Zwischen Traum und Wirklichkeit - Teil 21

Autor: Giraffi
veröffentlicht am: 25.02.2011


Dirk starrte seine Tochter fassungslos an. Ihm klappte die Kinnlade herunter und er schüttelte mit dem Kopf. Doch er sagte nichts.
Eine Weile starrte sich die beiden nur an – schweigend, bis es Donnas Vater war, der sich aus dieser Starre löste.
„Willst du deine Mutter besuchen?“
Daran hatte sie noch gar nicht gedacht! Doch sie wollte jetzt auch nicht länger darüber nachdenken: „Ja, auch. Aber nicht nur deswegen“ Sie verschwieg ihrem Vater, dass sie wieder geheiratet hatte und dass sie wieder schwanger war. Donna wollte ihn damit nicht noch zusätzlich belasten.
„Warum noch?“ Ihr Vater schien die ganze Sache ziemlich gelassen aufzunehmen. Wahrscheinlich, weil er seiner Tochter vertraute und wusste, dass sie keine unüberlegten Sachen machen würde.
„Dr. Erlinger kann mir nicht weiterhelfen, was meine Träume angeht. Aber er hat eine Bekannte in Paris, die Psychologin und Traumdeuterin ist. Vielleicht kann sie mir helfen“
„Meinst du? Ich glaube, dass ist nur alberner Hokuspokus… Und was ist mit Weihnachten“ erwiderte ihr Vater abfällig.
„Ich will nur endlich wieder schlafen“ flüsterte Donna fast und schüttelte schnell mit dem Kopf: „Ich will es wenigstens versuchen“ Auf die Frage mit Weihnachten ging sie gar nicht ein. Es tat ihr zu sehr weh, zu wissen, dass ihr Vater Heiligabend höchstwahrscheinlich allein sein würde. Was mit Neujahr sein würde, wusste sie noch nicht. Und eigentlich wollte sie sich darüber auch keine Gedanken machen.
Dann schwiegen die beiden eine Weile, bis ihr Vater schließlich diese Stille durchbrach: „Du weißt, dass ich dich das nur machen lassen, weil ich dir vertraue und weil du ein vernünftiges Mädchen bist“
„Ich weiß, Paps“
„Brauchst du Geld?“
Donna schüttelte mit dem Kopf: „Nein, ich habe mein Sparschwein geschlachtet, da war genügend drin. Und schlafen kann ich bei Mutter“ Obwohl sie das gar nicht wusste. Ihre Mutter wusste ja noch nicht einmal, dass Donna binnen von Stunden bei ihr vor der Tür stehen würde.
„Gut“ murmelte Dirk nur und schaute zu Boden, als Donna ihn stürmisch umarmte: „Du musst dir keine Sorgen machen. Ich komme klar“
Er strich über’s Haar und nickte: „Ich weiß. Du bist ja jetzt meine Große“
„Ach, manchmal fühle ich mich noch viel zu klein“ seufzte sie und machte sich von ihrem Vater los.
„Mir ging’s damals auch so… Glaub ich zumindest“ Er schaute nachdenklich zur Decke und schüttelte dann aber schnell mit dem Kopf und kam mit seinen Gedanken wieder in die Gegenwart. „Viel Spaß in Paris. Kommst du allein zum Bahnhof?“
Donna nickte schnell: „Ja, du musst mich nicht fahren“ Sie ging wieder in den Flur, dicht gefolgt von ihrem Vater, und hängte sich ihre Tasche um die Schulter und nahm auch den Rollkoffer an sich.
Mit lauten Rumpeln öffnete sie die Haustür und stellte den Koffer schon mal vor die Haustür, als sie sich noch mal zu ihrem Vater umdrehte: „Danke, dass du mich gehen lässt“
„Leben und leben lassen“ Dirk zuckte nur mit den Schultern und zwinkerte seiner Tochter aufmuntert zu.
„Ich hab dich lieb… Ach ja, zum Schulbeginn bin ich wieder da“
„Das will ich auch hoffen“ lachte er herzlich und warf ihr eine Kusshand zu.
Sie musste kichern, auch wenn ihr eigentlich gar nicht nach Lachen zu Mute war. Doch ihr Vater schaffte es immer wieder ihr ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern.
