Willkommen in meinem Leben - Teil 12

Autor: Lydia
veröffentlicht am: 10.01.2011


Wir laufen schweigend zu Lucas Auto zurück. Wir berühren uns nicht. Nur unsere Schultern streifen sich bei jedem Schritt. Ich weiß nicht, ob er mich ansieht, doch ich spüre seinen Blick auf mir.
Schließlich bin ich es, die das Schweigen bricht: „Wage es jetzt ja nicht, mich mitleidig, wie alle anderen anzusehen!“ zische ich, ohne ihn anzusehen. Ich merke, dass er stehen bleibt, doch ich gehe weiter, bis er mich am Handgelenk festhält. Ich drehe mich mit fragender Miene zu ihm um.
„Tu’ ich nicht“ Er schüttelt mit dem Kopf. „Ich frage mich nur…ähm… wie ist das?“ Und zum ersten Mal seit ich ihn kenne, wirkt Luca irgendwie unbeholfen.
Ich zögere eine Weile, dann zucke ich mit den Schultern: „Hart. Es war weder leicht, nichts mehr essen zu können, noch war der Aufenthalt in der Klinik wie Urlaub für mich“
„Redest du immer so darüber, als ginge es dabei nicht um dich?“ Er legt den Kopf schief, und schaut mich wieder so liebevoll an, dass ich wegschauen muss. „Ich rede nicht so darüber, als würde es nicht um mich gehen“
„Doch tust du“
Ich habe keine Lust mich zu streiten und zucke nur mit den Schultern. Vielleicht hat er ja Recht. Dann schweigen wir wieder, bis er sagt: „Lass uns weiter gehen“
Und während wir wieder vom Hauptbahnhof zum Bismarckplatz laufen, fange ich an zu erzählen. Ich weiß nicht warum ich ihn jetzt plötzlich mit meinen Geschichten belabere; vielleicht wegen dem Kuss; vielleicht wegen seinen Blicken; ich weiß es nicht! Dennoch erzähle ich ihm alles. Ich erzähle ihm mein gesamtes letztes Jahr. Und er hört einfach nur zu. Nickt, schaut mich mitfühlend an und hakt nur selten nach.
„Und, Lissy? Ist sie noch in der Klinik?“
Ich nicke: „Ja. Laut Dr. Klein wird sie auch noch eine Weile dort sein. Ich mochte – mag – sie sehr. Aber seit ich aus der Klinik entlassen wurde, haben wir keinen Kontakt mehr. Ich meine, mit Hanna habe ich auch keinen Kontakt mehr, aber ich will auch nichts mehr mit Hanna zu tun haben. Doch mit Lissy…“ Ich breche ab und zucke mit den Schultern.
„Vielleicht kannst du sie ja mal besuchen“ meint er. Und wie er das sagt, klingt das alles so leicht.
„Ja, vielleicht“ murmele ich und nicke gedankenverloren. „Ich glaube aber nicht, dass meine Eltern das erlauben. Das letzte Jahr war auch für sie nicht leicht, weißt du?“ Ich schaue ihn mit großen Augen an.
Eine Weile schaut er mir ernst in die Augen, dann lächelt er: „Du bist süß, weißt du das?“ Er legt einen Arm um meine Schulter, zieht mich zu sich ran und gibt mir einen Kuss auf den Scheitel. Sofort laufe ich rot an und murmele nur: „Kannst du mich bitte nach Hause bringen?“

Bevor ich aussteige, greift Luca noch nach meiner Hand und hält mich damit zurück. Er drückt mir einen kleinen Zettel in die Hand mit irgendwelchen Ziffern darauf. „Wenn irgendwann mal was sein sollte, dann ruf’ mich an“
Ich bin froh, dass es dunkel ist. So kann er nicht sehen, dass ich knallrot anlaufe. „Ähm…“ stammele ich nur.
Er zieht fragend die Brauen nach oben: „Versprichst du es mir?“
Ich bringe nur ein Nicken zu Stande und ich weiß, dass ich ihm eigentlich auch meine Nummer geben sollte, doch in dem Moment denke ich nicht soweit. Ich beuge mich nur zu ihm vor, küsse ihn auf die Wange und steige aus.
„Danke, für’s erneute heimfahren“ sage ich und lasse seine Hand endlich los.

