Clyde Cannaghan - Teil 7

Autor: Kim
veröffentlicht am: 29.05.2012


Hallihallo, da ich momentan eine Pause bei meiner anderen Story "A crazy life is a better life"http://www.rockundliebe.de/liebesgeschichten/liebesgeschichten_2152_q.php mache, habe ich gedacht, vllt wollt ihr wissen wie es bei Nala weitergeht :) Ich hoffe, ich kann euch beglücken :)
Ganz liebe Grüße


Entsetzt blickte ich immer noch zu Tim. Fassungslosigkeit überfiel mich. Benommen wie durch einen Faustschlag ins Gesicht, versuchte ich irgendein Gegenargument zu finden. Mein Hirn ratterte, aber keine mir plausible Lösung war aufzufinden, denn viel zu sehr beschäftigte mich die Frage, was Tim damit bezwecken wollte. Nicht nur ich war von seiner plötzlichen Aufforderung geschockt, auch meine Eltern sahen verwundert in die Runde, mit derselben Frage in ihren Gesichtern. Warum auf einmal?
Generell wurde ich von meinem Vater durch die Gegend kutschiert, denn Tim interessierte sich bisher nie dafür seiner kleinen Schwester zu Gefälligkeiten und das auch noch ohne Gegenleistung zu verhelfen.
So verstand ich natürlich seinen plötzlichen Sinneswandel nicht.
Auf einmal klingelte es. Ich erschrak. Gleichzeitig sah ich dies als meine Chance um hier wegzukommen und möglicherweise einen Ausweg zu finden. So machte ich schnell auf dem Absatz kehrt und lief zur Haustüre, öffnete sie und sah einen Jungen, vielleicht ein paar Jahre älter wie ich. Ein großer, dunkelhaariger Typ mit auffällig modischem Style. Nerdbrille, Cappy, eine dickgepolsterte schwarze Weste. Er sah nicht schlecht aus. Machte sogar einen symphatischen Eindruck, dennoch war er für meinen Geschmack zu modebewusst.
„Hey, hallo, ist Tim vielleicht da?“ fragte der Unbekannte. Bevor ich antworten konnte, blickte der Junge hinter mich und sah meinen Bruder der mir gefolgt war.
„Hey Alter was geht?“ fragte Mr. Unbekannt meinen Bruder.
„Hey Kevin“, kam es etwas grimmig von meinem Bruder. Scheinbar war er nicht erfreut Besuch zu erhalten.
Spitzbübisch nutzte ich meine zweite Chance, lief zügig zu meiner Sporttasche, nahm sie, verabschiedete mich von meinen Eltern und taxierte Tim beim Vorbeigehen mit einem süffisanten Grinsen: „Hey Bruderherz. Ich finde den Weg auch alleine. Ich wünsche dir und Kevin viel Spaß.“
Schnell entfernte ich mich von unserem Haus bevor Tim noch irgendetwas entgegensetzen konnte. Als ich um die nächste Straßenecke lief prustete ich los. Ich konnte mir ein lautes und erfreutes Lachen nicht verkneifen. Tims dämlicher Gesichtsausdruck!
Jemand lief an mir vorbei und besah mich ärgerlich. Sicher es sah ja auch zu blöd aus, wenn man einfach alleine auf der Straße ohne Freunde oder ein Handy am Ohr laut lachte, doch das war mir in diesem Moment relativ egal.
Als ich mich am Laufband ausprobierte fragte mich Nina plötzlich: „ Was ist denn los mit dir? Du bist heute irgendwie richtig gut drauf.“
Diese Aussage brachte mich nur noch mehr zum Schmunzeln.
„Nichts… Es ist nur, dass dieser Tag echt klasse ist.“
„Sag bloß du hast einen heißen Typen gefunden?“
Genervt rollte ich mit meinen Augen: „Nein hab ich nicht.“
„Nicht? Dann läuft was zwischen dir und Clyde?“ fragte sie mich zwinkernd.
