Kristallflügel - Teil 2

Autor: Goldglöckchen
veröffentlicht am: 21.01.2011


Kapitel 2 – Neue Wege


Es dauerte nicht lange und schon sah sie den Eingang. Ihre Gedanken waren nur bei dem Ei. Hoffentlich geschah ihm nichts, dachte sie. Jedoch lag es noch da, wie unberührt. Janina setzte ein Lächeln auf und seufzte.
„Was nun? Bringst du das Ei auf die Burg?“, fragte Falcon.
„Nein, das könnte ich nicht. Wenn es jemand findet, dann würden es meine Eltern wahrscheinlich vernichten und ich habe der Drachenmutter versprochen auf ihr Ei auf zupas-sen.“
„Wie du meinst.“
Es dauerte nicht lange und Janina verschwand wieder zum Geheimgang. Sie wollte am Abend mit ihren Eltern reden, warum sie sie angelogen hatten. Janina war furchtbar sauer auf ihren Vater. Weil er ihr diese wichtigen Dinge nicht erzählte. Was war daran so schlimm, dass ich es nicht erfahren durfte und das ganze fünfzehn Jahre lang, dachte sie.
Am Abend ging sie schließlich in das Gemach ihrer Eltern. Amalia lächelte sie an, erkannte jedoch das mit ihrer Tochter etwas nicht stimmte. Besorgt ging sie zu ihr hin, aber Janina stieß sie von sich weg. Ihr Vater zog die Augenbrauen zusammen.
„Ihr habt mich ganze fünfzehn Jahre lange angelogen. Endlich hatte ich die Wahrheit erfahren und sie schmerzt sehr. Wie konntet gerade ihr mir diese ganzen Dinge verschweigen? Dachtet ihr wirklich ich sei so naiv? Dabei wusstet ihr das die Wahrheit ans Licht kommen würde und habt es mir nach fünfzehn Jahren immer noch nicht erzählt.“ Beide Gesichter der Eltern wurden enttäuschend und Richard ließ den Kopf hängen. „Ein König der seiner eigenen und einzigen Tochter Märchen und dumme Lüge erzählt. Du bist wirklich ein perfektes Vorbild, Vater. Und du Mutter hast bei der ganzen Sache mitgespielt. Erzählst ich sei ein Burgfräulein und wir würden einfache Adlige seien, ich wusste schon immer das ich nie eine war. Dort draußen gibt es nicht nur die Waldtiere, sondern auch Drachen und Magier. Ich habe alles erfahren, meine Vergangenheit und die Wahrheit. Nicht einmal jetzt könntet ihr sie mir sagen, weil euch der Mut dazu fehlt.“
„Es tut uns so schrecklich Leid, Janina. Bitte, du musst ver-stehen, wir hatten aus Sorge um dich so handeln müssen.“, entschuldigte sich Amalia und empfand Reue.
„Spar dir dass Mutter! Ich hab wirklich genug von euren Lügen, Lebt wohl!“, rief sie und knallte die Tür hinter sich zu, als sie ging. Völlig wutentbrannt und aufgewühlt stampfte sie hinauf auf ihr Zimmer. Dann zog sie eine be-queme Hose an, darüber einen braunen Rock, Gürtel, Le-derschuhe und ein enge weiße Miederweste. Zum Schluss versteckte sie ihre Identität unter einer Kutte und packte einen Rucksack mit wichtigen Sachen. Sie wusste sie hielt es nicht länger hier aus. Ihre Eltern verstanden sie nicht und ihrem Vater war es anscheinend egal, ob sie die Wahrheit wusste oder nicht, er wollte sie trotzdem ohne Geleitschutz nicht gehen lassen. Bevor ihr Wachen oder ihre Eltern folgten verschwand sie zunächst wieder in den Keller. Davor vergewisserte sie sich noch, dass niemand ihr gefolgt war und schlüpfte dann hinter das Bild. Als sie aus dem Loch wieder hinaus kletterte, drehte sie sich ein letztes Mal zu der Burg um. Sie bereute es nicht nun ihren eigenen Weg zu gehen, eher im Gegenteil. Dass sie den Drachen traf, war ein deutlicher Schicksalsschlag, den man nicht ändern konnte. Sie wusste dass der Drache bald schlüpfte und sie ihr Versprechen nicht brechen konnte. Wenn ihr Vater die Magier so verabscheute, wie sollte er dann damit klar kommen, das seine eigene Tochter Magie beherrschte? Es gab keinen anderen Weg, als zu fliehen. Mit Falcon wird sie wohl eine Reise antreten müssen, die ihr komplettes Leben ändern würde. Sie hatte Angst, aber genau das machte sie schließlich mutig. Vielleicht fand sie später sogar noch mehr über ihre Eltern und ihre Kindheit heraus, denn sie wusste das da mehr dahinter steckte, viel mehr. In der Höhle kam sie nun an, wo Falcon sie schon erwartete.
