Mein Engel... - Teil 28

Autor: Demre
veröffentlicht am: 03.11.2012


Kalte Nachtluft

Meine Mutter hatte mir mal eine kleine Geschichte erzählt. Damals war ich noch jung gewesen,wusste nichts über das Leben, über die Hürden die man überwinden musste. Mit meinen acht Jahren damals,hatte ich noch gedacht das Leben würde nur aus Spielen und Spaß bestehen. Daraus, wer zuerst den großen Eichenbaum hochklettern, oder wer zuerst ein kleines Familienhäuschen malen konnte. Ich hatte immer in einem Ponyhof gelebt, wie man so schon sagt. Barbies, sprechende Puppen und Lego Steine hatten meinen Alltag bereichert. Nicht wie heute, wo ich nur Schmerz, Trauer und Enttäuschung über mich ergehen lassen musste. Ich hatte mir mal eine schlimme Erkältung zugezogen, an dem Tag, an dem meine Mama mir die Geschichte erzählt hatte lag ich mit Hohem Fieber im Bett. Neben mir hatten 6 Packungen Taschentücher und Salzstangen gelegen und ich hatte andauernd vor mich hin niesen müssen. Meine Mutter war schon immer eine besorgte Person gewesen.
Sie hatte an meinem Bett gesessen, hatte mich nicht aus den Augen gelassen und jede Minute meine Fiebertemperatur gemessen. Das glückliche Funkeln in ihren Augen war an diesem Tag vor Sorge kaum bemerkbar gewesen.
Sie hatte sich zur mir ins Bett gelegt, trotz der Ansteckungsgefahr war sie nicht von meiner Seite gewichen. Ich wünschte sie wäre auch jetzt da...
Mit geschlossenen Augen erinnerte ich mich an die traurige, aber schöne Geschichte.
> Es war ein Mal ein wunderschönes Mädchen. Sie war nicht, wie es bei jedem Märchen vorkommt eine Prinzessin. Sie war ein ganz gewöhnliches Dorfmädchen. Doch trotzdem war sie sehr hübsch gewesen. Kohlen-schwarzes, langes Haar, Kristallblaue Augen und eine kleine, zierliche Figur.
Dieses Mädchen war ein sehr stilles, in sich gekehrtes Mädchen. Sie liebte es in ihrem Zimmer zu sitzen und zu lesen. Unmengen von Büchern hatte sie schon gelesen. Und wenn sie las, dann war sie in einer ganz anderen Welt. Einer Welt, die sie aus der Realität entführte, und für ein paar Stunden in eine andere Dimension steckte, weit entfernt von der Grausamkeit der Wirklichkeit.<
„Wie hieß dieses Mädchen?“, hatte ich gefragt. „Sie hatte keinen Namen.“, hatte meine Mutter erwidert und mich mit der Antwort verwirrt. „Aber sie muss doch einen Namen haben.“, hatte ich traurig erwidert. Meine Mutter hatte mich nur angelächelt und dann weiter die Geschichte erzählt.
> Dieses Mädchen war eines Tages bei einer kleinen Dorffeier gewesen. Ihre Eltern, zwei strenge jedoch Fürsorgliche Personen hatten sie stets im Auge behalten, damit sie ja keine Dummheiten machte. Doch das Mädchen dachte gar nicht an Dummheiten, sie hatte nur Freude an den Festlichkeiten und horchte mit gespitzten Ohren den Musikern, die auf der kleinen Bühnen sangen.<
Ich erinnerte mich dran, wie ich, trotz meiner verstopften Nase, sie unterbrochen und gefragt hatte, wann denn jetzt der Prinz auftauche. Sie hatte mir lachend durch die Haare gestrichen. „Der Prinz...“, hatte sie dann angesetzt, und hatte dann mit der Geschichte fort gefahren.
>Genau in dem Moment, als die Musiker zu einer schöne Melodie ansetzten, hatte sie der Blick einer Person weiter vorne an der Bühne in den Bann gezogen. Ein Junge ihres Alters hatte sie die ganze Zeit beobachtet, so als würde er sie kennen. Und doch kam ihr der Junge Fremd vor.<
Haben sie sich kennengelernt und dann geheiratet?“, hatte ich drängend gefragt. Meine Mutter hatte geschmunzelt. „Du hast es aber Eilig.“ Sie hatte, ohne auf meine kindliche Frage einzugehen, fortgefahren.
´> Der Blick des Jungen ließ sie nicht los. Die Musik lief immer weiter, und die beiden schauten sich einfach nur an. Bis es zum Ende der Feier zuging. Denn dann tauchten ihrer Eltern neben ihr auf und fasste sie am Arm, um sich auf den Weg nach Hause zu machen. Gerade als das Mädchen die Feier verließ, rempelte sie ein Junge an und überrascht bemerkte sie, dass es der Junge mit dem merkwürdigen Blick war.<
„Sieht der Junge aus wie Ken von Barbie?“hatte ich gefragt.“Genau so.“, hatte ich als Erwiderung bekommen.
