Dreifacher Herzsalto - Teil 2

Autor: LunaLoo
veröffentlicht am: 03.12.2010


„Max!“ Ich trommelte fester mit der Faust gegen die Badezimmertür, sodass die Tür eigentlich hätte schon längst aus den Angeln fallen müssen. „Jetzt beeil dich endlich. Ich muss auch noch ins Bad“ Wieder hob ich die Faust, um weiter gegen die Tür hämmern zu können, als die Tür von innen aufging und Maxi mit nassen Haare aus dem Bad trat. „Tja, Jenna. Schönheit braucht eben seinen Preis“ meinte er zu mir halb ernst und halb im Spaß. Ich verdrehte nur die Augen, brummte ein leises: „Du bist so schwul.“ und wollte ins Bad gehen, als ich Maxis leise Stimme noch vernahm: „Bei dir bringt das sowieso nichts mehr“ Er wusste, dass er mich damit provozieren konnte. Ich drehte mich ruckartig um und schaute ihn böse an: „Ach, halt doch einfach die Klappe!“
Doch er grinste nur weiter und ich griff wahllos zu etwas, dass auf dem Waschbecken stand und warf damit nach Maxi.
Er duckte sich in letzter Sekunde und die Keramikseifenschale zerschellte an der Wand.
„Was ist denn hier los?“ fragte meine Mutter, die mittlerweile in ihrem mörderischen High Heels, keuchend die Treppe hinauf kam.
„Jenna wirft schon wieder mit Sachen!“ beschwerte sich Maxi gleich und ich zeigte verteidigend mit dem Finger auf ihm: „Max hat mich provoziert“
Unsere Mutter seufzte tief und schüttelte mit dem Kopf: „Ihr seid schlimmer, als die Kinder im Kindergarten - Maxi du gehst in dein Zimmer…“
„Aber Mama… Jenna hat an…“
Doch sie ließ ihn nicht ausreden: „Und du Jenna – ab ins Bad. In einer halben Stunden musst du in der Schule sein!“
Ich murrte etwas Leises vor mich hin und schloss die Badtür hinter mir. Die Morgen unterhalb der Wochen verliefen alle so. Das war Alltag. Maxi duscht zu lang, ich beschwere mich darüber, er provoziert mich, ich werfe mit Sachen und unsere Eltern drehen durch. Die beiden können froh sein, dass sie nicht noch weitere Kinder haben. Schon früher waren sie mit uns beiden Streithähnen immer voll ausgelastet.
Kaum hatte ich mich fertig angezogen und war gerade dabei mich zu schminken, als es an der Tür klopfte: „Jenna, ich muss noch mal rein. Ich muss pissen!“
Genervt stöhnte ich auf: „Maxi. Hau. Ab!“
„Man Jenna. Ich muss aber wirklich ganz dringend“
„Dann geh’ unten. Und nerv’ mich nicht! Es wird sowieso Zeit, dass du ausziehst, mein Lieber!!!“ fauchte ich und schlug von innen gegen die Tür.
„Zicke!“
„Arschloch!“
Dann widmete ich mich wieder meinem Spiegelbild. Kaum zu glauben, aber eigentlich mochte ich meinen Bruder wirklich. Er war eigentlich ein netter Kerl – eigentlich eben.

Nur fünfzehn Minuten später, saß ich neben Maxi im Auto und schnallte mich an. Ich stellte meine schwere Schultasche zwischen meine Beine und prüfte noch mal mein Make-up im Spiegel.
„Siehst hübsch aus, Jenna. Mach dir keinen Kopf“ Tja, er konnte eben auch wirklich nett sein.
Er startete den Motor und fuhr schneller als erlaubt los. Doch ich hielt die Klappe, denn er hatte wenigstens einen Führerschein, was man von mir nicht behaupten könnte.
„Hör auf morgens so rumzunerven“ zischte ich jedoch nur.
„Hör auf morgens so rumzunerven“ äffte er mich so gekonnt nach, dass sogar ich lachen musste. Und wir beide grinsten uns an.
„Dass du gestern nur den 4. Platz belegt hast, tut mir Leid. Ich fand du warst besser als Sascha“ versuchte ich ihn aufzumuntern.
