Zwischen Traum und Wirklichkeit - Teil 23

Autor: Giraffi
veröffentlicht am: 10.03.2011


Die Sonne, die durch das verdreckte Fenster schien, kitzelte in Donnas Gesicht und langsam öffnete sie die Augen. Sie lag mit dem Kopf auf einem weichen Kissen und über ihr war eine Decke ausgebreitet.
Neben sich spürte sie den gleichmäßigen Atem von Dorian, genau wie der schwere Arm, der über ihrer Taille lag.
Plötzlich war sie gar nicht mehr müde. Erschrocken riss sie die Augen auf: Sie konnte sich nicht erinnern schlecht geträumt zu haben, oder geschrieen zu haben.
Sie hatte ihren nächtlichen Albtraum wahrscheinlich nicht geträumt… Aber wie war das möglich?! Sie träumte diesen Traum doch jede Nacht und das jetzt schon seit Monaten. Doch stattdessen, hatte sie diese Nacht gar nichts geträumt…
Langsam und vorsichtig, um Dorian nicht zu wecken richtete sie sich auf und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Es war schon zehn Uhr. Solange hatte sie seit Monaten nicht mehr geschlafen.
Sie setzte die nackten Füße auf den kalten Linoleumboden ab und rieb sich den Schlaf aus den Augen, bevor sie ins Bad schlurfte. Sie trug immer noch die viel zu großen Sachen von Dorian, doch das war ihr im Moment egal.
Ihrer Mutter hatte sie gar nicht Bescheid gesagt, dass sie über Nacht nicht da sein würde. Auf der anderen Seite, sie hatte ihrer Mutter allgemein nicht gesagt, dass sie weggegangen war. Ein wenig ein schlechtes Gewissen hatte sie schon. Immerhin durfte sie bei ihrer Mutter wohnen. Doch darüber wollte sie sich jetzt keine Gedanken machen.
Sie wusch sich das Gesicht mit eiskaltem Wasser und griff nach einem sauberen Handtuch. Heute Morgen sah sie schon etwas besser aus. Die Ringe unter den Augen waren gar nicht so tief und auch ihre Haut war nicht so blass wie sonst, aber vielleicht lag das auch nur am Licht. Vielleicht lag es aber auch an der Vorfreude auf das morgige Weihnachtsfest, das sie mit Dorian verbringen würde. Zumindest sah es stark danach aus.
Sie lächelte in sich hinein und griff nach der eingeschweißten Reisezahnbürste, die neben Dorians lag und putzte sich schnell die Zähne, dann lächelte sie selber im Spiegelbild zu und ging wieder ins Zimmer.
Er war schon wach und stand am Fenster mit einer Zigarette in der Hand und er bemerkte sie erst, als sie sich hinter ihn stellte und die Arme um seine Mitte schlang. „Du rauchst wirklich zu viel“ sagte sie leise, bevor sie ihm einen flüchtigen Kuss auf die nackte Schulter gab und ihn dann wieder losließ.
„Ich weiß“ meinte er leise, ohne sich umzudrehen. „Doch irgendwie hat es schon fast immer mein Leben begleitet. Wie diese lästige Träumerei…“
Donna stellte sich neben ihn und schaute ihn von der Seite an: „Ich habe diese Nacht gar nicht geträumt, das erste Mal seit Monaten“
Erst jetzt schaute er sie an, verwundert und auch überrascht: „Wirklich nicht?“
Sie schüttelte mit dem Kopf: „Sonst wärst du sicher wach geworden… Ich schreie zum Schluss immer“ Sie lachte bitter, doch dann wurde sie ruckartig wieder ernst: „Müsstest du nicht eigentlich wissen? Ich meine, wenn du…“
Doch er ließ sie nicht ausreden: „Kein Traum. Wie bei dir“ Seine Stimme war rau und er drückte die Zigarette in dem Aschenbecher, der auf dem Fensterbrett stand, aus.
Dann ging er an Donna vorbei und zerrte ein dunkelblaues Hemd aus dem Schrank und zog es sich an.
„Seltsam, findest du nicht auch?“ Donna drehte sich wieder zu ihm um und zog fragend die Brauen in die Höhe.
