Liebe, einfach mal so - Lebe, einfach mal so - Teil 2

Autor: Linna
veröffentlicht am: 29.11.2010


„Ich habe gerade mit Jonas gesprochen“ erzählte ich nur etwa eine halbe Stunde später, als meine Mutter zusammen mit meinen beiden kleinen Brüdern nach Hause kam.
Sie schaute überrascht auf: „Ach, wirklich?“
Nein, ich erfinde gerne unnötige Dinge…
„Ja“
„Wie geht’s ihm?“
„Ich denke gut“ Wir haben bestimmt eine Stunde lang miteinander geredet, und ich habe nicht einmal gefragt, wie’s ihm geht.
„Ah ja, und was erzählt er sonst noch so?“ Meine Mutter stellte ihren weißen Pumps ins Schuhregal und zog ihren Arbeitsblazer aus. Wie sie den bei der Hitze nur tragen konnte?
Ich hingegen ging schon in meinen blauen Shorts und einem einfachen weißen Top ein.
„Ach, nichts Besonderes… Ich fahre übrigens morgen zu ihm“ erwähnte ich beiläufig und spielte mit den Bändeln meiner Shorts.
„Wie bitte?“ Meine Mutter hielt in der Bewegung inne und starrte mich entsetzt an.
„Jetzt schau doch nicht so! Ich fahre nur zu meinem Bruder und nicht zu meinem Freund“
„Du hattest ja auch noch nie einen! Und hast auch jetzt keinen… oder?“ Meine Mutter zog die Brauen hoch und ich nickte nur und bedankte mich im Stillen dafür, dass sie noch mal Salz in die Wunde gestreut hatte.
„Darf ich nun zu Jonas fahren?“ fragte ich nach einer langen Weile des Schweigens.
„Für wie lange denn?“ Die Brauen meiner Mutter waren immer noch skeptisch in die Höhe gezogen.
Ich zögerte eine Weile, dann meinte ich leise: „Zwölf Tage…?“
Ich dachte schon, die Höhe der Augenbrauen meiner Mutter hätten ihr Maximum erreicht, doch jetzt schossen sie erst recht nach oben: „So lange? Und wie hast du dir das vorgestellt?! Meinst du nicht, dass das für Jonas zu stressig wird, jetzt wo das neue Semester begonnen hat?“
Äußerlich blieb ich ernst, doch innerlich lachte ich laut. Jonas nahm die Anfänge jedes Semesters nicht wirklich ernst. Erst am Ende, wenn es um die Prüfungen ging, bekam er es mit der Angst zu tun. Außerdem studierte er sowieso den größte Müll: Theologie und Historik. Das tat er einfach nur, weil es nicht schwer war und weil man kaum etwas lernen musste. So war Jonas schon immer gewesen: stinkend faul, aber trotzdem mit guten Noten…
„Er sagte mir, es ginge für ihn in Ordnung“ verteidigte ich mich.
Meine Mutter schwieg eine Weile, dann seufzte sie, schwieg aber immer noch.
„Ihr habt mir schon den Paris-Urlaub weggenommen“ murmelte ich wehmütig und hoffte, dass mein Dackelblick, der schon ewig nicht mehr bei meiner Mutter zog, doch noch einmal fruchten würde.
Sie seufzte erneut und ließ die Schultern hängen, dann schaute sie auf, und wollte gerade etwas sagen, als sich ihre Miene verfinsterte: „Luis! Du sollst die Vase stehen lassen“
Innerlich stöhnte ich genervt auf, doch ich schwieg. Seit dem Luis laufen konnte und das jetzt schon seit fast einem Jahr, war er noch unerträglicher geworden. Er nervte noch mehr und war hibbeliger denn je. Doch sprechen tat er noch kein Wort. Und das mit drei Jahren, obwohl er jedes einzelne Wort verstand, dass man sprach. Aber er selbst, verweigerte die Sprache.
Meine Mutter drängelte sich an mir in dem schmalen Flur vorbei und zog Luis von der Vase weg. „Schluss jetzt!“ meckerte sie mit ihm und er lachte nur. „Es wird Zeit, dass du sprechen lernst“ murmelte sie und setzte ihn zu Phillip im Kinderzimmer ab. Die Zwillinge stressten meine Mutter mehr, als Jonas und ich es jemals getan haben, oder jemals tun werden.
„Ich kann verstehen, dass du hier weg willst“ meinte sie plötzlich ungewohnt sanft und verständnisvoll.
„Heißt das, ich darf?“ fragte ich voller Hoffnung.
Meine Mutter zögerte erneut, doch dann zuckte sie mit den Schultern: „Na ja, du bist fast siebzehn. Ich kann dir keine großen Vorschriften mehr machen… Außerdem fährst du ja nur zu Jonas“
Seine verrückte WG schien sie vergessen zu haben und ich würde sie sicherlich nicht darauf aufmerksam machen.
Übermütig umarmte ich meine Mutter: „Danke“ Dann ließ ich schnell wieder von ihre los und schloss meine Zimmertür hinter mir.
Morgen werde ich dich nerven!
Lieb dich, Stella
Schnell schickte ich die SMS an Jonas und sah erst dann, dass ich eine SMS von Tessa und Sandrine bekommen hatte. Sie hatten bestimmt wahnsinnig viel Spaß in Paris; mit netten Franzosen in der Stadt der Liebe.
Stella, unsere Liebe. Paris ist klasse. Wo bist du?
Wir lieben dich, Tess und Sandrine
Wo ich bin? Hahaha, auf dem Mond mit den Glücksbärchis! Was dachten die denn, wo ich sein soll?
Doch ich würde den beiden verzeihen. Ich war ja wahrscheinlich auch nicht sehr viel besser. Mit einem Lächeln auf dem Gesicht schrieb ich zurück:
Wenn ihr zurück seid, werden Bilder ausgetauscht und Geschichten erzählt. Freut mich, wenn es euch gefällt.
Ich bin ab morgen bei Jonas.
Liebe euch auch, Stella.
Mein Gott, ich konnte den morgigen Tag gar nicht erwarten. Die letzten beiden Ferienwochen hatte ich nämlich schon als die langweiligsten meines ganzen Lebens eingestuft.
Manchmal war es eben doch ganz nützlich einen großen Bruder zu haben.




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