Mein Engel... - Teil 17

Autor: Demre
veröffentlicht am: 24.06.2011


* Hey Leute :)
Also da ich jetzt für 6 Wochen nicht da bin, habe ich einen etwas längeren Teil geschrieben. Ich hoffe er gefällt euch und bitte bereichert mich mit Kommentaren und Kritik. Schöne Ferien euch allen und Liebe Grüße :)*



Süßer Teufel


Der Herbst hatte sich schon längst verabschiedetet. Seit ein paar Wochen hatte Philadelphia im weißen Schein des Schnees geleuchtet. Die Flüsse und auch die Seen waren zugefroren, die Vögel waren in den Süden gezogen und Schlittschuhfahrer hatten sich schon längst dem Eislaufen gewidmet. Die Kälte war an den ersten Tagen erträglich, bewaffnet mit einem dicken Schal und Handschuhen konnte man eine tolle Schneeballschlacht veranstalten. Es war Ende November, manche Geschäfte waren schon in Weihnachtsvorbereitung, auch wenn an den Schaufenstern noch keine Lichterketten oder sonstiges hingen. Die Vorfreude der Menschen auf Weihnachten war ihnen ins Gesicht geschrieben. Manche spazierten lächelnd durch die Straßen und hatten eine Menge Tüten in der Hand. Ich betrachtete die Leute vom Fenster aus und rührte trüb in meiner Tasse mit heißem Kakao herum. Das Cafe war so gut wie leer und die Arbeiter hatten auch nichts zu tun und deswegen langweilten sich die meisten nur. Marc, ein großer Junge in meinem Alter, mit schwarzen Haaren warf mir ein zwinkern zu und räumte Gläser in einen Regal. Ich saß hier schon seit einer Stunde, hatte zwei Tassen Kakao getrunken und Lieder aus dem Radio mitgesummt. Es war Samstag, ich hatte also nichts anderes zu tun, als alleine durch die Stadt zu ziehen. Jeff war mit seinen Eltern bei Bekannten und mein Bruder war mal wieder mit seinen Kumpels zusammen.
Die Ladentür öffnete sich, ein alter Mann mit zerlumpter Kleidung und grausem Haar kam herein und setzte sich an einen kleinen Tisch. Er bat Marc um eine Tasse Kaffe und lehnte sich dann in seinem Stuhl zurück. Der Mann sah ziemlich unglücklich aus, seine Mundwinkel waren ein klein wenig nach unten gesunken und seine Augen blickten irgendwie teilnahmslos durch die Gegend. Ich wandte meinen Blick ab und nahm einen Schluck Kakao und Sekunden darauf bemerkte ich wie sich Marc an meinen Tisch setz. Mit seinen warmen grünen Augen betrachtete er mich amüsiert und doch waren seine Lippen zu einem warmherzigen Lächeln verzogen. Ich mochte seine Gesichtszüge, egal wie genervt oder wütend er war, seine Ausdrücke drückten dies nie aus. Vielleicht lag das an seinen weichen Gesichtsknochen, dachte ich nahm einen weiteren Schluck Kakao.
Ich und Jeff kannten ihn schon länger, wir waren ja schließlich so was wie Stammkunden hier. Und Marc war immer total freundlich und zuvorkommend gewesen, hatte sich oft mit uns Unterhalten und uns zum Lachen gebracht.
„Du sitzt hier schon seit einer Stunde. Ich hoffe du willst hier nicht alt werden, deine Zähne und die Haare die dir dann aus fallen, werde ich nämlich nicht weg machen.“ Ich warf ihm einen spöttischen Blick zu. Er liebte es mich zu ärgern, aber nie nahm ich es ihm übel. Ich fand es sogar aufmunternd. Wir Unterhielten uns eine Weile, bis es spät am Nachmittag war und der Himmel sich verdunkelte. Ich bezahlte die Rechnung und bekam noch ein Karamellbonbon geschenkt, bevor ich mich dann auf den Weg nach Hause machte. Die Straßen waren in der Gegend ziemlich unsicher. Es trieben sich viele Gauner rum und besoffene Obdachlose, die Passanten anpöbelten. Ich vergrub meine Hände in den Taschen und blickte mich rechts und link um, bevor ich auf die andere Straßenseite wechselte. Die Straßenlaternen waren schon angesprungen und einige Geschäfte schlossen die Ladentüren.
Als ich mich einer breiten Gasse nährte die von spärlichem Licht beleuchtet war, hörte ich schreie und dumpfes aufschlagen. Wachsam aber mit zitternden Knien machte ich schnelle Schritte um aus dieser Gegend zu verschwinden, doch dann hörte ich eine Stimme, die mir alles andere als unbekannt vorkam. „DU HUND!“, schrie Ethan und seine Stimme klang schrill und wütend zugleich. Ich rannte um die Ecke und erkannte vier Personen. Zwei davon, die ich aber nicht kannte, schubsten sich gegenseitig gegen die Wand und kämpften mit Fäusten, während zwei andere auf dem Boden herumrollten und immer wieder aufeinander einschlugen. Den oberen erkannte ich sofort, es war Ethan der immer wieder auf den unteren Einschlug, aber den unteren erkannte ich erst, als er sich rumrollte und Ethan zu Boden warf. Cian war es, sein Gesicht blutig und aufgeplatzt und immer wieder versuchte er meinem Bruder eine runter zu hauen. Ich stand wie gelähmt da, meine Beine schienen wie aus Pudding zu bestehen und meine Hände zitterten. Der Schock saß tief in den Knochen aber ich schaffte es mich zu beherrschen und rannte mehrere Schritte auf die Gruppe zu. „HALT!“, schrie ich laut. Der Schrei lenkte meinen Bruder ein paar Sekunden ab, aber es wurde ihm zum Verhängnis. Cian holte aus und seine Faust landete mitten auf Ethans Nase. Der Schrei kam tief aus meiner Brust und ich rannte so schnell ich konnte zu Ethan, der in die Knie sank und seine blutende Nase zu hielt. Nur aus dem Augenwinkel bemerkte ich, das die anderen zwei Typen Ethans Freund waren, und Cians Kumpel, Andrew. Beide sahen genauso blutig aus, aber sie hatten den Kampf eingestellt, als sie mich erblickten. Auch Cian hatte mich bemerkt, zwar konnte ich seinen Blick nicht beurteilen, aber er schien alles andere als überrascht. Eher verärgert. Ich kniete mich vor Ethan und betastete seine Nase während er schmerzhaft fluchte. Er warf mir einen Blick zu, der alles andere als freundlich war, und wahrscheinlich würde er mir auch später eine Predigt halten, aber das war mir gerade egal.
