Irdisches und Überirdisches - Teil 10

Autor: Judy
veröffentlicht am: 21.03.2011


Lou sah Ray von diesem Tag an nie wieder und manchmal, wenn sie alleine war, überlegte sie, ob es die richtige Entscheidung gewesen war. Doch dann dachte sie an all ihre anderen Freunde, die sie um sich hatte.
Heute war Lous beste Freundin Marie zum ersten mal bei ihr gewesen. Die beiden jungen Frauen saßen im Patientengarten in der Sonne. Lou konnte noch nicht wieder laufen und war an einen Rollstuhl gebunden, was sie fürchterlich nervte.
„Ich habe mich von Ray getrennt“, eröffnete Lou Marie. Die nickte nur.
„Ich weiß. Er ist ziemlich mies drauf deswegen.“ Jetzt erinnerte sich Lou, das Marie Rays Ex-Freundin war und immer noch seine beste Freundin. Irgendwie war ihr Gedächtnis in Mitleidenschaft gezogen worden, aber der Arzt hatte ihr versichert, dass alles wieder kommen würde.
„Meinst du, das war richtig?“
„Es ist deine Entscheidung, Lou. Niemand kann dich zwingen mit ihm zusammen zu sein. Aber es war auch eine harte Zeit für ihn. Du monatelang im Koma, sein Unfall und dann die Trennung, das erste, was du tust, als du wieder aufwachst.“ Lou starrte auf ein Pärchen, das auf einer Bank etwas weiter weg saß.
„Ich habe mich entschieden, ich werde das nicht mehr ändern und steh dazu“, sagte Lou schließlich hart.
Am Abend lag Lou erschöpft im Bett. Wiedereinmal hatte sie zahlreiche Untersuchungen über sich ergehen lassen müssen.
Magnus saß neben dem Bett seiner Schwester und las ein wenig, während Lou an die Decke starrte. Ein Arzt kam herein, mühsam setzte Lou sich auf. Magnus blickte auf.
„Soll ich gehen?“
„Bleiben Sie ruhig hier. Das was ich Ihrer Schwester zu sagen hab, können Sie ruhig auch hören. Ich meine...“ Er sah zu Lou. „Wenn Sie damit einverstanden sind.“
Lou nickte. „Klar.“
„Sie müssen sich darauf einstellen, nie wieder laufen zu können“, sagte der Arzt dann kurz angebunden. Er atmete tief aus. Lou und Magnus erstarrten.
„Mein Gott“, stöhnte Lou leise. Tränen rannen ihre Wangen hinunter. Magnus griff Lous Hand. Er war blass geworden. Es war ja seine Schuld. Er hatte es zugelassen, dass Gunnar schoss. Tröstend strich er ihr über den Kopf, auch der Arzt hatte sich gesetzt und drückte Lous Hand.
„Machen Sie das beste aus ihrem Leben. Sie sind jung und auch wir werden unser bestes geben.“
Wenig später waren Magnus und Lou wieder alleine. Keiner der beiden war in der Lage etwas zu sagen. Und dann geschah etwas, was den Unglückstag noch weiter verschlimmerte.
Wieder klopfte es an der Tür und kurze Zeit später standen zwei Polizisten im Zimmer. Magnus starrte sie an und war er nicht schon vorher blass gewesen, so war er jetzt schneeweiß im Gesicht.
„Magnus Falk?“, fragte der eine. Magnus nickte beklommen.
„Wir haben in Erfahrung gebracht, dass Ihre Schwester inzwischen wieder aufgewacht ist.“ Der andere Polizist schwieg immer noch und starrte Lou ungeniert an. Wieder ergriff der erste das Wort:
„Entgegen unserer Abmachungen sind sie nicht bei uns aufgetaucht.“
„Sie sehen doch, wie es meiner Schwester geht. Gerade eben haben wir erfahren, dass sie nie wieder laufen werden kann und jetzt soll ich sie verlassen?“
„Ihre Schwester ist wach“, wiederholte der Polizist.
„Aufstehen und Hände auf den Rücken.“ Magnus blieb sitzen.
„Geh, Magnus“, sagte Lou. „Mach dir nicht noch mehr Ärger.“ Doch jeder konnte sehen, dass sie Angst hatte. Zweieinhalb Jahre, hatte Magnus ihr gesagt. Sie selber würde nach ihrem Krankenhausaufenthalt zur Reha und er war im Gefängnis. Magnus stand langsam auf, legte die Hände hinter den Rücken und lies sich Handschellen anlegen. Das war das letzte, was Lou für lange Zeit von ihm sah.





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