„Bis dann“ Sie winkte mit den freien Hand und wollte gerade die Tür hinter sich zuziehen, als die Stimme ihres Vaters sie zurückhielt: „Ähm, Donna?“
Donna hielt inne und öffnete die Tür wieder ein Stück: „Ja?“
„Sag Jennifer einen schönen Gruß… und, noch was Donna…“ bemerkte er noch und seine Tochter zog fragend die Brauen nach oben.
„Habe endlich mal richtig Spaß am Leben. Und sehe nicht immer alles so verbissen. Springe über deinen Schatten und besiege endlich deine Schüchternheit“ meinte er aufmunternd. „Lass es mal so richtig krachen, ja? Du bist nur einmal so jung!“
Gegen ihren Willen füllten sich Donnas Augen mit Tränen. Ihr Vater hatte Recht: Für ein 17-jähriges Mädchen war sie viel zu verbissen und viel zu verkrampft. Für sie gab es fast immer nur ihre Schriftstellerei, ihre Bücher und die Schule.
An die Dinge, die normale Teenager taten dachte sie nicht. Hastig schluckte sie die Tränen hinunter und meinte leise: „Ich habe Spaß am Leben, Papa. Es geht mir gut“
„Das weiß ich. Ich meinte nur, lass es dir in Paris gut gehen“ Er lächelte ihr liebevoll zu. „Mach’s gut, meine Kleine“
Donna nickte mit traurigen Augen zog dann mit einem lauten Knall die Wohnungstür hinter sich zu.

Nur eine Stunde später saß sie im ICE, zweite Klasse auf dem Weg zum Pariser Nordbahnhof. Sie hatte die Adresse ihrer Mutter auf einem Fresszettel in der einen und die Visitenkarte von Dr. Fenêtre in der anderen Hand.
Sie hatte den Kopf gegen das Fenster gelehnt und hörte Goo Goo Dolls mit ihrem traurigen Lied Iris.
Ihr war immer noch nach Heulen zumute, doch sie riss sich zusammen und starrte nur weiter auf die vorbeiziehende Landschaft. Zum Glück hatte sie ein Abteil für sich allein ergattern können und so hatte sie ihre Ruhe.
Die Zugfahrt hatte sie fast 100 € gekostet, doch sie hatte die letzten 10 Jahre genug gespart, um selbst jetzt noch genügend Geld zu haben.
Irgendwann schlief sie ein und wurde sofort wieder in einen Strudel voller wirrer Träume gezogen. Sie sah Menschen, die sie noch nie zuvor in ihrem Leben gesehen hatte. Es war bizarr wie immer und am Ende befand sie sich wieder umgeben von dem schwarzen Nichts, bis sie schreiend hoch schreckte.
Hektisch und schnell atmend schaute sie um sich. Sie war immer noch allein in ihrem Abteil, aber vor der Glastür stand eine Frau, die sie besorgt anstarrte.
Donna brachte ein dünnes Lächeln zustanden und die Frau vor der Tür atmete erleichtert aus und ging ruhigen Gewissens weiter.
Ihr folgte ein alter Mann, welcher sie nur kurz anschaute. Trotzdem erkannte sie ihn: Es war der Mann, den sie in ihrem Traum gesehen hatte. Er flog mit einem Flugzeug über das Meer, bis das Flugzeug abstürzte und ihn in die Tiefe riss. Das Flugzeug sah aus wie eines dieser alten amerikanischen Kriegsflugzeuge.
Donnas Atem kam nur noch stoßweise und impulsiv sprang sie auf und rannte aus dem Abteil: „Ähm, Entschuldigung!“ rief sie und der Mann drehte sich fragend zu ihr um: „Meinen Sie mich?“ fragte er mit rauer und alter Stimme.
Donna nickte immer noch keuchend: „Ja“
Jetzt schwieg sie allerdings, was sollte sie ihm denn sagen. Sie schluckte hart und zwang sich dazu, dass zu fragen, was ihr sowieso schon auf der Zunge lag: „Waren Sie einmal Pilot“
Der Mann erschauderte und wich leicht von ihr zurück: „Warum wollen Sie das wissen?“
„Es… es… interessiert mich nur“ stotterte Donna hilflos.