Diesmal stöhnte ich genervt: „Clyde und ich sind Freunde. Wie oft noch?“
„Aber wieso hält er dann ständig deine Hand? Selbst, wenn du nichts von ihm willst. Er will es garantiert.“
„Nina, du weißt gar nichts! Clyde will weder was von mir noch ich von ihm. Außerdem hat er mich letztens bezüglich eines Mädels ausgefragt. Er und ich sind rein platonisch befreundet.“
„Schade eigentlich. Dann kann ich nur hoffen, dass ich das Mädel war, von dem ihr gesprochen habt“ Sie grinste schelmisch.
Nina konnte echt nerven und Clyde sollte sich für sie interessieren? Nicht einmal in meinen kühnsten Träumen könnte ich mir die beiden zusammen vorstellen. Dafür war Nina einfach zu billig und obendrein noch dumm. Clyde stand auf interessante und intelligente Mädchen. Und Nina fehlten eindeutig diese Eigenschaften.
Als ich nach Hause kam war es bereits nach elf. Nach dem Fitness waren wir noch etwas trinken. Umso mehr war ich einfach nur geschafft von diesem Tag.
Auf Zehenspitzten tapste ich zu meinem Zimmer. Ein Glück, dass jeder in seinem Zimmer war. Wahrscheinlich schliefen meine Eltern schon und Tim war aus.
Gut wenigstens könnte ich mich in Ruhe aufs Ohr hauen.
Am nächsten Morgen wurde ich durch mein Handy geweckt. Die Vibration kündigte mir eine SMS an. Noch völlig verschlafen nahm ich trotzdem mein Handy und las die SMS von Clyde.
„Hab frische Brötchen geholt. Mein Vater ist bei der Arbeit. Hast du Lust mit mir zu frühstücken Honey :)“
Automatisch musste ich lächeln und die anfängliche Müdigkeit verflog auch. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass wir 10 Uhr hatten.
„Bin in 15 min bei dir“, schrieb ich Clyde zurück.
Ich schwang die Decke zur Seite, stand auf und verrichtete meine Katzenwäsche. In Clydes Nähe brauchte ich mich nicht zu schminken und da ich gestern noch vor dem Schlafen gehen geduscht hatte, würde ich mich ihm nicht unbedingt von meiner chaotischsten Seite zeigen.
Eine einfache Jeans und ein Hoody würden in seiner Nähe durchaus akzeptabel sein. Wieder schlich ich mich aus dem Haus, bemerkte allerdings, dass meine Mutter schon wach war.
„Morgen. Clyde hat mich zum Frühstück bestellt. Darf ich ihm Gesellschaft leisten? Sein Vater arbeitet nämlich.“
„Geh“, war ihre knappe Antwort nach kurzem Überlegen. Ja meine Mutter. Der Grund warum ich sie unsterblich liebte, dachte ich mir ironisch.
Da ich das gewohnt war, machte ich mir nichts mehr daraus. Sie würde sich wohl kaum ändern. Für sie gab es nur Tim.
Bevor ich die Klingel der Cannaghans betätigen konnte, wurde die Tür auch schon aufgerissen.
„Hallo meine Lieblingsnachbarin!“ begrüßte er mich mit einem Strahlen. Sein blonder Schopf passte perfekt zu seinem Strahlen. Ein Strahlen, wie von der Sonne. Es war schön gemocht zu werden. Ich wusste, dass ich Clyde wichtig war und er war mir wichtig. Innerhalb von zwei Monaten war er öfters für mich da als meine Mutter je in meinem Leben.
„Hallo mein Lieblingsnachbar!“ grüßte ich ihn ebenso gut gelaunt zurück.
Mit einem ‘Ladies First‘ ließ er mich den Flur zur Küche passieren. Dort erwartete mich ein einfaches aber leckeres Frühstück. Frische Brötchen, leckere Erdbeermarmelade, Butter, Honig, Käseaufschnitt, Salamiaufschnitt, eine kleine Kanne mit Kaffee und ein extra Teeglas für mich, da ich lieber Pfefferminz-Tee trank wie schwarzen Kaffee zum Frühstück. Die gekochten Eier entdeckte ich auf der Küchenzeile auf einem Teller. Wahrscheinlich zum Abkühlen. Ich nahm noch die Eier, stellte sie auf den Tisch und setzte mich nach Clydes Aufforderung auch an den Tisch.
