Zwischen Traum und Wirklichkeit - Teil 27

Autor: Giraffi
veröffentlicht am: 29.03.2011


Noch am selben Tag, nur fünf Stunden später stand Donna auf wackligen Beinen neben Dorian wortwörtlich auf Eis.
Die Eisbahn vor dem Hôtel de Ville war nicht allzu voll, doch es gab genügend Leute, die sie auslachen konnten, wenn Donna stürzen würde.
„Ich kann das aber nicht“ rief Donna Dorian zu, obwohl er genau neben ihr stand. Doch er grinste sie nur an und schüttelte mit dem Kopf: „Das ist wie Fahrradfahren. Du musst es lernen… Oder wie Autofahren… Das kann man auch nicht über Nacht“
„Du kannst Autofahren?“ Donna hob die Brauen und hoffte ihn mit einigen Fragen hinhalten zu können, bevor sie gezwungen war das Holz der Bande loszulassen und sich nur noch an seinen Arm klammern zu können.
„Lenk nicht ab“ mahnte er sie und hatte sie damit durchschaut. „Lass jetzt einfach das Geländer los und gib mir deine Hand“
Nachdenklich zog sie die Brauen zusammen und löste die erste Hand vom Geländer und packte sofort Dorians.
„Und jetzt noch die Zweite“
„Ich kann nicht“ Donna merkte jetzt schon wie sie das Gleichgewicht bald verlieren würde und die ganze Sache war ihr jetzt schon so peinlich, dass es ihr das Blut in die Wange schießen ließ. Und das trotz der Kälte.
„Jetzt stell dich nicht so an!“ Langsam schien er ungeduldig zu werden.
Donna presste die Lippen aufeinander und nickte schließlich. Immer noch zögernd ließ sie auch mit der zweiten Hand vom Holzgeländer los, verlor sofort das Gleichgewicht, unterdrückte einen Aufschrei und prallte gegen Dorian, welcher sie wider Erwarten hielt und nicht zusammen mit ihr fiel. Sie bewegten sich nur minimal rückwärts.
„Okay, alles klar... Das war doch schon mal…ein Anfang“ bemerkte Dorian trocken und löste seinen Griff von ihrer Taille.
Donna schaute von seiner Brust auf und verzog das Gesicht zu einer Grimasse: „Ha, ha. Sehr lustig“ Sie schob sich leicht von ihm weg und streckte sie freie Hand zur Seite aus um das Gleichgewicht besser halten zu können.
„Und jetzt ist eigentlich alles wie Inliner fahren“ erklärte Dorian und glitt in einer fließenden Bewegung über das Eis. Mehr oder weniger zog er Donna hinter sich her, welche verkrampft auf ihre Füße starrte.
An ihr vorbei fuhren kleine Mädchen, welche sich zu viert an den Händen hielten und über Dinge kicherten, die Donna längst nicht mehr lustig fand. Ein paar Teenager, die etwa in ihrem Alter waren, und ein altes Ehepaar, welche beide förmlich über das Eis schwebten und deren Liebe noch wie am Anfang zu sein schien.
Wie dem auch sei. Immerhin konnten beide von ihnen Schlittschuhlaufen.
Donna hing nur an Dorians Arm und versuchte ein paar unglückliche Gleitschritte vorwärts. „Ich kann weder Inlinerfahren, noch Schlittschuhlaufen“ meinte sie trotzig, woraufhin Dorian sie nur mit einem sanften Ruck auf seine Höhe zog und das Tempo beschleunigte. „Wir fahren ja auch zu langsam. Wenn man zu langsam fährt, wird’s wackliger… Wie beim Fahrradfahren“
„Ich komme mir so dämlich vor“ zischte sie ihn an, während sie immer mal wieder um ihr Gleichgewicht bangte. Doch mit der Zeit wurde es besser, und sie musste sich sogar gar nicht mehr so an Dorians Arm hängen.
Er verschränkte seine Finger mit ihren und passte sein Tempo wieder an ihren an. Und eine Weile fuhren sie schweigend nebeneinander her – Donna unsicherer als Dorian, bis sie schließlich wie sonst auch immer das Schweigen brach: „Francis hat das Bild gesehen“
Mehr brauchte sie nicht zu sagen, denn Dorian schaute sie bereits fragend an: „Und?“
„Ein Bekannter von ihm arbeitet als Manager in einer Kunstausstellung. Francis könnte euch bekannt machen, und du könntest ihm deine Bilder zeigen. Na ja, und wenn ihm deine Bilder gefallen, dann würde er dich sozusagen „buchen“ und bei jeder Ausstellung Bilder von dir verwenden“ erklärte Donna leise und verfluchte sich heimlich selber, dass sie es doch erwähnt hatte. Doch die Kunst war nun mal Dorians Traum, seine Leidenschaft, und sie wollte nicht, dass er wegen ihr eine solch große Chance verpasste.