„Nein, ich war nie ein Pilot!“ meinte er barsch und wandte sie von Donna ab, als sie ihm noch schnell hinterher rief: „Auch nicht im Krieg?“
Schnell wirbelte der Mann herum und in seinen Augen lag Furcht und Verwirrung. Eine einzelne Träne rollte über seine faltige Wange und er starrte Donna noch eine Weile an, dann wandte er sich schließlich ab und verschwand in einem der anderen Abteile.
Hilflos und völlig irritiert ließ Donna die Schultern hängen und ging mit schlurfenden Schritten zurück zu ihren Sachen.
Sie war sich fast sicher, dass sie mit ihren Fragen den wunden Punkt des Mannes getroffen hatte. Er muss Flieger im zweiten Weltkrieg gewesen sein. Es musste einfach so sein. So reagierte niemand, der nichts damit zu tun gehabt hatte.
Doch woher wusste Donna das? Warum hatte sie von dem Mann im Flugzeug geträumt? Und warum sah sie ihn dann im selben Zug?
Das war doch alles völlig irrsinnig!
Müde von ihren alltäglichen Grübeleien ließ sie den Kopf wieder gegen die kühle Fensterscheibe sinken und verlor sich erneut in der vorbeiziehenden Landschaft.

Sie klingelte Sturm vor dem schönen Stadthaus, das ihre Mutter und ihre neue Familie angeblich bewohnten… das heißt, wenn die Adresse stimmte.
Nach einer Weile Sturmklingeln, öffnete sich plötzlich die Tür und eine hochschwangere Frau stand auf der Schwelle und schaute fragend zu dem Mädchen, das vor ihr stand. Doch sagen tat sie nichts.
Auch Donna schwieg und schaute nur zu ihrer Mutter, die sie nun das erste Mal seit Jahren wieder sah.
„Mama?“ fragte sie mit so dünner Stimme, dass sie sich selber kaum verstand.
Die Frau ihr gegenüber schlug plötzlich die Hand gegen ihren Mund und ihre Augen begannen hektisch von einem Punkt zum anderen zu schauen, bis sich schließlich mit Tränen füllten und sie ein paar Schritte zurück ins Haus ging: „Komm rein“ meinte sie leise.
Donna zögerte noch eine Weile, dann nickte sie und zog ihren Koffer hinter sich her.
Sie betrat einen langen Flur, der mindestens doppelt so groß war, wie der bei den Damenos zu Hause. Der Boden war aus feinstem Marmor und glänzte wie poliert. An der Wand stand eine Kommode aus dunklem Ebenholz und darüber hing ein Spiegel mit Goldrand.
Kurz erhaschte Donna einen Blick auf sich selber. Doch dieser kurze Blick reichte ihr, um zu wissen, dass sie furchtbar aussah.
Sie stellte ihren Koffer mit einem lauten Plumpsen auf den Fußboden und ihre Mutter drehte sich wieder zu ihr um. Eine Träne lief ihr über das Gesicht, das trotz ihres Alters beinahe faltenfrei war. „Ich hätte nicht gedacht, dass du kommst“ flüsterte sie.
Donna nickte nur und tappte unsicher von einem Fuß auf den anderen. Sie wusste nicht so recht, wie sie sich verhalten sollte, gegenüber ihrer Mutter, die sie seit Jahren nicht mehr gesehen hatte, von der sie immer nur Karten bekommen hatte.
„Ich bin nicht nur wegen dir hier“ brachte sie schließlich hervor und schaute zu Boden.
„Ach so… ja verstehe. Hätte ich mir ja auch denken können. Warum bist du denn noch hier?“ Plötzlich war ihre Stimme gespielt fröhlich, doch Donna wusste ganz genau, dass sie damit nur ihre Unsicherheit verbergen wollte.
„Verschiedenes“ meinte Donna ausweichend. „Das zu erklären, wäre alles etwas zu kompliziert. Und ich weiß auch nicht, ob ich es dir überhaupt erzählen will“
„Du musst mir gar nichts erzählen, wenn du nicht willst“ sagte ihre Mutter hastig und hob abwehrend die Hände, doch nur wenige Sekunden darauf fragte sie: „Geht es um einem Jungen?“
Donna schaute ihre Mutter vorwurfsvoll an, doch dann nickte sie leicht: „Ja, so in etwa. Aber es ist kompliziert“
„Ja, ich verstehe“ meinte Jennifer nachdenklich, dann betrachtete sie ihre Tochter ganz genau von oben bis unten. „Lass mich dich ansehen…“ Sie trat einen Schritt auf ihre Tochter zu. „Groß bist du geworden. Und hübsch“ Sie wollte Donna umarmen, doch diese wich zurück und ging gar nicht auf sie ein: „Darf ich für zwei Wochen hier wohnen?“ fragte sie stattdessen.
