Meeresrauschen - Teil 2

Autor: Anonym01
veröffentlicht am: 21.01.2011


Am Morgen wurde ich von alleine wach, sogar noch bevor mein Wecker losging. Glücklich erwacht aus meiner Traumwelt stand ich auf, streckte mich, zog mir meine Jogginghose und ein sauberes T-shirt an und begab mich nach unten, um mir meine Schuhe anzuziehen. Aus dem Portemonnaie meiner Mutter nahm ich mir einen 5 Euroschein. Leise zog ich mir eine Jacke an, weil es morgens immer sehr frisch war. Dann schlich ich mich hinaus. Eigenartig war es schon, dass Max es nicht mitbekommen hat. Sonst ist er immer sofort da und will unbedingt mitkommen wenn ich joggen gehe. Doch diesmal war es anders. Ich machte mir keinen Kopf mehr darum und joggte in Richtung Promenade hinunter. Am Becker „Lecker&Kross“ hielt ich an.
Wieder zu Hause angekommen wurde ich gleich von meiner Mutter angesprochen: „Das ging aber schnell. Normalerweise joggst du doch länger und Max hast du auch hier gelassen. Und was hast du da überhaupt in der Hand?“ „Ich habe für uns frische Brötchen geholt, damit wir gemeinsam Frühstücken können. Ach ja und das Geld habe ich mir aus deinem Portemonnaie genommen“, kam meine Antwort und dann gab ich ihr das Restgeld. Verwundert sah sie mich an. Ich kann verstehen, dass es unglaubwürdig klang. Nie wäre ich auf die Idee gekommen freiwillig Brötchen zu holen. Aber wie gesagt, heute war alles anders. Ich fühlte mich so voller Energie. „Na dann werde ich mal den Tisch decken. Sag deinem Vater schon mal Bescheid. Ich glaube, er schläft noch.“ Nachdem ich meine Schuhe und meine Jacke ausgezogen hatte, rannte ich hoch in das Schlafzimmer meiner Eltern und weckte meinen Dad. Dann lief ich wieder hinunter in die Küche. Der Tisch war gedeckt und mein Vater kam noch ganz verschlafen zu uns.
Jemand klopfte an meiner Zimmertür. „Herein“, rief ich leicht genervt. „Hey Jayden, ich bin's.“ Ein großes, schlankes Mädchen mit kurzen, roten Haaren trat ein. „Lea“, rief ich erstaunt. „Was machst du denn hier?“ Schnell richtete ich mich auf, um sie zur Begrüßung zu umarmen. „Du kennst doch sicherlich meine Mum. Für ihren Job reist sie oft in der Welt herum. Sie hat mich mitgenommen und wir übernachten in einem 3 Sterne Hotel. Leider bleiben wir nur fünf Tage, aber vielleicht, also wenn du Zeit und Lust hast, können wir ja mal etwas zusammen unternehmen. Schließlich kenne ich mich hier nicht aus und bin den ganzen Tag über alleine, weil meine Mutter arbeitet. Magst du mir heute deine Gegend zeigen?“, fragte sie und schaute mich dabei so hilflos an. Da kann man ja nicht anders als „Ja, gerne“ zu sagen. „Das ist nett von dir“, meinte sie. „So wie es aussieht habe ich dich geweckt. Ich werde solange bis du fertig bist im Wohnzimmer bei deinem kleinen Bruder warten.“ Ich sah wie sich die Tür langsam schloss. In Eile zog ich mich an, kämmte meine Haare und wagte dann einen Blick auf die Uhr. Erst neun. Wie gern wäre ich jetzt wieder in meinem Bett. Aber es nützt alles nichts. Lea ist schließlich nicht alle Tage da, denn sie wohnt normalerweise in Berlin. „Bist du bereit?“, fragte ich Lea, als ich unten war. „Natürlich“, rief sie aufgeregt. Zusammen verließen wir das Haus. „Worauf hast du denn am meisten Lust?“, fragte ich sie. „Mir ist es relativ egal was wir machen. Ich möchte nur nicht den ganzen lieben Tag im Hotel verbringen“, kam die Antwort. „Du meintest du möchtest die Gegend sehen, stimmt's? Wir können ja eine Radtour zum Leuchtturm machen. Der ist gar nicht so weit weg.