Und auch wenn sein breites Grinsen verschwand, so blieb ein kleines Lächeln auf seinen Lippen: „Ich war auch besser als Sascha“
„Oh scheiße – das war der, der den 6. Platz belegt hat, was?“
Maxi nickte: „Ja, aber ich kenn dich doch – so was kannst du dir nie merken“
„Ach, ist ja auch egal. Zumindest warst du auch besser als Romeo Ranaz“ Von dem wusste ich noch, dass er den 1. Platz belegt hatte.
Maxi lachte leise und schüttelte mit dem Kopf: „Ich weiß, dass du lügst. Romeo war gut an dem Tag. Wirklich verdammt gut. Ach scheiße, der Junge ist eigentlich immer gut!“
Herzlich wuschelte ich ihm durch die Haare und schüttelte mit dem Kopf: „Irgendwann bist du besser als er. Außerdem musst du das ganze auch mal positiv sehen: Immerhin bist du nie „die-kleine-Schwester-von…“. Das ist doch schon mal sehr angenehm“
Maxi schaute mich schräg von der Seite an und lenkte den Wagen auf den Parkplatz der Schule und bremste so abrupt ab, dass ich nach vorne wippte und dann mit dem Kopf unsanft wieder gegen die Kopfstütze prallte: „Vorsichtiger fahren ist wohl nicht drin, was?“
„Führerschein ist wohl nicht drin, was?“ konterte er und schulterte sich seinen Rucksack. Er wartete bis auch ich ausgestiegen war und schloss dann das Auto (einen kleinen Fiat Punto in langweiligem Silber – wenn ich meinen Führerschein hab, dann möchte ich mal einen kleinen Corsa in rosa fahren, oder noch besser: einen mintgrünen VW-Bus mit gelben Peace-Zeichen auf der Motorhaube) ab.
„Was hast du jetzt in der ersten Stunde?“ fragte mich Max und schaute mich dabei aber nicht an, sondern durchstreifte den Campus suchend mit seinem Blick.
„Ähm…“ Ich musste wirklich sehr überlegen. Ich konnte mir solche Dinge einfach nicht merken. Dabei hatten wir jetzt schon wieder seit fast drei Monaten Schule. Und trotzdem ging dieser bescheuerte Stundenplan nicht in meinen Schädel rein. „Ich glaube Mathe“ antwortete ich schließlich.
Maxi lachte laut auf: „Na, das macht dir sicher Spaß“
Ich verdrehte nur wieder die Augen und rempelte ihn spielerisch an. „Was hast du?“ fragte ich ihn.
Er zögerte eine Weile, dann meinte er: „Sport“ Während er antwortete sah er mich nicht an, er starrte nur weiter über das Schulgelände bis sein Blick sich seltsam aufhellte. „Wir sehen uns heut’ Nachmittag, Jenna!“ Er wuschelte mir kurz die Haare und lief dann auf die Bänke zu, die im Raucherhof standen.
Auch, wenn ich noch relativ weit entfernt war, so erkannte ich, dass auf den Bänken Sascha, Karl, Josh und noch irgendwelche Leute vom Turmspringen saßen. Dass ich in meiner Klasse von einigen Mädchen beneidet wurde, dass mein Bruder all diese Jungs kannte, wunderte mich.
Mich interessierten diese Typen nicht. Sie waren nie sonderlich sympathisch und einige von ihnen waren sogar ziemlich hässlich. Ich starrte Maxi eine Weile hinterher und achtete nicht auf meinen Weg, als ich mit jemanden zusammenprallte. Ich stolperte zurück, ließ meinen schweren Ordner fallen und stieß ein erschrocken: „Uppsala“ aus.
„Maxi hatte anscheinend Recht, als er erzählt hatte, dass er die tollpatschigste Schwester auf der Welt hat“ hörte ich die Stimme vor mir und schaute auf. Ich konnte dem Gesicht keinen wirklichen Namen zuordnen, dennoch vermutete ich, dass es Romeo war. Ich hatte ihn noch nie vom Nahen gesehen.
Er bückte sich und hob mir meinen Ordner auf und reichte ihn mir. Dabei fiel ihm das dunkelbraune Haar ins Gesicht, doch er machte keine Anstalten es sich aus den Augen zu streichen.
Ich nahm den Ordner an mich ran: „Danke – und achte das nächste Mal darauf, wo du hinläufst“
„Stimmt – sollte ich machen. Es ist nicht nett, kleine Mädchen umzurennen, die nicht auf den Weg achten“ Seine Augen blitzten belustigt auf und der spöttische Unterton in seiner Stimme war kaum zu überhören.