Als hätte man sie geschlagen, zuckte Donnas Mutter zusammen und trat ebenfalls einen Schritt von ihrer Tochter zurück. „Über Weihnachten?“
Donna nickte.
„Und dein Vater?“
„Es hat alles seine Gründe, warum ich hier bin“ sagte Donna entschlossen und wunderte sich erneut über die Schärfe ihrer Stimme.
„Weiß er Bescheid?“
„Ja“ Die Grüße, die sie ihrer Mutter von Dirk ausrichten sollte, verschwieg sie. Ihre Mutter hatte keine Grüße verdient!
Jennifer zögerte eine Weile, dann nickte sie: „Natürlich darfst du hier wohnen. Ich freue mich sogar sehr darüber. Ich mach dir dann schnell das Gästezimmer zurecht. Da kannst du auch deine Sachen abstellen“ Wieder redete sie viel zu schnell und viel zu fröhlich für diese eigentlich total unangenehme Situation.
Donna erwiderte darauf gar nichts, sondern folgte ihrer Mutter nur die schmale Wendeltreppe – ebenfalls aus Marmor – nach oben.
Das Gästezimmer war ein großer Raum mit einen breiten Bett, das allerdings unbezogen war. An der Wand entlang streckte sich ein riesiger Schrank aus Bambusholz mit Pergamentpapier bedeckt.
Durch die großen Fenster fiel viel Sonnenlicht und ließ den Raum noch freundlicher wirken, als es die hellen Farben schon taten.
„Dein Neuer scheint Geld zu haben“ bemerkte Donna und zum ersten Mal in ihrem Leben war sie wirklich abfällig gegenüber jemanden.
„Er ist nicht mein Neuer“ zischte ihre Mutter. „Er heißt Francis und ja, er verdient gut… Kommen du und Dirk gut klar mit seinem Gehalt oder soll ich euch Geld schicken?“ fragte sie jetzt besorgt.
Donna warf ihr nur einen hasserfüllten Blick zu und fauchte: „Wir brauchen dein Geld nicht. Wir kommen ohne auch ganz gut klar“
Jennifer schaute ihre Tochter traurig an und holte dann die Bettwäsche aus dem Schrank: „Ich hoffe, dass du mir verzeihen kannst… irgendwann“
Donna schwieg nur und schaute aus dem Fenster, hinaus auf die gut befahrene Straße.
„Und ich hoffe auch, dass du irgendwann wieder normal mit mir reden kannst und mir auch erzählen wirst, weshalb du wirklich da bist, wenn nicht unseretwegen“ Sie strich sich über den runden Bauch, und Donna war nach dieser Geste wirklich zum Kotzen.
Mit schnellen Schritten ging sie auf ihre Mutter zu und nahm ihre das Bettzeug aus den Händen: „Ich mach’ das selber“ sagte sie barsch und begann selber das große Bett zu beziehen.
„Gut. Du bist ja schon älter, als ich dich in Erinnerung hatte“ Ihre Mutter lachte bitter und schüttelte mit dem Kopf, sodass ihr ihre rot-blonden Löckchen ins Gesicht fielen. „Wenn du irgendetwas brauchts, ich bin unten… Eigentlich sind Francis und ich immer unten. Da sind alle Räume zum Wohnen: Wohnzimmer, Küche, Bad, Schlafzimmer, Kinderzimmer…“ zählte sie auf und unterbrach sich dann aber plötzlich selber: „Ich weiß, das interessiert dich wahrscheinlich nicht, aber so weißt du gleich, dass eigentlich alles unten ist. Und dass du hier oben deine Ruhe haben wirst“
„Ich werde nicht oft hier sein“ meinte Donna ohne aufzuschauen.