>Selbst als das Mädchen zu Hause an kam und sich im Zimmer umzog, konnte sie den Blick des Jungen nicht vergessen. Das Mädchen zog sich ihre Jacke aus und bemerkte, wie ein kleines, weißes, zusammen geknicktes Blatt auf den Boden fiel.<
„Bestimmt hat der Junge das in ihre Jacke gemacht!“, hatte ich aufgeregt hinzugefügt und wollte im Bett auf hüpfen, doch meine Mama hatte mich zurück gedrückt. „Mein schlaues Mädchen.“, hatte sie geflüstert und mich auf den Haaransatz geküsst.
>Das Blatt war von dem Jungen, und darauf stand geschrieben: „Morgen wenn die Mittagsstunde zwölf geschlagen hat, warte ich am großen Eichenbaum.“ Das Mädchen wusste im inneren das es der Junge vom Dorffest war.<
„Ist sie hin gegangen, ist sie hingegangen, ist sie hingegangen?“, hatte ich laut geschrien und nur mit Mühe hatte meine Mutter mich ruhig kriegen können. Diese Geschichte hatte mir von Anfang an gefallen.
> Das Mädchen ist hingegangen auch wenn sie sich nicht sicher war. Vielleicht war es doch nicht der Junge, sondern ein böser Mann. Doch das Mädchen hatte Glück, denn tatsächlich war er es. Die beiden lernten sich besser kennen, jeden Tag trafen sie sich unter dem Baum und dann...< „Verliebten sie sich!“ Meine Mama hatte lächelnd genickt. „Ja sie hatten sich verliebt. Doch leider hielt dieses Glück nicht lange.“ Mit weit aufgerissenen Augen hatte ich sie angestarrt. „Wieso?“ Sie hatte weiter erzählt.
> Irgendwann fanden die Eltern heraus, das sich die Tochter mit dem Jungen traf und gaben ihr Hausarrest. Das Mädchen war sehr traurig, denn sie konnten den Jungen, den sie heiraten wollte nicht mehr sehen.<
„Aber Mama, die Geschichte kann doch nicht so zu Ende gehen!“. Hatte ich empört erwidert. „Die Geschichte muss doch ein Happy End haben, die beiden müssen doch heiraten!“ Meine Mama hatte leise gelacht, was mich noch mehr verwirrt hatte. „Aber wir haben doch geheiratet.“, hatte sie erwidert. Das hatte ich damals nicht sofort verstanden, und als meine Mutter meinen verständnislosen Blick bemerkt hatte, hatte sie mich Aufgeklärt. „Mein kleiner Spatz.“, murmelte sie. „Der Junge hat auf das Mädchen gewartet, bis sie alt genug war um heiraten zu dürfen. Sie haben sich erneut unter dem großen Baum getroffen, und dort hat dein...“, sie hatte eine lange Pause gemacht, und gelächelt als die Tür aufgegangen und mein Vater seinen Kopf reingesteckt hatte.
„Und dort hat dein Vater mir den Heiratsantrag gemacht.“ In meinem Gehirn hatte es „klick“ gemacht und ich hatte begriffen. „Die Geschichte die ich dir gerade erzählte habe, war von mir. Ich war das Mädchen, und dein Papa der Mann, den ich auf diesem Fest kennen gelernt habe.“ Ich hatte mich tief in die Arme meiner Mama gekuschelt, und trotz meiner schlimmer Erkältung war es mir noch nie besser gegangen.
„Das ist eine tolle Liebesgeschichte.“, hatte ich gemurmelt und das letzte an das ich mich erinnern konnte war, wie mein Vater uns beide auf die Stirn geküsst hatte und ich so in einen tiefen Schlaf gefallen war.

Kaltes Metall an meinem Ellbogen riss mich wieder in die Gegenwart zurück, in der ich auf der Terrasse eines noblen Restaurant stand und mich mit beiden Ellbogen an dem Geländer abgestützt hatte.
Ein kalter Wind ließ mir an meinen nackten Armen eine Gänsehaut entstehen, und trotz meiner Mühe konnte ich das zittern nicht unterdrücken. Sanft spürte ich, wie mir Stoff um die Schultern gelegt wurde, und überrascht bemerkte ich, dass hinter mir ein gutaussehender Junge stand, der mir gerade mit seinem Jackett wärme bot. Ich schenkte ihm ein kleines Dankbares Lächeln, bevor ich mich wieder der Landschaft zu widmete. Die Nacht hatte den Tag jetzt völlig überschattet und der Vollmond stand hoch am Himmel, mit einem leichten Grau Schimmer um den Rand herum. Außer uns befand sich gerade keiner draußen, alle saßen an ihren Tischen und bedienten sich am Essen. Nur ich war die einzige Geisteskranke, die bei der Kälte auf dieser Terrasse stand.
