Feuernacht, Feuermacht

Autor: gunda
veröffentlicht am: 15.04.2010


Es war Freitag. Ich war wie jeden Freitag auf dem Weg zur Bank. Es war wie immer eine Party geplant, eine Schnöselparty, wie sie von den „Normalos“ genannt wurde. Nein, ich bin nicht eingebildet. Ich tu ' nur so, weil 's in mein Schema passt. Ich bin 27 Jahre alt, ich habe Fotografie studiert, ich gehe aber nicht arbeiten. Ich hab das nicht nötig. Wieder eine meiner Äußerungen, die ich nicht ganz so ernst meine. Es ist die Wahrheit. Ich hab es nicht nötig, mein alter Herr hat gut vorgesorgt, was die Finanzen betrifft. Ich habe nicht viele Freunde, die nicht arbeiten gehen und trotzdem keine Geldprobleme haben. Die meisten haben einfach den perfekten Job. Das perfekte Einkommen und damit dann auch die perfekten Freundinnen. Ich dagegen bin immer Single. Ich halte nichts von Beziehungen. Ich mag Frauen. Ich mag sie sogar sehr, besonders unter Einfluss von Alkohol. Ich rede viel von meinem Leben. Und das hat alles keinen Zusammenhang und anstatt eine nette Einleitung herzustellen, verwirre ich jeden, bevor das Schlamassel überhaupt angefangen hat. Bevor ich mich und alles verloren habe. Bevor eine Aneinanderreihung von Ereignissen alles verändert hat.
Ich greife in meine Jeans um mein Portemonnaie zu präsentieren, kurz aber intensiv. Ich stelle mich an den Geldautomaten und tippe. Hebe Geld ab. Hebe ein Tausendstel meines Vermögens ab. Alles ist ruhig und normal, alles ist normal. Normal. Ich höre, wie sich die Tür öffnet. Ich weiß bis heute nicht, wieso ich mich auf dieses kleine, unwichtige Detail konzentriert habe. Die Tür. Es gibt eine ganze Menge Menschen auf der Welt, da ist die Wahrscheinlichkeit, dass jemand diese Bank betritt, während ich tippe, während ich eine ganze Menge Geld in den Händen halte. Aber ich erinnere mich. Ich erinnere mich auch an entschlossene Schritte. Schnell. Wendig. Bewusst.
Doch was danach kommt weiß ich nicht so richtig. Ich fand mich auf dem Boden wieder. Mit den Geld in der Hand. Ich liege auf dem Boden, die Hände flach auf den Boden gepresst, mein Atem schnell. Ich hatte eine Scheißangst. Ich sollte nicht viel zu befürchten haben, wäre ich normalvermögend. Hätte ich nicht den reichsten Vater des Landes. Ich war reichlich Stolz auf mich und auf das, was ich besaß, auf das war und zu dem, wozu ich mich entwickelte. Aber ich hatte auch eine extreme Angst vor dem, was wegen all dem mit mir gemacht werden konnte. Eine Frau stand da, sie redete, ich weiß es alles nicht. Sie redete, tat Dinge, schrie, drohte. Nahm Geld entgegen, durchwühlte die Tasche, nahm etwas heraus, vielleicht tat sie das auch nicht. Dann drehte sie sich um. Wollte gehen. Sie hatte einen Motorradanzug, den Helm hatte sie aufgesetzt und wollte die Bank verlassen. Sie ging auf mich zu. Sie würde entweder an mir vorbeigehen, oder riechen, das ich steinreich war. So was konnten Kriminelle doch riechen, oder? Sie ging. Und ging. Sah mir ins Gesicht. Ich sah ihre Augen. Und ohne Mist: ihre Augen hatten die Farbe von Gras. Mir fällt zu ihren Augen nur eines ein: grün. Sie waren schmal, aber nicht klein. Sie hatte schöne Augen. Sie sah mich an und blieb stehen. Sie roch es, sie sah es. Sie spürte es. Das scheiß Geld. Ich sah sie genauer an. Sie hatte Sommersprossen. Gut. Das war doch etwas. Ich sammelte Fakten über ihr Aussehen. Grüne Augen, Sommersprossen, schlanke Figur, etwa 1,70 groß. Die Polizei würde sie schnappen und ich würde mein Geld nach dem Raub wiederbekommen. Nein, man muss diesen Teil nicht verstehen. Ich denke Scheiße, wenn ich aufgeregt bin. Die Frau kam auf mich zu. Scheiße. Dann hockte sie sich hin und ich sah, dass sie rote Haare hatte. Ein paar Strähnen hingen ihr in die Augen. Sie sah mich einfach nur an. Ich sah sie auch einfach nur an. Das ging 'ne verdammte ganze Weile so, bis ich sagte, nein schrie: „Ich erkenne dich!“ Ich wusste nicht so recht, was ich damit meinte. Ich denke, damit meinte ich, dass ich sie wiedererkennen würde, wenn es darauf ankäme. Ich sah ihre Augen sich verziehen, sie lächelte. Dann stand sie auf und ging. Alle Leute im Raum standen auf. Ein paar Frauen und Kinder weinten, andere telefonierten. Ich ging nach Hause.