Doch er schüttelte nur mit dem Kopf: „Ich finde schon lange nichts mehr seltsam. Ich wandere durch Träume, meine Freundin sieht andere Träume, ich kannte sie schon bevor ich sie überhaupt sah… und so weiter und so fort. Die Liste wäre endlos lang. Das ist alles seltsam“
„Ja, aber…“ setzte Donna wieder an, doch er brachte sie mit einem einzigen Blick zum Schweigen: „Lass uns einfach nur zusammen sein, ja? Ohne verrückte Träume, ohne diesen ganzen Psychologenkram. Lass uns einfach einmal so tun, als wären wir normal“
Donna schluckte und nickte: „Okay, lass uns normal sein“ Sie ging auf Dorian zu und nahm ihn in den Arm und küsste ihn dann sanft auf die Lippen.
Einfach normal, wie es andere Verliebte auch tun.

„Ja, Mama. Mir geht es gut…. Ich bin bei Dorian… Dorian ist der Junge… Ja, mein Freund…. Ich komme heute Abend wieder… Ja sicher… Tut mir Leid…Bis dann“ Donna legte genervt aus und schleuderte das Handy zurück in ihre Tasche und griff sich dann ihre mittlerweile wieder trockenen Klamotten und ging ins Bad.
„Gehen wir irgendwo was Essen?“ rief sie durch die Tür. „Ich habe Hunger“
„Hm… klar!“ kam ein wenig später die Antwort von Dorian, und nur nach ein paar Minuten hatte Donna wieder ihre eigenen Klamotten an und gab Dorian die Seine zurück. Er warf sie achtlos auf’s Bett und griff nach dem Hotelschlüssel. „Seit wann pflegst du wieder Kontakt mit deiner Mutter?“ fragte er Donna.
„Hm… das eigentlich schon länger“ erklärte sie, während sie vor Dorian nach draußen ging.
Er schloss noch schnell die Hotelzimmertür ab, dann holte er Donna schnell sein und verschränkte seine Finger mit ihren.
„Also, eigentlich hat sie mir immer Karten geschrieben. Dann hat sie plötzlich angerufen, und als ich erfahren habe, dass du in Paris bist kam mir die Idee, dass ich die Hotelkosten sparen könnte und einfach für diese Zeit bei ihr wohnen könnte“ redete sie weiter und Dorian hörte ihr geduldig zu.
„Dann nutzt du sie aber ziemlich aus“
„Na ja…“ sagte Donna gedehnt. „Ich habe sie die ganzen Jahre über auch ziemlich vermisst. Nur es ist ziemlich schwer die letzten, verpassten 10 Jahre aufzuholen“
„Das war auch kein Vorwurf“ Dorian zuckte mit den Schultern und küsste sie leicht auf’s Haar, dann fragte er wieder: „Und dein Vater weiß aber wo du bist?“
Donna kam sich langsam aber sicher wie ein kleines Kind vor. Sie selber war schon 17 und in zwei Monaten würde sie sogar 18 werden.
„Ja, er weiß, wo ich bin“ antwortete sie gereizt und folgte Dorian hinunter zur Metrostation. Um schnell das Thema zu wechseln, sagte sie: „Ist dir eigentlich klar, dass wir an deinem 21. Geburtstag hier in Paris sind… Also, davon gehe ich zumindest mal aus“
Dorian nickte zustimmend und drehte sich über die Schulter zu ihr um: „Ich bleibe solange hier, bis die Dr. Fenêtre herausgefunden hat, was mit mir nicht stimmt“
Donna nickte und holte Dorian am Ende der Rolltreppe schnell wieder ein: „Wenn du das nächste Mal zu ihr gehst, dann komme ich mit. Ich möchte es auch wenigstens versuchen“
„Bis jetzt bin ich dem Ganzen aber noch ziemlich skeptisch gegenüber“
„Das ist mir egal“ sagte Donna entschlossen und schaute sich hier unter der Erde misstrauisch um, während Dorian das Liniennetz studierte.
Donna zog sie die Brauen zusammen. Sie war lieber über der Erde, wo es viel frische Luft gab und es nicht so düster war. Außerdem erinnerten die U-Bahn Röhren sie sehr an das schwarze Nichts, das jedes Mal in ihrem Traum erschien.
Sie zog die Schultern hoch und schlang die Jacke fester um sich. U-Bahn fahren war ihr wirklich nicht so recht geheuer. Schon gestern hatte sie damit ihre Probleme. Doch da schwirrten ihr noch so viele andere Dinge im Kopf herum, dass sie es eigentlich kaum bemerkt hatte.