“, schlug ich vor. „Klingt gut.“ Daraufhin schnappten wir uns die Fahrräder aus dem Schuppen und fuhren auch schon los. An Wiesen und Feldern vorbei, direkt zum Leuchtturm. In Leas Augen sah ich, wie sie die frische Luft genoss. Da sie in Berlin lebt, ist frische Luft für sie bestimmt fast schon zu einem Fremdwort geworden, wegen den ganzen Abgasen. „Es ist herrlich hier“, sagte sie nach einiger Zeit. „Diese Stille ist unglaublich. Total anders als in Berlin. Da ist es noch nicht einmal Nachts so ruhig wie es jetzt hier ist.“ „Das Ganze hat aber auch Nachteile“, gab ich zu. „Die nächst gelegene Stadt ist fast 60 Kilometer entfernt.“ „Das soll ein Nachteil sein? Ich wäre froh. In der Stadt zu leben ist nicht immer leicht. Abends traut man sich nicht mehr auf die Straße, weil es zu viel Gewalt gibt. Dagegen kommt es mir hier alles so friedlich vor.“ „Da hast du wahrscheinlich Recht.“

Mein Handy klingelte. „Hi Tessa, ja, mir geht's gut. Heute? Hmm, hab ich eigentlich keine Zeit. Aber was ist mit morgen?.. Okay. Gut, dann bis bald.“ Ich legte auf. „Was hast du denn heute vor?“, fragte mein Vater. „Ich treffe mich mit jemandem.“ „Jemandem?“, fragte mein Vater misstrauisch. „Mit Jayden um genau zu sagen.“ „Wer ist das?“, wollte er wissen. „Wir haben uns gestern kennengelernt.“ Um nicht noch mehr mit Fragen durchlöchert zu werden, beschloss ich in mein Zimmer zu gehen und ein bisschen Musik zu hören.
Lea und ich waren endlich am Leuchtturm angekommen. Von dort hatte man einen guten Überblick auf den gesamten Strand. „Wunderschön“, sagte Lea, als sie verträumt auf das schimmernde Meer schaute. „Es ist einfach traumhaft schön. Ich wünschte ich könnte noch etwas länger hier bleiben.“ Ich stellte mich neben sie und sah in die Ferne. Ich wusste das sie Recht hatte. Dieser Anblick war wunderbar. Genau wie Emma. Heute Abend werde ich sie endlich wiedersehen. Darauf freue ich mich schon die ganze Zeit. Lea brachte mich wieder in die Realität zurück, indem sie vor meinem Gesicht mit ihren Fingern schnippte, sodass ich mich erschrak. „Du warst auf einmal nicht mehr ansprechbar“, sagte sie. Ich verbrachte noch den halben Tag mit Lea. Sie zeigte mir ihr Hotel, wir ließen uns etwas zu essen aufs Hotelzimmer bringen und machten uns keine Sorgen um die Kosten, da diese von der Firma ihrer Mutter bezahlt werden und dann ließ ich sie allein zurück in ihrem Zimmer. Ich hatte keine Zeit mehr, denn ich war in Gedanken schon wieder bei Emma. Allerdings musste ich Lea versprechen sie die nächsten Tage, solange sie noch hier ist, zu beschäftigen.

Halb sechs schon. Ich war gerade dabei mich zu schminken, das Oberteil hatte ich bereits an. Zu dem aprikotfarbenen Teil zog ich eine dunkelblaue Jeans mit vereinzelten weißen Streifen. Das war eine meiner Lieblingsjeans, weil sie lässig wirkte und sehr bequem war. In einer halben Stunde ist es soweit. Dann werde ich ihn wiedersehen. Jayden. Und heute wird er mich nicht in verschwitzten T-shirts sehen. Nein. Er soll in mir kein ungeschicktes Mädchen sehen, dass nicht aufpassen kann, wo es hinläuft. Meine braune Handtasche und die ebenfalls braunen Sandaletten rundeten mein Outfit perfekt ab. In meiner Tasche befand sich mein Portemonnaie, der Haustürschlüssel und mein Handy. „Ich bin dann weg“, rief ich durch die Wohnung. „Okay“, hörte ich meine Mutter von oben rufen.
