Blood and Shadows - Teil 4

Autor: julia
veröffentlicht am: 22.12.2010


Es war bereits zu dunkel um noch viel zu sehen, was es erheblich erschwerte irgendwelche Holzstücke oder Äste ausfindig zu machen. Aber auch wenn Shawn auf dem Boden krabbelnd blind tastend nach etwas brennbarem suchen musste, würde er es tun. Sein Stolz ließ es nicht zu dass er nach der Peinlichkeit eben mit leeren Händen zu Alex zurückkehrte. Warum hatte er sich auch einmischen müssen? Er hatte alles perfekt im Griff gehabt! Gut, er war schon froh gewesen, dass er ihm das Entwirren abgenommen hatte, denn er hätte Stunden gebraucht die Schnüre zu entwirren. Man konnte eben nicht alles können! Aber er war der Hauptmann der Stadtwache einer großen Stadt und kein kleines Kind mehr, verflucht noch mal! Wutschnaubend hob er das Feuerholz hoch und machte sich auf den Rückweg. Seltsam war es schon, dass der Junge ihm geholfen hatte, wo er doch immer so kalt und herablassend war. Wahrscheinlich hatte auch er eine hilfreiche Ader. „Na endlich! Ich dachte schon du würdest es nicht mehr vor Sonnenaufgang schaffen!“, begrüßte ihn Alex argwöhnisch. Vielleicht war ich ein wenig voreilig, schoss es Shawn durch den Kopf während er sich daran machte ein Feuer zu entzünden, er hatte wahrscheinlich einfach keine Lust gehabt das Holz im Dunkeln selbst zu sammeln. Nach wenigen Minuten brannte ein warmes Feuer und einige Stücke geschnittenen Fleisches brutzelten auf einem Stock gespießt darüber. Kurz darauf ließ sich Alex in gebührendem Abstand neben Shawn nieder. „Du musst noch dein Zeug ins Zelt schaffen, aber zumindest steht es jetzt.“, erklärte er kurz angebunden. „Danke, aber das wäre nicht nötig gewesen. Ich bin durchaus in der Lage mein Zelt selbst aufzustellen.“ Anstatt zu antworten erhob dieser sich erneut und machte sich an seinen Satteltaschen zu schaffen. Mit einer Handvoll Pilzen und anderem Gemüse kehrte er zurück und begann zu essen. „Das Essen ist fertig!“ Shawn reichte Alex einen Stock mit Fleisch, doch dieser wich zurück und hob abwehrend die Hände. „Iss du das, ich habe schon gegessen.“ Aufgebracht warf Shawn ihm den Spieß in den Schoß. „Jetzt reicht’s! Wozu mach ich uns was zu essen, wenn du es sowieso nicht willst, verdammt noch mal!? Wenn du ein Problem mit mir hast, dann sa…!?“ Bevor er zu Ende wüten konnte, war der Dämon abrupt hochgefahren, sodass das Fleisch von seinen Knien in den Staub fiel, zum nächst gelegenen Baumstamm geeilt und hatte sich lautstark würgend übergeben. Sprachlos hatte Shawn das Schauspiel verfolgt und beobachtete nun vor Überraschung erstarrt wie der Junge sich mit dem Ärmel den Mund abwischte, wieder zur Feuerstelle zurückkehrte und mit vor Ekel verzogenem Gesicht den Stock auf dem Boden mit seinem Stiefel ins Feuer stieß. „Scheiße! Das mit dem Abendessen hat sich jetzt ja wohl erledigt.“, meinte Alex mit einem humorlosen Lächeln. „Dann gehe ich mich jetzt wohl hinlegen. Weck mich wenn ich an der Reihe mit Nachtwache bin.“ Verwirrt starrte Shawn Alex, der sich umwandte um zu gehen an. Bevor er sich davon abhalten konnte packte er seinen Arm. „Was geht hier vor? Es ist unmöglich dass es einem Dämon vom reinen Geruch von frischem Fleisch hochkommt! Gestern erst habe ich gesehen wie dein Freund es roh hinunterschlang! Also was stimmt nicht mit dem Fleisch hier?“ Zuerst rechnete Shawn damit dass er sich losreißen und ihn einfach ignorieren würde, doch dann wandte Alex sich ihm zu und begegnete seinem forschenden Blick. „Das Fleisch ist in Ordnung. Ihm fehlt nichts.“, murmelte er schließlich. Verärgert fuhr Shawn ihn an. „Warum hast du es dann nicht angerührt, schlimmer noch, musstest dich sogar vom reinen Anblick und Geruch davon übergeben?! Das ist doch nicht normal!“ Sofort merkte Shawn dass es ein Fehler gewesen war, das zu sagen. Aus Alex Augen verschwand jegliche Regung und sein Gesicht wirkte wie erstarrt als dieser mit ausdruckloser Stimme antwortete. „Stimmt, das trifft wohl zu. Ich bin nicht normal.