Wunderschön !? - Teil 8

Autor: Sternchen
veröffentlicht am: 26.04.2011


„Was ist?“, Wilma sah Aurelius schwer atmend an, als er den Tanz beendete, indem er sie losließ und sich vor ihr verbeugte. „Machst du schon schlapp?“
„Natürlich nicht. Ehrlich gesagt würde ich gern öfter mit dir tanzen gehen. Aber im Moment habe ich eine andere Idee.“, er griff ihre Hand und zog sie nach draußen. Die kühle Luft schlug ihnen entgegen und Aurelius zog Wilma ein Stück mit sich zur Wiese hinter dem Schulgebäude.
Sie setzten sich auf eine Bank und Wilma blickte ihm forschend ins Gesicht. „Was hast du vor?“
„Ich wollte dir etwas sagen.“ Aurelius war lange nicht mehr unsicher gewesen. Eigentlich wusste er immer genau, was er tat.
„Was denn?“, fragte sie.
„Ich … ich glaube… ich liebe dich.“, Aurelius war selbst überrascht, wie verwundert er klang. „Du kennst mich: Ich sage das nicht einfach so, ich meine es ernst. Wenn ich dich sehe, muss ich lächeln und neulich, bei diesem Gedichtvortragen in der Aula – Wilma, ich habe mich in dich verliebt.“, sagte er noch einmal. Er lachte unsicher auf. „Äh ja, das wäre jetzt eigentlich ein guter Zeitpunkt für dich, mir das gleiche zu sagen…“
Sie schluckte und sah von ihm weg. „Ich… Mir geht’s grad nicht mehr so gut, vielleicht werde ich krank. Ich gehe mich hinlegen.“ Wilma schien wirklich etwas blass.
„Wilma? Hab ich was falsch gemacht?“, rief Aurelius in die Dunkelheit. Dann ging er ihr nach.
„Wilma!“
Aber sie war schon verschwunden. Langsam lief er zum Internat zurück. Zweiundzwanzig Uhr drei. Aurelius legte sich auf sein Bett, verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Er machte sich nicht einmal die Mühe, seine Schuhe auszuziehen.
Was hatte er da nur wieder angestellt?
„Eh du Blödmann, mach das Licht aus!“, maulte Tim.
„Halt einfach mal die Klappe, okay?“, erwiderte Aurelius gereizt und betätigte den Lichtschalter.

-


Sergej humpelte mehr, als er tanzte, sein Fuß tat immer noch weh, aber sie hatten trotzdem einen lustigen Abend und man sah Sergej seine Enttäuschung an, als Josephine sagte: „Oh, so spät schon! Meine Mutter will mich um halb zwölf wieder abholen.“
„Nur noch fünf Minuten…“, erkannte Sergej. „Wann kommst du endgültig hier her?“
„Nach den Osterferien, wie es aussieht.“, antwortete sie.
„Sollen wir schon mal raus gehen, falls deine Mutter schon da ist?“, fragte er.
Als sie draußen standen sah er sie an. Ihre Wangen waren gerötet vom Tanzen, aus ihrer Hochsteckfrisur hatten sich einige Strähnen gelöst. Sergej sah sich selbst im Fenster widerspiegeln. Auch er hatte rote Wangen, er sah erschöpft, aber glücklich aus. Er WAR glücklich.
„Du kommst dann auch wirklich?“, fragte er noch einmal nach. „Oder überlegst du noch?“
„Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich komme.“
„Das freut mich.“ Diese Worte meinte Sergej ehrlich. Josephine war ihm von Anfang an sympathisch gewesen und er hoffte sie wieder zu sehen. Vielleicht würden sie sogar Freunde werden.
In diesem Moment fuhr das Auto ihrer Mutter auf den Hof.
Josephine lächelte ihn an: „War schön dich kennen gelernt zu haben. Bis bald.“
„Ja, war ein schöner Abend.“, antwortete Sergej.
Sie sah ihn lange an. Dieser Blick. Wie lange hatte er gedauert? Drei Sekunden? Fünf Minuten? Sergej hätte es nicht sagen können. Aber er war auf einmal ganz ruhig und irgendwie … glücklich.
Er stand noch genau auf demselben Fleck, als das Auto schon lange weggefahren war und starrte auf die Stelle, wo sie gestanden hatte.
Josephine.