Wage wurde mir der warme Atem am Ohr bewusst. Cian stand hinter mir. Schweigend und geduldig darauf wartend, dass ich etwas sagte.
„Wann bist du gekommen?“, fragte ich schließlich und durchbrach damit die Stille zwischen uns.
Mit den Händen in den Hosentaschen stellte er sich neben mich, und schaute mich mit seinen feurigen Augen an.
„Heute Morgen.“,antwortete er schließlich, und wollte die Hand heben, um mir über die Wange zu streichen.
„Nicht.“,flüsterte ich, laut genug für seinen Ohren, sodass er die Hand geschlagen wieder sinken ließ. Sein Seufzen ließ mein Herz stocken. Meine Hände fingen unmerklich an zu zittern, dieses Mal jedoch nicht durch die Kälte. Wie gerne würde ich ihn jetzt umarmen, diese seidigen Haare durch meine Finger streichen lassen, noch ein Mal diese weichen Lippen schmecken...
Mit einen Kopfschütteln wandte ich mich ab. Die letzten Monate hatten mir viel Zeit zum Nachdenken gegeben. Immer, wenn ich mich nach Cian gesehnt hatte, immer wenn ich diese Sehnsucht nicht mehr ertragen konnte, hatte ich daran gedacht, warum er jetzt nicht bei mir war, warum er gehen musste, und an wem es lag das uns so viele Kilometer getrennt hatten. Dann gewann meine Wut die Oberhand. Wie jetzt. „Und du hast mich nicht sofort angerufen.“, bemerkte ich, meine Stimme klang gekränkt, und sein Blick bestätigte mir, das er es bemerkte. „Ich wollte dich überraschen.“, erwiderte er. Ja, die Überraschung war ihm aber gründlich gelungen.
Ich wandte mich wieder ab. Länger als ein paar Sekunden in dem Feuer seiner Augen und ich würde mich vergessen. Und ich konnte mir schon vorstellen, wie das enden würde.
„Ava.“, murmelte er, und meinen Namen wieder aus seinem Mund zu hören ertönte in meinen Ohren wie Engelsgesang. Ich hatte seine Stimme vermisst, seinen Duft, seine Grübchen wenn er mir ein Lächeln schenkte. Seine rauen, jedoch angenehmen Hände, die mich jetzt unters Kinn fassten und meinen Kopf zu ihm drehten. „Ava schau mich an. Ich hatte es satt nur noch deine Bilder ansehen zu müssen. Ich hatte es satt nicht mehr deine warme, weiche Haut, deine Hände anfassen zu können. Ich war es leid dir nicht in die Augen sehen zu können.“
Jetzt ließ ich es zu, dass er seine Hand hob, und mir ganz leicht über die linke Wange strich. Dann berührte er meine Lider, meine Schläfe, die empfindliche Stelle hinter meinen Ohren, meinen Brustansatz, bis er wieder nach oben wanderte und ganz sanft über meine Unterlippe strich. Ein Herz pochte wie verrückt, mir lief ein Schauer über den Rücken und wieder stellten sich mir sämtliche feiner Härchen auf. Ich blickte ihm in die Augen, als sein Kopf sich Zentimeter für Zentimeter meinem nährte. Seine Hand fasste um meine Taille, als seine Lippen keinen Zentimeter von meinen entfernt waren. Und doch berührten sie meine Lippen noch nicht.
„Aber wir wissen beide, das ich nicht Schuld daran bin.“, murmelte ich. Sein verletzter Blick gab mir einen tritt in den Magen. Er ließ die Hand fallen, trat mehrere Schritte nach hinten und hinterließ so eine klaffende leere. Verdammt seist du Verstand!
Cian drehte sich wieder der Landschaft zu, die Hände in den Hosentaschen vergraben, sagte er kein Wort.
„Warum Cian?“, fragte ich. „Was hat es dir gebracht, dich immer wie ein Trottel aufzuführen? Was hat es dir gebracht, das Gesetzt zu brechen, immer wieder Menschen weh zu tun, ihnen...“ Mit einer ruckartigen Kopfbewegung drehte er sich zu mir. „Gar nichts.“, unterbrach er mich zischend. Das Feuer in seinen Augen bedeutet dieses Mal nicht Leidenschaft, sondern Zorn. Ich schluckte den Kloß herunter und trat einen Schritt auf ihn zu. „Erkläre es mir.“, bat ich.