Ich saß schon am Tisch, der vor einem Fenster stand und wartete. Wartete auf Emma. Hoffentlich wird sie auch kommen und mich nicht versetzen. Aber es waren ja noch 10 Minuten bis es 18 Uhr war. Geduldig schaute ich mich um. Viele Pärchen gingen zu dieser Zeit essen. Bis auf zwei Tische waren alle anderen belegt. Francesco stand hinter dem Tresen und schob eine nach der anderen Pizza in den Ofen. Zwei seiner Mitarbeiterinnen brachten den Gästen, so wie es aussah, Getränke und für die Kinder gab es eine kleine Italienische Fahne. Ein paar Minuten vergingen. Nun kam auch eine Mitarbeiterin zu mir an den Tisch und fragte was ich bestellen möchte. Ich antwortete, dass ich noch auf jemanden warte. Und es verging eine Minuten nach der anderen. Insgeheim hoffte ich, dass Emma noch urplötzlich hereingestürmt kommt, doch mein Verstand gab langsam die Hoffnung auf. Doch dann, als ich eigentlich nicht mehr mit gerechnet hätte kam sie herein. Vielleicht war ich einfach nur zu ungeduldig. Ich meine, 15 Minuten zu spät zu kommen ist kein Weltuntergang. Ein wenig schüchtern begrüßte ich sie mit einem „Hi.“ Sie lächelte und entschuldigte sich dafür, dass sie zu spät war. Das sie nicht pünktlich gewesen ist, war mir relativ egal. Ich wollte sie nur sehen. Das war das einzige worauf ich gewartet hatte. Und nun ist sie da. Emma sieht bezaubernd aus. Ihre gewellten, braunen Haare glänzten wunderschön und ihr Pony hing zur Hälfte in ihrem wunderhübschen Gesicht. Sie setzte sich, wir unterhielten uns und studierten die Karte. Von weitem sah ich Francesco auf uns zu kommen. „Buongiorno“, rief er mit einem grinsen im Gesicht. „Was darf es denn sein?“ „Also ich nehme eine Thunfisch Pizza und eine mittlere Cola“, antwortete ich. Francesco notierte es sich auf einem kleinen Notizblock. „Und ich nehme eine kleine Fanta und eine Hawaii Pizza“, sagte Emma. „Okay, aber dauert noch eine Viertelstunde, sind noch im Ofen“, sagte er und war so schnell er gekommen war auch schon wieder weg.
„Dafür, dass er erst seit einem Jahr in Deutschland lebt, kann er ganz gut Deutsch. Selbst seine Frau verbessert er ständig wenn sie Wörter falsch ausspricht. Meistens lernt sie es aber nicht, denn sie dreht die Sätze manchmal auch noch um. Aber wenigstens versuchen die beiden sich hier in Deutschland zu integrieren. Und er macht die besten Pizzen überhaupt“, meinte ich zu Jayden. „Da kann ich dir nur zustimmen. So leckere Pizzen gibt es nur bei ihm.“ „Wie kommt es, dass ich dich hier noch nie gesehen habe?“, fragte ich neugierig. Normalerweise kenne ich jeden, der bei uns im Dorf wohnt. Hier kennt jeder jeden.