-

Gleich am nächsten Morgen wollte Aurelius nach Wilma sehen, doch als er an die Tür klopfte, öffnete Amelie nur einen Spalt breit und sagte, Wilma sei krank, und er solle besser gehen.
Was sollte er auch tun, schließlich blieb ihm nichts anders übrig, als ihrem Rat Folge zu leisten.
Er beschloss, mit der einzigen Person zu reden, die ihm in diesem Moment noch helfen konnte: seinem Großvater.
„Wie schön, dass du anrufst!“, rief der alte Herr und winkte in die Kamera.
„Hallo. Du, ich melde mich wegen was bestimmten. Ich habe da so ein Problem.“
„Was ist denn los, mein Junge? – Ist es sehr schlimm?“
„Nein, nein. Das heißt, für mich irgendwie schon. Also, ich habe gestern einem Mädchen gesagt, dass ich mich in sie verliebt habe. Und sie ist irgendwie weggelaufen und jetzt sagt ihre Zimmernachbarin, dass sie krank ist.“
„Ach Junge.“, seufzte sein Großvater. „Ich hab es schon befürchtet, irgendwann erwischt es auch dich. Aber was habe ich dir immer gesagt?“
Aurelius grinste: „Bei einem Weibsbild, Junge, weißt du nie, woran du bist.“, machte er mit dunkler Stimme seinen Opa nach.
„Genau: dranbleiben. Mach deinen alten Großvater stolz! Ich war früher ein richtiger Weiberheld!“, lachte der alte Herr und strich sich demonstrativ durch sein weißes Haar.

-

„Du, Fred?“
„Ja Poljakow?“
„Schläfst du schon?“
„Wie du mitbekommen hast…“, entgegnete Fredericks Stimme aus der Dunkelheit, „bin ich noch wach. Weil DU mich vom Schlafen abhältst.“
Sergej drehte sich auf die andere Seite.
„Was ist denn jetzt? Kann ich weiterschlafen oder willst du mir etwas sagen?“
„Ne, schlaf weiter.“, entgegnete Sergej.
„Okay, aber du hältst deine Klappe!“
Sergej drehte sich noch einmal um, sein Bett knarrte. Er atmete ein und aus. Er zählte Schäfchen. Er spielte mit sich selbst im Kopf Tic-Tac-Toe, dann Schere-Stein-Papier. Er zählte die Sekunden zwischen Fredericks Schnarchern.
Als Herr Girschner ihn am nächsten Morgen mit der Trillerpfeife weckte und verkündete, sie würden nun wieder den Morgenlauf machen, hatte Sergej keine Minute lang geschlafen. Muffelig lief er seine Runde über den Hof, trottete in den Waschraum und beschloss, entgegen seiner Angewohnheit, kalt zu duschen. Einigermaßen wach putzte er sich seine Zähne als Aurelius durch die Tür kam.
„Immerdar mit leisem Weben
Schwebt dein süßes Bild vor mir,
Und ein liebesehnend Beben
Zittert durch die Seele mir.“
„Na, was hört man da? Ich nehme mal an, du hattest gestern einen schönen Abend.“, nuschelte Sergej mit der Zahnbürste im Mund.
„Ach hör auf…“
„Na gut!“, Sergej spülte den Mund aus, packte sein Zeug zusammen und ging zur Tür. „Ach, übrigens, das Gedicht ist ein bisschen sehr peinlich. - Sag mal, was hast du denn da?“
Sergej drehte sich noch einmal um und betrachtete den beigen Gegenstand in Aurelius Hand.
„Das ist eine Sandrose. Ein kristallähnliches Gebilde, welches vor allem in ausgetrockneten Salzseen oder in der Wüste entsteht.“
Sergej hob eine Augenbraue. „Klugscheißer. Und wofür brauchst du die?“
„Nicht dein Problem.“
„Äh…okay… Kannst du mich dann bitte für den Anfang der Stunde entschuldigen? Mein Fuß ist gestern noch ganz schön angeschwollen, ich gehe zur Krankenschwester.“
Aurelius nickte.