„Was macht ihr Idioten denn!“, rief ich hysterisch und fischte ein Taschentuch aus meiner Tasche. „Was habt ihr euch nur dabei gedacht. Benehmen sich so zivilisierte Menschen!“ Meine Stimme klang hysterisch, zwar war ich äußerlich aktiv, aber innerlich bestand ich aus Eis. Ich versuchte Cian zu ignorieren, doch sein blutiges Gesicht brannte sich tief in meine Gedanken und Tränen traten mir in die Augen. Wie gern würde ich jetzt zu ihm und ihn umarmen. Wie gern würde ich jetzt seine Wunden heilen wollen. So wie letztes Mal, als er verprügelt wurde. Aber das war bescheuert und das war mir klar. Erstens durfte Ethan auf keinen Fall wissen das ich Cian kannte, und ich wollte mit Cian sowieso nichts mehr zu tun haben. Das war vorbei.
„Ava… was… was machst du hier?“, stotterte Ethan und hielt sich die blutende Lippe. Das musste höllisch brennen. Ich antwortete ihm nicht, sondern versuchte ihm aufzuhelfen. Als ich merkte das Cian und sein Lackaffe immer noch da standen warf ich Cian böse Blicke zu. Warum hatten sie sich geprügelt, und woher kannten sie sich überhaupt! Ethan konnte sich wieder aufrecht halten und auch seine Nase blutete nicht mehr so stark wie zuvor.
„ Warum habt ihr so was getan. Was habt ihr für ein Problem?“, fragte ich Cian ernst und hielt seinem Blick stand. Seine Haare waren verwuschelt und sein linkes Auge war ein wenig angeschwollen. Seine Augen fraßen sich tief in meine Seele und es dauerte einige Sekunden bis ich schließlich meinen Blick lösen konnte. „Dieser Wichser hat…“ Cian hielt Andrew davon ab weiter zu reden und auch Ethan war schon in Angriffsposition gegangen, als er die Beleidigung hörte. Doch als Cian ihm einen kurzen Blick zu warf hielt sich Andrew zurück und entfernte sich dann ein paar Schritte. Ich war so sehr geschockt über das, was sich hier gerade abgespielt hatte, dass ich einfach keinen logischen Sinn aus dem ganzen Ziehen konnte. Wieso sollte Ethan so eine Schlägerei veranstalten?
Cian schubste Andrew nach vorne und entfernte sich ein paar Schritte, bevor er sich ein letztes Mal umdrehte und mir kalt in die Augen sah. „Du willst wissen was das sollte. Dann frag ihn doch selber.“, sagte er und deutete auf Ethan, der wieder rasend vor Wut auf Cian los gehen wollte. „Hey, hey hey.“, schrie ich. „ Auf hören!“ Ich drückte Ethan gegen die Brust und schaute noch ein letztes Mal zu Cian bevor ich sah wie der sich mit lässigen Schritten entfernte und im Schein der Dunkelheit verschwand. Ethan hatte sich derweil abgeregt und warf mir noch einen letzten grimmigen Blick zu bevor er sich abwandte und sein Handy aus der Jackentasche holte. Ethans Kumpel, betastete sich derweil seine Wunden, und eins kann ich sagen: Ich hatte kein bisschen Mitleid.
Ich war völlig verdattert und konnte es immer noch nicht glauben. Alles was gerade hier geschehen hatte eine totale surreal Wirkung auf mich und deswegen kam mir das alles nur wie ein schlechter Witz vor. Als sich Ethan wieder an mich wandte und auf mich zu kam schüttelte ich den Kopf und machte mich mit wütenden Schritten auf den Heimweg.
„Ava warte doch, ich…“ Ich schlug seine Hand, die nach mir fassen wollte weg und unterbrach ihn. „ Ethan halt den Mund! Du bist fast 5 Jahre älter als ich und benimmst dich wie ein kleines Kind! Was sollte dieser Mist eben? Fühlst du dich jetzt cooler, weil du Cian eine rein gehauen hast.“ Ethan fragte nicht nach, woher ich Cians Namen wusste, vielleicht hatte er es auch überhört. Ich bemerkte, dass Ethans Kumpel schon längst abgehauen war und Ethan mit seinem weißen T-Shirt die Nase abputzte.
„Ava hör mir zu…“, bat Ethan und ich drehte mich schließlich um. „Ich hab die Prügelei nicht angefangen.“, versicherte er mir und wir liefen nebeneinander die Straße entlang. „Ich und Cian hatten uns auf einer Party kennengelernt. Ich hab mir damals 250 Dollar von Cian geliehen. Und frag ja nicht warum!“, fügte er hinzu als ich zum sprechen ansetzte. HA! Natürlich würde ich fragen warum er so viel Geld brauchte. „Cian wollte das Geld zurück, und ich hab ihm gesagt das ich es ihm nach ein paar Wochen zurück zahle! Aber dieser Typ ist ein Arschloch und hat einen ziemlich schlechten Ruf. Niemand möchte sich mit ihm anlegen, schließlich hat er genug Freunde, die 10 Jahre älter als er sind. Er ist ein Verbrecher Ava.“ Die Warnung drang in mein Bewusstsein und ich realisierte nicht, dass es wahrscheinlich die Wahrheit war. Ich hatte Cian nicht von einer Gewalttätigen Seite kennengelernt. Bis heute. Okey, ich wusste das er falsche Sachen gemacht hatte, und das er einfach von den anderen Beeinflusst worden war. Aber er konnte doch nicht so schlimm sein, wie Ethan ihn gerade beschrieb! Ich kannte doch seine guten Seiten. Irgendwas war an dieser Sache falsch…
„Wozu hast du das Geld gebraucht.“, fragte ich und versuchte ruhig zu klingen. Natürlich versuchte er es abzuwimmeln, von wegen es wäre nicht wichtig und bla bla bla. Aber nicht mit mir! Ich schrie ihn regelrecht an und auch er wurde dann wütend und lag am Ende seiner Geduld.