“ Er entzog sich Shawns Griff und lief zu seinem Zelt. Verwirrt blieb dieser zurück. Er hatte noch nie von einem Dämon gehört, der sich von Fleisch übergeben hatte. Normalerweise liebten sie rohes, blutendes Fleisch. Er hatte sogar gehört dass jeder Dämon vor seinem 16. Lebensjahr an einem Ritual teilnahm, bei dem das Herz eines Tieres gegessen werden musste, damit er als Erwachsender anerkannt wurde. Also wieso hatte der Junge so angewidert reagiert? Das machte einfach keinen Sinn! Während seine Augen die Umgebung aufmerksam sondierten wanderten Shawns Gedanken immer wieder zu diesem Vorfall zurück und die immer noch offenen Fragen ließen ihm keine Ruhe. Und dass obwohl es eigentlich nicht sein Problem war, was Alex nun aß oder nicht. In dieser Nacht wurde Shawn klar, dass es ihm eben nicht egal war, warum Alex was tat und dass er den Jungen, den so viele Geheimnisse umgaben, bereits bei ihrem ersten Treffen ins Herz geschlossen hatte. Stöhnend wälzte Shawn sich auf der dünnen Matte in seinem Zelt auf die andere Seite. Wieder einmal hatte er sich in eine Situation manövriert, aus der er sich nicht so leicht wieder würde befreien können.


Kapitel 2
Nach einer ereignislosen Nacht brachen Alex und Shawn bereits ihre Zelte ab und folgten weiter ihrem Weg nach Rodon. Mittlerweile durfte es wohl nicht mehr allzu weit bis dorthin sein. Gott sei Dank, schoss es Alex durch den Kopf, denn lange würde sie dieses belanglose Geplapper das Shawn, in der höflich wenngleich enervierenden Absicht eine Konversation aufzubauen von sich gab, aushalten. Alex hatte noch nie verstanden wieso Menschen immer so zwingend eine Unterhaltung führen mussten. Im Dämonenberg, wo sie aufgewachsen war, wurden nur zweckmäßige Gespräche geführt. Eine Ausnahme bildete zwar die Taverne und Frauen. Dennoch konnte sie mit Fug und Recht behaupten, dass Dämonen niemals so etwas Überflüssiges wie reine Höflichkeitsgespräche führen würden. Dort galt so etwas als beschämend und unmännlich. Oft genug wurde den Jungen im Dämonenberg solches Geplapper mit Schlägen ausgetrieben, was man bei Shawn wohl verpasst hatte. Sonst würde er sie nicht schon seit Stunden so zutexten, dass es Alex in den Händen juckte. Schon seit den frühen Morgenstunden schlugen wütende Kopfschmerzen ihre Klauen in ihr Gehirn. Kein Wunder dass ihre Hand Angesichts Shawns Redeflusses immer wieder zu ihrem Schwert zuckte. „Hallo!! Ich rede mit dir!“, fuhr Shawn sie an und wedelte mit seiner Hand vor ihrem Gesicht hin und her. Wieder zuckte ihre Hand zum Schwert. „Was!!?“, fauchte sie unbeherrscht. Daraufhin brach Shawn in haltloses Gelächter aus. „Unglaublich! Du bist ja noch schlimmer als die Tochter des Dorfmetzgers! Die war auch dauernd schlecht gelaunt und zog ein Gesicht wie saure Milch!“ Unter normalen Umständen hätte Alex bei solch Witzeleien sogar insgeheim mitgelacht, aber eine strenge Mine aufgesetzt. Doch heute stachelte es ihre Wut nur noch mehr an. Verärgert fuhr sie auf, „Wie kannst du es wagen mich mit einem einfältigen Dorfweib zu vergleichen!? Ist dir bewusst wen du vor dir hast?“ Immer noch glucksend verbeugte Shawn sich im Sattel und entgegnete spöttisch, „Doch Eure Hoheit. Aber es ist nun einmal so dass ihr im Moment mehr einer säuerlichen alten Vettel gleicht, denn dem furchteinflößenden Sohn Luecrels.“ Natürlich wusste Alex dass Shawn sie absichtlich provozierte um eine Reaktion zu erzwingen und dass es nicht gerade weise wäre darauf einzugehen, doch soeben hatte er einen empfindlichen Nerv ihrerseits getroffen. Seit sie denken konnte, hatte sie immer verzweifelt um die Aufmerksamkeit und Liebe ihres Vaters gebuhlt, was schließlich so weit ging, dass sie seit ihrem 5. Lebensjahr als Junge auftrat und zu dem Sohn wurde, den Luecrel sich immer gewünscht hatte. Doch egal was sie tat, egal ob sie nun die beste Kämpferin im gesamten Reich Luecrels war, egal ob sie mutiger und treuer war als jeder andere Soldat oder dass sie mehrfach ohne zu zögern ihr Leben für ihren Vater riskiert hatte, sie war