Ich saß auf dem Sofa und trank Weißwein. Ich hatte eine Vorliebe für Weißwein. Ich dachte nach. Die Frau aus der Bank ging mir nicht aus dem Kopf. Das hatte ich noch nicht einmal mit den Frauen, die mit mir in meinem Bett waren. Ehrlich, ich machte mir nichts aus Frauen, höchstens wenn ich sie ins Bett kriegen wollte. Aber sonst. Klar, als ich ein Teenager war, spielten Mädchen als Rolle in einer Beziehung eine bestimmte Rolle. Ich war mit ein paar Mädchen zusammen gewesen, doch ich merkte doch bald, dass das nichts für mich war. Aber diese Frau... Ich wollte wissen, wer die Frau war. Ich schlug mich selbst. Das war doch absolut Zeitverschwendung. Wozu sollte ich so was wissen wollen? Ich konnte jede haben, ich konnte mit jeder schlafen, ich konnte, wenn ich wollte. Warum beherrschte ausgerechnet sie meine Gedanken? Wahrscheinlich war es doch nur der Schock. Ich wäre beinahe ausgeraubt worden.
Um 20 Uhr holte Dustin mich ab. „Hey alter Knabe. Partylaune, oder was?“, sagte er lachend. Ich stieg schweigend in seinen Wagen. In dem Wagen saß neben ihm seine Freundin und zwei weitere Frauen, die ich noch nicht kannte. Ich setzte mich einfach neben Dustin. Ich hatte keine Lust auf Frauen. Der Gedanke schockte mich und ich setzte mich zwischen die Frauen. Alle redeten, doch ich schwieg so lang, bis Dustin mir einen Cocktail unter die Nase hielt. „Komm mal bitte ein wenig in Stimmung!“, sagte er und ich trank das Glas in einem Zug leer. Ich trank noch eine Menge mit Dustin und Jennifer, seiner Freundin, Daria und Karin, den beiden Frauen im Wagen. Ich kam angetrunken beim Club ein. Wir kamen sofort rein, klar. Wir waren stets Ehrengäste. Ich tanzte viel, doch ich trank noch mehr. Ich betrank mich nicht gerne, so viel es mir schwer, der reiche Blödmann zu bleiben, auf den die Frauen immer standen. Ich stellte meinen Cocktail also weg und sah mich nach Frauen um. Ich sah eine blonde, große Frau. Sie war schön, nur zu dünn. Ich mochte dünne Frauen nicht. Eine Lateinamerikanerin tanzte sich die Seele aus dem Leib. Ich ging auf sie zu. Doch auf dem Weg zog etwas anderes meine Blicke auf sich. Ich sag einen roten Schweif wedeln, ich achtete auf ihn, verfolgte ihn und sah eine rote Mähne flattern. Rote Locken. Die Frau drehte sich beim tanzen und ich sah eine sommersprossige, wunderschöne Frau mit gras-grünen Augen. Ich stand da eine Weile, sagte nichts, tat nichts, beobachtete nur die Frau, die ich vor ein paar Stunden gesehen hatte. Ich setzte mich zurück an die Bar und bestellte einen Weißwein und beobachtete die Frau. Sie war wirklich schön. Von all den Frauen hatte ich keine, die rote Haare hatte. Ich sah, wie sie ihre Hüften schwang, wie sie die Beine nacheinander auf und absetzte und ich sah, wie sie ihre Mähne schüttelte, wie sie lächelte, wie ihre Arme sich erhoben und die Hände zum Beat klatschten, wie sie einen Drink angeboten bekam und ablehnte. Ich bemerkte ihre schmale Taille, ihren Po und ihre Lippen, die rot geschminkt waren. Sie war nihct stark geschminkt, nur die Augen hatte sie dezent umrandet und die Lippen rot. Ich sah ihre Arme sich um einen Mann schlingen, ich sah wie ihre Hände in die Hosentaschen griffen und Portemonnaies ausräumten. Während sie tanzte. Ich sah, wie sie sich entschuldigte und den Ort wechselte. Ich sah, wie sie Frauen Ketten abnahm. Profi. Stehlen war ihr Geschäft. Ich zahlte meinen dritten Weißwein und ging auf sie zu. Ich kämpfte mich durch die Menge, ignorierte die blonden Schönheiten, die mich zum tanzen animieren wollten. Ich berührte die Rote an der Schulter und sie drehte sich verblüfft um, ich sah für einen Bruchteil einer Sekunde Angst in ihren Augen, doch sie fasste sich schnell wieder. „Kann ich helfen?“, fragte sie. „Wie viel hast du eingenommen?“, fragte ich sie grinsend. Sie lächelte müde. „Ich weiß nicht, wovon du sprichst.“, sie wendete sich zum gehen, doch ich hielt sie fest. „Ich erkenne dich!“, sagte ich. Sie starrte mich nur an. Lächelte. „Komm.“, sagte sie und ging Richtung Ausgang. Draußen zündete sie sich eine Zigarette an. „Jeder hat dich erkannt.“, sagte ich zu ihr. „Und wenn schon.“, sagte sie lächelnd. „Ich habe den besten Anwalt der Welt und immer reiche Männer an meiner Seite. Ich sag dir, ich bin wahrscheinlich die Frau, die am meisten Geld für Bestechungsgelder ausgegeben hat.“ „Tja, andere kaufen sich Schuhe und Handtaschen.“, sagte ich. „Und ich stehle sie.“ Sie ließ ihre Zigarette fallen. „Lass uns zu dir fahren.“, sagte sie. „Wie bitte?“ „Lass uns zu dir fahren.“, wiederholte sie. „Wozu?“, fragte ich. „Fragst du das immer, wenn eine Frau dich bittet, sie mitzunehmen?“, sagte sie lächeln. Also bestellte ich ein Taxi und fuhr mit ihr. Eigentlich wollte ich mit Dustin fahren. Ich schrieb ihm eine SMS. Im Taxi schlug die Frau ihre Beine übereinander und entblößte rote Zehnnägel. Ihre Fingernägel waren ebenfalls rot. Sie trug ein dunkelblaues Cocktailkleid. Ich musste zugeben, das sah enorm sexy aus. Sie redete nicht. Ich auch nicht. Nachdem ich sie nach ihrem Namen fragte und sie sagte, sie hieße Laura, schwiegen wir beide. Als wir bei mir ankamen, nahm ich ihren Mantel und hängte ihn auf. Sie nahm anschließend meine Jacke und schmiss sie auf den Boden. Sie küsste mich kurz darauf und zog mir auch meine anderen Kleider aus.