-

An diesem Montag stand Aurelius wieder vor Wilmas Tür. Sie war zur Schule gegangen, das wusste er. Das bedeutete, sie war heute auf jeden Fall gesund genug, um mit ihm zu sprechen. Er durfte nicht locker lassen. Was auch immer das Problem war, er musste es aus dem Weg räumen!
Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare, atmete dreimal tief durch und klopfte so bestimmt wie möglich an die Tür.
„Ja? Herein?“, drang ihre klare Stimme durch die Tür. Er nahm sich zusammen und öffnete die Tür. Er sah sie auf ihrem Bett sitzen, ein aufgeschlagenes Buch in der Hand. Sie strich sich ihr rotes Haar aus dem Gesicht und errötete leicht, als sie ihn sah. Verlegen blickte sie zur Seite.
Aurelius blickte sich im Zimmer um. Zwei Schreibtische – einer direkt neben der Tür, der andere am Fenster, das war wohl Wilmas, denn ihre Schultasche lag darauf. Amelie war nicht im Zimmer. Wilma sagte immer noch nichts.
„Was ist denn?“, fragte Aurelius besorgt. „Wenn ich irgendeinen Fehler gemacht habe, dann musst du ihn mir erklären, sonst kann ich doch nichts ändern!“
Sie sah ihn an.
Er holte noch einmal tief Luft, griff in seine Tasche und holte die Sandrose heraus. „Eine Sandrose. Sie ist nicht rot, aber dafür ist sie ewig haltbar und verwelkt nicht.“
Sie lächelte halb. „Danke.“
„Also, was war los gestern?“
„Als du gesagt hast, du liebst mich… Ich habe dich ja auch gern, sehr sogar.“, flüsterte sie.
„Aber du liebst mich nicht.“, stellte Aurelius trocken fest.
„Ich … weiß es nicht. Doch! Ich liebe dich. Wirklich. Aber ich weiß nicht, ob ich wirklich mit dir zusammen sein will…“
„Glaubst du auch, ich bin verrückt, oder was ist dein Problem?“, fuhr er sie etwas zu grob an.
„Aurelius, du bist toll, so wie du bist. Aber … Mir geht das alles zu schnell. Du bist so … anders.“
Er nickte. Er hatte schon verstanden.
„Ich weiß. Ich werde immer anders sein. Ich liebe dich, aber ich werde mich nicht ändern. Und wenn es ein Problem für dich ist, wie ich bin, dann sehe ich für uns auch…“, wieder schluckte er mehrmals, um dann mit leicht brüchiger Stimme fortzufahren. „…keine Zukunft.“
„Nein.“, flüsterte Wilma. „Heißt das, du machst Schluss?“
„Das kommt drauf an. Macht es dir etwas aus, dass ich so bin, wie ich bin?“
Sie senkte den Kopf. „Aber ich habe dich doch trotzdem gern! Vielleicht kann ich mich ja noch an dich gewöhnen!“
„Ich dich auch.“, brachte Aurelius hervor. „Aber was bringt es uns, wenn du dich an mich gewöhnen musst? Würdest du für mich dasselbe empfinden, wie ich für dich, wäre das gar nicht notwendig. Es geht nicht.“
Dann verließ er fluchtartig das Zimmer. Eine Sekunde länger hätte er es nicht ausgehalten. Jetzt rannte er los. Er rannte über den Schulhof, verließ das Schulgelände, rannte an der Straße entlang. Immer weiter. Seine Lunge schmerzte, er keuchte, doch er blieb nicht stehen. Rannte.
Irgendwann ließ er sich in Gras fallen.

…Junge, so ein Weibsbild überrascht dich immer wieder – vielleicht kann ich mich ja daran gewöhnen – das Gedicht ist echt peinlich – heißt das, du machst Schluss – Mach deinen alten Großvater stolz – Doch, ich liebe dich – Glaubst du auch ich bin verrückt - Du bist irgendwie anders – Sag mal, war das dein Opa, der dich hergebracht hat – Versteh‘ mich nicht falsch, ich mag das…

„AAARRRHHH!“, schrie Aurelius, hielt sich die Ohren zu. Als ob das etwas nützen könnte.

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Fortsetzung folgt in Kürze
Ich würde mich über Kommentare freuen, inbegriffen Verbesserungsvorschläge und konstruktive Kritik.:)





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