„Francis meinte, dass du damit viel Geld verdienen könntest“
„Ja, ich weiß. Ich habe davon schon bereits ein paar Mal gehört. Allerdings gibt es in Deutschland ein solches System, soweit ich weiß noch nicht. Und wenn, dann ist es nicht so ausgereift, wie hier in Paris – der Stadt der Kunst… und der Liebe“ antwortete er eben so leise und nahm sich eine Zigarette aus der Hosentasche, ohne Donnas Hand loszulassen.
Leicht stupste sie ihn an und zeigte auf das Rauchverbotsschild, dass neben der Eisbahn stand.
„Man, die Scheiß-Franzosen verbieten das Rauchen aber auch überall“ fluchte er und steckte die Zigarette wieder weg.
„Finde ich gar nicht so schlecht“
Er zuckte nur mit den Schultern, und so wie er es sagte, war Donna klar, dass er wieder an die Sache mit der Kunstausstellung dachte.
„Ich erwarte keine Entscheidung von dir. Schon gar nicht eine zwischen mir und deiner Kunst… Das will ich nicht“ murmelte ich leise und packte seine Hand fester, als ich drohte zu fallen. „Ich will einfach, dass du das tust womit mit glücklich wird“
Stur blickte er weiter geradeaus und ignorierte es, dass Donna ihn immer anschaute. Sie erwartete eine Antwort von ihm. Doch er konnte ihr, wie sooft, keine geben, da er selber noch nicht so recht wusste, was er wollte.
Auf der einen Seite war da dieses verlockende Paris und die vielen Türen, die ihn hier als Künstler offen standen, und auf der anderen Seite war da das Atelier in der Stadt, in der auch Donna lebte.
Schließlich drehte Dorian den Kopf und schaute Donna an. Das Pony fiel ihr leicht in die Augen und die Locken schauten wild unter der schwarzen Mütze hervor. Und Dorian musste zugeben, dass sie immer einfach nur süß aussah. Egal was sie anstellte.
„Ich werde darüber nachdenken“ meinte er schließlich und strich Donna mit dem Daumen über den Handrücken.
„Okay“ murmelte sie nur leise und konzentrierte sich wieder auf die Fahrtstrecke. Mehrmals stolperte sie noch und einmal wäre sogar Dorian beinahe mit ihr gestürzt.
„Sag mal…“ begann Donna plötzlich nachdenklich. „Ich will jetzt wissen, was du nicht kannst. In was bist du eine Niete?“
Verwirrt kniff Dorian die Brauen zusammen: „Warum willst du das wissen?“
„Dann machen wir nämlich genau das, und dann stehst du mal blöd da“ Kindisch streckte sie ihm die Zunge raus und Dorian lachte nur leise und schüttelte mit dem Kopf. Doch dann wurde er schlagartig wieder ernst und begann schelmisch zu grinsen: „Weißt du, Donna. Ich bin wahnsinnig schlecht im Bett“ Er zwinkerte ihr zu, und als Antwort bekam er einen Stoß gegen die Brust, welcher ihn noch nicht einmal ins Taumeln brachte.
Stattdessen verlor Donna aber das Gleichgewicht und wieder fiel sie gegen Dorian. Doch auch dieses Mal konnte er sie halten.
„Jetzt mal im Ernst“ Sie schob sich leicht von ihm weg und fuhr wackelig die Runde weiter.
„Das war mein Ernst“
„Hahaha“ Donna zog eine Grimasse.
Wieder lachte er leise, und auch ein wenig arrogant, und schließlich nickte: „Nein, ich bin jetzt ernst… Mit was ich gar nichts anfangen kann, ist Musik. Ich höre gerne Musik, aber ich habe keinerlei Ahnung davon“
„Und das war’s?“ Verblüfft zog Donna die Brauen in die Höhe. Wenn sie daran dachte, was sie alles nicht wirklich konnte: angefangen bei Mathe, Physik und Chemie, über zeichnen, bis hin zum Schlittschuh fahren.
„Du wirst meine Macken schon noch herausfinden“ grinste Dorian und zog Donna mit einem leichten Ruck zurück zum Geländer, an dem sich Donna sofort klammerte.
„Ich will diese Dinger endlich ausziehen“ murmelte sie und zeigte mit einem Finger auf die weißen Schlittschuhe an ihren Füßen.