und blieb in den Augen Luecrels minderwertig. Und zwar ganz allein aus dem einen Grund, dass sie nicht als Mann geboren wurde. Zwar hatte ihr Begleiter Shawn das nicht ahnen können, dennoch überstrapazierte seine Frotzelei ihre ohnehin schon angeschlagene Geduld. Sofort stürzte Alex das sich auf Shawn. Dabei war es ihr ganz egal, dass sie beide dabei zu Boden stürzten. Blind vor Wut schlug sie knurrend wie ein Tier auf ihn ein. Sie wusste dass er schnell genug reagieren würde um keinen ernsthaften Schaden zu nehmen, aber ganz ohne Verletzungen würde er auch nicht davon kommen. Durch ihre von Wildheit getrübte Wahrnehmung entgingen ihr die Aufschreie und das Trampeln von schweren Füßen auf dem Boden. Erst als ein sengender Schmerz sie durchzuckte besann sie sich wieder einigermaßen und wurde sich ihres Umfeldes wieder bewusst. Um sie herum standen drei Menschen in langen Mänteln auf denen in Gold die Insignien Rodons prangten. Allem Anschein nach hatte sie es hier mit Magiern zu tun die dem Geruch verbrannten Fleisches nach zu urteilen soeben einen Flammenzauber auf sie angewandt hatten. Vor ihr kämpfte sich Shawn soeben keuchend wieder auf die Beine. Schuld durchzuckte sie als sie seiner Wunden gewahr wurde. Sie hatte sich wohl weniger unter Kontrolle gehabt als sie gedacht hatte. Doch im Moment hatte sie nicht die Zeit um sich länger damit zu beschäftigen, denn einer der Kapuzenträger, anscheinend der Anführer schrie, „Packt den dreckigen Dämonen!“ Sofort führten die beiden anderen die vorbereitenden Bewegungen eines Fesselzaubers aus. Beruhigt atmete Alex auf. Wenn die zwei noch Arm- und Fingerzeichen ausführen mussten um Zauber zu wirken, handelte es sich bei ihnen um eher niedere Magier und stellten so keine Bedrohung für Alex dar. Ohne lange nachzudenken hob Alex ihre linke Hand und murmelte leise die Formel eines Schildzaubers vor sich hin. Vorsorglich schloss sie Shawn in diesen Zauber, der als bläulich schimmernde Kugel sichtbar wurde, mit ein. Wieder versetzte ihr sein Zustand einen Stich. Wie hatte sie sich nur so gehen lassen können? Ausgerechnet sie sollte mittlerweile doch wissen, wie gefährlich es für die Lebewesen in ihrer Umgebung war, wenn sie ihre Beherrschung verlor. Was musste denn noch geschehen bis sie endlich begriff dass sie sich so etwas wie Emotionen nicht leisten konnte?
Ein lauter Knall ertönte worauf eine leichte Erschütterung folgte, als die gegnerischen Zauber an ihrem Schild abprallten. Aus den Augenwinkeln sah Alex wie der Anführer der drei, der sich eindeutig auf einem höheren Level als die anderen Beiden befand, eingriff. Mit einem schnellen Befehl verstärkte sie den Schild an der Stelle an der sein Zauber voraussichtlich einschlagen würde. Eine Druckwelle flog mit einem lauten Zischen über ihren Schild hinweg. Nun war die perfekte Gelegenheit gekommen sich der drei Magier mit einem Schlag zu entledigen. „Leg dich flach auf den Boden und halte den Atem an, wenn du leben willst!“, flüsterte sie dem am Boden sitzenden Shawn zu. Gott sei Dank befolgte dieser ihre Anweisungen und presste sich auf den von der Sonne aufgeheizten Boden. Alex trat einen Schritt zurück, schloss die Augen und konzentrierte sich auf die Magie die sie zu wirken bezweckte. Jetzt kam es auf das richtige Timing an! Wenn sie den Schild zu früh senkte, waren sie und Shawn den Zaubern der anderen Magier hilflos ausgeliefert und wenn sie ihn zu spät senkte würden sie von Alex eigenen Zauber getroffen werden, da der dann von ihrem Schild reflektiert werden würde. Doch das würde sie nicht zulassen. Langsam sog Alex so viel Luft in ihre Lungen wie möglich und sprach in Gedanken die aktivierenden Worte und stieß die Luft in einem einzigen harten Stoß ihrer Bauchmuskeln wieder aus. Im selben Sekundenbruchteil senkte sie ihren Schild mit einer raschen Fingerbewegung. Gerade rechtzeitig. Eine Sekunde später und die Magier von Rodon hätten sie nicht mehr zu töten gebraucht!




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