„Also, wir nehmen die Linie 7 und fahren bis zum Châtelet. Dort gibt es ein nettes Café, direkt an der Seine“ riss Dorians Stimme sie aus ihren Gedanken. Er stand nun wieder neben ihr und holte schon wieder eine Zigarette aus seiner Marlboro Schachtel, als er das Rauchverbotsschild sah. Leise fluchend packte er die Zigarette wieder weg und schaute ungeduldig auf die Uhr. „Ich weiß nicht wie lange wir fahren werden, aber ich denke, es sollte nicht zu lange…“ Er hielt inne und schaute fragend zu Donna, welche seinen Blick gar nicht bemerkte, weil sie es immer noch nicht mochte unter der Erde zu sein. Sie hatte Dorian auch gar nicht richtig zugehört. Sie hörte immer nur seine tiefe Stimme.
„Alles klar mit dir?“ Mit der Hand strich er über ihre Wange.
Donna zuckte zusammen und schaute ihn erschrocken an: „Was? - Ja, klar, alles bestens“ antwortete sie schnell, doch er schaute sie immer noch prüfend an.
„Es geht mir wirklich gut“ versicherte sie ihm erneut und hoffte, dass ihre Stimme überzeugender klang, als beim letzten Mal.
Er nickte schließlich und zeigte auf eine Bahn, die mit einem lauten Quietschen zum Stehen kam. „Das ist unsere Bahn“ Er lief vorweg, als Donna noch schnell nach seiner Hand griff und sich dicht an seine Fersen heftete. Und wieder kam sie sich vor, wie ein kleines Kind.
Die Bahn war um diese Uhrzeit erschreckend voll, da viele Pariser mit der Metro zur Arbeit fuhren und auch viele Schulkinder mit diesem Verkehrsmittel zur Schule gelangten.
Trotzdem ergatterten Donna und Dorian noch einen Platz. Donna rückte ans Fenster und schaute hinaus und sah nur schwarz.
Schwarzes Nichts.
Warum war ihr das nicht schon gestern aufgefallen? Warum hat sie die Untergrundbahn nicht schon gestern als unheimlich empfunden. Sofort begann sie zu frösteln.
Schließlich riss Donna ihren Blick vom Fenster los und legte ihren Kopf an Dorians Schulter an und sah wie er sie im Spiegelbild des Fensters anschaute und leicht lächelte. Doch es war ein besorgtes und kein echtes Lächeln, denn es erreichte seine Augen nicht.
Sie hätte ihn gerne gefragt, was los war, doch sie schwieg lieber, denn sie wusste genau, dass er es hasste, ausgefragt zu werden.
Also lehnte sie sich nur stärker gegen ihn und schaute auf ihre Hand, welche immer noch Dorians umklammerte.
„Ich mag Metro fahren nicht“ meinte sie schließlich leise und legte den Kopf in den Nacken, um ihn anschauen zu können.
„Das dachte ich mir schon“ antwortete er ihr ebenso leise und schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln, bevor er mit seinen Lippen nur leicht über ihre Stirn strich.
„Es erinnerte mich so an…“ Donna wurde unterbrochen.
„Ja, ich weiß“ Er strich mit dem Daumen über ihren Handrücken und schob sie dann von sich, um aufstehen zu können. „Wir müssen raus“
Sie atmete erleichtert auf und erhob sich: „Gott sei Dank“
Draußen an der frischen Luft, fiel in leichten Flocken der Schnee, welcher auf der Erde sofort zu Wasser schmolz.
Donna atmete tief die kalte Luft ein, sodass es in den Lungen wehtat. Doch nach 20 Minuten Dunkelheit, und Neonröhrenlicht, und schlechter Luft, tat es gut wieder über der Erde zu sein.
Sie stand neben Dorian an der Treppe, die zur Metrostation hinunterführte und schaute zur Seine.
„Ob man da auch im Sommer baden gehen kann?“ fragte sie leise, während Dorian losging.
