Winternachtstraum - Teil 5

Autor: Addielein
veröffentlicht am: 04.04.2011


Am Nachmittag kommt Melanie vorbei, im Schlepptau von Lennard. In der Hand hält sie eine Tupperbox mit Suppe. Hatte davon Lennard gestern Abend nicht irgendetwas geschwafelt?
„Wie geht es dir?“ fragt sie, nachdem sie ihren Bruder mit einem Küsschen rechts und links auf die Wange begrüßt hat.
Ich zucke mit den Schultern und nicke dann: „Gut“ Ich winkele die Beine auf dem schwarzen Sofa an und schaue weiter aus dem Fenster.
„Ich hab dir Suppe gemacht!“ ruft sie freudig aus. Anscheinend hat sie es sich zur Aufgabe gemacht, mich aufzuheitern.
Lennard neben ihr verdreht die Augen: „Sie hat dir Suppe gemacht“
Ich schaue sie wieder an und ringe mir ein Lächeln ab. „Danke“ Doch ich habe nicht vor sie zu essen. Ich kriege im Moment nichts runter. Ich glaube sogar, dass mir der Kaffee noch im Magen liegt – was Blödsinn ist!
„Was ist mit meinem Auto?“
„Auf dem Schrottplatz. Ich hoffe du bist mir nicht böse, aber ich habe noch mal das Handschuhfach durchsucht“ Lennard beginnt in seiner Jackentasche zu kramen und ich ahne schon, was er hervorholen wird.
„Ich dachte mir, dass dir diese Kassette vielleicht wichtig ist. Und das Bild“ Er reicht mir die Kassette von Phillip und ein Bild von uns beiden; das war letzten Sommer gewesen. Wir waren am Baggersee in der Nähe von Magdeburg; wir küssen uns.
Ich nehme das Bild und die Kassette an mich und merke wie meine Hände zittern. Dann spüre ich, wie mir der Kaffee wieder hochkommt.
„Ich will es nicht! Wo ist der Mülleimer?“ Meine Stimme bricht beinahe und sie hört sich unnatürlich hoch an.
„Wie? Du willst es nicht?“ fragt Melanie dümmlich und ich würde ihr am liebsten an die Gurgel springen.
„Mel!“ sagt Ramon vorwurfsvoll und nimmt mir die beiden Sachen aus der Hand und schmeißt sie für mich weg.
„Danke“ murmele ich noch, während Lennard nur betreten daneben steht. Auch Melanie ist die Situation unangenehm. Das bemerke ich spätestens dann, als sie hastig sagt: „Ich mach’ dir schnell die Suppe warm“
Ich weiß, dass alle drei es nur gut meinen und dass ich Glück habe, dass es noch so nette Leute wie sie gibt, dennoch nerven sie mich. Ich will doch einfach in Ruhe gelassen werden. Ich will alleine über Phillip und unsere ehemalige Beziehung grübeln. Ich will lernen ihn zu hassen. Ich will lernen Annika zu hassen. Ich spüre wieder die Übelkeit aufsteigen und versuche gleichmäßig zu atmen.
„Ich weiß die Frage ist vielleicht bescheuert, aber geht es dir gut?“ fragt Lennard leise und setzt sich neben mich. Mehr sagt er nicht, und auch ich antworte nicht gleich.
Ich höre, wie Melanie und Ramon leise in der Küche reden. Doch ich kann nicht verstehen über was.
„Vergiss’ es“ zische ich Lennard an und das war’s. Mehr sage ich nicht. Ich schaue ihn noch nicht einmal an.