„Nun hast du dich entschieden, doch wegzugehen. Dir ist schon klar, dass es da draußen gefährlich wird und vielleicht Wahrhei-ten auf dich warten die du nicht verstehen wirst. Bist du dir wirklich sich?“, fragte er sie.
„Meine Tage hier sind gezählt. Mein Vater würde mich wahrscheinlich sowieso hinfort schicken, wenn er gemerkt hätte, dass ich Magie beherrsche. Sie hätten mich auch so weiterhin in der Burg eingesperrt.“
„Es ist deine Entscheidung.“
Das Ei war ein wenig zu groß, als das hätte sie es auf dem Arm ständig tragen können, aber sie packte es in ihren rie-sigen Rucksack.
„Wohin jetzt?“, fragte Falcon.
„Weg von hier. Wenn meine Eltern erst merken, dass ich verschwunden bin, werden sie Suchtrupps hinaus schicken und mich finden wollen.“
„Du könntest auch auf der Burg bleiben um später Erbin zu werden.“
„Es war noch nie mein Wunsch später in Vaters Fußstapfen zu treten. Außerdem fand ich es äußerst merkwürdig, dass ich das einzige Kind war. Ich glaube es war etwas passiert, die letzten fünfzehn Jahre, von dem ich noch nichts wusste.“
Als sie gerade die Höhle verließen, hörte sie Stimmen von Wachen. „Sie kann nicht weit sein!“, schrie einer von ihnen.
„Los, weg hier!“, schrie sie und lief noch weiter von der Burg weg. Den Rucksack hatte sie im Arm, damit das Ei beim Laufen nicht zerbrach, wenn sie es auf dem Rücken getragen hätte. Noch immer hörte sie die Stimmen der Wachen und glaubte umzingelt zu sein.
„Verdammt! Sie sind überall, Janina.“, rief er.
„Warte, da vorne ist der Ausgang des Waldes. Los komm, das schaffen wir.“
Janina rannte so schnell sie nur konnte hinaus und bekam fast keine Luft. Sie keuchte tief und sie hatten ein Stechen an der Seite. Als sie auf einer weiten Wiese landete, die bis hinunter an andere Wälder hinein grenzte, hatten sie die Wachen entdeckt.
„Da ist sie!“, schrie einer.
Sie rannten auf sie zu und Janina konnte nicht mehr rennen. Jedoch als sie dabei unruhig und ängstlich wurde, sprintete sie weiter. Sie kam nicht weit und schon packte sie einer am Arm. Falcon pickte in seiner Hand und er schrie auf.
„Falcon!“, rief sie.
Doch dann ließ er das Mädchen los und die Wachen gingen einige Schritte zurück.
„Ich wusste dass mit ihr etwas nicht stimmte.“, meinte ei-ner.
„Sie ist verflucht!“
„Die Königstochter beherrscht Magie.“, rief ein anderer.
„Genau! Und ich werde euch allen wehtun, wenn ihr nicht auf der Stelle verschwindet.“, rief Janina und versuchte ihnen Angst einzujagen. Sie wusste zwar überhaupt nicht wie Magie funktionierte, aber vielleicht glaubten sie es auch so.
Sie gingen weitere Schritte zurück.
„Wenn sie schon mit dem Vogel spricht, dann muss sie auch einen Drachen haben.“, schrie einer misstrauisch.
Vor Furcht gegen einen Drachen später kämpfen zu kön-nen, flohen einige wieder in den Wald.
„Bleibt hier ihr Angsthasen! Es ist doch nur ein einfaches Mädchen. Ich denke sie weiß nicht einmal wie man mit Magie umgeht.“
Sie war enttarnt. Janina lief wieder weg und die Wachen waren ihr dicht hinter den Fersen. Die war sofort außer Atem und wurde langsam. Einer der Wachen packte sie am Arm. Doch hinter den Bäumen kam ein Drache angeflogen mit roten Schuppen, Hörnern am Kopf und zwei Schwän-zen. Die Flügel dieser Bestie waren enorm groß. Als er landete sprang ein Junge ab, braunes kurzes Haar, trug eine Lederrüstung und hatte Stahlblaue Augen.