„Meine Familie und ich machen Urlaub“, antwortete ich. Emma hörte mir aufmerksam zu. Irgendwie gefiel mir das. Sie wurde ruhig und war nicht mehr so angespannt wie am Anfang. „Ich bin erst seit ungefähr eineinhalb Wochen hier. Aber wir werden Ende des Sommers ins Nachbardorf ziehen und dann werde ich erst einmal hier bleiben. Meine Eltern wollten ans Meer ziehen, weil ihnen der Lärm aus der Stadt zu viel wurde. Außerdem habe ich hier meine ganzen Verwandten, bis auf meine Tante. Sie wohnt noch in der Stadt. Aber wir sind uns schon einmal begegnet. Ich sehe dich öfters am Kiosk mit einem kleinen Hund. “ „Da ich am Kiosk meistens nur etwas zu trinken hole, achte ich nicht so darauf wer noch alles da ist.“ „Ja, das hat man gestern gesehen“, sagte er und zwinkerte mir zu. „Wie lange bleibst du denn noch, bis du wieder zurück in die Stadt musst?“ „Leider nur noch vier Tage.“ Ich senkte den Kopf. Dabei merkte ich, dass auch sie ein wenig traurig war. Francesco kam gerade recht und lockerte die Stimmung wieder auf. „So, da haben wir die Thunfisch Pizza für den jungen Herr und die Hawaii Pizza für die hübsche Dame. Gleich werden euch die Getränke von Mandella, meiner lieben Frau, gebracht. Buon appetito.“ „Danke“, antworteten Emma und ich. Im Hintergrund lief Musik. Es musste Italienische sein, weil ich den Text nicht verstand. Gemütlich saßen Emma und ich da, aßen unsere Pizza und lauschten der harmonischen Musik. Es war ein prächtiger Abend. Wie versprochen kam Mandella mit den Getränken. „Wetter nicht schlecht in Deutschland, aber in Italia es noch besser ist“, sagte sie, während sie die Getränke auf unserem Tisch abstellte. Wir lächelten nur freundlich und nickten ihr zustimmend zu. Dann verschwand sie auch schon wieder. Emma wollte gerade einen Schluck von ihrer Fanta nehmen, doch ich stoppte sie. „Warte“, rief ich. „Wir sollten anstoßen.“ „Worauf denn?“, fragte Emma gespannt. „Ähm“, stotterte ich. Ich überlegte noch mal genau, um keine dumme Antwort zu geben. Schließlich sagte ich: „Auf diesen Abend.“ „Okay“, gab Emma mit einem lächeln auf den Lippen von sich und hob ihr Glas an. Ich tat es ebenfalls. „Na dann“, meinte ich. „Auf unseren gemeinsamen Abend“, sagten wir gleichzeitig. Beide nahmen wir einen ordentlichen Schluck und wandten uns dann wieder unserer Pizza zu, damit sie nicht kalt wurde. Ab und zu guckte Emma aus dem Fenster. Vor einer halben Stunde war es draußen noch dämmerig, mittlerweile aber stockdunkel. Mandella kam noch einmal an unserem Tisch vorbei, um zu fragen, ob wir noch etwas bestellen wollten. „Nein, wir sind satt und würden gerne bezahlen“, sagte ich gelassen, als hätte ich alle Zeit der Welt. Mandella sagte, sie würde ihren Mann gleich zu uns schicken. Ich sah wie Emma ihr Portemonnaie aus ihrer Handtasche herausholte. „Nicht nötig, ich werde natürlich bezahlen“, sagte ich. „Ich habe dich ja auch zum Essen eingeladen.“ „Das ist nett von dir.“ In dem Augenblick kam Francesco. „Zusammen oder getrennt?