Willkommen in meinem Leben - Teil 22

Autor: Lydia
veröffentlicht am: 22.07.2011


Überrascht reiße ich die Augen auf und weiche von ihm zurück. „Wie bitte?!“ blinzele ich ihn verwirrt an. Meine Stimme klingt höher als normal.
Mit seiner Aussage habe ich nicht gerechnet und um ganz ehrlich zu sein, weiß ich auch noch nicht so recht, wie ich darauf reagieren kann. Muss ich darauf reagieren? Ich denke schon.
Luca lässt mich los und grinst süffisant: „Du hast mich schon verstanden“
„Ja, aber…“ fange ich an rumzustammeln. Doch ich hätte wohl besser den Mund gehalten. „…aber… vor ein paar Tagen, da hast du…“
Er unterbricht mich indem er seinen Zeigefinger auf meine Lippen legt. „Das war doch das, was du hören wolltest, oder?“
Eine Weile schaue ich ihn noch mit großen Augen an. Ich will nicht, dass er das sagt, was ich hören will! Vorsichtig nehme ich seine Hand von meinem Mund und schüttele mit dem Kopf: „Ich will hören, was du fühlst und nicht, was ich von dir hören will. Ich will…“
Wieder unterbricht er mich: „Du kannst nicht akzeptieren, dass dich jemand ernsthaft gern hat, was?“
Ich schweige betreten. Ich bin unfähig etwas sagen zu können; vielleicht weil mich sein Geständnis überrascht hat; vielleicht weil seine letzte Bemerkung genau ins Schwarze getroffen hat; vielleicht weil ich einfach nicht mit der Situation umgehen kann.
In meiner Verzweiflung stammele ich: „Das… das stimmt doch gar nicht!“
„Du kannst so stur sein!“
Dann entsteht eine Schweigepause; eine Schweigepause, die unangenehm ist. Es ist das erste Mal, dass Schweigen mit Luca mir Unwohlsein bereitet. Schließlich tappe ich unruhig von einem Fuß auf den anderen und schaue ihn unsicher an: „Ich weiß ganz ehrlich nicht, was ich sagen soll. Mir hat noch nie jemand gesagt, dass…“ Ich breche ab und in meiner Verzweiflung gehe ich näher auf ihn zu, verschränke meine Hände hinter seinem Nacken und küsse ihn. „Ich kann dir noch nicht das sagen, was du hören willst… oder…was man normalerweise… darauf antwortet“
Er lächelt nur; immer noch total gelassen. Und irgendwie ärgert es mich, dass er durch nichts aus der Ruhe zu bringen ist. Er hat mir gerade gesagt, dass er mich liebt und ich kann es nicht erwidern und sein Ego scheint noch nicht einmal ansatzweise angeschlagen zu sein – noch nicht einmal ein bisschen. Er streicht mir mit den Daumen über die Unterlippe und meint: „Ich kann nicht sagen, dass ich das toll finde, vor allem weil du diejenige warst, die mir vor ein paar Tagen eine perfekte Szene hingelegt hat…“
„Ich habe keine Szene hingelegt. Ich…“
Er lässt mich nicht ausreden, sondern küsst mich und sagt: „Lass’ uns irgendetwas unternehmen“
Ich schaue zu ihm hoch und hebe prüfend eine Braue, doch schnell fange ich mich wieder und schlage etwas vor, was kindischer nicht hätte sein können: „Zoo?“
Kurz herrscht Schweigen zwischen uns, dann bricht er in schallendes Gelächter aus. „Hast du gerade wirklich vorgeschlagen, dass wir in den Zoo gehen sollen?“
Ich laufe bestimmt knallrot an und drehe betreten den Kopf zur Seite: „Ich war lange nicht mehr im Zoo… Aber, du hast Recht. Dumme Idee“
Als ich wieder aufschaue hält er mir meine Jacke von Bench hin. Verwirrt und auch ein wenig verständnislos schaue ich ihn an.
„Willst du in den Zoo gehen oder nicht?“ fragt er mich und lächelt mich liebevoll an.