„Lasst sie gehen!“, rief er.
Doch dann hielt die Wache ein Schwert unter Janinas Hals. Zum ersten Mal verspürte sie eine enorme Angst. Sie zitterte am ganzen Leib und ihre Atemzüge waren unregelmäßig schnell.
„Pass auf, Janina. Er ist ein Schattenreiter. Er muss mächtig sein, das spüre ich bis in die Federspitzen.“, warnte Falcon sie.
„Ich gebe dir noch eine Chance sie gehen zu lassen.“, rief er.
Jedoch weigerte der Mann sich und hielt das Schwert noch enger an ihren Hals. Aber dann trat Janina ihm auf seine Füße, stieß ihren Kopf mit voller Kraft gegen seine Nase und er schrie auf.
Sie konnte sich befreien und rannte zu dem Jungen. Am Waldrand tauchten plötzlich mehr Wachen auf, die mit hocherhobenem Schwert in einer langen Reihe standen. Hinter ihnen waren noch einmal genauso viele. Woher kamen die alle? Der Junge packte Janinas Hand und zog sie zum Drachen. Falcon sagte man solle einem Schattenreiter nicht trauen, aber sie hatte trotz allem keine andere Wahl. Etwa die Wachen brachten sie zur Burg oder der Junge nahm sie mit. Aber trotzdem konnte sie ihm irgendwie ver-trauen. Also stieg sie auf den gigantischen Drachen. Den Rucksack nahm sie nach vorne und hielt sich an seinem Bauch fest. Es war völlig wackelig zuerst und ziemlich auf-regend, doch als der Drache seine Flügel ausbreitete, da bekam sie etwas Angst. Schon damals wie sie auf der Burg-spitze stand und hinunter schaute, wurde ihr manchmal schwindelig und davor hatte sie ein wenig Angst. Doch als er abhob, hielt sie sich noch mehr an dem Jungen fest und es war noch holpriger als vorher. Sie sah den Wachen zu wie sie auf den Drachen zu rannten, der aber schon längst in der Luft war. Noch kurz spuckte er eine Feuerkugel vor ihre Füße und verschwand dann hinter den Wäldern. Es war ein völlig aufregendes Gefühl für Janina zu fliegen. Noch nie war sie so hoch und spürte wie der Wind ihre langen Haare durchfuhr. Es war ein befreiendes und abenteuerliches Gefühl, das sie in ihrem Bauch spürte. Als der Junge sich sicher fühlte, gab er dem Drachen das Zeichen zu landen und sie waren mitten in einem Wald.
„Wo sind wir?“, fragte Janina, als ihr der Junge hinunter half.
„Momentan noch in Sicherheit.“, meinte er.
„Du bist ein Schattenreiter.“, sagte sie und schaute ihn misstrauisch an.
„Du bist genauso wie die anderen. Sie denken auch immer die Schattendrachen waren bösartig Kreaturen, was viel-leicht die meisten auch sind, aber mir kannst du vertrauen.“
„Tut mir leid, aber in der Sache Vertrauen, müsste ich dich viel besser kennenlernen, fangen wir doch erstmals mit deinem Namen an.“
„Ich heiße Jonas und du?“
„Janina.“
Er hielt kurz inne und dachte scharf nach. Der Name ließ ihn grübeln. Diesen Name kenne ich doch, dachte er.
„Woher kommst du, Janina?“
„Von der Burg.“
„Was hast du dort gearbeitet?“
Die Fragen quälten Janina ein wenig. Er war ein ziemlich neugieriger Junge und immerhin musste sie ihn für ihre Rettung danken. Dennoch konnte sie ihm nicht erzählen, dass sie eine Prinzessin war.
„Nun, ich war dort eine Magd, aber ich bin weggelaufen. Was macht denn ein Junge wie du hier in der Gegend?“
„Die Magier gaben mir einen Auftrag.“
„Bist du einer von ihnen?“, fragte sie.
„Ja.“
„Kannst du mich lehren?“, fragte sie aufgeregt.