Ich wachte allein auf. Ich hatte es auch nicht anders erwartet. Ich, zog mir eine Boxershorts an und ging in die Küche, um etwas zu essen. Ich öffnete den Kühlschrank und nahm einen Joghurt. Ich drehte mich um, um mich an den Küchentisch zu setzen. Und da saß in meinem Hemd, mit Füßen auf dem Tisch, zerwühlten Haaren, einem Engelslächeln und einer Kaffeetasse in der Hand Laura an meinem Küchentisch. „Morgen.“, sagte sie grinsend und nahm einen Schluck Kaffee. „Morgen.“, sagte ich verblüfft. „Du bist noch hier?“, fragte ich. „Nein, ich bin nur eine Erscheinung, Georg.“, sagte sie lachend. Georg. Ich hatte ihr meinen Namen nicht genannt und außerdem nannten mich alle Guide. Diese Frau machte mir Angst. „Briefe.“, sagte sie und lachte. „Die Briefe deiner Mutter, die in deinem Nachttisch liegen.“ „Du hast...“, ich brachte den Satz einfach nicht zuende. „Ich wäre ja verschwunden.“, sagte sie. „Aber...?“ „Aber du sahst echt einsam und friedlich aus, als du geschlafen hast.“, sagte sie. „Und du hast mich fast verschlungen. Ich sage dir, du trainierst zu viel. Nicht einmal ich kann mich aus deinem Fesselgriff befreien.“






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