Einige Sekunden lang schwieg ich nur. Dann meinte ich hastig: „Ich muss dann auch weiter“
„Man sieht sich“ murmelte Romeo nur und ging schon an mir vorbei. Ich hörte noch, wie er den Namen von meinem Bruder und von Karl rief.
Kurz drehte ich mich noch mal zu ihm um und sah ihn flüchtig nach. Doch dann schüttelte ich energisch mit dem Kopf und betrat das Schulgebäude.
Ich hatte genug Geschichten von Romeo gehört, um zu wissen, dass ich mich von ihm fernhalten sollte.

„Du bist verknallt in ihn“
Seufzend ließ ich mich neben meinen beiden besten Freundinnen Ann und Cathy nieder. Die beiden redeten oft über dasselbe Thema: Cathy und ihre angebliche Liebe zu Jason – Capt’n des Footballteams.
Gut, er sah schon heiß aus – wenn man das so sagen kann, aber Ann täuschte sich, wenn sie glaubte, dass sich Cathy in einen wie ihn verlieben könnte.
„Sie ist doch verknallt in ihn, oder Jenna?“ zog mich Ann zur Hilfe und ich zuckte nur mit den Schultern. Ich wollte in diese alltägliche Kindergartendiskussion nicht hineingezogen werden.
„Bin ich nicht! Und jetzt halt’ die Klappe… Nur weil wir am Samstag ins Kino gehen, heißt das nicht…“ Doch Cathy konnte nicht ausreden.
Das Räuspern von Mr. Diggens unterbrach sie: „Wenn die drei Schnattertanten nun endlich auch den Mund halten würden“
Alle drehten sich zu der letzten Reihe, in der natürlich wir saßen, um. Der Blick vom Obernerd des Mathekurses war beinahe lächerlich – so strafend glotzte er uns an, nur weil wir Schuld waren, dass der Unterricht nicht pünktlich beginnen konnte. Ich wusste noch nicht einmal Obernerds richtigen Namen. Wenn Cathy, Ann und ich über ihn redeten – was selten genug verkam – so war er einfach immer nur der Obernerd.
„’tschuldigung“ murmelte Ann schuldbewusst.
Ich zuckte nur mit den Schultern, da ich kein Wort gesagt hatte, aber trotzdem mit reingezogen wurde. Das war immer so. Wenn Ann und Cathy Mist gebaut hatten, dann durfte ich ebenfalls mit ins Büro des Rektors – doch meistens war es sowieso so, dass Ann durch ihre fehlende Vernunft und ich durch meine Tollpatschigkeit irgendetwas verbockten und Cathy eher mit reingezogen wurde.
Mathe war wie immer stinklangweilig und am Ende habe ich kein Wort verstanden. Diese ganzen Zahlen, Variablen und Formeln wollten einfach nicht in meinen Kopf. Da konnte ich lernen soviel ich wollte. Doch ich hatte ja einen Max zu Hause, der nicht nur in Sport ein Ass war, sondern auch in Mathe. Beides Fächer, die ich gar nicht mochte!
„Jason ist ganz nett. Ich mag ihn“ hörte ich Cathy nach einer Weile erneut zischen.
Mit einem leisen Seufzen drehte ich mich zu ihr um: „Wo ist dann dein Problem. Ich meine, dann ist doch alles klar, oder etwa nicht?“
Auch, wenn sie meine beste Freundin war und sie es bestimmt nicht böse meinte, kränkte mich ihr Blick der alles sagte: Was mischt du dich da ein, Jenna? Du hast doch keine Ahnung.
Da mochte sie vielleicht Recht haben, in Sachen Beziehungen hatte ich nicht sonderlich viel Ahnung, aber ich wusste theoretisch wie’s ablief! Und ich meine, was ist schon dabei, wenn man nicht jeden daher gelassenen Volltrottel gleich ranlässt, wie Ann das immer tut.
An meiner Moral in dieser Hinsicht ist nichts verkehrt – zumindest redete ich mir das selber gerne ein.
„So leicht ist das nicht, Jenna Schätzchen“ meine Ann und tätschelte meine Schulter.
„Was redet ihr denn schon wieder?!“ Mr. Diggens Kopf war ganz rot angeschwollen und ich musste ein sehr unangebrachtes Kichern unterdrücken. Doch er sah einfach zu komisch aus. Ich grinste verschmitzt und sah, dass er noch roter anlief.