„Bitte? Du besitzt Magie?“
Sie nickte zögernd. Jonas konnte ihr zuerst nicht ganz glauben, da sie so ein sanftes und zierliches Mädchen war. In ihr steckte Abenteuerlust, das wusste er schon gleich. Dennoch kam sie ihm so bekannt vor, als hätten sich ihre Wege vor Jahren schon einmal gekreuzt.
„Ich könnte schon.“
„Aber..?“
Er schaute sie misstrauisch an und blickte dann hinab auf die vollgestopfte Tasche. Er wusste dass sie dort etwas versteckte und so langsam glaubte er ihr nicht mehr. Es fügte sich alles zusammen. Er hatte bestimmt einer Diebin geholfen. Sie stahl etwas aus der Burg, die Wachen waren hinter ihr her und er hatte die Diebin gerettet. Wie naiv von ihm.
„Einer Diebin helfe ich nicht.“, meinte er und drehte sich zu seinem Drachen um, als wollte er wieder gehen.
„Was? Ich bin keine Diebin!“, rief sie.
„Ach nein? Was hast du dann in deinem Rucksack?“, fragte er drängend und ging einige Schritte auf sie zu.
„Nichts was ich gestohlen haben könnte.“
„Und die Wachen? Wieso waren sie hinter dir her?“
Was sollte sie jetzt sagen? Wenn er erfuhr dass sie eine wichtige Persönlichkeit war, würde er sie vielleicht gefan-gen nehmen. Die Magier hätten dann eine wichtige Geisel. Sie hatte keine andere Wahl als zu Lügen.
„Na gut, ich habe etwas aus der Burg gestohlen und bin geflohen.“, log sie.
„Bei dem Typen musst du aufpassen was du sagst!“, hallte es in ihren Gedanken und Falcon saß auf einem Ast oben im Baum.
„Wusste ich es doch. Wieso hast du das gemacht? Vielleicht sollte ich dich zurückbringen oder dich einfach hier lassen.“, brummte er.
„Nein! Bitte! Lass mich hier nicht allein!“, rief sie und packte seinen Arm, als er auf den Drachen aufsteigen wollte.
„Dann zeig mir was du in deinem Rucksack hast.“
Janina konnte nicht anders. Wenn sie nicht gehorche, wür-de er wegfliegen und die Nacht würde anbrechen. Allein im Dunklen Wald sich zurecht zu finden, wäre unerträglich. Mit einem genervten Seufzer öffnete Janina den Rucksack. Er sah das riesige Ei und wollte es herausnehmen, doch sie schloss ihn wieder versteckte es hinter dem Rücken.
„Weißt du überhaupt was das ist?“, brüllte er.
„Natürlich weiß ich das. Und ich habe versprochen es zu beschützen.“
„Dir ist schon klar, dass es einen unbezahlbaren Wert hat.“
„Das ist mir gleich. Es bleibt bei mir.“, betonte sie und schaute ihn giftig an.
„Gut, ich werde die Nacht noch hier bleiben, aber morgen musst du allein klar kommen.“
Janina schnaubte und schaute hinauf zu Falcon. Der glitt hinunter und setzte sich auf ihre Schulter.
„Vielleicht solltest du ihn überreden, dass er dich in eine Stadt bringt. Wir sind weit von der Burg entfernt und selbst morgen würden wir es nicht schaffen eine zu erreichen.“, schlug Falcon vor.
„Das wird schwierig. Er ist ziemlich stur. Außerdem denkt er ich wäre eine Diebin und habe außerdem ein Drachenei bei mir.“, meinte sie.
„Wir müssen es versuchen! Er könnte uns beschützen.“
„Ich werde mir Mühe geben. Man sagt nicht umsonst Frauen hätten schöne Augen.“
Jonas setzte sich neben sie und sein Drache legte sich auf dem Boden nieder.
„Dieser Vogel hört auf dich?“, fragte er.
„So sieht´s aus.“
„Jonas! Von diesem Vogel geht dieselbe Essenz aus wie von dem Mädchen. So etwas habe ich noch nie gesehen. Anscheinend kön-nen sie sogar miteinander reden.“, sprach der rote Drache zu ihm.
„Das muss ja ein ganz besonderer Falke sein. Hat er auch einen Namen?“
„Falcon.“
Die Nacht brach an. Jonas und Janina suchten nach ein paar Stöcken und legten sie zu einem Haufen zusammen. Der Drache speite Feuer und es fing an zu brennen. Janina fielen immer wieder die Augen zu. Der Tag war viel zu anstrengend für sie. Noch bevor sie sich schlafen legte, um-klammerte sie das Ei, damit Jonas es nicht klauen konnte.
