Mein Engel... - Teil 3

Autor: Demre
veröffentlicht am: 10.10.2010


Gefühlschaos


Eine Vollbremsung des Taxis, das mich und Jeff zu unserem Liebling Cafe in die Stadt fuhr, holte mich zurück in die Gegenwart und erschrocken bemerkte ich das wir beinah gegen einen Lastwagen gefahren wären. Der Taxifahrer drehte die Scheibe seines Fensters herrunter und fluchte wie der Teufel, Schimpfwörter die selbst ich nicht alle kannte und dann zeigte er dem LKW Fahrer den Mittelfinger, fuhr rückwärts und bog dann links ein. Die Situation kam mir surreal vor, so als wäre ich immer noch in einem Traum. Mein Herz fing an zu schmerzen, so als wäre das mit Cian erst eben passiert, als würde es immer noch so weh tun. Diese Lippen folgten mir in meinen Träumen, ließen mich seit 7 Monaten nicht mehr los, und machten mir das Leben schwerer, als es ohnehin schon war. Ohne groß darüber nachzudenken, wünschte ich mir, dass wäre nicht passiert, ich hätte diese Seite von Cian nicht kennengelernt. Denn es machte mich einfach so fertig.
Ich streckte mein Kopf aus dem Fenster und betrachtete die wunderschönen Häuser aus Philadelphia, die braunen und weißen Fassaden, die Blumen beschmückten Terrasse und all das trieb mir erschreckender weise die Tränen in die Augen. Meine Mutter hatte Blumen geliebt, auch unsere Terrasse hatte sie immer so geschmückt und hatte Nachts immer dort gesessen und die Sterne betrachtet. Manchmal hatte sie mir dort immer Geschichten über Dämonen und Engeln erzählt. Und dann war ich immer eingeschlafen und sie musste mich zu meinem Bett tragen.
Sie war eine schöne Frau gewesen. So Mutig und elegant. Die schwarzen Locken hatte ich von ihr, obwohl meine länger waren als ihre. Auch meine große, schlanke Figur hatte ich von ihr, obwohl ich natürlich ein paar Kilo mehr drauf hatte als sie. Aber ihre Gesichtszüge waren anders als meine. Ihre waren eher wie eine Göttin, scharfe Wangenknochen und elegante Lachfalten die sie überhaupt nicht kindlich wirken ließen. Meine Gesichtszüge waren weicher, fast wie ein kleines Kind. Auch meine Lippen waren wie ihre. Oben etwas voller als unten.
Das einzige das ich von meinem Vater geerbt hatte waren meine grauen Augen, die am Rand schon ins Blaue übergingen. Meine Mutter hatte nur Dunkelblaue Augen, die schon fast Schwarz wirkten.
Ich war meiner Mutter ziemlich ähnlich, aber eins würde ich garantiert nicht wie sie machen. Ich würde nie mein Kind alleine auf der Welt lassen. Nie!
Stumm wischte ich mir die Träne aus dem Gesicht und versuchte ein Schluchzen zu unterdrückten.
Heute schien die Sonne stärker als sonst, sie blendete mich und anscheinend auch den Taxifahrer, der wieder fluchte und sich eine Sonnenbrille aufsetze.
Auch Jeff schaute still aus dem Fenster und malte irgendwelche Bilder an die Scheibe die ich aber nicht erkennen konnte.
Endlich hielt das Taxi an, Jeff bezahlte und wir stiegen gemeinsam aus. Das Cafe war zwar ziemlich klein, aber es war auch nicht besonders beliebt. Ich und Jeff jedoch liebten Macchiatos von ihr, sie waren so schön schaumig und süß.
Endlich hielt das Taxi vor der Tür des Geschäfts an, Jeff bezahlte den Fahrer und wir stiegen aus. Man nahm den Geruch von frisch gewaschener Wäsche wahr, die oben in der ersten Etage eines Backsteinhauses im Wind flatterten. Man sah die huschenden Bewegungen des Sonnenlichts auf der Wiese des Parks, das klare Leuchten der Tulpen im Garten einer Frau, die auf einem Stuhl saß. Und das Lachen glücklicher Kinder, die auf den Straßen fangen spielten.
Als ich auf der Schwelle des Cafes stand, bemerkte ich gleich das heute kaum was los war. Nur ein Junge saß an einem der vielen Glastische und spielte mit seinem Handy.