„Für Drogen, okey!“ Er hatte es so laut geschrien, dass einige Leute sich misstrauisch zu uns umdrehten. Mein Mund blieb offen stehen und Ekel bereitete sich in mir aus. Das war also aus meinem Bruder geworden… Und ich hatte gedacht er hätte sich gebessert. Wochenlang hatte ich mir vor gemacht, dass sich jetzt alles bessern würde. Schließlich hatte mein Papa mit dem Alkohol aufgehört. Ich hatte gedacht auch Ethan wäre jetzt Clean und ich hatte Cian. Endlich hatte ich Cian und war mit ihm glücklich. Aber jetzt war wieder alles wie ein Erdbeben eingebrochen. Alles war futsch und nur die Erinnerung blieb. Wie hatte ich die Leute so falsch einschätzen können? Warum lief eigentlich in meinem Leben alles schief? Warum hatte ich nichts unter Griff und warum brach alles zusammen, meine Liebe, die Familie.
Schnurstracks, ohne Ethan weiterhin zu beachten lief ich nach Hause. Dort angekommen hörte ich Stimme aus dem Schlafzimmer meines Papas aber es war doch nur der Fernseher. Ich deckte ihn zu, weil er ohne Decke eingeschlafen war und am Ende entschloss ich mich dann doch neben ihm zu Schlafen. Ich stieg ins Bett und umarmte ihn ganz fest. Und in dieser Nacht träumte ich von einem Engel der blutende Tränen weinte.

Es war Montag, es war sehr kalt, und es lag viel weniger Schnee auf den Straßen als vor ein paar Tagen. Ich zog mir meine Wollmütze tiefer ins Gesicht und trippelte mit den Füßen auf den Treppen während ich immer noch wartete. Ich stand mit ein paar Leuten vor dem Eingang der Adaire Alexander Schule und wir warteten gemeinsam auf ein Mädchen Namens Clary. Sie wollte die Gruppe von New Yorkern durch unsere Stadt führen und ich wollte ihr ein wenig Gesellschaft leisten. Sie war die Leiterin einer Organisation die Jugendlichen einen Rundgang durch Philadelphia anboten. Es war ein Projekt von Jugendlichen an Jugendliche und unsere Schule führte dieses Projekt erst seit letztem Jahr durch. Die Leute aus New York waren schon ziemlich aufgeregt und neugierig, auch wenn ich zu Ohren bekam, dass einige dieser Leute keinen guten Eindruck von unserer Stadt hatten. Die meisten dachten an viele Kriminelle und asoziale Jugendlichen und ehrlich gesagt gefielen mir diese Vorurteile überhaupt nicht. Nicht jede Stadt war zweifellos perfekt und Vorzeige haft, aber Philadelphia war einer der wenigsten Städten mit einer hohen Kriminellenrate.
Endlich kam auch Clary, ein großes Afroamerikanisches Mädchen mit einer sympathischen Art. Zuerst führte sie uns durch die Straßen und zeigte den Leuten einige alte, aber schöne Gebäude von der Stadt. Sie erwähnte Geschichtliches und zeigte den Leuten auch ein paar nicht so schöne Gegenden. Die Parks und die Verziehrungen an den Häusern gefielen den New Yorkern sehr, sodass sie eine Weile in der Gegend verweilen wollten. Schließlich durch querten wir die etwas ärmeren Gegenden und kamen dann an zwei verschiedenen Jugendtreffpunkten an. Das erste Jugendzentrum war klein, und wir hielten uns dort auch nicht lange auf. Als wir uns zum zweiten auf machten lag ich mit meinen Schritten ziemlich weit hinten und unterhielt mich mit einigen Mädchen. Die Gruppe Jugendliche die vor dem Jugendtreff standen bemerkte ich nur kurz, aber als dann lautes Gerufe zu hören war, wandte ich mich aufmerksam zur Gruppe. Ein etwas dickerer Junge aus New York hielt sich die Wange fest und sofort bemerkte ich die röte in seinem Gesicht. In der Gruppe der Jugendlichen erkannte ich Aiden, der sich lachend zu seinen Freunden umdrehte. Gemurmel wurde laut und ich hörte die Bemerkung: „Er hat ihm einfach eine geklatscht.“, von einem Mädchen in meiner Nähe. Fassungslos schaute ich in die Gesichter der Jungs und wusste, dass es wahr war. Mit schnellen Schritten lief ich auf den Jungen zu, der sich die Wange fest hielt, als ich auf der Bank rechts von mir einen anderen Jungen bemerkte. Als er seinen Kopf hob, schauten mich warme braune Augen an. Cian! Ich konnte nicht anders als ihm lange in die Augen zu sehen aber schließlich verwandelte sich mein Blick in Enttäuschung.
„ Das ist echt erbärmlich. Schämt euch.“, zischte ich und ging Schnurstracks hinter der Gruppe her die auf den innen Hof des Jugendzentrums zusteuerten.
„ Ich weiß nicht was passiert ist, aber wenn du willst…“, hörte ich Clary sagen und schaute zum Jungen hin, dem Tränen in den Augen standen.
“Ist schon in Ordnung. Das sind nur asoziale Wichser.“, erwiderte dieser. Die Bemerkung blieb mir im Hals stecken und ich warf einen Blick nach hinten. Cian stand da und beobachtete mich.
Vielleicht war es nur Wut, aber der letzte Funken Hoffnung der in mir übrig geblieben war, erlosch. Cian hatte sich verändert, beziehungsweise war er schlimmer geworden als früher. Viel schlimmer. Und auch wenn ich ihn immer noch liebte, wollte ich ihm nicht mehr begegnen. Auch wenn das unmöglich war, ich wollte ihn einfach nicht mehr sehen. Ich nahm mir fest vor wieder eine innere Schutzmauer aufzubauen, die aber dieses mal von keinem gebrochen werden konnte. Ich würde niemandem mehr erlauben mir mein Herz zu brechen.
Nach ein paar Minuten machten wir uns dann auf den Weg zurück und ich versuchte mich abzulenken, auch wenn die anderen die ganze Zeit über, über die asozialen Jugendlichen sprachen. In der Schule begegnete ich Jeff, der wieder was auf dem Herzen zu haben schien. Seine Mundwinkel waren leicht nach unten gezogen und auf meine Frage hin, was denn mit ihm los war, schüttelte er nur grimmig den Kopf. Ich konnte das Gefühl nicht loswerden, das Jeff mir nicht mehr so wie früher vertraute, weil er mir früher immer alles erzählt hatte. Vielleicht war, ohne das ich es gemerkt hatte ein Kluft zwischen uns aufgetreten. Aber ich wusste schon wie ich ihn wieder zurück gewinnen konnte.
„Wie wäre es wenn du heute bei mir schläfst. Wir können irgendwelche romantischen und gleichzeitigen kitschigen Liebesfilme gucken und nebenbei Schokolade futtern?“, ich machte ganze große und liebe Hundeaugen sodass Jeff grinsen musste und am Ende nickte er dann und wir spazierten Hände halten zur Klasse.