„Du würdest es doch nicht verstehen.“, entgegnete er. Ich wich einen Schritt nach hinten.
Okay, wenn das so war. Dann gab es wohl nichts mehr zu sagen. Er hatte mich mit den Worten verletzt, doch her schien es nicht ein Mal zu bemerken. Alles was mit ihm zu tun hatte würde ich verstehen. Doch anscheinend kannte er mich nicht gut genug.
„Gehst du bitte wieder zum Tisch. Ich möchte kurz alleine bleiben.“ Er öffnete den Mund, seine Miene ausdruckslos und doch so offen. Doch ich konnte mir nicht zusammenreimen, was er gerade dachte, fühlte.
„Ich komme gleich nach.“, fügte ich hinzu. Er rang kurz mit sich, dann nickte er geschlagen und ging zurück zu unserem Tisch, an dem Jeff und Emma sich aufgeregt unterhielten.
Ich blickte Cian hinter her, bis er sich setzte. Dann fiel mein Blick auf eine Gestalt, die ich von hier aus nur wage erkennen konnte, und doch kam sie mir bekannt vor.Ich trat wieder in den großen Saal, in dem es angenehm nach Essen roch und auch mein Magen machte sich bemerkbar. Doch das hatte Zeit, denn ich hatte die Person endlich erkannt. Es war Steve Mclow, der Steuerberater meines Vaters, der gerade mit einer attraktiven Brünette das Lokal betrat. Wow, dachte ich, Geschmack hat er. Die Frau war groß, gertenschlank und hatte Haare bis zu ihren Hüften. Ihr Gesicht wirkte sehr schmal, wirkte aber sonst sehr sympathisch. Als er mit der Frau an einen Tisch steuerte, lief ich auf die beiden zu. Cians Augen, die mir hinter her blickten beachtete ich gar nicht. Mclow bemerkte mich erst, als ich direkt vor seinem Tisch stand, und als er mich sah wirkte er, so wie ich erwartet hatte, sehr überrascht. Die Frau hatte schon Platz genommen und blickte mich jetzt mit ihren grünen Augen fragend an.
„Guten Abend Madam, guten Abend Mr. Mclow.“ Ich lächelte beide freundlich an.
„Guten Abend Ava. Freut mich dich hier zu treffen.“ Auch er lächelte mich an, selbst seine freundlichen Augen funkelten beim Lächeln, vielleicht lag das aber auch nur an der Restaurant Beleuchtung. Von seiner Freundin erhielt ich nur ein kurzes anheben der Mundwinkel, dann schaute sie Steve fragend an.
„Ähm, Mr. Mclow könnte ich einen Moment mit ihnen sprechen? Es geht um meinen Vater.“ Verwirrt, jedoch zustimmend informierte er die Frau, das er gleich wieder kommen würde.
Wir beide traten raus auf die Terrasse und Mclow blickte mich erwartend an. Erst jetzt bemerkte ich, das er ein wirklich gutaussehenden Mann war. Und ich hoffte nur, bei ihm auf Informationen zu stoßen.
„Was gibt es Ava?“, fragte er und stützte sich mit einem Ellbogen am Geländer ab.
„Ich wollte sie fragen was denn jetzt mit meinem Vater ist, also mit seinem Geschäft. Können sie mir eine kurze Auskunft geben, wie es jetzt weitergeht und...“
„Ava.“, unterbrach er mich freundlich. „Kannst du das denn nicht deinen Vater fragen? Als Steuerberater bin ich zu Schweigepflicht verpflichtet und kann dir ohne die Erlaubnis deines Vaters keine Auskunft geben.“ Enttäuscht ließ ich die Schultern sinken, startete dann aber einen neuen Versuch.
„Ich habe meinen Vater bereits darauf angesprochen, und er hat mir einige Details auch erzählt, jedoch bemerkte ich danach, das es ihn sehr beschämte, seine Geschäftliche Lage mir zu offenbaren. Und deshalb möchte ich ihnen nicht erneut in diese Lage versetzten. Ich merke doch wie sehr es ihn demütigt, seinen Kindern das zumuten zu müssen.“
Steve nickte verständnisvoll. Dann fuhr er sich mit der rechten Hand durch die Haare.