„Ja, ich denke auch, dass es für heute reicht. Aber du musst noch besser werden. Und solange Winter ist, werden wir Schlittschuhlaufen lernen“ Zärtlich ergriff er ihre Hand und sie fuhren die letzten paar Meter zum Ausgang. Donna wieder wackliger als Dorian…
Als sie endlich diese unbequemen und engen Schlittschuhe von den Füßen hatte, seufzte sie erleichtert und leise und hörte Dorian neben ihr lachen. Sie warf ihm nur einen kurzen Blick zu, während sie in ihre braunen Wildlederstiefel schlüpfte.
„Aber so dumm hast du dich gar nicht angestellt“ bemerkte Dorian und zündete sich eine Zigarette an, als sie sich bei ihm unterhakte und sich vom Hôtel de Ville entfernten und weiter durch Paris an einem Weihnachtsfeiertag schlenderten.
Paris an Weihnachten war einfach traumhaft.
„Was soll das denn heißen?“
„Nichts, ich dachte nur, dass du wenigstens einmal hinfällst“ zwinkernd grinste er sie an und sie ignorierte seinen Kommentar und schaute ihn mit ernsten Augen an: „Schläfst du heute wieder bei mir?“
Wenn sie ihn so ansah, dann konnte er ihr meistens keinen Wunsch abschlagen, doch er war sich nicht sicher, ob das mit ihrer Mutter so klar gehen würde.
„Oh, Donna… Ich weiß nicht“
„Ich möchte nicht wieder diesen Albtraum haben. Es tut so gut, ruhig zu schlafen“
„Ich weiß, mein Schatz. Ich weiß“ Er befreite sich aus ihrer Unterhakung und legte ihr den Arm um die Taille.
„Also?“ Sie zog fragend die Brauen nach oben und wieder sah sie ihn mit diesem Blick an, bei dem er nicht Nein sagten konnte, mal ganz davon abgesehen, dass er das eigentlich auch gar nicht wollte.
„Ja, okay. Aber dann muss ich mir vorher noch Sachen mitnehmen“
Donna nickte nur und meinte dann nach längerem Überlegen: „Dann kannst du vielleicht auch mit Francis über diese Kunstgeschichte reden. Der kann dir da bestimmt genaueres erklären als ich“
Lange schaute er sie nur schweigend an, dann nickte er: „Ja, das kann ich machen“

Donna lag schon eine Weile auf dem Bauch im Bett und las ein wenig in einem Buch, dass sie schon vor längerer Zeit hatte lesen wollen, aber nie Zeit dafür gefunden hatte, als Dorian ins Gästezimmer kam.
Bis jetzt eben hatte er mit Francis jede Kleinigkeit eines Vertrages mit diesem Kunstmanager besprochen.
„Ich treffe mich mit Julien am 05. Januar… Auch wenn Francis mir schon vieles erzählt hat, so weiß es Julien bestimmt noch besser… So ein Vertrag soll gut überlegt sein“ begann er schon zu reden, bevor er überhaupt die Tür geschlossen hatte.
Donna schaute auf, drehte sich zur Seite und legte ihr Buch weg: „Das klingt doch alles sehr viel versprechend“
„Noch ist gar nichts klar. Bis jetzt gefallen nur Francis und deiner Mutter die Bilder. Doch die haben bei solch einer großen Ausstellung wenig zu sagen. Wessen Meinung wichtig ist, ist Juliens“ redete er weiter „Übrigens finde ich deine Mutter sehr sympathisch“ bemerkte er.
„Ja, sie ist auch kein schlechter Mensch… Es ist alles nur ein wenig kompliziert“
„Aber was Francis angeht, da gebe ich dir vollkommen Recht… Er ist ein Schleimbeutel“
Donna verdrehte die Augen und nickte: „Ich mag ihn auch nicht“ Dann wurde sie jedoch ernst: „Wirst du ein Angebot von diesem… Julien annehmen?“
„Wenn er Englisch kann…“ Er versuchte zu scherzen, doch es gelang ihm nicht. Deswegen wurde er wieder ernst, und zuckte nur mit den Schultern: „Ich weiß es nicht, Donna. Und jetzt lass mich bitte mit diesem Thema, ob ich ihn Paris bleibe und so weiter in Ruhe“
Eine ganze Weile schauten sie sich schweigend in die Augen, bis es einmal Dorian war, der die Stille durchbrach: „Tut mir Leid“
Donna zuckte nur beleidigt mit den Schultern: „Ist schon okay“
Prüfend zog er die Brauen nach oben und lachte dann leise: „Du bist eine miserable Lügnerin“
Donna schwieg. Sie wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte.
„Ich weiß selber noch nicht, was ich will“
„Dann solltest du dir langsam darüber Gedanken machen“
Dorian erwiderte nichts, sondern seufzte nur leise und sagte: „Ich geh’ schnell eine rauchen“ Mit diesen Worten verschwand er aus dem Zimmer.






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