Die Nacht war zwar wundervoll gewesen, aber die Gedanken die mich trotzdem quälten wurden irgendwann unerträglich und ich vergoss ein paar Tränen. Eng an Jeff gekuschelt starrte ich an die Decke und machte mir selber Vorwürfe. Ich hätte mich nie in Cian vergucken sollen, ich hätte mich ihm nie übergeben sollen. Wie konnte ich nur auf seine Tricks und seine verarsche reinfallen? Und ich dachte er würde wirklich was für mich empfinden. Und wieso hatte er Ethan das ganze Geld geliehen? Wusste er, dass mein Bruder Drogen besorgen wollte? Wollte er vielleicht auch welche? Der Gedanke bereitete mir Übelkeit. Ich konnte ihn nicht mehr einschätzen, konnte nicht bestimmen, wie er wirklich war. Vielleicht konnte ich das bei keinem Menschen.

Am nächsten Morgen wurde ich durch lautes Krachen aufgeweckt. Mein Bein lag überschlagen auf Jeffs und mein Gesicht ruhte auf seiner Brust. Mir dröhnte der Kopf und mir war eisig kalt, anscheinend hatte ich vergessen die Heizung anzuschalten. Jeff gab neben mir irgendwelche Krächzenden Geräusche von sich und als die Tür meines Zimmers aufgeschlagen würde, erschraken wir beide. Die Hände gegen die Rahmen gelehnt, stand Cian da und Überraschung zeichnete sich in seinem Gesicht aus. Er schaute sich im Zimmer um, dann fixierte er eine Weile Jeff bis er dann irgendwas stammelte. „Tut mir leid ich… ich wollte nur…“, ohne den Satz zu beenden drehte er sich auf dem Absatz um und verschwand wieder. Kein Wort kam mir über die Lippen, ich war so sehr geschockt, das ich glaubte gleich an Herzversagen zu sterben. Jeff neben mir betrachtete mich verwirrt und fragend zugleich.
„Tut mir leid Ava, ich hab die Tür aufgemacht da ist der Junge schon reingeplatzt.“ Mein Vater stand vor der Tür und schaute mich entschuldigend an. Ich nickte Geistesabwesend und krabbelte über Jeff um aufzustehen. Ich war froh das Ethan heute schon um 6 Uhr morgens zu Arbeit gegangen war, ich wollte mir nämlich nicht vorstellen was sonst passiert wäre. Später quälten mich immer noch die Gedanken. Woher wusste Cian wo ich wohnte? Und warum war er unbedingt heute gekommen, nachdem was gestern passiert war! Nach dem er Gestern dieses Mist mit seinen Freunden abgezogen hatte! Dachte er, ich würde ihm verzeihen? Dachte er ich würde wieder auf seine Spielchen rein fallen. Auch wenn ich ihn immer noch liebte auch wen dieses bescheuerte Herz ihn nicht loslassen wollte, so wollte ich nicht denselben Schmerz noch mal erleben!
Bevor wir zu Schule aufbrachen Frühstückte ich erst mit Jeff und packte mir noch einen Apfel ein. In letzter Zeit hatte ich viel zu wenig Obst gegessen und auch zu wenig Wasser getrunken. Das musste ich jetzt alles nach holen. Ich zog mir meine Stiefel über und setzte meine Wollmütze auf und dann saß ich auch schon im Auto meines Vaters der mich und Jeff vor dem Eingang der Schule absetzte. Strikt ging ich den ganzen Leuten aus dem Weg die mit mir Reden wollten und verzog mich ins Klassenzimmer, wo ich nur Musik hörte und die Außenwelt abschaltete. In der großen Pause ging ich nicht runter zum Essen, ich hatte keine Lust jemand bestimmten zu treffen. In den letzten beiden Stunden hatten wir Physik. Es war wie immer Langweilig. Der Lehrer erzählte etwas über Transformatoren und die Schüler gaben unnötige Kommentare ab. Jeder bekam ein Referats Thema das er bis nächste Woche bearbeiten sollte und wir wurden in Paare aufgeteilt. Natürlich wollte ich sofort zu Jeff, aber der Lehrer forderte alle zurück auf die Plätze und hielt einen Zettel hoch. Toll! Er hatte die Partner fest gelegt. Meine Hoffnung starb, als er Jeff und Kristin zu Partnern machte. Schlecht gelaunt wartete ich darauf zu hoffen das ich niemand bösartigen als Partner hatte als er dann schließlich den Namen vor laß. Ella! Na Klasse! Ich hatte vor ein paar Wochen erfahren, dass sie nur eine gemeine Hexe war und jetzt musste ich mit ihr ein Referat halten? Das konnte ja super werden. Der Lehrer warf mir einen warnenden Blick zu als er meinen kleinen Protestlaut hörte und so blieb ich brav auf meinem Stuhl sitzen und wartete bis Miss Sunshine alias Hexenbrut an meinen Tisch hüpfte. Sie grinste bis über beide Ohren und ließ sich auf dem Stuhl neben mir, nieder. „Ist das nicht toll.“, rief sie. „Wir werden ein tolles Referat halten, damit ich noch meine eins kriege.“ Dann wurde ihre Miene auf einmal bösartig und sie verzog das Gesicht. „Also versau es mir ja nicht!“, zischte sie und wandte sich wieder ab. Meine Nackenhaare stellten sich auf. Gott das konnte noch ein Spaß werden, dachte ich und blätterte hastig in dem Physikbuch um.
Als die Stunde endete und die Schüler sich hastig aus dem Zimmer machten, drückte mir Ella die Zettel in die Hand, die wir bearbeiten sollten. „Enttäusch mich nicht.“, flüsterte sie mir ins Ohr und hackte sich dann bei ihrer Freundin ein. Dann waren sie weg. Meine Laune sank schließlich zum Nullpunkt und ich verließ den Schulhof. Kaum war ich zwei Meter vor dem Schultor, betastete ich meinen Kopf. Ich hatte meine Mütze vergessen! Mit schnellen Schritten ging ich zur Tür zurück, aber sie war abgeschlossen. Genervt suchte ich einen Lehrer, bis ich schließlich den Hausmeister fand, der gerade damit beschäftigt war die Lampen in der Cafeteria zu reparieren. Er gab mir die Schlüssel und mahnte mich sie sofort wieder zurück zu bringen.
