Leben ist ein Luxus, aber Lieben ist ein Genuss - Teil 6

Autor: Noa
veröffentlicht am: 14.03.2011


Kapitel 7 – Elender Schmarotzer

Noch immer stand ich wie angewurzelt vor der Haustür meiner Großmutter. Nach einigen Minuten ging ich zu Roxas, da ich keine andere Wahl hatte. Er öffnete die Tür und sah mein verzweifeltes Gesicht.
„Meine Großmutter hat mich aus dem Haus geschmissen.“, murmelte ich und schämte mich ein wenig dafür. Er blickte mich schockiert an und schob die Tür weiter zurück. Ich ging an ihm vorbei und klappte dabei seinen offenen Mund zu.
„Also so richtig?“, fragte er.
„Keine Ahnung. Sie meinte nur, das ich die Nacht bei dir verbringen soll, weil ihr Parasit ihren einen dicken Schleier vor die Augen geworfen hat.“
„Ok, das ist kein Problem. Du kannst solange hier bleiben wie du willst oder bis dich deine Oma wieder ins Haus lässt. Übrigens habe ich etwas Interessantes in der Zeitung gelesen.“
Verblüfft lief ich ihm nach in das übertriebene geschmückte Wohnzimmer. Die Möbel waren alle aus Kiefernholz und an der Wand waren Portraits von Roxas, sogar wo er noch ganz klein war. Wir setzten uns an den mit einer weißen Tischdecke überzogenen Tisch und er blätterte in der Zeitung herum.
„Hier!“, rief er dann und zeigte auf das Schwarz-Weiß-Foto. Er deutet auf den Mann, der leider nur von hinten geknipst worden war und es war ziemlich verschwommen. Ich las mir den darunter folgenden Text durch und es handelte sich um einen Mann der gefälschte Kreditkarten verwendet, einen Einbruch in einem Geschäft begannen hatte und einen Polizisten schwer verletzt hatte, als er fliehen wollte. All diese Vorfälle geschahen in Koblenz. Nun war dieser Mann auf der Flucht und war anscheinend ziemlich gefährlich.
Ich schaute mir das Bild genauer an, ob das Jacque seien könnte?
„Die Jacke würde doch passen, oder?“, fragte er und tippte mit dem Finge auf den Rücken des Mannes. Meine Hände begannen zu zittern. Meine Großmutter wäre in höchster Gefahr, was wäre, wenn er wirklich dieser Verbrecher war? Sie hatte ihn in Koblenz kennengelernt und er hatte ihr wahrscheinlich sogar einen falschen Namen gegeben. Vielleicht war er sogar überhaupt kein Franzose, das würde dann erklären warum ich seien Akzent kaum höre und meine Großmutter alles über Paris erfahren möchte. Er hatte sie belogen. Doch das Auffälligste war die verschwundene Morgenzeitung. Jacque war auch bestimmt nicht nachfragen gegangen, was da nicht stimmte. Er hatte ihr eine weitere Lüge aufgetischt.
„Er ist es.“, murmelte ich fassungslos.
„Bist du dir sicher?“
Ich bekam auf meinem ganzen Körper eine Gänsehaut und mich durchfuhren kribbelnde Schauer. So jemand wie dieser Jacque war wirklich viel zu gefährlich und irgendjemand musste ihn aufhalten. Mein Körper war völlig starr, weil ich so eine Angst hatte, dass er meiner Großmutter etwas tat. Auch wenn sie furchtbar auf mich sauer war, aber meine Befürchtungen sind wahr geworden. Jacque ist ein gefährlicher Verbrecher.
Roxas nahm meine kalte Hand und spürte wie ich zitterte. Ich war völlig in Gedanken und wusste einfach nicht was ich in dieser Situation machen sollte. Am liebsten wäre ich hinüber gerannt und hätte meine Großmutter gewarnt, aber sie glaubte mir nicht.
Ich fasste mich nach einigen Sekunden wieder und atmete tief ein um ruhig zu bleiben.
„Wir werden das regeln, ja?“, beruhigte er mich.
„Es tut mir leid, Roxas, aber ich muss sofort zu meiner Großmutter. Ich habe Angst um sie. Schließlich ist sie in dem Moment allein mit ihm zu Hause.“
Dann stand ich schnell auf und lief aus dem Haus. Mit pochendem Herzen klopfte ich an der Tür an und meine Großmutter öffnete sie. Sie schaute mich mit tränengefüllten Augen an und nahm mich dann schluchzend in den Arm.