Während wir frühstückten redeten wir wie so oft über Gott und die Welt. Es tat immer gut, sich mit Clyde zu unterhalten. Er war ehrlich und aufrichtig. Noch dazu intelligent. Das hieß man musste nicht lange um ein Thema lamentieren damit er begriff worauf ich hinauswollte. Bei Nina konnte man das ja nicht behaupten. Bei diesem Gedanken entwich mir ein Seufzen.
Erstaunt blickte mich Clyde an: „Was ist los Honey? Ich hab das Gefühl, dass du heute nicht ganz bei der Sache bist. Ist es wegen Tim?“
Erschrocken sah ich ihn an. Es war jedes Mal erstaunlich wie aufmerksam Clyde doch war. Aber irgendwie auch süß, wie er vorsichtig versuchte mir eine Antwort zu entlocken, bedacht darauf nichts Falsches zu sagen.
Ich musste lächeln und schüttelte anschließend den Kopf: „Nein, alles okay.“
„Sure?“
„Klar.“
Er schien nicht sonderlich überzeugt, unterließ aber mir weitere Fragen zu stellen.
Weitere fünf Minuten vergingen, in denen keiner von uns etwas sagte. Irgendwie bekam ich ein schlechtes Gewissen, als Clyde nichts mehr sagte. Er war doch nicht etwa beleidigt oder?
Mit einem weiteren Seufzen blickte ich auf das Stückchen Brot in meiner Hand, das mit viel Erdbeermarmelade gestrichen worden war und begann dann einfach etwas zu erzählen: „Weißt du… Tim und ich waren nie Vorzeige-Geschwister. Seit ich mich erinnern kann, wurde Tim immer von meinen Eltern und insbesondere von meiner Mutter verwöhnt. Sei es mit Geschenken oder mit Liebe. Ich stand immer in seinem Schatten. Immer. Es begann schon damit, dass er immer die größeren oder teureren Geschenke zu Weihnachten bekam. Zu seinem Geburtstag, zu unbedeutenden Anlässen… Meine Mutter fand immer irgendetwas um ihn zu beschenken. Daher wundere ich mich überhaupt nicht, dass er so ein… Idiot geworden ist. Ihn hat es nie sonderlich interessiert ob seine kleine Schwester auch mal etwas abbekam oder nicht. Er… Er hat sich zum Beispiel als wir noch klein waren, ich war acht oder neun Jahre alt, eine Gummibärchen-Packung aus dem oberen Schrank in der Küche genommen. Wir durften das eigentlich nicht. Gummibärchen wären Gift für unsere Zähne, weswegen wir die nur mit Erlaubnis essen durften. Meinen Bruder hat es aber nicht interessiert. Er hat sich einfach eine Packung genommen, mir nicht ein Stück davon gegeben, sie auch noch vor meinen Augen provozierend gegessen und als dann meine Mutter plötzlich früher als angenommen nach Hause kam, hat Tim mir einfach die Gummibären in die Hand gedrückt. Natürlich bekam ich es sofort mit der Angst zu tun, aber ich war nicht schnell genug um die bereits angefangene Packung zu verstecken. So kam es, dass meine Mutter mich damit erwischte. Du glaubst nicht was für ein Theater sie veranstaltet hat. Tim, hat die ganze Zeit hinter dem Rücken unserer Mutter gegrinst. Er genoss es, wenn ich Ärger bekam. So viel zum Zusammenhalt von Geschwistern.“
„Ja, aber hast du nicht gesagt, dass Tim die Packung genommen hatte?“ unterbrach mich plötzlich Clyde.