Ich rannte zum Physikraum, schloss die Tür auf ließ den Schlüssel im Schlüsselloch stecken, dann suchte ich auf meinem Platz nach der Mütze, bis ich sie schließlich unter dem Tisch fand. Ich wollte gerade nach ihr greifen, als ich hinter mir Geraschel hörte und dann die Tür ins Schloss fiel. Erschrocken drehte ich mich herum und stieß ein Schnaufen aus, als ich Cian vor der Tür stehen sah. Er schloss die Tür und steckte sich den Schlüssel in die Hosentasche. Ich erkannte seine Absicht, und sofort kochte ich vor Wut. Er würde es nicht wagen mich hier einzusperren. Mit ihm zusammen auch noch. „ Du tust das nicht.“, sagte ich mit fester Stimme und trat ein paar Schritte auf ihn zu. Sein Blick war fordernd und seine Haltung gelassen. „Halt mich davon ab.“, sagte er neckisch und hielt den Schlüssel hoch. Zu hoch. Ich kam auf ihn zu, bis ich schließlich ein paar Zentimeter vor ihm stand und griff nach seiner Hand, aber ich kam nicht dran. Und dann streckte der Arsch seine Hand auch noch weiter aus! Boah so ein Idiot! Zornig packte ich ihn am unter Arm aber bewirkte damit nur, noch näher an ihn heranzutreten. Mein Gesicht berührte fast seine Brust und meine Fußspitzen stießen gegen seine. Schon wieder spielte er mit mir! Dieser Arsch spielte schon wieder mit mir! Als wäre ich seine verdammte Puppe…
„Gib es mir!“, schrie ich so laut wie es ging und irgendwie klangen die Worte falsch in meinen Ohren, was mir Cians Grinsen bestätigte. Ich stieß ihn gegen die Tür, sodass er keine Flucht Möglichkeit hatte und streckte mich so hoch wie es ging. Ich sah nur noch wie Cian mir näher kam und zwei Minuten später lagen seine Lippen auf meinen. Es war ein gaaaanz kurzer Kuss. Er dauerte nur zwei Sekunden. Aber alles in meinem inneren verwandelte sich in Pudding. Rot vor Wut schlug ich ihm auf die Brust, aber den Kotzbrocken interessierte das nicht mal. Er starrte mir einfach nur amüsiert in die Augen.
„Wenn du mir den Schlüssel jetzt nicht sofort gibst, dann werde ich das ganze Gebäude zusammen schreien.“, drohte ich und Augenblicklich fiel mir etwas ein. Als er nur den Kopf schüttelte und die Schultern zuckte drehte ich mich Richtung Fenster.
„Solange du nicht anständig mit mir redest, bleiben wir hier.“ Ich machte ein paar Schritte Richtung Fenster, bereit alles zu tun, nur um hier raus zukommen. Doch kaum hatte ich meinen Arm nach dem Fenstergriff ausgestreckt, packte mich Cian auch schon an den Hüften und schleuderte mich zu sich herum. Sein Atem roch nach Kaugummi und sein Aftershave war heute kaum zu riechen. Sonst konnte ich seinen Geruch von Meter Entfernung wahrnehmen. Als wäre seine Nähe nicht schon genug, drückte er mich gegen die harte Tafel, die mir im Rückenbereich schmerzen bereitete. Aber ich hatte auch keine Chance mich zu Bewegen, da er meine Hände hinter meinem Rücken umklammerte und sein Bein sich gegen meine Knie drückten. Jetzt konnte ich mich auf ein langes Gespräch vorbereiten. Aber der Hausmeister! Er wollte doch seinen Schlüssel wieder haben!
„ Ava.“, rief Cian und lenkte mich wieder ab. „Ich weiß nicht was für ein Problem du hast, aber du wirst mir jetzt erklären, warum du mich so behandelst. Was habe ich falsch gemacht?“ Er tat wirklich so als wäre er verwirrt! Wie gut konnte ein Mensch denn Schauspielern! Auch wenn die Wut kein bisschen abnahm, versuchte ich ruhig und sachlich zu reden.
„Ich habe einen Fehler gemacht Cian.“, begann ich und sah ihm fest in die Augen, egal wie sehr es weh tat. „Ich habe den Fehler begannen, mich auf dich einzulassen. Es war ein Fehler dir zu Vertrauen, zu glauben das…“ Grimmig schüttelte er den Kopf und umklammerte mit der einen Hand mein Kinn. Auch wenn ich ihm weh tun konnte, ich hatte keine Kraft mehr dazu. Ich wollte mich nicht wehren. Er sollte wissen, dass ich mich in ihm getäuscht hatte. „Ava das ist Schwachsinn! Ich…“ Dieses Mal unterbrach ich ihn. „Dich sollte es eigentlich gar nicht interessieren, ob ich dir weiterhin gehöre oder nicht. Du hast doch genug Mädchen die dir hinterher laufen, warum nimmst du nicht irgendeine…“ Ein gefährliches Funkeln trat in seine Augen und er umfasste wieder meine beiden Hände. Ich wusste das dieser Ausdruck nichts gutes verhieß, aber als ich mich wehrte, steigerte er seine Kraft nur und sein Griff wurde Schmerzhafter. „Tut mir Leid Ava, aber ich keiner der sich sofort eine neue Sucht. Ich steige nicht gleich mit jemanden ins Bett, so wie du.“ Ich traute meinen Ohren nicht! Ich war so überrascht, dass ich meine Abwehr aufgab. Wovon redete er denn. War ihm klar was für ein Schrott gerade über seine Lippen kam? Mir kam der heutige Morgen in Gedanken und ich bemerkte das Cian die Situation völlig falsch verstanden hatte. Er dachte ich hätte mit Jeff geschlafen! Gott, wie blöd war der Junge eigentlich?