“, wollte er wissen. „Zusammen“, antwortete ich. „Okay, dann macht das insgesamt 14,30€.“ Aus reiner Höflichkeit drückte ich ihm 16 Euro in die Hand und sagte: „Der Rest ist Trinkgeld.“ Er bedankte sich und wünschte uns noch einen schönen Abend. Dann widmete er sich anderen Gästen zu, die gerade etwas bestellen möchten. Emma und ich standen auf und verließen das Restaurant. „Ich bring dich noch nach Hause.“ Stumm gingen wir nebeneinander her. Für einen Moment ließ ich meine Schüchternheit hinter mir und nahm ihre Hand. Und so schlenderten wir Hand in Hand gemeinsam durch die Straßen, bis wir an dem Haus von Emma ankamen. Vor der Haustür blieben wir stehen. An der Hauswand hing eine kleine, weiße Lampe, die nicht mehr ganz so hell leuchtete. Aber genug, um den Namen „McKenzie“ an der Klingel zu erkennen. Plötzlich erlosch das Licht der Lampe. Wir sahen uns einander tief in die Augen. Ihre funkelten im Schein des Mondlichts. Da es Vollmond war, strahlte der Mond heute besonders viel Licht aus. Ihr Gesicht kam meinem langsam näher. „Vielen Dank für diesen wundervollen Tag“, flüsterte sie mir ins Ohr, dann gab sie mir einen Kuss auf die Wange. „Ohne dich wäre der Tag nur halb so schön gewesen“, gab ich zu. „Ich ruf dich demnächst mal an wenn du nichts dagegen hast.“ „Aber du hast meine Telefonnummer, geschweige denn meine Handynummer noch gar nicht“, sagte sie leicht verwundert. „Dann finde ich sie heraus“, meinte ich zu ihr. Ziemlich sicher, ob ich sie tatsächlich herausfinden würde, war ich mir allerdings nicht. Aber das ließ ich mir nicht anmerken und grinste sie nur schelmisch an. „Du Spinner.“ Sie boxte mich leicht in die Seite, aber nicht so doll das es weh tat. Im Gegenteil. Sie tat es so leicht, dass es überhaupt nicht weh tun konnte. „Na dann mal viel Glück.“ Sie grinste mich an. Dann bewegte sie sich zur Tür, holte einen Schlüssel aus ihrer Handtasche hervor, schloss auf und bevor sie hinein ging drehte sie sich noch einmal zu mir um. Für einen Augenblick starrte ich ihr hinterher, bis das Licht im Flur ihres Hauses erlosch. Wahrscheinlich ist sie gleich in ihr Zimmer gegangen und telefoniert jetzt mit einer Freundin. Das könnte ich mir gut vorstellen. So etwas tun Mädchen bestimmt. Einige Minuten stand ich noch vor ihrem Haus. Ich blickte es einfach nur an, in der Dunkelheit. Sekunden vergingen, bis es Minuten wurden. Doch zu Stunden konnten sie nicht werden, weil ich mich nun auf den Heimweg machte. Ich ging durch die leeren Straßen. Jedoch geistig abwesend bei Emma.
Zu Hause schnappte ich mir sofort das Telefonbuch, blätterte es durch und stoppte als ich bei dem Buchstaben „M“ angelangt war. „McKenzie“, murmelte ich leise vor mich hin. Da es nur einen Eintrag bei dem Namen gab, musste es der sein.
Claire und Andrew McKenzie, Am Kampland 25 …....
(die Telefonnummer gebe ich an dieser Stelle aus guten Gründen nicht an)
Daraufhin speicherte ich mir die Nummer in meinem Handy.
