Die allerlei anderen Dinge - Teil 2

Autor: himbaereis
veröffentlicht am: 07.03.2011


Ich klingelte Wurschtl an und machte mich gut gelaunt auf in Richtung ‚Schultes’. Auf dem Weg dorthin dachte ich über Jannis nach. Es wäre interessant gewesen, seine Gedanken zu kennen. Was er wohl dachte als ich mit ihm Schluss gemacht hatte? Andererseits wollte ich lieber nicht wissen, wie oft er während unseres Treffens, Date konnte man das ja nun wirklich nicht nennen, an Sex gedacht hatte. Ob nun an Sex mit mir oder mit der heißen Blondine drei Tische weiter, er hatte auf jeden Fall an Sex gedacht.
Na ja. Wenigstens hatte die Pizza geschmeckt.
Aber wie um alles in der Welt war der Typ an meine Nummer gekommen?! So betrunken konnte ich doch gar nicht gewesen sein. Sicherlich hatte ich ein paar Tequila zu viel gehabt...aber das ich mich an Jannis überhaupt nicht mehr erinnern konnte? Ich glaube ich musste noch mal mit Jule über diese Party reden...die müsste sich ja wohl an Jannis erinnern.
Als ich die Bar betrat, war Wurschtl schon da und kam gleich auf mich zu um mich zu umarmen. Seufzend ließ ich mich in den Arm nehmen und schloss die Augen. Es tat gut von einem Mann umarmt zu werden, der nicht nur ein Stück Fleisch mit Öffnungen sah, sondern auch die Person dahinter. Und vor allem, der diese Person auch ernst nahm.
„Wurschtl. Schön dich zu sehen. Wie gehts dir?“
„Mir gehts super. Aber du siehst schon wieder – oder immer noch – total fertig aus. Was hast du wieder getrieben letzte Nacht?“
„Tequila“, nuschelte ich in seinen Pulli, „viel zu viel Tequila.“
Er grinste. „Und genau so siehst du aus. Wie viel zu viel Tequila.“
„Danke. Genau das hab ich jetzt gebraucht. Ehrlich, du verstehst es Komplimente zu machen wie kein Zweiter. Los komm, lass’ hinsetzen und Cocktails bestellen. Ich nehme auch alkoholfrei, damit ich mir strafende Blicke erspare.“
„Und du kannst schlechte Witze reißen wie keine Zweite.“
Ich lachte und setzte mich an einen freien Tisch. „Los Wurschtl. Setz dich hin und lass uns reden. Ich muss mein Redepensum heute noch schaffen und bisher hatte ich wenig Gelegenheit dazu.“
„Womit wir gleich beim Thema wären. Wie war denn dein bisheriger Abend? Unterhaltsam?“
„Ohja und wie. Selten so blendend unterhalten. Jannis hätte Entertainer werden sollen.“
„Höre ich da etwa Ironie?“
„Keinen Sarkasmus?“
„Vielleicht auch den. War es wirklich so schrecklich?“
„Nicht direkt schrecklich, eher voraussehbar und langweilig. Ich weiß ja nicht wie ihr Männer das schafft, aber ich würde keinen Tag durchstehen an dem ich nur geschätzte 500 Wörter von mir gebe.“
„Betriebsgeheimnis“, sagte er grinsend zu mir. Dann hielt er mir die Karte vors Gesicht und zeigte mit dem Finger auf einen Mojito.
Wissend grinste ich zurück und winkte überschwänglich der Kellnerin, die uns inzwischen schon mit Vornamen anredete, weil wir uns mindestens 2 Mal pro Woche hier trafen. Sie versprach mir sogar, meinen Sex on the Beach ohne Wodka zu machen und den Preis zu senken. Als sie weg war, sah er mich wartend an. Ich verstand seinen Blick auch ohne Worte und begann zu erzählen, wie spannend die Vorlesung gewesen war, wie doof die Leute beim Kellnern und dann erzählte ich ihm das Desaster mit Jannis. Hier und da grinste er aber ansonsten sagte er nichts. Als ich geendet hatte, sah ich ihn an und wartete auf einen Kommentar. Doch er hüllte sich in Schweigen und sah an mir vorbei auf ein Mädchen, das gerade die Bar betrat. Hatte er mir etwa gar nicht zugehört?! Empört winkte ich vor seinem Gesicht herum und riss ihn aus seiner Starre.
„Deine neue Flamme, hm?“
Geistesabwesend nickte er und riss sich schließlich endgültig von ihrem Anblick los. Ich hingegen riskierte noch einen Blick und stellte wenig später fest, dass sie an der Bar arbeitete. Deshalb hatte er sich also sofort breitschlagen lassen hierher zu gehen. Interessant.
„Gibt es da etwas, was ich noch nicht weiß?“ Er grinste mich wie ein kleiner Schuljunge an und schilderte mir kurz, was ich bisher verpasst hatte. Sie hieß Jenny und war die Anwärterin auf Beziehung Nummer 11.
Verdammter Weiberheld.
Grinsend erhob ich mich und schnappte mir meine Jacke.
„Wo willst du denn jetzt hin?“
„Ich ermögliche dir einen Flirt mit der Barfrau und außerdem bin ich müde. Also Wurschtl. Tu erst gar nicht so, als wärst du todtraurig weil ich jetzt gehe. Viel Glück beim Landen. Dann und wann laufen wir uns sicher mal wieder über den Weg.“ Ich drückte ihm noch einen Kuss auf die Wange und dann verließ ich grinsend die Bar. Mit Wurschtl und den Frauen war das schon so eine Sache. Wir kannten uns seit ich in Heidelberg mit dem Studium angefangen hatte und das waren inzwischen knapp drei Jahre. In dieser Zeit hatte er ungefähr 10 Beziehungen gehabt, die maximal drei Monate hielten. Jede seiner Freundinnen sah eine Bedrohung in mir und nicht die seelisch kaputte und total harmlose beste Freundin. Dabei ist Wurschtl sozusagen mein zweiter Sascha. Schon allein deshalb hätte ich nie etwas mit ihm anfangen können.