„Du redest Unsinn.“, entgegnete ich nur und wandte meinen Kopf, aber Cian stieß mich so hart gegen die Tafel, das mir die Luft weg blieb. „Ich rede Unsinn“, schrie er. Ich spürte seinen Atem nah an meinem Ohr und als wäre das nicht genug pustete er mir auch noch an die empfindliche Stelle hinter dem Ohr. „Das hätte ich echt nicht von dir erwartetet.“, flüsterte er und seine Stimme war nicht mehr wütend, sondern gefährlich. Ziemlich gefährlich. „Aber warum er?“, fragte Cian und brachte mich völlig aus der Fassung. Wie konnte ich ihn in dem Gewissen lassen ich hätte was mit Jeff. Das war völlig Idiotisch und ihm gegenüber nicht fair. Und außerdem wusste ich, das Cian bei dem Gedanken nur Ekel empfinden würde. Und das würde mich völlig zerstören. Ich konnte vieles ertragen, aber wenn Cian sich vor mir oder vor meinem handeln ekeln würde ich vor Verzweiflung sterben. „Cian ich..“, aber er ließ mich wieder nicht ausreden. Langsam nervte mich das, aber Cian konnte anscheinend nicht anders. „Psssscht…“, machte er und pustete leise in mein Ohr. Unglücklicherweise war das Gefühl herrlich und ich schloss genussvoll die Augen. Aber das war ein weiterer Fehler. Die Schmetterlinge entfalteten sich zu einem wütenden Mob Bienen, als Cian seine Lippen auf meine drückte und meine Gedanken wurden von Nebel umhüllt. Er küsste mich erst zärtlich, dann heftig und ungestüm, sodass ich keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. So hatte er mich noch nie geküsst. Voller Wut und Leidenschaft, so Fassungslos wild, das selbst der härteste Stein zerschmolzen wäre. Die Süße des Kusses wurde von seinem zärtlichen Knabbern unterstrichen und obwohl er meine Hände immer noch umklammerte, streichelte er sanft meinen Handrücken. Seine Lippen waren pures Feuer und er übertrug die Flammen auf meine, sodass ich schließlich verbrannte und ein sanftes Stöhnen nicht unterdrücken konnte. Noch nie hatte mich jemand so geküsst. Naja okey außer Cian hatte mich sowieso niemand geküsst. Aber dieser Kuss steigerte alles und ließ die Welt bedeutungslos erscheinen. Auch wenn alles danach kaputt gehen würde, so hatte ich wenigstens für ein paar Minuten den Himmel schmecken können. Die Kante der Tafel die in meinen Rücken stach, war plötzlich völlig bedeutungslos. Nur noch Cian war da. Sein Herz das schnell und stark schlug, so wie meins. Sein Herz war das eines Kriegers, meins war das einer zarten Jungfer, die aber wusste, dass bald alles zu ende gehen würde. So bald er seine Lippen von mir nahm würde, würde er wieder der Junge sein, vor dem ich mich vor ein paar Minuten noch verarscht gefühlt hatte. Aber immer noch lieb kostete er mich, immer noch schwebte ich, bis seine Lippen schließlich tiefer wanderten. Er küsste meinen Hals, hauchte leichte Schmetterlinge darauf und Gänsehaut durch flutete mich. Als ein sanfter Windhauch an mir vorbei wehte, riss ich die Augen auf und stieß Cian so heftig es ging von mir. Weil er abgelenkt war, konnte er sein Gleichgewicht nicht halten und stolperte mehrere Schritte nach hinten. Seine Augen sprühten Feuer, so wie meine Lippen brannten. Aber mein Zorn war größer. „Du bist wirklich das widerwärtigste Schwein das ich kenne.“, zischte ich und massierte meine schmerzenden Hände. „Sag mir ja nicht, dass du es nicht auch wolltest. Schließlich…“ Ein Klopfen an der Tür unterbrach ihn und die Stimme des Hausmeisters wurde immer lauter. „Mädchen was machst du denn da drinnen.“ Cian warf mir einen letzten drohenden Blick zu, bevor er die Tür auf schloss und den Hausmeister hinein ließ. Dieser blickte uns mit misstrauischen Blicken an.

Bevor ich endlich das Schulgelände verlassen dürfte, hielt der Hausmeister mir noch eine Predigt, von wegen ich hätte ihm den Schlüssel bringen sollen, und er hätte mir vertraut und ich hätte das verbraucht und so weiter und so fort. Ich hörte nur mit einem halben Ohr zu, wegen Cian war meine Laune immer noch betrübt und mein Hirn immer noch auf Kussszene. Es war einfach so wundervoll gewesen und jetzt war wieder alles vorbei und ich war sauer auf Cian.
Ich setzte meine Wollmütze auf, der ich es verdankte überhaupt in der Situation gewesen zu sein und trat an die frische Luft. Erschrocken bemerkte ich, dass es wie aus Strömen regnete. Vor ein paar Minuten war es noch Eiskalt gewesen, aber trocken und jetzt war der Regen wie ein Wasserfall. Wie ich den Winter hasste! Frühling und Herbst waren die schönsten Jahreszeiten. Im Frühling waren die Blumen einfach nur wunderschön und es konnte warm und kalt werden und im Herbst waren die Blätter so bunt, und der Regen war immer angenehm. Und jetzt steckte ich bis zur Unterwäsche in Wasser. Ich hatte auch keinen Regenschirm dabei. Mit trüber Miene stampfte ich zur Straße und überlegte ob ich vielleicht den Bus nehmen sollte. Aber dann verhinderte der Geldmangel in meiner Hosentasche diesen Gedanken und ich lief, mit den Händen in der Tasche die alltäglich Straße entlang. Gerade wollte ich auf die andere Seite wechseln, als ein BMW direkt vor meinen Füßen parkte. Cian streckte seinen Kopf raus und warf mir einen tadelnden Blick zu. Der Regen hatte seine Haare auf einer hinreißenden Art zerzaust und bei seinem Anblick wurde mein Herz schwach. Wie eine Luftmatratze bei der man die Luft auspumpte, zerquetschte es mein Herz. Aber es tat nicht weh! Im Gegenteil, es war ein schönes Gefühl auch wenn ich nicht wusste wie mein Herz ihn immer noch lieben konnte.