Er schüttelte schnell mit dem Kopf: „Ich glaube nicht. Zumindest hier nicht“
„Hm, na ja. Ist ja auch egal. Wir sind ja eh’ nur im Winter hier“ meinte sie und ließ den grün-braunen Fluss nicht aus den Augen, während sie die Brücke überquerten. Hübsch sah das Wasser nicht aus. Nicht zu vergleichen mit dem See, den Dorian so zu lieben schien. Dennoch fand Donna schon immer, dass Wasser das wundervollste Element sei und es hatte sie schon immer fasziniert.
„Sprichst du eigentlich Französisch?“ fragte Dorian, nachdem er eine ganze Weile geschwiegen hatte.
Donna wurde aus ihren Gedanken gerissen und schaute ihn erst fragend an. Doch dann realisierte sie die Frage und nickte: „Ja, seit fünf Jahren“
„Gut. Ich nämlich nicht“ Er grinste schief und zuckte mit den Schultern. „Ich kann nur Englisch und die eigene Muttersprache“
„Du kannst keine weitere Fremdsprache?“
„Woher denn auch? Ich ging nie wirklich zur Schule“
Donna biss sich sofort wieder auf die Lippe. Warum stellte sie nur immer so seltsame und dämliche Fragen, die doch eigentlich völlig auf der Hand lagen.
„Du musst dich nicht schon wieder selbst beißen“ Er lachte leise und fuhr mit der Fingerkuppe über ihre Unterlippe. „Ich gewöhne mich langsam an deine neugierigen Fragen“
Donna brachte nur ein mattes und leicht gequältes Lächeln zustande. Manchmal wusste sie selbst nicht, was mit ihr los war.
„Solltest du auch“ meinte sie schließlich. „Denn ich glaube ich kann diese Fragerei nicht abstellen“
Dorian zuckte wieder nur mit den Schultern und zeigte vor sich: „Das ist das Café, von dem ich dir erzählt habe“
Donna nickte nur und schaute auf das kleine Haus, das direkt an der Seine stand und durch dessen große Fenster man direkt auf das Wasser schauen konnte, welches in der Sonne bestimmt herrlich glitzerte. Doch der Himmel war leider von schweren, grauen Wolken bedeckt.
„Hier hättest du sicher viele Motive zum Zeichnen. Und das richtige Flair um dich herum noch dazu. Ich glaube hier hättest du gute Chancen einmal ein berühmter Maler zu werden“ murmelte sie leise und er schwieg eine Weile, bis er ebenso leise sagte: „Nur ein paar der Gründe, warum ich hier bleiben möchte“
Donna schluckte und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, was sie wirklich dachte: Sie wollte nicht, dass Dorian nach Paris zieht. Sie wollte ihn bei sich und Freyung behalten. Dort, wo er auch zeichnen konnte, aber bei ihr sein konnte.
Doch sie sagte ihm das nicht, sondern nickte nur und fragte: „Was sind die andere Pro-Gründe?“
„Komm mir nicht mit Pro und Contra“ knurrte er, während er ihr die Tür zum Café aufhielt.
Mit erhobenem Kinn drehte sie sich um und schaute ihn beinahe trotzig an: „Was wäre denn Contra?“
Er stockte und zögerte und sagte, bis sie am Fenster saßen gar nichts. Am Tisch zog er erstmal den Aschenbecher zu sich ran und zündete sich ein Zigarette an.
Donna schaute ihn immer noch fragend an, bis er leise murmelte: „Du“
„Was ich?“ fragte Donna verwirrt. Sie verstand nicht, was er ihr sagen wollte.
Dorian verdrehte die Augen und blies den Rauch nach oben: „Du bist der Grund warum ich nicht nach Paris gehen würde. Ich habe doch sonst in Freyung nichts. Also, zumindest nichts, was mir wichtig ist. Außer dir“
Donna schaute ihn eine ganze Weile nur mit großen Augen an, dann seufzte sie aber: „Ich will nicht der Grund dafür sein, dass du dir eine Chance entgehen lässt. Das Zeichnen ist deine Leidenschaft und wenn du denkst, dass du sie hier besser entfalten kannst, dann will ich nicht der Grund dafür sein, warum du dir so etwas entgehen lässt“
Er zuckte nur mit den Schultern und drückte seine Zigarette in dem schwarzen Aschenbecher aus und schwieg weiterhin. Er mied es auch sie anzuschauen. Er wollte ihren Blick nicht sehen. Diesen dauerhaft melancholischen Ausdruck in den großen blau-grauen Augen.