„Vertraust du mir etwa nicht?“, fragte er.
„Ich gehe nur jedem Risiko aus dem Weg.“
Er seufzte.
Als Janina schlief, schaute er ob der Falke auch die Augen geschlossen hatte und nahm langsam das Ei aus ihrem Arm. Dann setzte er sich wieder neben sie und betrachtete es genauer. Es war viel zu groß für ein Ei. Der Drache, der da mal ausschlüpfte würde ein Gigant werden.
„Er wird bald schlüpfen. Die Essenz ist am stärksten und sie ist unglaublich. Von diesem Ei geht eine Macht aus, die selbst für mich zu stark ist.“, ertönte der Drache.
„Was würde Elgis dafür geben, um das hier zu sehen.“
„Du willst es doch nicht der Drachentöterin übergeben?“
„Nein. Aber an diesem Mädchen und dem Ei hängt etwas dran, das ich unbedingt erfahren möchte. Sie ist nicht wie die anderen. Eine Diebin die zugleich so zierlich aussieht? So etwas gibt es selten, besonders bei Frauen.“, rätselte Jonas und legte das Ei zurück.
„Wirst du sie morgen allein lassen?“, fragte der Drache behut-sam.
„Nein. So ein Mensch bin ich nicht.“
Am nächsten Morgen wachte Janina auf und ihr Ei befand sich in ihrem Rucksack. Hatte sie es nicht letzte Nacht in ihren Armen gehalten? Ruckartig drehte sie sich um und Jonas schlief noch, sowie auch sein Drache. Sie streckte ihre Arme in die Höhe und gähnte.
„Auch schon wach?“, fragte Falcon.
„Guten Morgen.“, grüßte Janina ihn. Janina griff nach dem Ei und legte ihr Ohr daran. Sie hörte Bewegungen und die Flüssigkeit, die sich darin befand. Ob es vielleicht bald schlüpfte?
Im nächsten Augenblick wachte Jonas auf und grüßte sie.
„Wenn du willst kann ich dich heute ein wenig in Magie lehren.“
„Wirklich?“, lächelte sie erfreut.
„Es wird aber nicht einfach.“
„Das nehme ich in Kauf.“
Vorsichtig legte sie das Ei wieder in die warme Tasche und bat Falcon darauf aufzupassen. Jonas und Janina gingen ein Stückchen weiter und blieben an einer Lichtung stehen. Dort begannen sie zu üben. Jonas führte zuerst etwas vor. Er konzentrierte sich auf den Baumstamm und drehte dabei seinen Finger kreisförmig in der Luft. Dadurch entstand eine Art Kraft, die zu Feuer wurde und auf den Baumstamm prallte. Eine leicht verbrannte Wölbung im Stamm rauchte. Dann stellte sich Janina hin und streckte ihren Zeigefinger nach vorne.
„Du musst dich auf die Kraft konzentrieren und an Feuer denken. Du musst dich auf sein Gespür konzentrieren, wel-che Farbe es hat und an seine Form denken.“
Es fiel Janina nicht gerade sehr schwer, dies alles zu lernen. Doch dann entstand eine zu große Kraft und eine riesige Feuerkugel durchbohrte den Stamm. Jonas kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.
„Wie hast du das gemacht?“, fragte er beeindruckt.
„War ich denn gut?“, grinste sie.
„Anfängerglück.“
„Auf dem Weg kann ich dir noch die Wasser-, Erd- und Luftmagie zeigen. Mit Magie kannst du auch deine Sinne stärken. Besser riechen, fühlen, hören und sehen. Jedoch ist es besser wenn du sie verwendest, auf dem Drachen, dort sind sie meistens nützlicher.“
„Wo gehen wir denn hin?“
„Es gibt eine Stadt, ein wenig weiter im Osten, dort konn-ten wir uns niederlassen, vorerst.“
„Ach, willst du mich doch begleiten.“, lächelte Janina sieg-reich.
„Für es erste, ja.“
Janina jubelte innerlich.
„Osten ist gut. Wenn wir die Richtung weiter gehen, können wir vielleicht mit dem Anführer der Magier reden. Einige sind gegen den Drachenfürsten.“, meinte Falcon.