„Ich wüsste nicht, was es da zu lachen gibt, Miss Jogevski!“ fuhr er mich an und ich zuckte leicht zusammen und hielt mir die Hand vor den Mund. „Tut mir Leid, Mr. Diggens“ nuschelte ich und atmete erleichtert aus, als die Schulglocke läutete. Schnell sammelte ich meine Sachen zusammen, wurde von Ann am Arm gepackt und aus dem Klassenzimmer gezogen, wobei ich nicht über wenige Taschen und Rucksäcke stolperte und immer wieder hörte: „Oh, Jenna. Pass doch auf!“
Ich rief dann für gewöhnlich immer nur Entschuldigung.
Im Flur lehnte ich mich gegen meinen Spind und begann zu lachen, während Ann und Cathy nur grinsten. „Habt ihr sein Gesicht gesehen?!“
Cathy nickte: „Ja, Jenna. Haben wir“
„Er sah genauso aus, wie Maxi wenn er Kiwi gegessen hatte“ Und Maxi hatte eine schlimme Kiwi Allergie. Heimlich hatte ich ihm damals Kiwi unter den Joghurt gemischt – damals mussten wir so sieben oder acht Jahre alt gewesen sein. Danach schwoll sein Gesicht an und verfärbte sich ganz rot. Ich schwöre, dass er da genauso ausgesehen hatte, wie Mr. Diggens.
Ann kicherte und holte ihr Spanisch-Buch aus ihrem Spind, während ich nach meinem Russisch-Buch griff. Im Gegensatz zu den meisten aus meiner Jahrgangsstufe, hatte ich anstatt Spanisch, Russisch gewählt. Immerhin habe ich ja russische Wurzeln – oder polnische, aber wo liegt der Unterschied?
Jedenfalls war und Russischkurs relativ klein und die meisten waren Halb-Spanier, welche die Sprache sowieso schon fliesend beherrschten und noch eine andere Sprache lernen wollten.
„Ich versteh kein Wort mehr in Spanisch“ beschwerte sich Ann und ich wettete, dass das daran lag, weil sie nie aufpasste, sondern immer nur Kyle aus ihrem Kurs anstarrte. Die meisten Gründe weshalb Ann im Unterricht nicht aufpasste hatten einen männlichen Vornamen.
„Frag’ doch Romeo. Der ist doch Spanier“ meinte Cathy achselzuckend und nahm sich ihr Buch raus.
„Oh… na das könnt’ ich machen“ In Anns Augen trat ein Funkeln, das ich nur zu gut kannte.
„Ich frage Max, ob du seine Nummer kriegen kannst“ meinte ich seufzend, knallte meine Spindtür zu und kramte meinen Schokoriegel aus meiner Tasche hervor. „Ich muss dann auch los. Ich komm’ sonst wieder zu spät“ Ich klemmte mir mein Russischbuch unter den Arm und wollte gerade gehen, als Anns Stimme mich noch zurückhielt: „Hast du nicht Russisch mit Romeo?“
„Ähm…“ Ich zögerte kurz und nickte dann. „Ja, warum?“
„Kannst du ihn dann nicht schnell einfach für mich nach seine Nummer fragen. Ich meine du kennst ihn doch auch – und, ach, du verstehst schon“
Wieder seufzte ich: „Och, Ann“ Ihren Namen zog ich unnötig in die Länge.
„Bitte, Jenna. Ich habe auch schon viel für dich getan!“
„Ist ja gut. Ich mach’s ja!“ meinte ich genervt. „Bis dann, wir sehen uns in der Kantine“ Ich gab Cathy und Ann zum Abschied jeweils ein Küsschen und drehte mich um.
Aus dem Augenwinkel sah ich noch Max und Jason und winkte beiden kurz zu.
„Hey, Jenna“ bekam ich als Antwort, doch ich erwiderte darauf nichts mehr. Das musste ich auch gar nicht, denn Jason begann schon sogleich mit Cathy zu reden. Kurz drehte ich mich über die Schulter zu den beiden um und musste zugeben, dass die beiden ein süßes Paar abgeben würden. Hoffentlich würde er ihr nicht wehtun. Cathy war immer ganz durcheinander, wenn sich ihr Leben plötzlich nur noch um einen Jungen drehte. Doch wenigstens gab es bei ihr jemanden, um den sich ihr komplettes Leben drehen konnte. Bei mir gab’s nur Max, und der ist nur mein bescheuerter Bruder, der mich jeden Morgen um meine eigentlich guten Nerven beraubte!





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