Spuckefleck war sehr deutlich zu sehen. Igitt!
Nun hastete Sergej zurück in sein Zimmer, vorbei am verdutzten Frederick, zerrte ein halbwegs sauberes Hemd aus seiner Tasche und schlüpfte aus dem dreckigen T-shirt.
Während er die Stufen heruntereilte, schloss er die Knöpfe.
Auf dem Hof verabschiedete sich Josephine gerade von ihrem Großvater, der sie und Aurelius gebracht hatte.
„Hallo. Ich hab mich dafür gemeldet, dein Pate zu sein.“, grüßte Sergej außer Atem. Jeder ‚Neuling‘ im Internat bekam einen Paten zur Verfügung gestellt, der ihm dann in den ersten Wochen helfen sollte.
Der alte Mann lachte ein fröhliches Lachen und sagte mit seinem norddeutschen Dialekt: „Du bist doch der Sergej, nicht? Da ist meine Enkelin ja erst mal gut aufgehoben.“
Er umarmte Josephine ein letztes Mal, stieg dann umständlich in seinen Audi und fuhr los.
Sie sah dem hellblauen Auto nach. Sergej musterte sie. Ihre rote Strickjacke, die Brille, die braunen Schuhe. Ihre blonden Locken schauten aus einer roten Strickmütze, passend zur Jacke, hervor.
„Was ist?“, fragte sie.
„Och, ich wundere mich nur ein bisschen. Als ich hier neu war, habe ich, als meine Mutter weggefahren war, erst mal eine Stunde lang geheult wie ein Schlosshund.“, gestand er grinsend.
„Hab ich schon hinter mir, als ich mich von meinen Eltern verabschiedet habe.“, gab sie zu.
„Komm, ich helfe dir mit dem Gepäck.“
Josi hatte eine große Tasche dabei und ihren Schulranzen auf dem Rücken. Sergej nahm die Tasche und sie gingen gemeinsam zum Büro der Mädchenbetreuerin.
„Eigentlich komisch, dass Aurelius dir nicht hilft. Also, ich mach‘ das sehr gerne, schließlich bin ich jetzt dein Pate, aber als dein Cousin einfach abzuhauen…“
„Tja. Er ist generell irgendwie komisch, seit den Ferien.“, nickte sie. Aurelius klopfte an die Tür und stellte die Tasche im Flur ab. Sie betraten den kleinen Raum. Am Tresen stand ein jüngeres Mädchen und die Hausmutter war voll damit beschäftigt, ihr zu erklären, warum sie das Zimmer hatte wechseln müssen.
„Davor war Aurelius aber auch schon merkwürdig.“, setzte Sergej das Gespräch fort. „Ich meine, er verbringt jede freie Minute im Waschraum, ist immer in Gedanken versunken und sieht jeden böse an, er ihm über den Weg läuft. Ich würde sagen, das ist schon seit einigen Wochen so.“
In diesem Moment war das Mädchen vor ihnen fertig und Josi an der Reihe.
„Hallo, ich bin Josephine Harms. Ich sollte mich bei Ihnen melden?“
„Aha, die Neue. Also: Ich bin Frau Meier-Kern, die Hausmutter. Das ist dein Zimmerschlüssel, die Zimmernummer steht hinten drauf. Hier hast du noch einen Zettel mit der Hausordnung, deinen Stundenplan… und … ach ja, neunzehn Uhr ist Abendessen, da erfährst du dann nochmal allen hinsichtlich Bettruhe und so weiter.“
„Gut, danke.“ Josi nahm den Schlüssel und die Papiere entgegen.
„Solltest du irgendwann irgendwelche Probleme oder Fragen haben, wendest du dich bitte an mich.“, erklärte die Betreuerin.
„Welche Nummer steht auf deinem Schlüssel?“, fragte Sergej.
„B017“, las sie vor.
„Das heißt dann zweiter Stock, Zimmer siebzehn.“
Sie öffnete die Zimmertür.
„Was fällt euch ein, das ist mein Zimmer!“, tönte ihnen eine altbekannte, schrille Stimme entgegen. In der Tür stand Anna, die mit der einen Hand wedelte, in der anderen ein Fläschchen Nagellack hielt.
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der nächste teil ist schon fast fertig. ich würde gern wissen, wie ihr die geschichte findet bzw. was ich besser machen sollte. also bitte kommentieren :)





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