„Wenn du schon Feuer beherrschst, kann es mit den ande-ren Elementen genauso gut laufen.“
Jonas und Janina gingen erfolgreich zurück und wanderten mit den anderen nach Osten. Der Drache flog schon voraus und beide mussten zu Fuß gehen.
„Das Ei hattest du aber nicht aus der Burg gestohlen, o-der?“, fragte Jonas.
„Nein. Ich fand es in einer Höhle, allein.“
„Aber wem gabst du dann das Versprechen darauf gut auf-zupassen?“
Wieder musste sie lügen.
„Mir selbst.“
Kurz herrschte Stille zwischen beiden.
„Ich find es wirklich schlimm, den Krieg im Moment.“, fiel Jonas auf.
„Gegen wen?“, fragte Janina.
„Das müsstest du doch wissen. Die Menschen gegen den Drachenfürst. Nur leider sieht es für die Menschen im Mo-ment ziemlich schlecht aus. Der König wollte sich mit den Magiern im Osten verbünden, um gemeinsam gegen den Fürst anzutreten. Doch die Magier lehnten ab.“, erzählte er.
„Aber warum taten sie das?“
„Man kann den Menschen eben nicht vertrauen.“
„Das stimmt nicht. Der König hat alles für sein Volk getan und so danken die Magier ihm? Es hat sogar das Gesetz erlassen, dass Magier genauso behandelt werden wie die Menschen. Wie können die Magier nur so undankbar sein!“, fluchte Janina los.
„Du setzt dich ja ziemlich ein für deinen König.“, fiel ihm auf. Er ist ja auch mein Vater, dachte sie. Sie seufzte und sprach kein Wort mehr weiter. Jonas zweifelte langsam dass sie nur eine Magd gewesen war. Er wusste das sie zu mehr bestimmt war. Er selbst erinnerte sich nur an Bruchteile seiner Vergangenheit. Er hatte Angst und lief weit weg. Ein alter Mann, der auch ein Magier war, nahm ihn auf, lehrte ihn die Kunst zu zaubern. Ihm wurde vorerst eine Essenz gegeben und dann weitererzogen. An seine Eltern erinnerte er sich nur teilweise. Jedoch wusste er, dass sein Vater eine hohe Persönlichkeit gewesen und seine Mutter eine wunderschöne liebevolle Frau war. In seinem Kopf war da noch ein ganz kleines Kind, ein Neugeborenes. Es war ein Mädchen, aber an ihren Namen erinnerte er sich nicht mehr. Aber als Janina ihren Namen sagte, kamen in dem Moment genau diese Erinnerungen wieder hoch. Ob das etwas bedeuten sollte? Inzwischen waren ja auch fünfzehn Jahre vergangen.
Es dauerte nicht lang und es war schon dunkel. Jedoch war die Stadt von weitem zu sehen. Janina sah Lichter und Pferde die in die Stadt hineinritten. In der Stadt suchten sie eine Bleibe und fanden ein Gasthaus mitten in der Stadt. Es gab einen Brunnen der auf dem Marktplatz stand und viele Häuser. Es war faszinierend für Janina, da sie nichts anderes kannte, als die Burg. Oben gab es zwei Einzelbetten und Janina lag sich müde hin. Das Ei schob sie unter sich und bat Falcon es erneut zu bewachen. Jedoch schlief er auch später auf der Fensterbank ein.
Der nächste Morgen brach an und Janina war wach. Sie stand auf und hörte plötzlich ein Kratzen und kurze Geräu-sche unter Jonas Bett. Das Schnurren war dann kaum zu überhören und vorsichtig beugte sich Janina unters Bett.
Wie aus dem Nichts kam etwas Grünes auf sie zu und sprang in ihr ins Gesicht. Sie schrie erschrocken auf, wodurch auch die anderen geweckt wurden. Auf ihrer Brust stand ein kleiner geschlüpfter Drache. Seine Schuppen wa-ren olivgrün und die Augen gelb. Statt Hörner, wie bei Jonas‘ Drachen, hatte er zwei blaue lange Kristalle. Selbst auf der Nase saß ein diamantförmiger glänzender Stein. Er schaute Janina mit großen Augen an und wedelte mit seinen zwei Schwänzen hin und her. Aufgeregt trappelte es auf der Stelle. Janina blieb der Atem weg und sie hatte noch nie zuvor eine solch seltene Art von Drachen gesehen. Selbst die Mutter des Kleinen war völlig anders. Vielleicht sieht er auch seinem Vater ähnlich.