„Steig ein.“, rief mir Cian zu und musste seinen Kopf noch weiter ausstrecken, so dass mehrere Tropfen auf seinem Gesicht landeten und an seiner Wange hinunter liefen. Oh Gott! Wie sehr wollte ich jetzt einen Tropfen auf seiner Haut sein. Dann könnte ich seine nähe genießen und würde verschwinden, wenn es ernst wurde. Ich dachte an die Nach- und Vorteile die es gab falls ich einsteigen würde und obwohl die Nachteile schwerwiegender waren, stand mein Entschluss eigentlich schon fest. Ich blickte durch die Gegend aber es war keine Menschenseele zu sehen. „Na komm schon.“, flehte Cian und der Ausdruck in seinen Augen war wirklich bittend. Und dieses Mal wollte ich einfach nur glauben, dass er es ernst meinte und stieg auf der anderen Seite ein. Wie beim ersten Mal roch es im Auto nach Leder und Aftershave, und trauriger Weiße auch nach Zigaretten. Ich hatte nicht gehofft, dass er vielleicht mit dem Rauchen aufgehört hatte, aber trotzdem machte ich mir Sorgen um seine Gesundheit. Bevor Cian den Motor startete wollte ich mich anschnallen, aber der Gurt klemmte. Ich rüttelte und zog fester, aber es ging nicht. Als Cian meine vergeblichen Versuche bemerkte, beugte er sich zu mir und nahm den Gurt in die Hand. „Ich mach das.“, murmelte er und kam mit seinem Gesicht fast an meine Nase. Ich schaute zu ihm, blickte ihm direkt in die Augen und die Schmetterlinge in meinem Bauch randalierten wieder. Er hatte so schöne Augen! Sie bedeuteten für mich nichts als Wärme und Feuer, wenn er mal wütend war. Sie brachten Cians Ausstrahlung zum Vorschein und verliehen ihm einen besonderen Glanz. Ich löste ich von seinem Blick und er setzte sich wieder aufrecht in seinen Sitz. Die ganze Fahrt über sagte er nichts, und ich saß auch einfach nur steif im Sitz und blickte aus dem Fenster. Aus dem Augenwinkel beobachtete ich nach ein paar Sekunden, wie Cian etwas in der Schublade suchte und schließlich holte er eine Zigarettenpackung heraus. Ich war schon ein wenig wütend und konnte nicht anders als ihm die Zigarette aus der Hand zu nehmen und aus dem Fenster zu werfen. Damit handelte ich mir überraschte Blicke ein, die sich in Wut verwandelten. Er wollte gerade eine zweite Zigarette aus der Packung holen, überlegte es sich dann anscheinend anders. Wahrscheinlich wollte er die nicht auch noch verlieren. Er starrte diskret nach vorne, aber ich bemerkte wie er auf seiner Lippe herum kaute. Und dann hielt er es anscheinend nicht mehr aus. „Was sollte das denn gerade?“, fragte er und seine Stimme war alles andere als leise. Seine Augen sprühten wieder Feuer. Aber ich war genauso angepisst wie er. Ich war sowieso immer noch wütend auf ihn, weil er die Aktion in der Schule abgezogen hatte und es würde nicht besser werden, wenn sich Cian mal wieder wie ein Arsch benahm.
„Irgendwann wirst du noch an diesem scheiß Zeug verrecken!“, fauchte ich. Das Auto parkte vor dem Haus, und Cian wandte sich zu mir.
„Ava.“, sagte er und mein Name in seinem Mund hörte sich an wie Honig. „Sollte dich das Interessieren, ob ich verrecke oder nicht? Schließlich hast du mich ja irgendwie verlassen, auch wenn ich immer noch nicht weiß, warum.“ Das saß, dachte ich. Er wusste ja immer noch nicht, dass ich das Gespräch mit seinem Freund belauscht hatte. Und mich sollte es nicht interessieren was er machte. Aber blöderweise interessierte es mich sehr und deswegen wollte ich auch nicht, dass er Krank wurde.
Mit beleidigter Miene stieß ich die Autotür auf und wollte aufstehen, aber Cian packte mich am Handgelenk und schaute mich von unten an. „Warum hast du mich verlassen.“, fragte er. Mir war klar, dass ich ihm die Wahrheit sagen sollte, schließlich dachte er immer noch ich wüsste nichts von seiner verarsche. „Du hast dir die falsche dafür ausgesucht.“, erwiderte ich und riss mich von ihm los. Dann rannte ich ins Haus.
Es kamen keine Tränen, worüber ich auch froh war, als mein Vater die Treppen runter kam. Er hatte seinen Anzug an und seine Haare waren ordentlich nach hinten gekämmt. Er war trotz seinem Bierbauch ein gutaussehender Mann und ich fand schon immer, dass er mit meiner Mutter gut zusammen gepasst hatte. Sie waren 18 gewesen, als sie geheiratet hatten und meine Mutter hatte mich öfters ermahnt nicht so früh wie sie zu heiraten. Sie hatte es zwar nicht bereut, aber sie beteuerte immer wieder das es total stressig wäre und das die Eltern dann immer komplizierte als sonst wären. Das die auch bei meinen Eltern der Fall sein würde, bezweifelte ich nicht.
„Ich muss zum Steuerberater.“, informierte mich mein Vater kurz und gab mir einen Kuss auf die Stirn bevor er hinter der Tür verschwand. Aus Ethans Zimmer kam laute Musik, Metallica, die er vergötterte, aber ich hatte gar kein Interesse mich jetzt mit ihm zu Unterhalten. Ich war sowieso seit Tagen nicht gut auf ihn zu sprechen.
Am Abend saßen wir alle am Esstisch und Ethan stopfte sich mit Pommes voll, während ich Gedankenlos in meinem Salat herumstocherte. Mein Vater wollte zuerst nichts Essen, aber bei dem Anblick von Steak den unsere Haushälterin Clare gemacht hatte, konnte er einfach nicht widerstehen. Und jetzt haute er alles in sich rein. „Ava kannst du mir mal das Salz reichen?“, fragte Ethan der am anderen Ende des Tisches saß. Ich hatte noch nie verstanden warum wir so einen großen Tisch hatten. Besuch kam sowieso nur selten. „Besorg es dir selber.“, erwiderte ich ohne von meinem Teller aufzugucken. Den tadelnden Blick meines Vaters bemerkte ich und auch den giftigen von Ethan aber es war mir egal. Ethan war schließlich gezwungen aufzustehen und holte sich dann das Salz. Gerade wollte ich mir eine Gurke in den Mund stecken als Ethan mich wieder ansprach. Daher das ich sowieso schlecht gelaunt war, konnten meine Antworten auch nicht sehr freundlich sein. „Ava, kannst du mir vielleicht für Morgen..“ Ich unterbrach ihn mit vollem Mund. „Nein.“ Wieder sah mich mein Vater fragend an, aber wahrscheinlich hielt er es nur für eine meiner Phasen.
„Du weist doch noch gar nicht was ich fragen wollte.“, sagte Ethan beleidigt und legte seine Gabel an die Seite um mich ebenfalls anzustarren. Ich war natürlich wieder wütend, das war bei mir in letzter Zeit oft der Fall, aber als ich mich wieder an die Schlägerei erinnerte, konnte ich mir eine weitere bissige Bemerkung nicht verkneifen. „Es ist mir egal was du von mir willst. Halt einfach die Klappe und lass mich in Ruhe.“ Ich zuckte zusammen als mein Vater meinen Namen schrie. “Ava! Wie redest du denn mit deinem Bruder?“, fragte er laut und warf mir böse Blicke zu. Boah! Nur weil mein Vater nicht wusste was Ethan gemacht hatte, schimpfte er mit mir oder wie? Wenn er erfuhr, dass mein Bruder mit Drogen gehandelt hatte, dann würde er ihn umbringen. Und nur weil ich jetzt schlecht auf Ethan zu sprechen war, war ich die schuldige oder wie? Total angepisst warf ich meine Gabel auf den Teller und sprang vom Stuhl auf. Mein Vater schrie zwar wieder meinen Namen, aber das war mir egal. Ich rannte hoch in mein Zimmer und vergrub mich im Bett, bis die Dunkelheit anbrach und die Schatten verschling.