„In Ordnung.“, sagte er schließlich. „Wie sie ja bereits wissen steht ihr Vater in einer großen Schuldenfalle. Durch schlechte Umsetze, Betrügerische Kunden und vielen, sehr vielen Ausgaben hat er eine hohe Summe an Schulden gesammelt. Seine ganze Firma steht im bankrott, wenn er nicht in ein paar Monaten das Geld auftreiben kann. Man könnte Vorschlagen, Bankkredite aufzunehmen, jedoch ist bei deinem Vater das Problem, das er bereits einige aufgenommen hat und diese ihm noch mehr Schulden in die Schuhe gesteckt haben. Und da leider auch sein Privatvermögen davon betroffen sein kann, muss er eine Lösung finden.“
„Tomas Carter.“, ergänzte ich. Der Name bereitete mir Magenschmerzen. Schon allein aus dem Grund, dass mein Vater ihn anscheinend so zu hassen schien.
Steve nickte. Auch sein Blick hatte sich bei dem Namen verdüstert. Was er wohl über den Mann wusste? Oder darüber, was er meinem Vater ein Mal gestohlen hatte?
„Ja, Tomas Carter. Leider ist er ein sehr einflussreicher Geschäftsmann, Lehrer dazu und führt eine sehr große Firma. Für deinen Vater wäre eine Zusammenarbeit von unfassbarem Wert, doch leider ist dein Vater besessen darauf, das Problem alleine zu lösen. Wo bei ich es ihm nicht verdenken kann. Carter möchte, bei einer sogenannten „Zusammenarbeit“ der Leiter der Firma, und damit auch der Chef deines Vaters sein. Aber wenn es die einzige Chance ist, die Firma zu retten...“ Mehr war nicht nötig, denn ich verstand. Mein Vater musste seinen Stolz beiseite lassen, wenn er seinen Besitz nicht verlieren wollte.
„Können mein Bruder und ich ihm in irgend einer weise behilflich sein? Ein Job vielleicht, oder...“ Was konnte man denn noch machen um meinen Vater zu helfen.
Steve schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht das du in ein paar Monaten so viel Geld erarbeiten kannst. Selbst bei mehreren Jobs gleichzeitig nicht. Vor allem aber, glaube ich nicht das dein Vater das erlauben würde. Wie du schon erwähnt hast, es beschämt ihn, dieses Problem seinen Kindern erläutern zu müssen und wenn du dann auch noch für ihn arbeiten würdest... Nein glaub mir, er würde das nicht wollen, vor allem nicht während deiner Schulzeit.“
Ergeben seufzte ich. Gott wie ermüdend es war. Man machte sich immer Sorgen um etwas. Immer tauchte ein anderes Problem auf, wenn man gerade glaubte, zufrieden leben zu können.
„Vielen Dank.“, murmelte ich und rieb mir den Nacken. Zum Glück hatte ich noch Cians Jackett, dessen Geruch angenehm in meine Nase drang. Ich vergrub mein Gesicht in dem Stoff und atmete tief ein.
„Liebling kommst du?“ Bei der Stimme erschrak ich und mein Kopf fuhr nach hinten. Cian legte gerade mit einem zornigen Funkeln in den Augen den Arm um meine Hüfte. Vielleicht hätte mir diese besitzergreifende Geste gefallen, wenn es an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit passiert wäre.
Steves amüsierter Blick über Cians Auftreten ärgerte mich noch mehr. Ich drehte mich zu Cian um und zeigte wieder zum inneren des Restaurants. „Geh du bitte herein, ich komme sofort.“ Meine hochgezogenen Augenbrauen verdeutlichten ihm, dass ich sehr unangenehm werden würde, wenn er nicht sofort seinen Hintern, seinen schicken Hintern, nach innen bewegte. Als ich wieder mit Steve alleine war drehte ich mich zu ihm um.
„Bitte entschuldige sein Verhalten, normalerweise ist er nicht so.“ Lügnerin, schalte ich mich. Er war immer so.
Steve lächelte jedoch nur und trat einen Schritt von Geländer weg, und auf mich zu.
„Kein Problem. Schade nur, das dein Freund sich nicht vorgestellt hat.“ Ich schluckte. Mein Freund.
„Er ist nicht...“ Doch Steve unterbrach mich mit einem leisen Lachen, und einer kurzen Handbewegung. „Du musst mir nichts erklären. Und, gibt es einen besonderen Anlass für das Essen hier?“, fragte er neugierig. Ich lächelte ihn an. Irgendwie mochte ich diesen Mclow. Er war unbeschwert und kein Rüpel. Vor allem aber, konnte man sich nett mit ihm unterhalten.
„Meine Freunde wollten unbedingt meinen Geburtstag hier feiern.“, gab ich mit einem leichten Schulterzucken zu. Steve blickte überrascht. „Du hast heute Geburtstag?“, bei meinem Nicken trat er mehrere Schritte vor. „Wenn das so ist.“, sagte er nur und ging dann an mir vorbei. Ich wollte mich schon umdrehen da spürte ich warmen Atem an meinem Ohr.