„Noch nie habe ich einen solch seltenen Drachen gesehen. Er muss wirklich bedeutend sein.“, sagte Jonas erstaunend und hockte sich zu ihm hinunter. Langsam bewegte er seine Finger zu dem Kleinen, doch der fauchte heftig und biss ihm in die Hand. Dann lief er hinter Janinas Rücken und versteckte sich. Jonas schrie kurz auf. Es blutete nicht, da der Kleine noch keine richtigen Zähne hatte.
„Ich glaube er mag dich, Janina.“, lächelte Jonas.
„Aber wieso?“
„Du warst ständig bei ihm. Er spürt ab sofort deine Gegen-wart und findet sie anziehend. Das so viel bedeutet wie, er denkt du wärst seine Mutter.“
Janins schrak auf und kletterte aufs Bett.
„Seine Mutter?“, murmelte sie. Der Drache blieb vor dem Bett stehen und schaute Janina wieder mit einem entzü-ckenden Blick an. Seine Kristallhörner glänzten im Sonnenschein und auch Zähne am Rücken, leuchteten weiß.
„Wieso besitzt er Kristalle am Kopf und auf der Schnauze?“, fragte Janina.
„Er ist eben etwas besondere. So einen Drachen gibt es wohl sehr selten. Trotzdem kenne ich jemanden der das wissen könnte. Ihr Name ist Elgis.“
„Jonas! Hör auf damit! Du weißt genau was sie mit dem Dra-chen deines besten Freundes getan hat. Lass wenigstens diesen Drachen aus der Sache heraus. Willst du das sie ihn tötet?“, fauchte sein Drache, der in der Nähe von ihm war.
„Aber ich möchte wissen was es damit auf sich hat. Außerdem vertraut sie mir. Ich werde den Drachen schon nicht sterben las-sen.“
„Du begehst einen schweren Fehler. Wenn sie je rausfindet, das du den Drachen zu einer Drachentöterin bringst, wird sie dir das niemals verzeihen.“, warnte er ihn. Doch Jonas blieb bei seinem Plan. Seine Neugier blendete alle anderen Risiken aus und brachte somit sogar Janina in Gefahr.
„Wirklich? Ist sie so eine Art Drachenkennerin?“, fragte Janina.
„Ja, genau. Sie wird dir bestimmt sagen können, wer dieser Drache ist.“
„Ein Glück, das du dabei bist.“, lächelte sie und streckte ihre Hand nach dem Drachen aus. Er streifte sich daran und schnurrte leise. Egal wohin Janina ging, der Drache folgte ihr auf Schritt und Tritt. Sogar wenn sie auf dem Bett saß, versuchte er hinauf zu kommen. Seine Beine waren ziemlich kräftig für sein Alter. Er konnte sehr hoch springen, aber fliegen konnte er noch nicht. Sie mussten warten bis es wieder dunkel wurde und in der Zeit lernte Janina den Drachen näher kennen. Als er in ihrem Schoß lag und schlief. Berührte sie seine Kristallhörner. Sie war sehr spitz und Messerscharf, sowie seine Pranken. Die Zähne, die an seiner Wirbelsäule entlang liefen bis hin zur Schwanzspitze waren unterschiedlich groß. Nach drei kleinen kam immer ein großer Zahn. Er war fast so lang wie Janinas Beine und so breit wie zwei Oberschenkel.
„Jonas, was essen eigentlich Drachen?“
„Fleisch. Noron bringt ihm etwas Kleines mit. Er ist im Moment auf der Jagd.“
„Noron?“, fragte sie.
„Mein Drache.“
Als es dunkel war, ging es los. Der Drache blieb immer hinter Janina, jedoch wenn ein Mensch an ihnen vorbei ging, versteckte sie ihn unter ihrer Kutte. Er hasste es ge-tragen zu werden und wehrte sich meistens unter dem Ge-wand. Als sie die Stadt verlassen hatten, konnte der Drache frei herum laufen.
„Welchen Namen wirst du ihm geben?“, fragte er.
„Einen Namen?“
„Du kannst ihn ja nicht ewig Drachen nennen, oder?“
Janina dachte gut nach. Sie kannte keine Drachennamen und wie sollte sie sich dann für einen entscheiden. Jonas seiner hieß Noron.