Es war Mittwoch und ich tat das erste Mal zwei Dinge, die ich bis jetzt noch nie getan hatte. Ich stand am frühen Morgen auf, aß eine Schüssel Kelloggs und tat so als würde ich zu Schule gehen. Aber anstatt zu laufen stieg ich in den Bus und stieg am Hauptfriedhof der Stadt aus. Ich war seit Jahren nicht mehr bei meiner Mutter gewesen, seit ihrer Beerdigung nicht mehr. Und obwohl ich diesen Ort hasste, wollte ich nichts anderes als zu ihr zu gehen. Ich wollte mit ihr reden. Keine Menschenseele war bei den Gräben, wahrscheinlich lag das an dem schlechten Wetter. Ich spazierte durch die Hügel und lief durch Matsch, während ich die verschiedenen Grabsteine betrachtete. Es gab viele Familiengräber und auch welche bei denen die Leute sehr früh gestorben waren. Manche waren mit wunderschönen Blumen verziert, bei anderen wimmelte es nur so von Käfern. Das Unkraut bei manchen Steinen war unglaublich viel und es machte mich traurig zu wissen, dass manche Toten keine Angehörigen hatten.
Das Grab meiner Mutter war sauber, anscheinend war mein Vater hier gewesen, denn auch schöne Blumen lagen auf der Erde. Ich setzte mich auf die Kante des Steins und schaute auf die Schrift. > Gott nahm einen wunderschönen Engel von uns <. Etwas weiter unten ihr Geburt -und Sterbedatum und ganz unten stand > Du bist immer in unserem Herzen Evie <. Schon fiel die erste Träne und landete auf der Erde. Ich schniefte und streichelte sanft über das Grab. „ Ach Mama.“, flüsterte ich. „ Genau jetzt hätte ich dich gebraucht. Genau jetzt hätte ich mit dir reden müssen. Aber du bist nicht da. Ich versteh immer noch nicht warum. Warum hast du dir das Leben genommen Mama?“ Geistesabwesend wischte ich mir die Tränen weg. „Aber darüber wollte ich gar nicht mit dir reden. Weißt du, ich hoffe jetzt einfach, dass du mich hörst. Ich bin wirklich mit den Kräften am Ende. Was soll ich tun, wie soll ich vorgehen? Ich wünschte ich hätte dieses Gespräch nie belauscht. Dann hätte Cian mich zwar ruhig weiter verarschen können, aber wenigstens hätte ich glauben können er würde mit mir zusammen sein wollen. Denkst du ich habe alles falsch verstanden? Denkst du er mag mich wirklich? Ich möchte es so sehr glauben Mama. Ich hab da ein großes Loch im Herzen Mama. Es schmerzt. Ich bin froh das Papa jetzt auf dem rechten Weg ist, aber was ist mit Ethan? Er macht es falsch. Denkst du ich sollte mit ihm reden? Ach Mama, ich stelle dir so viele fragen, obwohl ich sowieso keine Antwort bekomme. Das ist echt bescheuert. Und vielleicht war es ein Fehler hier her zu kommen.“
Ich stand auf und fuhr mir durch die Haare. „Du hast doch genau dasselbe wie die anderen getan. Du hast mich auch verletzt Mama.“ Ich drehte mich um und verließ ohne einen weiteren Blick den Friedofen.

Ich ging schließlich doch zu 3. Stunde in die Schule. Wir hatten Mathe und draußen regnete es wieder wie in Strömen. Der Lehrer teilte die Klausuren aus und sein Kopfschütteln, als er meine Arbeit betrachtete, sagte mir alles. Auf der ersten Seite des Arbeitsblattes, war alles falsch, außer zwei Sachen. Auf der anderen Seite genauso. Ich hatte eine fünf bekommen. Das liegt alles an dir Cian, schimpfte ich in Gedanken und packte die Arbeit weg. Wenn ich in der nächsten Klausur keine drei bekam, würde das im Zeugnis eine vier geben. Und das war alles andere als gut.
In der Pause ging ich dann mit Jeff runter zum Essen, wo ich an der Schlange gleich Cian begegnete. Er warf mir Blicke zu, dich wie Sehnsucht aussahen, aber täuschen lassen wollte ich mich nicht. Auch während dem Essen spürte ich seine Blicke auf mir und hielt es letztendlich nicht mehr aus. Ich rannte beinah aus dem Schulgebäude und hörte hinter mir Schritte. „Ava warte!“, schrie Cian und lief mir hinterher. „Lauf nicht weg!“ Aber ich lief weiter. Und als ich draußen in dem Regen stand, packte mich Cian am Handgelenk und riss mich an sich. Die Regentropfen rannen ihm an den Wangen hinunter und klebten an seinen Lippen und seine Hand war Eiskalt. Auch mir war kalt, aber nicht wegen dem Wetter. Ich legte den Kopf schief und starrte zu ihm auf. Was wollte er noch von mir? Warum wollte er mir die ganze Zeit weh tun?
„Ava bitte, erklär mir warum du das tust. Rede mit mir.“ Der Regen wurde immer stärker und wir immer nasser, und das sprechen erschwerte sich bei den großen Tropfen.
„Ich seh keinen Grund mit dir zu reden. Und wieso sollte ich es dir erklären?“, fragte ich und musste ein wenig schreien. Ich war nicht wütend. Nein, ich war völlig kühl und sachlich. Cian nahm mein Gesicht in seine Hände und schaute mir tief in die Augen. Mein Inneres zerschmolz. „Du musst es mir sagen.“, flüsterte er mir ins Ohr. Und dann kam er mir ganz nah und legte sacht seine Lippen auf meine. „Du musst es mir erklären.“ Dann gab er mir einen kleinen Kuss auf die Lippen bevor er einen Schritt zurück trat. „Ich Liebe dich Ava.“ Der Schrei drang in mein Ohr. Laut und deutlich. Und ich sank mit Tränen in den Augen auf den Nassen Boden. Cian hatte gesagt, das er mich liebte!






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