„Ich werde darüber nachdenken“ murmelte er leise und bedankte sich mit einem ebenfalls leisem Merci bei dem Kellner, der Donna und ihm die Speisekarte brachte.
Donna nahm die Karte an sich und warf einen kurzen Blick hinein, doch dann legte sie sie mit einem Seufzen weg: „Ich kann nicht behaupten, dass ich will, dass du hier bleibst, und dich künstlerisch entfaltest. Ich will viel lieber, dass du bei mir bleibst. Und das meine ich ernst. Doch das was ich vorhin sagte, war ebenfalls ernst gemeint“
Erst jetzt hob er wieder den Blick und schaute sie lange schweigend an. Dann lächelte er sie zärtlich an und griff nach ihrer Hand, welche als Faust geballt auf dem Tisch lag. „Ich weiß. Aber bis jetzt, weiß ich selber noch nicht so genau, was ich wirklich will. Und wo ich bleiben will. Und wie es weitergehen soll“
„Wer weiß das schon“ Donna erwiderte sein Lächeln und zuckte mit den Schultern, als ihr ein ganz anderer Gedanke kam: „Morgen ist Weihnachten“
Und während sie voller Freude daran dachte, dass sie das Fest der Liebe wirklich mit dem Jungen verbringen würde, in den sie sich verliebt hatte, dachte sie auch an ihren Vater, welcher ganz allein zu Hause war. Noch nicht einmal irgendeine Art von Haustier würde ihm Gesellschaft leisten.
Sofort nagte das schlechte Gewissen an Donna und sie sagte sich, dass sie ihn heute noch anrufen würde.
„Was machst du Weihnachten?“ fragte Dorian und riss Donna damit, wie so oft, aus ihren Gedanken.
„Wenn ich schon einmal bei meiner Mutter bin, werde ich auch Heiligabend mit ihr verbringen, und ihren neuen Mann“
„Du solltest nicht so streng mit ihr sein“
Donna wollte schon irgendetwas Bissiges erwidern, was gar nicht zu ihrer Art gepasst hatte. Aber sie schluckte ihren Kommentar herunter. Immerhin meinte Dorian es ja nur gut.
Dennoch vermied sie das Thema Mutter lieber, und wechselte schnell das Thema: „Und was machst du?“
„Kunstausstellung“ war seine knappe Antwort.
„Den ganzen Heiligabend?“ Donna schaute ihn erwartungsvoll an und zog dabei die Brauen in die Höhe.
Dorian schüttelte mit dem Kopf: „Nur bis neun Uhr. Danach komm ich zu dir. Ich möchte deine Monster-Mutter einmal kennen lernen“
„Ich kann ein Date arrangieren, wenn du willst“ witzelte Donna und nicht nur sie war froh darüber, dass die Stimmung langsam auflockerte.
„Wenn sie so hübsch ist wie ihre Tochter gerne“ spielte Dorian mit, während er sich erneut eine Zigarette anzündete.
„Ich bin mir aber nicht sicher, ob es wirklich eine Freude ist sie kennen zu lernen. Aber ich freue mich natürlich, dass du kommst“ meinte sie, während sie auf eine Serviette die Adresse ihrer Mutter kritzelte.

Völlig aufgedreht und voller Freude zog Donna Dorian an der Hand hinter sich her. Der Eiffelturm türmte sich vor den beiden auf und Donna konnte es kaum erwarten ganz oben zu stehen und über die gesamte Stadt zu blicken.
Dass sie vor etwa einer halben Stunde viel zu viel gegessen hatte, und ihr Bauch sich immer noch anfühlte, als würde er jede Zeit zerplatzen können, schien sie völlig vergessen zu haben.
Donna wusste, dass sich Dorian über ihr Verhalten, was wirklich sehr untypisch für sie war wunderte, doch auch das war ihr egal.
„Warst du schon mal oben?“ fragte sie und drehte sich zu ihm um, als sie an der Sicherheitsschranke stehen bleiben mussten.
Er nickte: „Einmal, am ersten Tag, als ich hierher gekommen bin“
Donna nickte und stellte dann ihre nächste Frage: „Du hast gezeichnet, oder?“
Wieder nickte Dorian, doch er schwieg und zündete sich eine weitere Zigarette an.