„Oh“ Ihre Mutter kam sich vor, wie vor den Kopf geschlagen. „Na ja, auch gut“ meinte sie leise und verließ den Raum, als Donna endlich aufschaute: „Danke“ murmelte sie noch, aber Jennifer verstand sie schon nicht mehr.
Als sie das Bett fertig bezogen hatte, ließ sie sich auf’s Bett fallen und zerrte ihr Handy aus der Hosentasche. Schnell tippte sie eine kurze Nachricht: Wo bist du?!
Dann sendete sie die drei Wörter an Dorian und drehte sich auf den Rücken und starrte an die weiße Decke.
Sie war wirklich bei ihrer Mutter. Sie war in Paris. Sie war fast dort, wo Dorian auch war. Hoffentlich würde er schnell antworten.
Ungeduldig drehte sie sich wieder auf den Bauch und zerrte das Visitenkärtchen von Dr. Fenêtre hervor.
Vielleicht sollte sie schon mal hin gehen. Nur um zu schauen, wie es dort ist. Vielleicht würde sie dann auch schon schnell einen Termin mit der Psychologin ausmachen können.
Vielleicht… Vielleicht… Vielleicht.
Wie sehr sie dieses Wort in letzter Zeit hasste.
Vielleicht würde sie ihrer Mutter auch verzeihen können. Vielleicht würde sie ihr von ihren Problemen erzählen können. Vielleicht würde irgendwann alles mal wieder normal werden.
Vielleicht aber auch nicht.

Ohne sich von ihrer Mutter zu verabschieden verließ sie das Haus. Ihren Koffer hatte sie unausgepackt im Gästezimmer stehen lassen und dieses Mal hatte sie nur ihre Tasche um die Schulter gehängt und das Visitenkärtchen in der Hand.
Dorian hatte ihr bis jetzt noch nicht geschrieben, und ihr Handy begann erst schrill zu piepsen, als sie in der Metro saß, und eigentlich keine Ahnung hatte, wo sie hinfuhr.
Wahrscheinlich war sie gerade auf den Weg ins Niemandsland.
Hektisch zog sie ihr Telefon aus der Hosentasche und las die Nachricht. Dorian hatte nicht mehr geantwortet, als sie gefragt hatte: Das ist egal!
Donna verdrehte genervt die Augen und tippte schnell ihre Antwort: Ich weiß, dass du in Paris bist!
Senden!
Nur wenige Minuten später wieder ein schrilles Piepsen: Es ist auch gut so, dass ich in Paris bin. Glaub mir.
Sie seufzte und ließ die Schultern hängen. Sie hatte keine Lust mehr zu schreiben. Also wählte sie kurzerhand seine Nummer und hörte das gleichmäßige Tuten in ihrem Ohr, als es plötzlich rauschte, dann seine Stimme: „Donna?“ Oh Gott! Es tat so gut seine Stimme wieder zu hören.
„Dorian! Ich bin in Paris!“
Schweigen. Nur sein Atem war zu hören, dann begann er nach einer halben Ewigkeit wieder zu reden: „Was machst du in Paris?!“
„Dasselbe könnte ich dich fragen“
„Ich habe meine Gründe“
„Ich auch“
Wieder schweigen. Wieder nur das regelmäßige Atmen.
„Sag mir, wo du bist“ verlangte Donna. „Ich finde dich schon irgendwie, irgendwann“ Sie lachte leise, doch er lachte nicht mir ihr.
„Nein, wir können uns nicht sehen“
„Warum nicht?“
„Das kann ich dir nicht sagen… Ich weiß den Grund ja selber nicht“
„Dorian, jetzt hör’ mir mal gut zu: Du bist der Grund warum ich eigentlich in Paris bin und…“ Sie brach ab, als die Türen der Metro aufflogen. Spontan sprang sie auf und stürmte hinaus. Sie warf einen Blick auf die Haltestelle. „Ich bin an einer Metro-Haltestelle namens Odéon. Wo bist du?“
„Wo anders“
„Dorian“ Ihre Stimme klang flehend und sie spürte wie die Tränen ihr die Sicht verschleierten. Mit schnellen Schritten und dem Handy immer noch ans Ohr gepresst, eilte sie die vielen Stufen nach oben, bis sie endlich wieder das Tageslicht sah. Doch das Wetter hatte sich total verändert. Anstatt, dass die Sonne immer noch schien regnete es jetzt wie aus Eimern.
