Du bist mein Retter! - Teil 3

Autor: Calandra
veröffentlicht am: 23.01.2011


„Ihr sprecht von Liebe. Aber wie soll man lieben, wenn der Körper von Hass erfüllt ist.
Ihr sprecht von Vertrauen. Aber wie soll man vertrauen, wenn man von Zweifeln erfüllt ist?
Ihr sprecht von Glück. Aber wie soll man Glück erfahren, wenn man auf Ewigkeit von Pech verfolgt wird?
Ihr sprecht von Friede. Aber wie soll man ein Wort aussprechen, von dem man nicht einmal die Existenz kennt?
Ihr sprecht von Traurigkeit. Aber wenn ihr wüsstet, was Traurigkeit ist, würdet ihr das Wort nicht benutzen.
Ihr sprecht von Freude. Aber wie soll man Freude erleben, wenn die Erinnerungen es nicht zulassen?
Ihr sprecht von Schmerz. Aber wie könnt ihr davon reden, ohne jemals richtig gelitten zu haben?
Ihr sprecht von Hoffnung. Aber was ist Hoffnung, wenn alle Hoffnung auf Leben zerstört wurde?
Ihr sprecht von Freundschaft. Aber wie soll man jemandem Freund sein, wenn man nicht einmal sein eigener Freund ist?

Ihr sprecht von Glauben. Aber woran soll man glauben, wenn man vergessen hat, was Glauben ist?“, las Herr Onka am nächsten Morgen laut vor. Laura fixierte den Boden vor sich, um nicht durchzudrehen. „Ein Schüler oder eine Schülerin hat dieses Blatt hier gestern Nachmittag in einem Schulzimmer liegen lassen. Frau Zwahlen hat es gefunden und freundlicherweise im Lehrerzimmer abgegeben. Nun, weshalb ich dieses, nennen wir es ein Gedicht, weshalb ich dieses Gedicht vor der ganzen Schule vorgetragen habe: Dieses Gedicht wurde nicht einfach so aus einer Laune heraus aufgeschrieben, das kommt von Herzen und es stammt von einem Menschen, der mächtige Probleme hat. Und das Erschreckende daran ist, dass es sich dabei um ein Kind zwischen 11 und 17 Jahre handelt. Ein Kind, auch ein Erwachsener nicht, aber ein Kind kann mit einem solchen Gefühlschaos nicht umgehen.“ Der Mathelehrer liess seine Worte einen Moment lang wirken. Die Schüler schienen teilweise sichtlich getroffen, andere alberten schon wieder mit ihren Kollegen herum. Frau Zwahlen sah Laura direkt ins Gesicht. Laura wusste sehr wohl, dass ihre Lehrerin überzeugt war, der Brief sei von ihr. Womit sie zwar Recht hatte, aber sie würde sich das auf gar keinen Fall anhängen lassen.

Doch was sie auch noch nicht wusste, war, dass es noch schlimmer kam. „Ihr geht nun bitte in eure Klassenzimmer“, befahl Herr Onka. Auch Laura schlenderte langsam mit der Menge in die Richtung der Klassenzimmer, doch sie wurde abrupt aufgehalten. „Kommst du bitte kurz mit mir mit, Laura?“, bat Frau Zwahlen. Innerlich wehrte Laura sich dagegen, doch sie wusste, dass es nichts brachte. Besser sie brachte es hinter sich. Die Lehrer hatten schliesslich keine Beweise, dass das Gedicht von ihr war und wenn schon, man durfte doch Gedichte schreiben. Doch als Laura in das Lehrerzimmer trat, erlebte sie die Überraschung. „Was macht meine Mutter hier?“, fragte sie Frau Zwahlen mit zusammen gebissenen Zähnen. Lauras Mutter sass auf dem Stuhl und hatte anscheinend keinen blassen Schimmer, wieso sie hier war. „Was hast du denn schon wieder angestellt, Laura?“, fragte sie mich besorgt. „Nichts! Überhaupt nichts!“, sagte diese sofort. „Lesen Sie bitte dieses Gedicht, Frau Joch“, sagte Herr Onka und gab ihr das Blatt Papier. „Ich heisse nicht Frau Joch. Joch war der Name meines Mannes, aber er ist kurz nach Lauras Geburt ums Leben gekommen. Danach habe ich meinen alten Namen wieder angenommen, Torben“, antwortete meine Mum und machte sich dran mein Gedicht zu lesen. Laura überlegte sich in dieser Zeit, ob sie es abstreiten sollte oder nicht, dass sie dieses Ding geschrieben hat.

Als sie ihrer Mutter ins Gesicht sah, sah sie ihr bleiches Gesicht, das mit jedem Satz noch bleicher wurde. Am Schluss fing sie an zu weinen. „Was ist los?“, fragte Laura ihre Mutter. „Was los ist? Das weißt du doch ganz genau. Du weißt es, ich weiss es und Frau Zwahlen weiss es. DU hast dieses Gedicht geschrieben!“, weinte Lauras Mutter. „Ich habe dieses Gedicht nicht geschrieben!“, widersprach Laura. „Das bist du! Diese Person, das bist du! Ich weiss es! Wieso redest du denn nicht mit mir? Ich kann dir doch helfen!“ Laura schluckte trocken, denn in ihr brodelte es. Hatte sich ihre Mutter jemals für sie so richtig interessiert? Hätte sie dann nicht nachgehakt? Gefragt, was mit ihr los war? Wieso gab sie sich damit zufrieden, dass ihre Tochter sie abblockte? „Ich habe das nicht geschrieben!“, versicherte Laura nochmals. „Hör auf zu lügen!“, schrie ihre Mutter. „Frau Torben, das bringt nichts!“, beschwichtigte sie Frau Zwahlen. „Halten Sie sich da raus!“, sagte ich eiskalt. Frau Zwahlen erschrak über Lauras eisige Stimme. „Laura, was soll das? Ich finde, es ist die Zeit gekommen, um zu reden!“, sagte ihre Lehrerin ruhig. „Sie wussten doch ganz genau, dass, wenn sie diesen Zettel vor der ganzen Schule vorlesen lassen und ich danach in Ihr Büro geladen werde, die ganze Schule denkt, der Zettel sei von mir. Und SIE sprachen gestern von Vertrauen.“ Frau Zwahlen hatte einen Moment Mühe die Sprache zu finden. „Wir wollten damit nur den Kindern zeigen, wie schlimm es sein kann, seine Probleme allein herumzuschleppen.“ „Und was ist, wenn ich meine Probleme alleine herum schleppen WILL?“, fragte Laura sie in diesem Moment. Damit hatte sie sich verraten. Aber es war ihr egal, wie fast alles in letzter Zeit. Ausser Rica, die kleine Rica und ihre Familie waren ihr nicht egal. Carmela und Pedro verstanden sie und würden ihr immer helfen. Sie wollte weg, weg von der Schule, die sie blossgestellt hatte, weg von ihrer Mutter, die sich noch nie richtig um sie gekümmert hatte und weg von den ganzen Erinnerungen, die ihr die Luft zum Leben zu nehmen schienen. Sie wollte in diesem Moment nur etwas: geborgen sein bei jemandem, der sie verstand und ihr half. Sie war sich sicher, dass Pedro und Carmela sie für eine Zeit aufnehmen würden.

Laura stand mit einem Ruck vom Lehrerzimmertisch auf und rannte aus dem Zimmer und aus dem Gebäude. Die Rufe hinter sich ignorierte sie vollkommen. Sie dachte nur noch eines: weg von hier!






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