Ich stehe vor dem Panthergehege, die Unterarme auf das Geländer gestützt, das einen daran hindert zu nah an das Gitter zu kommen. Es ist ein windiger Tag und die Luft ist kühler als ich erwartet hatte. Meine Locken fliegen mir so lange um die Ohren, bis es mir reicht und ich mir einen Zopf mache, der mir meinen Haaren eher misslingt.
Völlig in Gedanken versunken beobachtete ich den Panther, der unruhig im Käfig auf und ab geht. Sein Schritt ist geschmeidig; seine Muskeln sind angespannt, so als wäre er jederzeit zum Sprung bereit; der Blick aus den grünen Augen ist berechnend und undurchdringlich. Und ohne, dass ich es will, erinnert mich der schwarze Panther an Luca.
Neben mir steht ein kleines Mädchen mit braunen Zöpfen. In ihrer Hand hält sie eine Eiswaffel mit einer Kugel Erdbeereis. Ihre kleine Hand grabscht nach der ihrer Mutter und sie plappert munter drauf los: „Mami, Mami! Guck mal. Der Panther läuft nur auf und ab, während der andere schläft. Ich will auch einen Panther!“
Ich werfe dem Mädchen einen kurzen Blick zu und muss lächeln. Ob ich als kleines Mädchen auch so war? Meine Mutter hat mir nie etwas über meine Kindheit erzählt und Bilder gibt es auch kaum welche. Lediglich mit Alina plaudere ich über unsere Kindheit; über unseren jährlichen Urlaub an der Ostsee; über unsere Streitereien; über den ersten Schultag; über alles Mögliche.
Ich streiche mir eine Haarsträhne zurück, die sich aus meinem Zopf gelöst hat, als Luca mir von hinten den Arm um meine Schulter legt und mir ins Ohr flüstert: „An was denkst du?“
Ich zucke leicht zusammen, da ich so in Gedanken versunken war. Dann drehe ich mich über die Schulter zu ihm um: „An alles Mögliche. Nichts Besonderes“
Er nimmt es nickend zur Kenntnis, küsst mich auf die Wange und stellt sich dann neben mich. Schweigend holt er seine Zigarettenschachtel aus seiner Jackentasche und zündet sich eine Zigarette an. Dann blickt er zu mir und lächelt und reicht mir den Zooplan, welchen er eben geholt hatte. „Wohin willst du zuerst?“
Ich falte den Plan auseinander und zeige dann auf das Feld mit den Delphinen. „Wenn wir Glück haben, läuft gerade eine Show“
„Kann’s kaum erwarten“ Auch, wenn er es nicht böse meint, so überhöre ich den sarkastischen Unterton in seiner Stimme nicht.
Ich schaue ihn an und ziehe eine Grimasse. „Ich mag Delphine!“ verteidige ich mich.
Er lacht leise, wirft seine Zigarette weg und tritt sie dann aus. Dann schaut er wieder auf und wieder fällt mir sofort das schwach lila Feilchen an seiner Wange auf. „Tut es arg weh?“ frage ich leise, während er losgeht. Noch schnell greife ich nach seiner Hand und sofort verschränken sich unsere Finger ineinander.
„Nein, kaum“ meint er knapp.
„Wie ist das passiert?“
„Beim Training. Ich trainiere gerade für die Landesmeisterschaft und so was passiert mir eigentlich nicht. Aber was soll’s. Auch ich bin nicht perfekt. Meine Deckung war praktisch nicht vorhanden“ Er zuckt mit den Schultern und rempelt mich dann spielerisch, schon fast zärtlich an: „Du lenkst mich eben ab“
Ich erröte sofort und murmele: „Entschuldigung. Das wollte ich nicht“
Er lacht leise und sagt dann: „Ich habe gehört, du warst mal wieder bei Lissy“
„Wer hat dir das erzählt?“
„Sophia“
Ich zögere kurz, dann sage ich: „Es geht ihr überhaupt nicht gut. Und ich würde ihr so gerne helfen, aber ich weiß beim besten Willen nicht wie und…“
Er unterbricht mich: „Lydia, versuche nicht so viel an andere zu denken. Du musst erst mal selber versuchen wieder gesund zu werden“
Ich zucke erneut zusammen und diesmal merkt er es auch.