Die Farben des Cafes waren in dunkeln Tönen gehalten. Braun, beige und weinrot sah man überall, wo man hin guckte. Nur wenige Bilder hingen an den Wänden des Geschäfts und alle drehten sich nur um Kaffee oder die Straßen von Philadelphia.
Jeff schwieg die meiste Zeit, selbst nachdem wir unsere Bestellung aufgegeben hatten und an einem Tisch saßen schwieg er und schaute verschlossen auf seine ineinander verschlungen Händen.
Langsam hatte ich das Gefühl das ihn was bedrückte und er nicht einfach so schwieg. Kurz wanderten seine Augen zu mir dann schaute er wieder ruckartig auf seine Hände, während ein Fuß von ihm zum Takt der Musik klopfte, die aus den Lautsprechern an den Wänden drangen.
Ich wurde ungeduldig und griff nach seinen Händen, wobei ich sein zusammen zucken übersah.
„ Jeff was ist los?“, fragte ich leise und betrachtete seine innere Handfläche und stellte fest das seine
„ Lebenslinien“ viel kürzer waren als meine und das seine ziemlich kurvig verliefen. Seine Hände waren rau und groß, dagegen wirkten meine beinah wie Hände eines Kindes. Seine Fingernägel waren ziemlich gepflegt, das fand ich echt bewundernswert bei ihm.
Jeff entzog sich meiner Hand und schaute mir eine Weile in die Augen, bevor er den Blick abwendete und sich seufzend durch die Haare fuhr. Er setzte gerade zum sprechen an, als der Kellner Doni kann und unsere Caramel Macchiato auf den Tisch stellte. Er war ein netter Angestellter, unterhielt sich meistens mit uns und manchmal machte er uns einen Becher Kaffee noch um sonst. Aber natürlich bekam er dafür auch ein ordentliches Trinkgeld.
Doni verschwand wieder hinter der Theke und bereitete Kuchen für einen Kunden vor.
„ Also…?“, fragte ich Jeff und zog die Augenbraun hoch. Er sollte endlich mit der Sprache rausrücken sonst konnte ich ihm auch nicht wirklich helfen. Ich betete nur das es kein ernsthaftes Problem war.
„ Okey.“, murmelte er und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „ Du weißt ja, dass ich seit Tagen in Facebook on bin und jedes Mal zu Hause Telefoniere.“ Jetzt wo er es erwähnte fiel es mir wirklich auf, davor hatte ich es gar nicht bemerkt. Selbst in der Schule war er mit seinem Handy online und saß nur in der Klasse. Aber gestört hatte es mich eigentlich nicht. Schließlich war ich auch öfters im Internet um meiner Lieblings Beschäftigung nach zugehen. Auf Facebook Spiele spielen. Dort gab es die besten Spiele überhaupt.
„ Ja.“, wandte ich mich an ihn, damit er weiter redete. Er seufzte erneut und schlug die Augen ein paar Sekunden lang zu. Er wirkte wirklich aufgewühlt und verspannt, und das ich das seit Tagen nicht bemerkt hatte machte mich echt verzweifelt. Warum ließ ich ihn so hängen?
„ Ich war vor ungefähr 3 oder 4 Wochen on und hab eine Freundschaftsanfrage von einem 14 Jährigen Mädchen bekommen. Ich war ziemlich neugierig wie sie so war, denn ich fand ihr Profilbild ziemlich süß.“ Zu meinem erstaunen wurde Jeff ein wenig rot und wandte den Blick ab. Ich sah ihn beinah schockiert an. Erstens, er würde bei Mädchen nie rot, egal bei welchem Thema und zweitens, normaler weiser ignorierte er solche Einladung ohne sich die Profilseite anzusehen. Aber anscheinend hatte ich was verpasst. Und so wie Jeff gerade drauf war, lief da etwas mit dem Mädchen.
Ich nahm verwirrt einen schluck meines Macchiato und schaute ihn dann aus großen Augen an.
„ Ich hab angefangen mit ihr zu schreiben, es hat ziemlich Spaß gemacht.“, er lächelte traurig in sich rein. Ich nahm noch einen Schluck aus meinem Becher.
