Irdisches und Überirdisches - Teil 13

Autor: Judy
veröffentlicht am: 23.05.2011


Er hörte, wie seine Zelle aufgeschlossen wurde.
„Besuch“, sagte der Gefängniswärter knapp. Magnus nickte, ohne sich umzudrehen. Er nahm ein frisches Handtuch von einem Stapel neben dem Waschbecken und trocknete sein Gesicht. Entnervt starrte er auf das Blut. Im Spiegel besah er sich seine Wunde. Als er den ungeduldig wartenden Wärter hinter sich stehen sah, beschloss er, die Wunde sei nicht tief genug, als dass er sich verarzten müsste. Er drehte sich um und ging schweigend hinter dem Wärter her.
Schon von weitem sah er Tobias auf ihn warten. Der hatte ihm ja gerade noch gefehlt.
„Was fällt dir eigentlich ein?“, fuhr er diesen an. Tobias lächelte leicht.
„Was meinst du, Magnus?“ Und dann: „Oh, was hast du gemacht? Du blutest ja.“ Magnus Gesicht verfärbte sich langsam dunkelrot.
„Das fragst du noch. Warum hast du Lou gesagt, wo sie mich findet? Warum tust du mir das an? Warum muss ich mich weiter von ihr vollschwafeln lassen?“
„Hallo? Sie ist deine Schwester. Und glaub ja nicht, ich wüsste nicht, dass du sie nur ausgenutzt hast um hier so schnell wie möglich wieder herauszukommen. Das sie dir völlig egal ist. Aber ich sag dir eins, Magnus: Ich pfeife auf unseren Plan. Wenn du....“
„Psssst“, wurde er von Magnus unterbrochen. Er deutete kopfnickend auf den Wärter, der in einer Ecke lehnte und ab und zu mäßig interessiert zu den beiden herüber schaute.
„Na und? Die ganze Welt soll es hören und ich bin bereit auf jedem Prozess gegen dich auszusagen.“
„Wie kannst du das wagen? Du bist mein bester Freund, seit dem Kindergarten, du hast alles mitgemacht, was ich wollte und ich habe dich unterstützt. Wir können nicht ohne einander und wir werden das gemeinsam durchziehen.“
„Du kannst nicht ohne mich, aber ich kann ganz gut ohne dich. Ich strebe keine Weltherrschaft an. Es ist einfach lächerlich. Ich bin keine achtzehn mehr, und du auch nicht. Und jetzt sieh dich an. Wo du gelandet bist. Du hast deine Mutter umgebracht. Du hast deine Schwester lebenslang an den Rollstuhl gefesselt. Und jetzt hintergehst du sie.“
Tobias lehnte sich zurück und sah interessiert Magnus zornfunkelnden Augen zu, die wild durch den Raum huschten. Er hatte Ähnlichkeiten mit einer wild gewordenen Bestie, und Tobias wartete darauf, dass er ihm an die Gurgel sprang.
„Doch, ich kann auch ohne dich. Grüß meine Schwester, ihr scheint ja beste Freunde zu sein. Und jetzt verschwinde und tritt mir nie wieder unter die Augen. Wie konnte ich mich in dir nur so täuschen. Über zwanzig Jahre lang.“
Tobias schüttelte den Kopf.
„Ich fürchte, ich werde dir wieder unter die Augen treten. Ich werde dich anzeigen und dafür sorgen, dass du deine gerechte Strafe bekommst. Keine lächerlichen zweieinhalb Jahre. Versuchter Mord, gefährliche Körperverletzung, Falschaussage vor Gericht... Ich schätze, dass wird die Angelegenheit etwas in die Länge ziehen.“
Damit stand er auf und ging. Magnus blieb geschockt sitzen, während Tobias langsam zu seinem Wagen ging. Er musste zu Lou und ihr endlich die Wahrheit erzählen. Ihm graute davor.
Vier mal hatte er das Mädchen inzwischen besucht, bis sie langsam aber sicher die Scheu vor ihm verloren hatte. Und auch er fühlte sich wohl bei ihr.
Er war ein Frauenheld, er hatte viele Mädchen gehabt, zahllose Affären, ein paar kurzlebige Beziehungen, doch was er für Lou empfand, war ein neues Gefühl für ihn. So dass er sich plötzlich vor einer Entscheidung zwischen den beiden Geschwistern gestellt sah und sich auf ihre Seite geschlagen hatte.
Er wusste, dass er das richtige getan hatte, als er gegen Magnus Willen einen Krankenwagen gerufen hatte, anstatt Lou auf der Straße verbluten zu lassen.





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