„Bitte Verzeih mir, Jessy. Ich weiß nicht was in mich gefahren ist. Kannst du mir meinen schlimmen Fehler verzeihen?“, bat sie mich und wusch sich ihre Tränen aus den Augen.
„Klar.“, lächelte ich sanft.
Gerade hatten sich meine Großmutter und ich wieder versöhnt und da wollte ich nicht wieder einen neuen Streit anfangen, wenn ich ihr sage, was Jacque ist. Morgenfrüh müsste ich es ihr aber gestehen, sonst passiert wirklich noch etwas Schlimmes. Ich ging in mein Zimmer, meine Großmutter brachte noch schnell den Müll hinaus und als ich ihr aus dem Fenster nachschaute, fiel die Tür hinter mir zu. Erschrocken drehte ich mich um und Jacque stand erbost vor mir.
„Was machst du hier?“, fragte er gereizt.
„Brigitta und ich haben uns wieder versöhnt und morgen werde ich ihr sagen was du bist. Denkst du es ist nicht auffallend, das die Zeitung morgens nicht mehr da ist und das mein Freund ein Bild in der Zeitung gefunden hat, wo ein Verbrecher in Koblenz gesucht wird. Du hast keine Arbeit, keine Wohnung und meinst du könntest hier untertauchen. Ich bin nicht blöd, du falscher Franzose! Also, wer bist du wirklich?“, knurrte ihn an.
Er schaltete das Licht aus, kam dann auf mich zu gelaufen und streckte den Arm nach mir aus, als wollte er mich erwürgen. Schließlich packte er mich an den Schultern und drückte mich gegen das Regal.
„Ich kann dir eins sagen. Vielleicht magst du Recht haben und deine Schnüffelei geht mir so was von auf den Sack! Wenn du nur ein Wort zu deinem Freund oder deiner Großmutter sagst, dann schwöre ich, du wirst leiden.“, drohte er mir mit einer grollenden Mimik. Trotz dessen, das ich Angst hatte, nahm ich meinen Mut zusammen.
„Mir ist es egal was du mit mir machst, Hauptsache, morgen erfährt alles Brigitta, dann bist du dran.“
Doch dann drückte er mit Gewalt seine Fingernägel in meinen Arm und ich schrie kurz auf. Dann schleuderte er mich gegen die Wand und ich prallte mit der Schulter dagegen. Es schmerzte alles, er zog mich an den Haaren gegen die Wand, sodass ich Migräne bekam.
„Ein Wort und ich schwöre deine Oma wird sich zu deinem Opa gesellen.“, machte er eine noch ernstere Drohung. Dieses Mal konnte ich nichts ausrichten, schon in der Zeitung hatten sie Körperverletzung erwähnt und wahrscheinlich würde er sogar einen Mord begehen. Meiner Großmutter durfte nichts passieren. Wahrscheinlich war wirklich die einzige Lösung zu schweigen, obwohl es in meinen Augen ein Fehler war. Selbst wenn er im Gefängnis landete, würde er Rache schwören und uns nie in Ruhe lassen. Ängstlich und erschöpft stand ich auf und er griff erneut nach meinen Haaren.
„Verstehen wir uns beide?“, fragte er ernst und ich nickte zögernd. Er ließ mich los und verschwand aus meinem Zimmer, da meine Großmutter die Treppe hoch kam. Schnell legte ich mich ins Bett und zog die Decke über meine Wunden an den Armen. Sie öffnete die Tür und blickte aufs Bett. Mein Atem war unregelmäßig und wild und ich versuchte ihn zu bändigen.
„Gute Nacht, Jessy.“, flüsterte sie und die Tür fiel zu.
Als es völlig ruhig war, brach ich leise in Tränen aus. Wenn ich doch bloß meine Klappe gehalten hätte, dann könnte ich ohne Drohungen meine Ermittlungen fortfahren und müsste nicht auf seiner Nase tanzen.