Ich schnaubte verächtlich: „Natürlich hab ich, aber Tim hat es verleugnet und meine Mutter hat noch mehr Ärger gemacht. Von wegen ich solle mich hüten, sie je wieder zu belügen und mich schämen meinen armen Bruder mit solchen unschönen Anklagen zu beschuldigen. Der Witz ist, als Tim merkte, dass, wenn er Mist baute würde er einfach die Schuld in meine Schuhe schieben können, was er gerne missbrauchte. Ständig stand ich wie der größte Depp da. Ich hatte schon aufgegeben irgendetwas zu verleugnen, weil ich wusste, dass mir eh nicht geglaubt wurde. Mein Vater glaubte mir, das wusste ich, aber er war nicht stark genug um sich gegen meine Mutter zu wehren. Sie schimpfte dann auch mit ihm, ob er die Mutter oder sie es wäre. Es wäre ihre Aufgabe mich zu erziehen und ich sei ein schwer erziehbares Problemkind und deswegen müsse sie harte Maßnahmen ergreifen, damit wenigstens die Chance bestand, dass eines Tages etwas aus mir werden würde.“
Kurz herrschte Stille, so als wollte Clyde mir Zeit geben um das Erzählte zu verarbeiten. Ich zögerte nicht allzu lange und fuhr fort, wo ich schon mal emotional geladen war, wollte ich auch die Last von meinen Schultern endlich etwas loswerden: „Du denkst jetzt bestimmt, das hättest du nie von Tim erwartet. So hattest du ihn ja schließlich nicht in Erinnerung. Ja unbegreiflich, aber Tim ist unglaublich beliebt! Klar, abgesehen von dem, was ich dir bis eben noch erzählt hatte, ist er auch noch selbstverliebt, arrogant, altklug… aber dennoch ist er ein Mensch, der seine Freunde nie im Stich lassen würde. Er ist stets für sie da. Er ist sogar bei unseren Lehrern beliebt gewesen. Noch heute darf ich mir von anderen Lehrern anhören wie man ihn anhimmelt. Er sei sooo ein toller Junge gewesen und was er würde jetzt Medizin studieren? Was anderes hätte man von Tim ja nicht erwartet. Er macht seinem Ruf alle Ehre. Intelligent und einfach ein Allround-Talent. Bla, bla,bla! Weißt du, wie es nervt ständig verglichen zu werden? Und ob du es glaubst oder nicht, bei all seinen negativen Eigenschaften ist er trotzdem die Nummer 1, immer und überall. Er findet innerhalb kürzester Zeit Freunde. Wenn man ihm prompt eine Frage stellt, findet er immer eine akzeptable Lösung. Er ist redegewandt, ja sogar humorvoll, lässt wie gesagt seine Freunde nie im Stich und ist für jeden Spaß zu haben. Die Mädels stehen Schlange bei ihm. Wäre er nicht mein Bruder, wäre ich wahrscheinlich auch eine von Tims Fanclub. Er ist einfach wirklich immer im Mittelpunkt des Geschehens. Aber weißt du, bei all der Beliebtheit, bei all den nach außen hin überwiegend positiven Eigenschaften frag ich mich ständig, warum… WARUM hat dieser Scheisskerl nicht mal das geringste Interesse an seiner kleinen Schwester gehabt?!“ Tränen liefen mir die Wange entlang „Warum war er nicht EINMAL für mich da, wenn ich ihn brauchte?! Er ist ein toller Freund, ein super bester Freund, ein toller Zuhörer, ein toller Mensch, der auch mal das Mädchen, das er begehrt unglaublich glücklich machen kann, er ist ein toller Sohn, ein toller Enkel, ein toller Schüler und jetzt ist er sicher auch ein toller Student, aber WARUM… warum ist er nicht ein toller großer Bruder?!“
Ich schluchzte aus tiefster Kehle. Ich konnte nicht mehr. Zum ersten Mal sprach ich dieses Thema an. Für mich war Tim immer Tim, aber nie mein großer Bruder, den ich mir so sehr gewünscht hatte. Clyde überbrückte die Distanz zu mir und nahm mich fest in seine Arme. Es tat so gut, wie ein Schlosshund heulen zu können und zu wissen, dass man sich dafür nicht schämen musste.
„Warum Clyde?“
Immer wieder stellte ich ihm schwer atmend und zitternd diese Frage, während er mir tröstende Worte ins Ohr flüsterte und mir sanft über den Rücken strich.






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