„Happy Birthday.“, flüsterte er mir ins Ohr und entfernte sich dann mit einem leisen Lachen. Zurück blieb nur kalte Luft.
Unwillkürlich musste ich grinsen. Ach, diese männlichen Wesen waren schon etwas ungewöhnliches. Ihre Mienen passten nie zu ihren Launen, man wusste nie was sie dachten, fühlten, was sie als nächstes tun würden. Und sie waren sehr...
Als ich mich umdrehte stieß ich mit der Brust gegen Cian, seine braunen Augen, die immer noch vor Wut Feuer spien suchten zuerst meinen Blick, bevor sie runter zu meinen Lippen wanderten. Heiße Lava durchflutete mich, mein Körper fing an zu kribbeln. Nach einer schieren Unendlichkeit löste er seinen Blick, fasste mich am Handgelenk und zerrte mich zu unserem Tisch.


Rhythmus der Liebe


Es gibt Momente im Leben, da glaubt man, man wäre schon verloren gewesen. Momente in denen man glaubt, das keiner einem aus dieser tiefen Grube mehr heraus helfen könnte. Doch dann, dann wenn man es nicht ahnt, wird diese Grube plötzlich nur noch tiefer. Man stürzt immer weiter nach unten, immer weiter.
Heute Abend würde mir bewusst, dass Verzweiflung eines der schwierigsten Dinge auf dieser Welt ist. Und doch konnte ich nichts gegen dieses Nervenaufreibende Gefühl in meiner Magengegend tun. Während der Junge mit den braunen Augen noch ein weiteres Glas Whiskey bestellte, rieb ich mir ununterbrochen meine Hände miteinander, um nicht aufstehen zu müssen, da die Versuchung zu groß war, Cian den Hals umzudrehen. Seit einer knappen halben Stunde hatte der Junge, der bei jedem Blick in meine Auge mein Herz höher schlagen ließ, unzählige Gläser dieses Teufelsgetränk in sich geschüttet. Es war einfach zum verrückt werden. Das dies hier mein Geburtstag war, hatte er wohl gründlich verdrängt und tat alles, um mich an die Decke zu bringen. Das schlimmste an allem jedoch, war sein schweigen. Seit er mich von dieser Terrasse an unseren Tisch gezerrt hatte, hatte er kein Wort mit mir gewechselt. Seine Miene blieb undurchdringbar und kühl. Selbst wenn seine Augen Feuer spien, löste sich das Eis um mein Herz nicht.
Während ich mir hier Sorgen um seine Gesundheit machte, körperlich versteht sich, da er im Kopf wohl nicht mehr ganz dicht war, schien ihm sein Wohlergehen wohl völlig am Hintern vorbeizugehen.
Ein Blick auf den Aschenbecher vor ihm, mit den Dutzend Zigarettenstummel, und ich ließ ergeben meinen Kopf auf die Tischplatte sinken. Von mir aus, wenn er meinen Geburtstag versauen wollte, sollte er dies tun. Ich brauchte seine Aufmerksamkeit nicht, vor allem aber brauchte ich ihn nicht. Lügnerin, schalte ich mich wieder. Natürlich brauchte ich ihn. Vor allem jetzt, wo ich mich zwischen den dutzenden Menschen im Restaurant, und Cian der direkt vor mir saß, völlig einsam fühlte.
Selbst Jeff beschäftigte sich lieber die ganze Zeit mit Emma, als mir auch nur einen Funken Aufmerksamkeit entgegen zu bringen. Mein Seufzer war laut genug, das Cian aufblickte und eine Augenbraue hochzog. Blöder Affe, schimpfte ich in Gedanken und widmete mich schließlich dem warmen Teller mit Spaghetti Bolognese zu, der köstlich duftete. Die Musik setzte wieder leise zu einer Melodie, von einem mir unbekannten Komponisten an, und leise begleiteten die Töne die Gäste durch den Abend.
Mein Magen knurrte schon durch den Hunger, und um diesen nicht weiter auf die Folter zu spannen, schaufelte ich die Spaghetti auf meine Gabel. Der Sekt, der eben von dem Kellner gebracht wurden war, schmeckte köstlich, und selbst der Salat war eine mir noch nie zuvor bekannt gewesene Delikatesse.
Als Cian seinen nächsten Glas mit einem Zug leerte, hielt ich es nicht mehr aus.
„Deine versoffene Leiche werde ich hier nicht wegbringen.“, zischte ich und versuchte bei dem Kopfkino, bei dem Cians lebloser Körper vor mir auftauchte, keinen erschrockenen Keuscher von mir zu geben.
Cians Augen funkelten spöttisch. Wie konnte ein Kerl nur so egoistisch sein! Schließlich war er hier doch nicht erschienen, um meinen Geburtstag völlig besoffenen und ohne Erinnerung zu verlassen, oder?