„Ich weiß doch noch nicht einmal ob es ein Männchen oder ein Weibchen ist.“
„Das haben wir gleich.“
Jonas packte sich den Drachen und schaute sich genauer seine Schuppen an. Bevor er etwas sagte, biss ihm der Dra-che in die Nase. Janina musste lachen.
„Es ist ein Weibchen.“
„Wie hast du das erkannt?“
„Männchen und Weibchen unterscheiden sich in ihrem Schuppenmuster. Weibchen haben gleichmäßige Muster, also immer einfarbig. Hingegen von Männchen viele kleine Punkte oder Streifen haben.
„Gut, dann werde ich sie Selena nennen, wegen ihren grü-nen Schuppen.“
„Es ist ja dein Drache.“, brummte er und strich sich über die Nase. Im selben Moment tauchte Noron auf und hatte einen Hasen im Maul. Er ließ ihn in die Wiese fallen, worauf sich Selena gleich stürzte.
„Noron meint, er könnte der Kleinen öfters Futter bringen, denn sie muss viel essen, wenn sie schneller groß werden will. Ich gebe ihr höchstens drei Wochen und sie ist vielleicht größer als Noron. Bis dahin machen wir uns auf den Weg zu Elgis.“
Noron schnaubte fest, das Janina auffiel. Sie hatte das Ge-fühl als wäre diese Drachenkennerin nicht der Mensch für den sie sie hielt. Noron war genauso nervös wie Janina und immerhin kannte wahrscheinlich nur Jonas Elgis.
Janina kniete sich zu Selena hin und lächelte sie an.
„Gefällt dir dein Name?“, fragte sie den Drachen. Jedoch rieb Selena sich an ihrer Hand und schnurrte.
„Wie lange brauchen wir bis zu Elgis?“, fragte Janina als sie ein Lager vorbereiteten.
„Sieben Tage.“
„So lang?“
Er nickte grinsend.
„Tja, das passiert wenn man eine Frau mitnimmt. Sie jam-mert.“
„Sehr witzig.“, brummte Janina. Als sie sich schlafen legte, verkroch sich Selena unter ihrem Arm und schloss ihre Au-gen. Wann würde ich wohl deine Gedanken hören? , fragte sich Janina.
Schon am frühen Morgen ging der Weg weiter. Diesmal ritten sie auf Noron und Falcon folgte ihnen. Unter ihrer Kutte versteckte sie Selena und sie zog ängstlich den Kopf ein. Sie kamen so schneller voran, aber schon bald wurde Noron müde, weil er zwei Menschen auf dem Rücken nicht packte. Sie mussten rasten und deswegen glitt er langsam hinunter. Mitten im Flug quetschte sich Selena unter dem Gewand hervor und als sie die Tiefe sah, sprang sie blitz-schnell aus Janinas Armen und fiel hinunter. Janina schrie ängstlich auf und sah wie Selena immer tiefer fiel, nicht mehr lange und sie käme auf dem Boden auf. Noron flog ihr schnell hinterher, doch es reichte nicht. Bis Selena ihre kleinen Flügel austreckte und dann langsam hinunter glitt. Das gleichzeitige schlagen der Flügel gelang ihr noch nicht, aber sie konnte sie beide gestreckt halten und so unbeschadet auf dem Boden aufkommen. Völlig besorgt lief Janina auf Selena zu, als sie landeten. Erleichtert nahm sie den Drachen in den Arm und streichelte sie sanft über dem Kopf.
„Du kannst mir doch nicht solch einen Schrecken einjagen. Du darfst nicht einfach hinunter springen, du hättest dabei sterben können.“, schimpfte Janina und Selena zog ein bitteres Gesicht.
„Sie wird dich nicht verstehen können. Noch nicht jeden-falls.“, rief Jonas.
„Aber immerhin kann sie mit ihren Flügeln gleiten.“
„Das stimmt. Etwas früh für einen neu geschlüpften Dra-chen. Vielleicht kann er sogar schon fliegen, wenn er noch ein wenig größer geworden ist.“
Seufzend drehte sich Jonas um seine eigene Achse. „Dadurch sind wir glaube ich vom Kurs abgekommen. Sonst orientierte ich mich immer an den Bäumen, aber jetzt, wo wir am Boden stehen. Noron, flieg hoch und gib die Richtung an.“, rief er zum Drachen und er hob wieder ab. Noron spuckte in eine bestimmte Richtung Feuer und diesem Weg folgte Jonas.
Janina ließ den Drachen hinunter und ging neben Jonas her






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