Ich zwinge mich dazu wenigstens ein paar Löffel von der Suppe zu essen, als Ramons Handy klingelt. Er runzelt die Stirn, als er die Nummer auf dem Display sieht und geht ran. Sein Stirnrunzeln wird noch größer, dann legen sich die Falten: „Okay“ Er reicht mir das Telefon: „Irgendeine Nina“
Wenn Nina telefoniert, dann fährt Tom. Die kommen niemals an!
„Nina?“ frage ich und sofort schnattert sie los: „Die Straßen sind komplett zugeschneit und Tom, der Idiot hat noch Sommerreifen drauf! Wir hängen in Weil am Rhein fest! Der Schneepflug kommt mit dem räumen nicht hinterher“
„Oh man!“ stöhne ich und fahre mir mit der Hand durch die Haare, wobei sich manche Strähnen zwischen meinen Finger verfangen.
„Bist du gut untergebracht?“ fragt Nina und ich höre schon das schlechte Gewissen in ihrer Stimme.
Ich werfe einen Blick auf die Suppe und schaue dann zu Ramon. Dann nicke ich: „Ja, mir geht’s gut“
„Vielleicht ist es morgen besser…“ Sie bricht ab. „Was?!“ Dann höre Toms Stimme, doch ich verstehe nicht, was er sagt. „Hör’ zu, Addie“ Jetzt redet Nina wieder mit mir: „Wir übernachten die Nacht in einer Pension und morgen retten wir dich. Der Wetterbericht sagt, dass es heute Nacht aufhören soll zu schneien. Doch der Schneesturm hat alle lahm gelegt. Es fährt nichts mehr!“
„Warum muss sie auch unbedingt in die Schweiz fahren?!“ flucht Tom und ich muss lachen. „Tut mir Leid“
„Ach, quatsch, Addie. Du hast Liebeskummer. Du bist nicht zurechnungsfähig“ erwidert Nina. „Ich hoffe du bist uns nicht böse, aber wir kommen nicht durch. Niemand kommt hier weg“
„Das muss dir nicht Leid tun“ meine ich. „Wir sehen uns morgen“ Ich lege auf und lege das iPhone auf den Tisch.
„Die Straßen sind zu?“ fragt Melanie.
Ich nicke.
„Zug?“ hakt Melanie nach.
„Kannst du auch vergessen. Wahrscheinlich werden sogar Flüge gestrichen“ erwidert Lennard.
Ich vergrabe den Kopf in den Händen und unterdrücke ein Schluchzen. „Morgen seid ihr mich los, versprochen“
„Wo sind deine Mitbewohner?“ fragt Ramon.
„In Weil am Rhein“ antworte ich.
„Das ist noch in Deutschland“ stellt Lennard fest.
Ich nicke nur und schaue wieder auf. „Und Tom dieser Idiot hat sogar noch Sommerreifen drauf!“
Lennard zieht skeptisch die Brauen zusammen, während Ramon schon in schallendes Gelächter ausbricht und sein Handy an sich nimmt.
„Wen rufst du an?“ fragt Melanie neugierig, doch Ramon ignoriert ihre Frage und verlässt den Raum.
„Dummer, verschlossener Bruder!“ zischt Melanie und räumt den Suppenteller, der beinahe unangerührt vor mir steht. Man sieht ihr an, dass sie das verletzt, doch sie sagt nichts.
„Okay… Zieh’ dich an“ sagt Ramon zu mir, als er wieder in die Küche kommt.
„Was?!“ Ich bin verwirrt.
„Mit wem hast du telefoniert?“ fragt Lennard misstrauisch.
„Mit Florian“
„Bist du verrückt?!“ ruft Lennard aus und muss aber trotzdem lachen.
Ich schaue verwirrt von einem zum anderen. Sogar Melanie scheint Ahnung zu haben, denn ihre Mimik wird prüfend, bis sie den Kopf schüttelt: „Das ist verrückt!“
„Was denn verdammt?“ rufe ich, stehe auf und stemme die Hände die Hüften.
„Bis Weil am Rhein kann ich dich nicht fahren, wenn alle Straßen blockiert sind. Aber du lernst jetzt Skifahren“ erklärt Ramon.
Sofort schüttele ich mit dem Kopf und trete einen Schritt zurück: „Du bist verrückt!“
Er zuckt mit den Schultern: „Kann schon sein. Doch wenn man schon mal in Hérémence ist, dann muss man auch Skifahren. So sind die Regeln“
„Das ist eine bescheuerte Regel“ wehre ich mich, doch ich sehe an seinen Gesichtsausdruck, dass ich diesen Kampf nicht gewinnen werde. Also gebe ich auf.






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