Als ich unsere Wohnungstür aufschloss, horchte ich angestrengt ob Jule schon daheim war. Aber es war alles ruhig. Ein Blick auf die Uhr bestätigte meine Vermutung, dass ich sie heute wohl nicht mehr sehen würde. Es war weit nach 23 Uhr. Offensichtlich hatte ihr Date mehr Spaß gemacht als mein Blindflug mit Jannis.
Schade eigentlich. Ich hätte gerne mal wieder eine richtige Beziehung geführt. Aber Männer sahen in mir scheinbar nur einen One-Night-Stand. Nichts was Zuwendung oder Liebe brauchte. Aber war ich überhaupt bereit für eine neue Beziehung? Vermutlich nicht. Ich hatte seit Jahren keine richtige Beziehung mehr gehabt. Immer nur Affären und die auch nur aus Trotz und Frust. Keiner konnte mich lange genug an sich binden, damit ich bei ihm blieb. Ich beendete jede Affäre, wenn ich merkte, dass sich Gefühle bildeten. Die Angst, noch mal so verletzt zu werden, war einfach zu groß.
Gähnend checkte ich noch schnell meine Mails und schlich schon fast schlafend ins Bad. Beim Abschminken sah ich mich kritisch im Spiegel an. Lange konnte ich mir einen kritischen Blick nicht mehr leisten, so viel stand fest. In meinem Gesicht hatten die Augenringe die Macht an sich gerissen. Glanzlose Augen starrten mich aus dem Spiegel an und meine Augenbrauen waren auch auf dem Weg der Verselbstständigung. An meine Augenringe und meine müden Augen war ich ja schon seit längerem gewöhnt, aber die Augenbrauen konnte ich nicht weiter wuchern lassen. Kurz und schmerzvoll brachte ich sie wieder in Form, warf mir noch einen letzten Blick zu, schlich zurück ins Schlafzimmer und kuschelte mich dann in mein kaltes Bett.

Eine Tür fiel ins Schloss als ich am nächsten Morgen aufwachte. Jule musste kurz hier gewesen sein um ihre Sachen zu wechseln und ihr ganzes Zeug zu holen. Ich griff nach meinem allerbesten Freund, meinem Wecker, und sah auf die Uhr. Es war gerade mal kurz nach sieben. Stöhnend drehte ich mich um, machte die Augen wieder zu und flüchtete mich in meine Traumwelt zurück. Da war mein Leben perfekt. Ich lebte mit dem Mann meiner Träume zusammen, war eine gefragte Dolmetscherin und hatte auch sonst alles im Griff. Augenringe waren da ein Fremdwort für mich. Mit 26 war dann mein erstes Kind, ein Junge der Valentino oder Luca heißen würde, unterwegs und mit 31 kam dann seine kleine Schwester Emily. Oder Emma. Das stand noch nicht ganz fest. Vielleicht würde Valentino bzw. Luca auch ein Leon werden. Die Erziehung würde dann folgendermaßen ablaufen: Valentino/Leon/Luca würde mit seinem Vater viel Sport machen, Fußball oder was auch immer und Emily/Emma würde zum Ballett gehen.
Bei der Vorstellung meiner kleinen Emily/Emma mit braunen Augen und braunen Locken im Tutu
musste ich Lächeln.
Aber dann viel mir ein, dass es eine solche Zukunft für mich nicht geben würde. Zumindest keine mit ihm. Kein Tag war seit ungefähr meinem 17. Geburtstag vergangen, ohne dass ich nicht an ihn gedacht hatte. Sicher wusste er nicht einmal mehr meinen Namen. Nur ich blöde Kuh konnte ihn einfach nicht vergessen. Aus irgendeinem Grund war er der Eine für mich. Es war lächerlich, dass ich in diesen sechs Jahren jede Beziehung oder Affäre nur halbherzig geführt hatte.
Vor meinem inneren Auge sah ich ihn immer noch vor mir und ich hasste mich so sehr dafür. Unzählige Stunden hatte ich dieses Thema mit Wurschtl durchgekaut und wir waren immer und immer wieder zu demselben Schluss gekommen. Ich musste Shane endgültig aus meinem Kopf verbannen damit ich eine Chance hatte wieder zu mir selbst zu finden. Aber das war bei weitem leichter gesagt als getan.