„Emma.“ Eine weiche, tief durchdringende Stimme ließ mich aus meiner Traumwelt erwachen. „Ja?“, fragte ich noch mit geschlossenen Augen. „Raus aus den Feder.“ Jetzt war es eine andere Stimme. Irgendwie kamen mir die Stimmen bekannt vor. Ich riss die Augen schlagartig auf. Vor mir standen Cady und Tessa. Sofort war ich hellwach und sprang auf. „Hi Leute, was macht ihr denn, warte“, ich schaute auf die Uhr. Es war gerade mal halb sieben. „Was macht ihr denn so früh hier?“ „Wir wollten dich fragen ob du mit zum Strand möchtest. Morgens ist es nicht so voll. Und der frühe Vogel fängt den Wurm.“ „Also, bist du dabei?“, wollte Tessa wissen. „Na klar. Ich brauch nur noch eine Minute, um meine Sachen zu packen.“ „Lass dir ruhig Zeit“, rief Tessa. Das war mal wieder typisch für Tessa. Sie ist ein sehr unpünktlicher Mensch, aber auch ein liebenswerter. Manchmal ist es gar nicht so leicht so unterschiedliche Freunde zu haben. Cady und ich sind eher überpünktlich und Tessa lässt sich immer alle Zeit der Welt. Allgemein ist sie ziemlich locker drauf. Und man kann mit ihr eine Menge Spaß haben. Leider wohnt sie nicht im selben Dorf wie Cady und ich, aber zum Glück sehen wir uns trotzdem häufig und verlieren uns nie aus den Augen. Damit Cady nicht lange warten musste, denn zu warten machte sie nervös und unruhig, beeilte ich mich. Nachdem ich mich versichert hatte, dass ich nichts vergessen habe, machten wir uns auf den Weg zum Strand. Auf dem Weg dorthin wurde ich durchbohrt mit tausenden von Fragen. Cady hatte nämlich zu der Zeit, als ich mit Jayden Essen war, Tessa angerufen und ihr so viel erzählt wie sie selbst wusste. Da kamen Fragen wie: „Wie sieht er aus?“ oder „Wann triffst du dich das nächste Mal mit ihm?“ Am Anfang haben die beiden damit ganz schön genervt, aber da ich ihnen nach einiger Zeit das meiste erzählt hatte, wurden auch die Fragen weniger. Ich spürte den geschmeidigen, von der Sonne angenehm erwärmten Sand unter meinen Füßen, als ich meine Sandaletten auszog und sie neben die ausgebreitete Decke legte. Cady hatte recht, es waren wirklich nicht viele Leute am Strand, obwohl es gerade jetzt die beste Zeit war. Morgens nach dem Frühstück ist es viel besser als in der prallen Mittagssonne herum zu sitzen und sich so fett mit Sonnencreme einzuschmieren, damit man keinen Sonnenbrand bekommt. Von dem Anblick des Meeres konnte ich nie genug bekommen. Die Wellen sehen fantastisch aus, wenn sie still auf dem Wasser entlang gleiten. „Du musst uns diesen Jayden unbedingt mal vorstellen“, meinte Cady. „Wenn sich die Gelegenheit dazu ergibt“, antwortete ich. Insgeheim wusste ich, wie gerne Cady ihn sehen würde. Sie konnte ihre Neugierde nicht verstecken.
Ich durchsuchte mein Handy nach ihrer Nummer. Dass ich sie eingespeichert hatte, wusste ich genau. Nun wählte ich sie und lauschte. „Claire McKenzie“, meldete sich eine Stimme, die am Telefon sehr sanft und gelassen klang. „Ja, Hallo. Sie müssen Emmas Mutter sein, richtig?“, fragte ich nervös. „Könnte ich Emma vielleicht kurz sprechen?“ „Sie ist leider nicht da. So weit ich weiß ist sie mit Freunden an den Strand gegangen.“ „Ah, okay. Danke. Ich wünsche ihnen noch einen schönen Tag.“ Dann legte ich auf. Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern packte ich ein paar Sachen zusammen in einen schwarzen Rucksack und lief hinunter zum Strand, in der Hoffnung Emma zu begegnen. Suchend sah ich mich am Strand in alle Richtungen um, rannte hin und her und dann sah ich sie. Wie es aussah war sie mit zwei Freundinnen da. Gemeinsam saßen sie auf einer Decke zwischen den Dünen. Als ich mich ihnen näherte, bemerkte ich, dass Emma ganz vertieft in ein Buch war. Welches es genau war, konnte ich aus der Entfernung nicht erkennen. Je näher ich ihnen kam, desto schneller schlug mein Herz. Als ich dann ihr nun sehr nah war und sie in dem hinreißendem weißen Kleid sah, blieb mir fast der Atem stehen. Sie war einfach unglaublich hübsch. Der Wind schien mit ihren langen, gewellten Haaren zu spielen, denn er wehte ihr die Haare ständig ins Gesicht, die sie sich dann immer wieder mit ihren Händen hinter die Ohren strich. Das hielt aber gerade mal so lange an, bis der nächste kleine Windstoß kam.