Ich hielt seinen Blick stand, bis er mit einem Augenzwinkern seine Zigarette nahm, und einen langen Zug daran machte. Kleinkarierter, blöder, hirnloser Neandertaler!
Nein, jetzt war er mir wirklich egal. Sollte er doch machen was er wollte. Mein Tag war sowieso versaut, genauso wie mein ganzes Leben...
Als ich mich umblickte, sah ich einige Paare auf einer freien Fläche entspannten Walzer zu tanzen, während die Kellner weiter die gut gelaunten Gäste bedienten.
„Dürfte ich die Dame um einen Tanz bitten?“ Hätte dieser selbstsichere Ton nicht in der Stimme gesteckt, hätte ich diese Frage vielleicht ernsthaft in Gedanken durchgespielt. Aber als Cian mit ausgestreckter Hand, und angehobenem Mundwinkel vor mir stand, stieg wieder der Zorn in mir auf.
„Du dürftest deinen Hintern wieder auf diesem Stuhl niederlassen.“, zischte ich, nur für unsere beiden Ohren bestimmt. Die Leute sollten sich ja in so einen vornehmen Ort nicht über meine Ausdrucksweise empören.
„Wie die Dame wünscht.“, entgegnete Cian mit funkelnden Augen, und einem kleinen grinsen. Aber anstatt sich hinzusetzen steuerte er auf einen Tisch zu, an dem zwei Mädchen unseres Alters saßen. Mit einen charmanten Lächeln streckte er einem Mädchen die Hand hin, und beachtete mich dabei kein einziges Mal. Mit geöffnetem Mund, und zitternden Händen beobachtete ich wie das Mädchen ihrer Freundin ein strahlendes Lächeln zuwarf. „Bitte sag nicht ja, bitte sag nicht ja.“, murmelte ich. Zum Glück war Jeff viel zu sehr damit beschäftigt Emma mit Fragen zu durchlöchern, als das er mir auch nur ein Blick schenkte.
Doch zu meinem Pech ergriff das Mädchen Cians Hand und ließ sich von ihm zur Tanzfläche bringen. Wieso konnte sie nicht wenigstens unattraktiv sein, anstatt Schulterlange braune Haare und eine Topfigur zu haben? Eine weile ließ ich die beiden tanzen, während ich sie, ohne einen Moment aus den Augen zu lassen, beobachtete. Während Cian andauernd redete, strahlte das Mädchen ihn wie verzaubert an, woraus ich schloss, dass er es nicht lassen konnte ihr Komplimente zu machen. Ja, Cian konnte der Charmanteste Mann auf diesem Planeten sein, und alle weiblichen Anwesenden würden ihm zu Füßen liegen.
Weil ich meine Mordgedanken nicht weiter im Griff halten konnte, stand ich auf, lächelte Jeff kurz zu, der mich endlich wahrgenommen zu haben schien, und schritt zu Cian und dem Mädchen. Schon vom weiten konnte ich Cians siegreiches Lächeln sehen. Na warte es ab, dachte ich. Dieses Lächeln werde ich dir noch herausreißen.
„Dürfte ich meinen Tanzpartner bitte wieder einnehmen.“, fragte ich das Mädchen zuckersüß, und verfluchte meine Körpergröße dafür, das ich mehr als zehn Zentimeter kleiner war als sie.
Sie warf Cian einen fragenden, und gleichzeitig empörten Blick zu, entfernte sich dann aber zum Glück ohne ein weiteres Wort. Sonst hätte ich ihr mehr als ein paar Haare herausgerissen.
Ohne Cian in die Augen zu blicken nahm ich die normale Tanzposition ein, ärgerte mich jedoch, als Cian seine beiden Hände auf meine Hüften legte und mir nichts anderes blieb, als meine um seinen Nacken zu schlingen. Die daraus entstandene Nicht-Distanz rieb an meinen Nerven.
„Dein süßer Hintern konnte es wohl auch nicht lange auf dem Stuhl aushalten.“, neckte er mich ganz nah an meinem Ohr. Der angenehme Schauder der bei mir dabei entstand regte mich nur noch mehr auf. Süßer Hintern. Normalerweise hätten mir diese Wörter gefallen. Normalerweise.
„Na, wie heißt denn das Mädchen?“; fragte ich locker, ohne dabei fuchsteufelswild zu klingen. Ich spürte Cians Lippen an meinem Haar, an meinem Ohr, während ich mit höher schlagendem Herzen mein Gesicht in seinem Hemd vergrub.
„Welches Mädchen.“, fragte er schelmisch. Na das Spiel also. Na dann.