Die Nacht war wieder eine Katastrophe. Meine Verzweiflung und Ängste ließen mir keine Ruhe. Jedoch spät in der Nacht schlief ich ein und wäre am nächsten Morgen lieber nicht aufgewacht. Meiner Großmutter in die Augen zu sehen, zu wissen, dass ich die komplette Wahrheit kenne und sie trotzdem belügen müsste, zerbrach mir das Herz. Die Wunden waren deutlich sichtbar und deshalb zog ich mir ein T-Shirt an, wo man die Wunden am Oberarm nicht sehen konnte. An meiner rechten Schulter war ein deutlich dicker blauer Fleck, der furchtbar schmerzte, wenn ich den Arm hob. Jacque grinste mich an, weil er wusste, dass nun er der Herr im Hause war und alles unter seiner Kontrolle hatte. Heute Morgen sollte ich alles meiner Großmutter gestehen, aber ich konnte nicht, immerhin ging es um ihr Leben. Frohlockend kam sie auf mich zugesprungen und umarmte mich feste. Mit viel Mühe versuchte ich nicht zuschreien, da sie auf meine Wunden drückte und den blauen Fleck. Sie sah meine miese Laune, wollte auch nachfragen warum, aber ich blockte ab und setzte mich einfach an den Tisch um zu frühstücken.
„So, ich bin gleich wieder da.“, rief sie und ging aus der Tür mit einem Korb in der Hand.
„Viel Spaß beim Einkaufen, ma Chérie.“, sagt er und gab ihr einen Luftkuss. Sein gefälschtes Grinsen war zu deutlich zu sehen und machte mich richtig aggressiv.
„Ich will es dir nur noch einmal gesagt haben. Ein Wort und du wirst sie nie wieder lachen hören. Außerdem kommt dein Freund und keine deiner Freundinnen mehr ins Haus.“, tischte er mir Regeln auf, obwohl er noch nicht einmal mein Vater war.
„Was? Das kannst du nicht bestimmen.“, brüllte ich.
„Das stimmt. Aber du wirst sie befolgen müssen. Denk an deine arme Oma.“, lachte er zum Schluss und ging zum Telefon. „Jetzt verschwinde! Ich möchte alleine telefonieren, geh raus!“, rief er und ich musste leider gehorchen. Wutentbrannt legte ich mein Marmeladenbrot auf den Teller, schlug die Tür hinter mir zu und setzte mich mürrisch auf die Treppe.
Er hatte mich völlig im Griff, dieser elende Schmarotzer! Am liebsten hätte ich irgendetwas kaputt geschlagen, aber ich durfte nirgends einen Verdacht schöpfen. Es war richtig heiß und ein Top wäre mir viel lieber gewesen. Vorsichtig zog ich den Ärmel hoch, um mir die Wunden anzusehen und den blauen Fleck. Der Bluterguss war ziemlich groß und eher lila als blau. Schon allein wenn ich den Finger nur darauf legte, tat er höllisch weh. Die Kratzer waren mit einer Kruste überzogen und brannten wenn ich darüber fuhr. Wenn die Wunden schneller heilen wollten, dann müsste ich mir Desinfizierungsmittel darauf machen, aber dazu musste ich wieder ins Haus. Es dauerte viele Minuten und am Fenster schaute in den Flur, er telefonierte immer noch. Das kann dauern. Seufzend steckte ich meine Hände in die Hosentasche und wollte ein wenig im Wald spazieren gehen. Aber da kam meine Oma mir entgegen mit einem breiten Lächeln.
„Was machst du hier draußen so früh?“, fragte sie.
„Ich wollte nur frische Luft schnappen.“, stotterte ich und lächelte gezwungen.
„Ach ja? Na komm, wir gehen wieder hinein. Ich habevergessen, das wir Sonntag haben.“, lachte sie und nahm meine Hand, aber ich riss sie ihr weg.
„Ich gehe ein wenig spazieren.“, meinte ich und drehte mich von ihr weg, um zügig zum Wald zu gehen. Dort setzte ich mich auf die Bank und starrte in die Sonne. In meinem Kopf waren tausend Fragen, aber keine Antworten und das verzweifelte mich noch mehr. Wenn meine Großmutter bloß irgendwo in Sicherheit wäre, dann könnte ich schnell zur Polizei rennen und ihr von Jacque erzählen. So enorm von einem einzigen Mann unter Druck gesetzt zu werden, war schwer und ich wusste mir einfach keinen Rat mehr. Ich fasste unter meinen Ärmel und fuhr langsam über die verkrusteten Kratzer. Am liebsten hätte ich losgeweint, aber dazu fehlte mir die Kraft. Meine Ferien sollten eigentlich unvergesslich werden, jedoch weiß ich nicht einmal wie weit er mich noch unter Druck setzen würde.