„Ich möchte, dass du mir mal deine Bilder zeigst“ sagte sie geradeheraus und stupste ihm mit dem Zeigefinger gegen die Brust.
Dorian wollte gerade etwas erwidern, als sie an der Reihe waren. Donna gab der Security ihre Tasche und ließ sich dann selber nach verdächtigen Gegenständen abtasten.
Auch Dorian musste sich dieselbe Prozedur gefallen lassen. Mürrisch gab er dem Schrank von Mann seine Zigaretten und sein Feuerzeug. Der Chinese vor ihm musste sogar seine Coladose abgeben. Viel zu übertrieben, wie Dorian fand.
Er schaute den muskulösen Mann ausdruckslos an, welcher ihm mit einer einfachen Handbewegung zeigte, dass er gehen kann.
Dorian drängelte sich an ihm vorbei, und Donna stellte verwundert fest, dass Dorian ebenso groß war, wie der Sicherheitsmann.
Lächelnd kam er auf sie zu und legte ihr einen Arm um die Taille und schob sie sanft weiter: „Ich musste meine Zigaretten abgeben“ murrte er und Donna konnte nicht anders, sie musste leise lachen: „Ist vielleicht auch besser so“
Dorian zuckte daraufhin nur mit den Schultern und wechselte dann das Thema: „Du willst also meine Bilder sehen?“
Donna nickte, während sie begann die Treppen des Eiffelturms hinaufzusteigen. „Ja, will ich“ Sie rechnete schon mit Widerspruch, weil das bei Dorian zu erwarten wäre, aber komischer Weise protestierte er nicht.
Er sagte nur: „Gut. Ich werde dir die Bilder zeigen, die ich mitgenommen habe“
Ruckartig blieb sie stehen und drehte sich zu ihm um: „Im Ernst?!“
Er lachte leise und küsste sie sanft auf die Lippen: „Du solltest mal deinen Blick sehen“
Sofort errötete sie wieder und war wieder kurz davor sich selbst auf die Unterlippe zu beißen, doch sie ließ es.
„Allerdings unter einer Bedingung“ redete er weiter und nahm Donnas Hand und ging weiter die Treppen hinauf.
„Und die wäre?“ fragte sie misstrauisch und zog die Brauen zusammen.
„Dass ich dich zeichnen darf“
„Hast du doch schon“
„Nein, das war was anderes. Ich meine richtig zeichnen. Ein richtiges Porträt“
„Oh, ich weiß nicht“ Donna hob abwehrend die Hände. „Ich bin schon so unfotogen. Gut zu zeichnen bin ich auch nicht“
„Schwachsinn“ meinte Dorian und schnalzte kurz abfällig mit der Zunge.
Donna atmete tief ein und stieß die Luft dann wieder aus und blieb auf der ersten, großen Plattform stehen und ließ sich gegen eine der großen Metallsäulen fallen: „Okay, gut. Ich mach’s“
Dorian grinste selbstgefällig und stützte den Unterarm an der Säule neben ihrem Kopf ab. „Wenn nicht hätte ich dich im Schlaf gezeichnet… Irgendwie hätte ich schon ein Bild von dir bekommen“ Seine grauen Augen blitzen kurz auf und er spielte wieder mit der Zunge an seinem Lippenpiercing, als sie die Arme um seinen Hals schlang und ihn zu sich runter zog um ihn zu küssen.
Überrumpelt von ihrer Reaktion, die eigentlich gar nicht zu ihrem schüchternem Wesen passte, ließ er sich ohne Widerstand zu ihr herabziehen, bis sich ihre Lippen berührten. Er wollte den Kuss vertiefen, als sie sich abwandte und frech lächelte: „Lass uns weiter nach oben gehen! Ich will die ganze Stadt sehen, und nicht nur deine Augen, obwohl die auch recht schön sind“ Sie zwinkerte ihm zu und zog ihm an der Hand hinter sich her, während er seufzte und sich mit hängenden Schultern von ihr ziehen ließ.
Mit Donna hatte er sich echt eines der rätselhaftesten Mädchen ausgesucht, die es gibt. Bei ihr musste man jede Handlung und jedes Wort wirklich gut durchdenken, um sie nicht zu verletzen. Und manchmal reagierte sie auch ganz anders als erwartet. Wie jetzt, zum Beispiel.
Doch war er soviel einfacher? Er bezweifelte es.






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