„ Wir haben am Tag länger als 4 Stunden gechattet.“, fügte er hinzu, wobei er ungerührt beobachtete wie ich mich an meinem Getränk verschluckte. Ich musste leicht husten und ein bitterer Geschmack bildete sich in meinem Mund. Dankend wandte ich mich an Doni, der mir ein Glas Wasser und Servietten brachte.
Jeff chattete am Tag nie länger als eine Stunde, nie länger als es ihm erlaubt war. Aber vier Stunden am Tag? Selbst das ließ meine Ohren klingeln. So lange hätte ich nicht mal in einer Woche gechattet. Jetzt war ich neugieriger als je zuvor, also schob ich mein Stuhl näher an ihn herran und sah ihm in die Augen.
„ Sie heißt Olivia. Ich mag es mit ihr zu reden.“, murmelte er leise und betrachtete seine Finger.
„ Ich mag sie so sehr.“, flüsterte er jetzt und schluchzte herzzerreißend. Ich nahm seine Hand und schaute ihm tief in die Augen. Der Blick darin ließ mich weich werden und ich fuhr ihm zärtlich durch die Haare. Och Gott! Er war ja so niedlich.
„ Du bist verliebt.“, flüsterte ich und lächelte ihn liebevoll an. Endlich hatte er sich verliebt. Darauf wartete ich schon seit Monaten, das er selbst sein Glück fand, das er selbst mal richtig geliebt wurde, so wie er es verdiente.
Doch sein Gesichtsausdruck würde bedrückt und verzweifelt, trotz der guten Nachricht wirkte er total traurig.
„ Da gibt es ein Problem.“, murmelte er und streckte seine Füße unter dem Tisch aus. „ Sie wohnt in Deutschland. Ava, Deutschland!“, murrte er noch verzweifelter und ließ seine Faust auf den Tisch sausen. Ich musste schwer schlucken um das zu verdauen und ein Kloß bereitete sich in meinem Magen aus. „ Oh.“, flüstere ich leise und nahm seine Hand. „ Das tut mir wirklich leid. Was denkt sie denn? Liebt sie dich denn auch, so wie du sie liebst?“
Jeff trank die paar Schlucke seines Bechers zu ende und stand auf. Er war ziemlich groß, fast so groß wie Cian, nur viel dünner, er wirkte wie ein Leichtathletiker.
„ Ich weiß es nicht.“, antwortete er strich mir leicht über das Haar. „Ich komme gleich. Warte du kurz hier. Ich brauche nicht lange. Wenn du noch was trinken oder essen willst, dann tue es, die Rechnung geht auf mich.“
Er lächelte mir ein letztes Mal zu, bevor er sich umdreht und zur Tür verschwand. Eine Weile schaute ich ihm nach, sein gang war lässig und selbstsicher, aber seine Schultern waren gesenkt. Der Arme Junge, dachte ich und setzte den Becher an meine Lippen.
Manchmal, wenn man glaubte, die Liebe gefunden zu haben, stellten sich so schmerzhafte Probleme in den Weg. Probleme die so schwer zu überwinden waren.
Beinah hätte ich den ganzen Kaffee ausgeschüttet, als die Tür des Cafes aufging und eine sanfte Brise mit sich trug. Der Anblick der sich mir bot war irgendwie etwas ganz normales, aber das Gefühl brechen zu müssen bohrte sich in meinen Magen und ich wandte schnell den Blick ab. Cian kam gerade herein. Natürlich perfekt angezogen und leicht verwegen. In den Armen hielt er ein kleines Mädchen. Okey, sie war kein kleines Mädchen. Sie schien ungefähr in meinem Alter, aber sie war ein Kopf kleiner als Cian und wirkte mit den Blonden, Elfenhaften locken wie eine 12 jährige. Gerade als ich wieder den Blick zu den beiden wandte küsste das Mädchen Cian mitten auf den Mund und lachte leise. Unwillkürlich musste ich husten, Cian hörte es und blickte mich direkt aus seinen braunen Augen an. Wieder kam es mir vor, als würden diese Augen Feuer sprühen.







Teil 1 Teil 2 Teil 3 Teil 4 Teil 5 Teil 6 Teil 7 Teil 8 Teil 9 Teil 10 Teil 11 Teil 12 Teil 13 Teil 14 Teil 15 Teil 16 Teil 17 Teil 18 Teil 19 Teil 20 Teil 21 Teil 22 Teil 23 Teil 24 Teil 25 Teil 26 Teil 27 Teil 28


© rockundliebe.de - Impressum Datenschutz