„Es tut mir Leid, Donna“ Die Verbindung wurde unterbrochen und sie hörte nur noch das schnelle Tuten.
Donna ließ das Handy sinken und ließ ihren Tränen freien Lauf. Konnte denn nichts in ihrem beschissenen Leben auch nur einmal glatt laufen?
Jetzt stand sie hier irgendwo in Paris, an irgend so einem Odéon und sie hatte keine Ahnung, wohin sie nun gehen sollte.
Das Haar klebte ihr mittlerweile in nassen Strähnen an der Haut ihrer Wangen und ihre Wimperntusche war sicher fürchterlich verlaufen. Doch das interessierte sie nicht. Sie schaute auf das durchgeweichte Visitenkärtchen und lief mit schnellen Schritten auf das nächste Taxi zu, dass sie sah.
Weiter in Paris herumzuirren wäre ihr Tod. Also musste sie wohl oder übel ziemlich viel Geld ausgeben um heil zu der besagten Psychologin zu kommen.
Sie stieg einfach hinter dem Taxifahrer ein und reichte ihm wortlos das Kärtchen. Der Mann hinter dem Steuer schaute sie mit prüfendem Blick an, dann nickte er und fuhr los.

Ohne darauf zu achten, was der Zähler anzeigte drückte sie dem Taxifahrer einen 50€ Schein in die Hand und sprang aus dem Wagen, als sie schon das hellblaue Hochhausgebäude sah, in dem die Praxis von Dr. Fenêtre sein sollte. Es regnete immer noch, doch das war ihr egal. Dennoch rannte sie auf das Gebäude zu, als die Tür des Hauses plötzlich aufflog und ein Junge aus dem heraustrat. Er schaute mit zusammengekniffenen Augen zum Himmel und stellte fluchend den Kragen seiner Lederjacke auf, dann ging er mit den schnellen Schritten über die breite Straße.
Donna blieb wie angewurzelt stehen. Sie hatte ihn schon erkannte als sie ihn nur eine Sekunde gesehen hatte. Dorian war bei also wirklich bei Dr. Fenêtre. Aber warum?!
Doch schnell verwarf sie diesen Gedanken und rannte ohne viel nachzudenken ihm hinterher. Dass sie dabei beinahe überfahren geworden wäre, bemerkte sie gar nicht.
Die Hupen der Autos waren ohrenbetäubend und das Fluchen der wütenden Franzosen konnte Donna Gott sei Dank nicht verstehen.
Unbeirrt rannte sie weiter, als sie schon den Bordstein erreicht hatte und außer Lebensgefahr war.
Dorian hatte den ganzen Lärm gehört und sich umgedreht. Auch wenn sie die Haare kürzer trug und das Pony jetzt etwas kürzer war, so erkannte er sie doch sofort. An ihrer Größe, an ihrer Art sich zu bewegen, an dem leicht wippenden Gang.
Er drehte sich gänzlich herum und blieb stehen. Wie in Trance schaute er sie an, wie sie auf ihn zukam und dann schließlich dicht vor ihm stehen blieb.
Sie sagte nichts und auch er schwieg.
Sie wusste auch gar nicht, was sie sagen sollte. Und Dorian schien auch nicht zu wissen, worüber er jetzt reden wollte.
Sie standen einfach nur so da. Im Regen, am Straßenrand, als würde die Welt um sie herum gar nicht mehr existieren.
Schließlich schluckte Donna ihre Angst hinunter und meinte leise: „Du hast mir einiges zu erklären“
Er lachte leise und nickte: „Du aber auch“ Er strich ihr eine verirrte, nasse Haarsträhne aus dem Gesicht und sie schloss kurz die Augen.
„Was ist mit deinen Haaren passiert?“
„Spliss“ meinte sie knapp und ließ sich dann impulsiv gegen ihn fallen. Zuerst zuckte er zusammen und wusste nicht so recht, was er machen sollte, doch dann legte er seine Arme um sie und stützte sein Kinn auf ihren Scheitel ab. „Sieht gut aus“
„Du hast mir wirklich gefehlt“ murmelte sie so leise, dass er es kaum verstand. Dorian nickte daraufhin nur.






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