„Die, mit der du eben getanzt hast.“, erwiderte ich ruhig. Doch keine Chance. Er war heute Abend einfach nur widerlich, nervig, und unausstehlich.
„Weiß ich nicht.“, murmelte er nur, und wieder spürte ich seine Lippen, dieses mal an meiner Schläfe. Verdammt, musste mein Herz wie bei einem Bungee Jumping Sprung hämmern?
„Ach komm schon.“, drängte ich, dieses mal etwas gereizt. „Du hast sie doch bestimmt genaustens studiert. Du hast bestimmt sogar ihre Handynummer.“, log ich. Das hätte ich schließlich gesehen.
Cian hob mein Kinn und blickte mir eine Weile in die Augen.
„Naja.“, entgegnete er dann. „Ich habe heute Abend eine Menge Handynummern zugesteckt bekommen, wenn ihre dabei ist, dann sage ich dir Bescheid.“ Hätte ich diesen schelmischen Ausdruck, diesen Spott in seinen Augen nicht schon vorher gekannt, hätte ich ihn wirklich zur Sau gemacht. Doch der Zorn stieg trotzdem. Und mit festem, zusammengekniffenen Augen blickte ich ihn an.
„Du bist wirklich der allerletzte...“ Mit einem Finger an meinen Lippen unterbrach er mich.
„Sssht. Diese Wörter schicken sich für so eine bezaubernde Dame wie dich nicht.“ Meine Haut erhitzte sich, mein Herz schlug fünf takte schneller, dieses Mal jedoch, tat es weh. Ich spürte, wie mir Tränen in die Augen stiegen. Mit einem Ruck riss ich mich los, damit er meine Verzweiflung, die ihn betraf, nicht bemerkte.
Doch kaum hatte ich einen Schritt in Richtung Tisch gemacht, da riss er mich auch schon an meinem Handgelenk zurück, sodass ich mit einer halben Umdrehung geschickt in seinen Armen landete. Dann fing er wieder an zu tanzen.
Seine Hände strichen sanft meine Hüften entlang, meine Wirbelsäule hinauf und wieder herunter. Und dabei kam er kein einziges Mal aus dem Takt. Die Wärme seiner Finger, die ich durch den Stoff meines Kleides spürte, ließen mir eine Gänsehaut über den Rücken, und die Arme hinauf wandern. Er wirbelte mich herum, ohne auf mein Keuchen, und meinen überraschenden Blick zu achten, und schlang mich wieder in eine Umarmung. Dann spürte ich seinen Mund wieder an meinem Ohr.
„Ich habe dich so sehr vermisst.“ Wieder eine Drehung, dieses Mal länger, und wieder stieß ich keine Sekunde später an seine Brust.
„Ich habe dich so vermisst.“ Auch wenn er leise sprach, die Wörter hämmerten in meinem Gehörgang, als würden um mich herum dutzende Lautsprecher stehen, und man würde ihn dadurch hören. Vor Wochen hatte ich jeden Tag, jede Sekunde auf mein Handy geschaut, in der Hoffnung, eine Nachricht von ihm bekommen zu haben. Der erste Gedanke, mit dem ich morgens aufgewacht war, war der, als erstens in sein wundervolles Gesicht sehen zu können, der Gedanke, hoffentlich eine Guten morgen SMS von ihm bekommen zu haben.Der letzte Gedanke, mit dem ich eingeschlafen war, war der ihn nicht bei mir zu haben, keinen Gute Nacht Kuss, keine Gute Nacht SMS von ihm bekommen zu haben.
Und jetzt...Jetzt lag ich in seinen Armen, bewegte mich zur schönen Musik und konnte die Worte kaum ertragen.
Gott, und wie ich ihn vermisst hatte. Mit jeder Faser meines Körpers, mit jeder einzelnen Gehirnzelle, mit jedem Muskel. Die Sehnsucht war einfach unerträglich gewesen, selbst jetzt noch, wo ich keinen Zentimeter von ihm entfernt stand. Und während er mir fest in die Augen sah, die Lippen ganz dicht an meinen, drückte eine Faust mein Herz fest zusammen.
„Sei still.“, murmelte ich und vergrub mein Gesicht wieder in seinem Hemd. „Sei einfach still.“ Mit der linken Faust haute ich ihm gegen die Brust. Dieses Mal kam er aus dem Takt, aber nur um mitten in den tanzenden Menschen stehen zu bleiben und mein Gesicht mit beiden Händen zu sich zu drehen. Keine Sekunde später lagen seine weichen Lippen, die ich Tagelang in meinen Träumen festzuhalten versucht hatte, auf meinen. Als ich mich tiefer der Leidenschaft, und der Verzweiflung hingab, spürte ich, wie mein Herz ein, wer weiß wie vieltes Mal, brach.





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