Ich laufe schon in meinem Pyjama durch die Wohnung, als auch Alina nach Hause kommt. Unsere Eltern schlafen schon und bekommen bestimmt gar nicht mehr mit, dass Alina erst jetzt ankommt und ich immer noch in der Wohnung umhergeistere.
„Alina“ flüsterte ich. „Ich wollte mich noch für den Abend ent…“ Doch sie unterbricht mich. „Pst…“ Sie nimmt mich an die Hand und zieht mich mit in mein Zimmer, wo sie sich erst Schuhe und Jacke auszieht.
Ich lasse mich im Schneidersitz auf mein Bett nieder, während sich Alina neben mich fallen lässt: „Bevor ich mit meiner Moralpredigt beginne: Wie findest du ihn?“
Ich blinzle sie fragend an: „Wen?“ hake ich dümmlich nach und Alina verdreht die Augen: „Na, Simon!“
„Oh“ entweicht mir und ich zögere eine Weile, bevor ich antworte: „Willst du, dass ich ehrlich zu dir bin, Alina?“
„Ich will immer, dass du ehrlich bist“ antwortet sie.
„Ich mag ihn nicht!“ sage ich gerade heraus und seufze. „Tut mir Leid, Alina. Er sieht wirklich sehr gut aus, doch ich finde ihn einfach unsympathisch“
„Oh…“ Sie schaut mich traurig an und gleich tut es mir Leid, was ich gesagt habe. Ich hätte sie doch einmal anlügen können, nur damit sie jetzt nicht so ein trauriges Gesicht machen muss.
„Ich bin sicher, dass du ihn magst und dass ihr gut zusammenpasst und bestimmt triffst du die richtige Entscheidung“ versuche ich sie aufzuheitern, was auch klappt, denn sie grinst schon wieder und nickt: „Du hast Recht. Du musst ihn ja nicht mögen, sondern ich“
„Und Mama und Papa“ füge ich hinzu. „Wann wird er hier auf der Matte stehen?“
Alina läuft rot an, was wirklich selten vorkommt. Dann zuckt sie mit den Schultern: „Meinst du, sie sind nächste Woche gut drauf? Wir wollen abends weggehen und danach noch zu mir…“
„Ja, ja. Schon klar, Alina. Mir musst du nichts erklären“
Sie kichert leise und nickt: „Ich bin froh, dass ich dich habe, Lydi“
Habe ich mich gerade verhört?! Alina ist froh, dass sie mich hat? Dabei bin ich doch diejenige, die sich glücklich schätzen sollte, eine Schwester wie Alina zu haben. Ohne Alina wäre ich nichts.
„Ich bin auch froh, dass ich dich habe“ murmele ich und schaue auf meine Hände, als mich Alinas Stimme wieder aufblicken lässt: „Warum bist du umgekippt, Lydia?“ fragt sie mich und ihre Stimme klingt strenger.
Ich zögere eine Weile, dann antworte ich ehrlich: „Ich habe zu wenig gegessen und getrunken“
„Das weiß ich auch… Aber warum tust du das? Warum isst und trinkst du nicht genügend? Ich dachte in der Klinik hätten sie dir geholfen“ Diesen Satz hatte sie schon mal zu mir gesagt. Zumindest kommt er mir sehr bekannt vor.
„Das ist alles gar nicht so einfach“ Auch die Antwort kommt mir bekannt vor. „Ich bemühe mich doch, Alina. Verstehst du? Nur… es fällt mir unglaublich schwer!“
„Wenn ich dir nur irgendwie helfen könnte“ Sie umfasst meine knochige Hand und lächelt mich traurig an.
„Das kannst du nicht. Das muss ich mit mir alleine ausmachen“ erwidere ich und Alina nickt nur und erhebt sich. Sie will gehen, doch dann bleibt sie stehen und setzt sich noch mal zu mir auf’s Bett. „Er ist wirklich niedlich“
„Simon?“ Ich runzle die Stirn und wundere mich darüber, dass sie schon wieder darüber reden will.
„Nein, du Dummerchen! Ich meine den Typen mit den schwarzen Haaren und den auffallend grünen Augen“
„Luca?“
„Ist das sein Name?“
Ich nicke nur.
„Alsooooo“ beginnt sie gedehnt. „Was ist das zwischen euch?“
Ich lasse mir mit meiner Antwort Zeit. Aber nicht um Alina auf die Folter zu spannen, sondern vielmehr um mir zu überlegen, was ich antworten soll. Schließlich zucke ich mit den Schultern: „Keine Ahnung“
„Er hat dich nach Hause gefahren!“
„Schon zum zweiten Mal“ flüsterte ich und sie reißt die Augen auf: „Tatsächlich?“
Ich nicke nur.
„Er ist süß“ wiederholt sie.
„Ich mag ihn“
Sie zieht fragend die Brauen nach oben. „Aber…“
„Ach, nichts“ winke ich ab.
„Jetzt erzähl’ schon!“ beharrt sie und beginnt mich zu kitzeln. Ich lasse mich zurückfallen und fange an zu lachen und zu kreischen. „Er hat mich geküsst!“ bringe ich schließlich unter Japsen hervor. Eigentlich wollte ich ihr das nicht erzählen, doch ich wollte auch nicht weiter gekitzelt werden.
Sofort lässt sie von mir los und richtet sich wieder komplett auf: „Er hat – was?“
„Ist ja kein Heiratsantrag!“ brumme ich und Alina stemmt die Hände in die Hüften: „Besser ist es! Immerhin hab ich gesagt, er soll auf dich aufpassen – aber, dass er seine Aufgabe soooo ernst nimmt“ Sie sagt es ernst, doch ihre Augen verraten sie.
„Ach, Alina. Es war nur ein Kuss. Ich weiß doch auch nicht…“ Ich zucke hilflos mit den Schultern und Alina will gerade etwas erwidern, als meine Mutter in meiner Zimmertür steht: „Was ist denn bei euch los? Warum seid ihr noch wach?“
„Tut mir Leid, Mama“ sage ich schuldbewusst.
Alina erhebt sich, und sammelt ihre Schuhe und ihre Jacke ein: „Ich geh’ ja schon schlafen“ Sie geht an unserer Mutter vorbei, gibt ihr kokett einen Kuss auf die Wange und zwinkert mir zu. Ich kann verstehen, dass Alina so beliebt ist. Man muss sie einfach gern haben.
„Gute Nacht, Lydia… Hattest du einen schönen Abend?“
Ich überlege eine Weile und schaue in das besorgte Gesicht meiner Mutter, dann nicke ich: „ Ja, es war einer der Schönsten seit langem“
„Das freut mich, mein Schatz. Schlaf gut“ Mit diesen Worten schließt sie meine Zimmertür und ich lasse mich zurück in die Kissen fallen und knipse meine Nachttischlampe aus. Sofort schlafe ich ein.






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