Luca bleibt stehen, umschließt mein Kinn mit seiner Hand und zwingt mich mit sanfter Gewalt ihn anzusehen: „Ich hoffe, du weißt, dass ich dir dabei helfen werden. Wir kriegen das zusammen hin, verstanden?“
Ich nicke: „Mir geht es doch auch schon besser“
„Das weiß ich doch“ Er lässt mein Kinn los und geht weiter. „Was fasziniert dich an Delphinen so?“
Kurz bin ich überrascht von seiner Frage, dann antworte ich: „Sie sind so wahnsinnig schlau und doch so gefühlvoll… Außerdem leben sie im Meer. Und ich liebe das Meer“
Er lächelt amüsiert: „Wann warst du das letzte Mal am Meer?“
„Vor fünf Jahren. An der Ostsee“
„Das ist kein richtiges Meer“ Er schnalzt abfällig mit der Zunge und schüttelt mit dem Kopf.
„Ich kenne kein anderes Meer. Mir fehlt der Vergleich“
Überrascht schaut er mich an: „Das ist schade“
Ich nicke nur und versuche dann das Thema zu wechseln: „Wie war deine Prüfungswoche?“
„Hart“ Er hält mir die Tür zu der Halle auf, in der sich der Pool befindet, in dem die Robben- und Delphinshows stattfinden. „Aber ich hab’s rum und die Ergebnisse sollten sich alle im guten Bereich befinden“
„Mündliche Prüfung?“ hake ich nach.
„Am Mittwoch“
„Das ist ja bald!“ rufe ich auch. „Solltest du dann nicht lieber deine Präsentation vorbereiten?!“
„Das mit uns ist mir im Moment wichtiger“ antwortet er ohne zu Zögern.
Seine Antwort überrascht mich, auch wenn ich weiß, dass es die Wahrheit ist. Ich lache unsicher und schüttele mit dem Kopf, bevor ich wieder aufschaue und den ersten Delphin aus dem Wasser schießen sehe. Und ohne, dass ich es kontrollieren kann, beginne ich zu strahlen. „Ich war das letzte Mal hier, als ich ein kleines Mädchen war“ Ich schaue zu ihm auf und lächele ihn an.
Zusammen gehen wir die Stufen zum Becken hinunter, als sie uns entgegenkommt; Hannah! Hinter ihr läuft Sven; er ging damals mit mir zur Schule.
Kurz blicken Hannah und ich uns in die Augen und mir wird heiß und kalt zugleich. Auf eine Konfrontation mit ihr oder irgendeiner anderen Person aus meiner Vergangenheit bin ich nicht vorbereitet. Und ich werde es wahrscheinlich auch nie sein.
Hannahs Mund verzieht sich zu einem strahlenden Lächeln und sie will mich schon grüßen. Doch ich wende feige den Kopf ab und drängele mich an ihr vorbei und gehe weiter die Tribünenstufen nach unten. Luca ziehe ich hinter mir her, welchem die angespannte Situation nicht entgangen ist.
Ich drehe mich nicht um; weder zu Hannah, noch zu Sven. Ich traue mich noch nicht einmal Luca anzusehen, bis er fragt: „Wer war das?“
Ich werfe ihm einen erschrockenen Blick zu und schüttele mit dem Kopf: „Niemand…“
„Lydia, lüg’ mich nicht an“ Seine Stimme hat eine Schärfe angenommen, die keinen Widerstand duldet.
Ich seufze. Warum merkt er nur so viel? Warum kann ich mich vor ihm nicht verstecken. „Eine alte Freundin. Sie hat mich… sehr verletzt – damals“
Er nickt nur, streicht mir zärtlich über die Wange und schaut dann wieder zum Poolbecken, über dem die Anzeigetafel für die Delphinshows hängt. „So wie’s aussieht, haben wir die Show gerade verpasst“ Er fragt mich nicht weiter über das Thema mit Hannah aus. Er weiß, dass ich von mir aus anfange darüber zu reden, wenn ich will. Doch im Moment will ich nicht.
Ich folge seinem Blick, und schaue ebenfalls zur Anzeigetafel. Um 16:15 Uhr war die letzte Show. Jetzt ist es viertel vor fünf.
„Schade“ Ich zucke mit den Schultern. „Das nächste Mal“ Ich zwinkere ihm zu und er erwidert diese Geste mit einem Lächeln.






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