Tessa stupste mich an. „Was ist denn?“, fragte ich. „Schau mal“, sagte sie und zeigte auf einen Jungen , der sich in unsere Richtung bewegte. „Es sieht so aus, als wolle er irgendetwas von uns.“ „Das ist Jayden“, rief ich überrascht. Überglücklich winkte ich ihm zu. „Hey. Darf ich mich setzen?“, fragte er. Wir schafften ein wenig Platz auf der Decke, damit Jayden sich setzen konnte. „Ich hab dich angerufen und deine Mum sagte mir, dass du hier bist.“ „Du bist also dieser Jayden, von dem uns Emma so viel erzählt hat.“ Tessa musterte ihn von oben bis unten und lächelte dann zufrieden. „Habt ihr Lust euch im Wasser abzukühlen? Mir wird langsam warm.“ Cady knöpfte ihre schwarze Hotpant auf, streifte sie von ihren Beinen ab und zog ihr türkisfarbenes Top aus. Sie war nun nur noch mit einem karierten, rosa-weißen Bikini bekleidet. „Gute Idee“, rief Tessa, die sich bereits auch schon ausgezogen hat. Sie trug fast nur grüne Kleidung, weil Grün ihre Lieblingsfarbe war. Dementsprechend hatte sie auch ein Bikinioberteil in grün und eine grüne Badeshorts, die an den Seiten schwarze Streifen aufwies. Ich würde eigentlich liebend gerne mein Buch weiter lesen, aber weil Jayden da war verschob ich das auf nachher. Als ich und Jayden nun auch endlich soweit waren und uns umgezogen hatten, liefen wir alle zum Wasser. Jayden war der schnellste und deswegen auch als erstes im Wasser. Ich konnte erkennen wie mein lila-schwarz-gepunkteter Bikini im Wasser dunkler wurde, weil er sich mit Wasser vollsog. Tessa und Cady spritzten sich gegenseitig nass und Jayden kam auf mich zu. Er hob mich hoch und ließ mich aus Spaß wieder ins Wasser fallen. Dann tat er dasselbe mit Cady, die ihn vorher vergeblich versucht hatte unter Wasser zu drücken. Es war schön zu sehen, dass sich alle gut miteinander verstanden. „Ahh.“ Tessa kreischte, was sich von einer auf die nächste Sekunde zu einem Lachen umwandelte und dann mit dem eintauchen ins Wasser unterbrochen wurde. Sie wurde ebenfalls von ihm ins Wasser geschmissen. Als sie wieder auftauchte verließ sie uns und das Wasser für eine Minute, lief zu unseren Sachen, holte aus ihrer Tasche einen Gegenstand und kam wieder zurück. „Du denkst auch immer an alles“, rief Cady grinsend. „Wirf den Ball zu mir“, bat Jayden. Alle zusammen spielten wir eine halbe Stunde Wasserball. „Ich werde mich ein bisschen in der Sonne trocknen lassen und die Sonnenstrahlen genießen.“ „Okay, mach das Emma. Ich komme gleich nach“, meinte Jayden. Dann entfernte ich mich mit langsamen Schritten von Jayden, Tessa und Cady. Als ich ein paar Meter weiter weg stand drehte ich mich noch einmal um.
Aus den Augenwinkeln heraus schaute ich ihr nach, als sie zum Platz ging, an dem die Decke ausgebreitet war. Es war ein einsamer, abgelegener Fleck zwischen den Dünen. Doch wieso blieb sie plötzlich stehen? Ihr Kopf war nun in meine Richtung gerichtet. Von weitem konnte ich ein kleines, schüchternes Lächeln erkennen. Sie schien glücklich zu sein. Für einen Moment vergaß ich alles um mich herum und winkte ihr zu. Seitdem ich sie zum ersten Mal gesehen habe, bekomme ich sie nicht mehr aus meinem Kopf. Noch nie zuvor habe ich so eine starke Energie gespürt.





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