Ich winkelte meine Beine an und zig sie zu mir, um sie dann umschlingen zu können. Meinen Kopf vergrub ich und mir fielen ein paar Tränen hinunter. Wieso musste das genau jetzt alles passieren? Ich seufzte.
„Schon morgens so früh auf?“, fragte eine bekannte Stimme die sich dann neben mich setzte. Meine Tränen rieb ich am Knie ab und drehte meinen Kopf von ihm weg.
„Ja, ich musste nur mal kurz raus.“, gab ich Roxas eine Antwort.
„Du hattest dich gestern nicht gemeldet und da hab ich mir schon einige Sorgen gemacht. Ist alles ok?“, fragte er sicherheitshalber.
„Ja. Wir hatten uns geirrt. Er ist ein ganz normaler Franzose, er hatte mir einige…Fotos gezeigt, wo er mit seiner Schwester in Paris vor dem Eiffelturm stand.“
„Bist du dir sicher? Du klangst so selbstverständlich, als wäre die Sache schon so gut wie gelöst.“
„Es ist alles in Ordnung, Roxas.“, brummte ich los und wollte dass er aufhörte mir Fragen zu stellen. Ich hatte doch nur Angst, jemanden zu verlieren, wenn auch nur ein Wort ans Licht käme.
„Gut, aber dann sag mir warum du geweint hast?“, fragte er ernst und besorgt.
Hatte er es tatsächlich mitbekommen? Vielleicht sah er die Tränen auf meinem Knie und konnte ahnen dass ich geweint hatte. Jetzt war es kniffelig. Was sollte ich ihm erzählen?
„Mir flog eine Mücke ins Auge und deswegen tränten sie ein wenig.“, log ich halbwegs stotternd.
„Eine Mücke?“, fragte er misstrauisch.
„Ja, genau. Sie ist jetzt wieder draußen.“
Es war wieder still zwischen uns und dann stand ich auf.
„Ich sollte wieder gehen. Wirst du mitkommen?“, fragte ich.
Er nickte und nahm dann meine Hand. Sie zitterte und doch versuchte ich mit aller Kraft sie still zu halten, aber allein schon die Vorstellung, das Jacque jemanden den ich liebe, etwas zu leide tut, war ein unerträgliches Gefühl.
Er küsste mich, bevor wir uns trennten und Jacque hatte sein Telefonat schon längst beendet. Es fiel mir schwer ihm in die Augen zu schauen und deswegen sprach ich mit ihm immer mit gesenktem Kopf. Das ging drei Tage lang schon so und Roxas machte sich immer größere Sorgen um mich. Besonders, als ich ihm sagen musste, das er nicht mehr ins Haus durfte. Das verwirrte ihn am meisten, jedoch log ich als Ausrede, mein Zimmer sei völlig auf den Kopf gestellt und es stank furchtbar dort drinnen. Seit diesen unter Druck gesetzten Tagen saß ich kein einziges Lächeln mehr auf. Die Wunden am Arm waren fast verheilt und der blaue Fleck verblasste allmählich. Jedoch als ich an einem Abend bei Roxas war und wir gemeinsam im Bett lagen, wollte er meinen Oberarm kraulen, aber ich zog in ständig zurück. Da bemerkte er, dass ich etwas versteckte. Teilweise wütend fuhr er hoch und blickte mich grimmig an.
„Ich halte es nicht mehr aus, Jessy! Schon seit fast vier Tagen schweigst du, lachst nicht mehr und lässt mich an dich überhaupt nicht heran. Was ist los mit dir?“, fragte er mit gereizter Stimme. Ich stand auf und drehte den Rücken zu ihm.
„Ich kann es dir nicht sagen.“, schluchzte ich. Trotzdem spürte ich, das er Zeitpunkt gekommen war es jemanden zu sagen. Roxas würde mich dafür hassen, wenn ich es ihm nicht gestand. Dann zog ich meinen Ärmel hoch und zeigte ihm den blauen Fleck und die verkrusteten Wunden. Er blickte völlig schockiert herüber.






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