Seufzend wälzte ich mich im Bett herum und machte die Augen wieder auf.
Es tat mir nicht gut so viel im Selbstmitleid zu baden. Ein nettes Frühstück allein würde mich da sicher auf andere Gedanken bringen.
Schnell verschwand ich im Bad, suchte mir anschließend meine Sachen zusammen, kramte aus meiner megageheimnisvollen Sparsocke noch ein bisschen Kleingeld hervor und machte mich, aus einem unerfindlichen Grund gut gelaunt, auf den Weg zum Bäcker.

Beladen mit einem Kuchenbrötchen, einer Brezel und einem Körnerbrötchen wanderte ich auf einem Umweg zurück zu meiner Wohnung. Die Sonne schien, ein laues Lüftchen erfrischte die Großstadtluft, es war Frühling. Und ich war immer noch Single. Was war die Welt doch ungerecht. Vergnügt lächelte ich vor mich hin. Scheinbar war ich nicht nur masochistisch sondern auch noch schizophren. Vielleicht sollte ich demnächst im Plural von mir – uns sprechen.
„Nina!“
Ich blieb stehen und Moment mal, die Stimme kannte ich doch. Es war gar nicht lang her, dass ich sie gehört hatte.
„Jannis! Was machst du denn hier?“
„Ich wollte die Morgenluft genießen. Wie gehts denn meiner Ex?“
„Sie hat die Trennung gut weggesteckt. Das Frusteis hab ich auch schon wieder runter. Und wie geht es dir?“
„Passt schon. Mit dir ging es mir besser.“
„Jannis. Wir hatten doch überhaupt nichts. Wie sollte es dir mit mir besser gehen?“
„Mit dir war ich nicht mehr Single. Ganz einfach.“
„Kannst du dir nicht einfach jemanden suchen der weniger beziehungsgestört ist als ich?“
„Beziehungsgestört?“
„Lange Geschichte.“
„Pass auf. Wir frühstücken zusammen und du erzählst mir die Geschichte. Vielleicht hatten wir einen ziemlich miesen Start gestern...“
„Jannis. Ich habe mit dir Schluss gemacht. Das war ein Ende und kein Start.“
„Und warum hast du Schluss gemacht? Du kennst mich doch nicht mal.“
„Erstens das und zweitens bist du mir total egal.“
Das quittierte er mit einem Lächeln und dann begleitete er mich schweigend bis zu meiner Tür.
„Du hättest mich nicht nach Hause bringen müssen, das wäre echt nicht nötig gewesen.“
„Ich weiß. Aber ich wollte dich fragen, ob du vielleicht Lust hast mal etwas mit mir zu unternehmen. Ganz zwanglos.“
„War dir das Essen gestern nicht zwanglos genug?“
„Na ja ich war schon ein wenig angespannt.“
„Hast du deswegen versucht den Rekord im Schweigen zu brechen? Ich wollte dir ja gestern schon raten Entertainer zu werden aber ich glaube das hättest du falsch aufgenommen.“
Wieder lächelte er ein wenig gequält.
„Jannis. Was willst du von mir? Du kannst 1000 andere Mädchen haben. Ich würde wetten, dass sie dir alle aus der Hand fressen. Warum nimmst du nicht eine von denen und hast Spaß mit ihr? Ich bin reine Zeitverschwendung.“
„Du kannst unmöglich eine Zeitverschwendung sein.“
„Wetten dass?“
„Top die Wette gilt.“
„Gut. Ich habe 15 Uhr eine Vorlesung. Vorher können wir ja ein wenig spazieren gehen und du kannst dich davon überzeugen, dass ich Zeitverschwendung bin, okay?“
„Abgemacht. Soll ich gleich anfangen dich vom Gegenteil zu überzeugen?“
Genervt sah ich ihn an.
„Und wie willst du das machen, wenn ich fragen darf?“
„Ganz einfach. So.“
Und bevor ich reagieren konnte, hatte er mich auf den Mund geküsst. Einfach so. Ohne Vorwarnung.
Wütend rammte ich ihm meinen Ellbogen in den Bauch, schloss auf und knallte ihm die Tür vor der Nase zu. Von drinnen rief ich dann noch, dass der Spaziergang sich damit erledigt hätte.
Mit Puls 180 stapfte ich in unsere Wohnung, schmiss meine Brötchen auf die Anrichte und verschwand mit einem Türenknallen im Schlafzimmer.





Soooooooooooo. Ja, ich lebe tatsächlich noch und ich hab auch weitergeschrieben... es tut mir Leid, dass ihr -solltet ihr es gemacht haben :D - solange warten musstet. Aber ihr kennt das ja...Stress, Schule, also stressige Schule und dann noch 1000 andere Dinge und so weiter und so weiter. Dafür hab ich schon mit dem nächsten Teil angefangen und vielleicht müsst ihr auf den nur einen Monat warten :)
allerliebste Grüße, himbaereis <3





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