Liebe-so dunkel wie der tot

Autor: Elvira3
veröffentlicht am: 04.03.2010




Ich musste mich in den Schlaf geweint haben. Als ich aufwachte, stand der Mond schon am Himmel. Mein Kopf schmerzte und meine Augen fühlten sich seltsam geschwollen an. Als ich aufstand und zu dem Spiegel ging, der schräg an der Wand hing, bekam ich den Schock. Nicht im Sinne der Erschrockenheit, sondern im Sinne der Verblüffung wie Recht ich behielt. Meine Wangen zeigten die Spuren der verweinten Wimpertusche auf und meine Augen sahen schockierend rot aus. 'Wieso hatte ich geweint?' fragte ich mich noch im Halbschlaf. Es traf mich wie ein Blitz als mir wieder alles einfiel. 'Also war es doch kein Traum!' dachte ich traurig. Als mein Gewissen mir riet nach dem Mann in meinen Wohnzimmer zu sehen, entschied ich mich dagegen. Ich sollte ihn wohl noch ein bisschen schmoren lassen, nachdem er mich so verletzte. So saß ich fünf Minuten auf meinem Bett und horchte auf die Geräusche. Aber es erschien mir alles zu ruhig, zu unwirklich. Ich schlich auf Zehenspitzen in den verwünschten Raum und hielt Ausschau nach dem Tod. Mein Augen trafen die seinen. Ich verfluchte mich, als meine Knie zu beben begannen. Er streckte die Hand nach mir aus, zog sie aber sofort wieder ein. 'Als ob ich eine Seuche wäre.' dachte ich bitter. Da klingelte mein Telefon. Ich riss mein Blick nur mühsam von ihm los und schaute verärgert auf die Uhr. Wer wagte es um 3Uhr anzurufen? Eher ich an mein Telefon gelang, riss der Mann das Telefon von seiner Ladestation und ging ran. Es ärgerte mich, aber ich sagte nichts. Ich hatte Angst, das man noch die Nachwirkungen von meinem Zustand hören konnte. 'Ja sie ist da. -Sie ist beschäftigt. - Nein, ich kann sie nicht holen, aber ich kann ihr Ihre Nachricht mitteilen. -Weil es ihr nicht gut geht. - Ja, werde ich ausrichten. Eine schöne Nacht noch.' Ich stieß einen verzweifelten Schrei aus. Was erlaubte er sich? Nur weil er nicht normal war, konnte er nicht nach Lust und Laune tun was er wolle. Aber genau das war der Punkt. Er konnte. Ich hatte versucht ihm das Telefon aus der Hand zu reißen, doch er schüttelte mich ab. Es schien ihn nicht mal große Anstrengung zu kosten. Und nicht mal meine Schreie waren bis an das Telefon gekommen. Dafür klang meine Stimme zu krächzend. Er legte auf und lächelte spöttisch. Doch sein Lächeln verschwand als er den folgenden Satz aussprach:
'Deine Schwester liegt im Krankenhaus. Es geht ihr nicht gut. Sie hat eine schwere Lungenentzündung.'

Nach der Nachricht hatte ich mich geduscht und angezogen. Danach hatte ich mir einen starken Kaffee gemacht. Es tat gut das coffeeinhaltige Getränk den Hals runterzuspülen. Nach einigen Minuten kehrte die Lebensenergie in meinen Gliedern zurück. Doch es waren keine ganzen zwei Stunden vergangen. Ich wollte meine Schwester im Krankenhaus besuchen. Doch dafür war es noch zu früh. Wie verzweifelt das Herz sich verkrampfen konnte wenn man wusste, dass man nichts tun konnte. Der Tod beobachtete jede meiner Regungen.'Was wird das hier jetzt, eine 'Wir schauen der erbärmlichen Camille zu' Show? Denn das ist das allerletzte, was ich verkraften könnte. ' Ich hatte nicht so hart klingen wollen, doch meine Besorgnis um Carolin war zu groß.
'Ich weiß das du wütend bist, aber du hättest nicht mit deinem Vater sprechen können. Du hast dich doch vorhin gehört. Deine Stimme gehört. Sie klang kratzig, dein Vater hätte noch was falsches gedacht. Sich Sorgen gemacht!
Außerdem müssen wir reden.'
Ich wusste nicht auf was das hinaus laufen sollte, aber ich bat ihn sich zu setzen. Er hatte irgendetwas seltsames ausgestrahlt. Beunruhigung. Er räusperte sich, wobei er das nicht mal benötigte. Dem Tod konnte die Stimme nicht versagen. Wahrscheinlich schob er etwas hinaus.
'Ich weiß das du mich gern hast.' O weia. Hat man mir das so angemerkt? 'jedenfalls, will ich dir nur sagen, dass so etwas nicht geht. Ich werde nie etwas gleiches für dich empfinden können. Du bist eine starke Frau, aber ich habe…sozusagen kein Herz. Ich kann nicht lieben. Und du sollst nicht in etwas hineingeraten, was du nicht wieder ausbaden kannst.'
Ich schwieg. Was hätte ich groß sagen sollen? Danke? Aber ich hätte auch keine Antwort zurück geben können, so schnell stand er auf und verschwand. Ich hörte die Haustür zuschlagen und dann war alles still. Ich versuchte seinen Schritten zu lauschen, doch sie kamen nicht.

Kurz bevor das Taxi kam, war der Tod wieder da. Er sagte nichts und ich wusste nicht mal wo er vorhin gewesen war. Jeder ging seinen eigenen Gedanken nach. Als wir im Krankenhaus ankamen, bezahlte ich das Taxi und ging in das Gruselhaus hinein. In dem Zimmer, in dem meine Schwester lag, winkte mir mein Vater zu. Ich war nicht sonderlich überrascht ihn zu sehen. Carolin war immer seiner liebste Tochter gewesen. Er umarmte mich und gab mir einen Kuss. Er sah anders als beim letzten Besuch aus. Mager und bleich. Auch seine Augenringe entgingen meinen Blick nicht.
'Dad, bist du etwa die ganze Nacht aufgeblieben?'
Er bemühte sich um ein Lächeln, das kalt und bitter herüberkam.
'Ich konnte nicht schlafen. Auch deine Mutter macht sie furchtbare Sorgen. Aber sie ist in Australien. Sie muss wieder neue Fotos schießen. Die Agentur will ihr nur einen Tag frei geben, was sie nicht schaffen würde.'
Ich hatte den Tod nicht aus den Augen gelassen. Es wunderte mich, das mein Vater nichts zu ihm sagte. Der Tod formte mit den Lippen 'Kann mich nicht sehen.' was mir verständlich vorkam. Nicht jeder musste den Tod nun sehen. Als mir bewusst wurde dass mein Vater mich ansah, dachte ich noch mal scharf über seine Sätze nach. Nur einzelne Worte waren mir ins Gehör gedrungen.
'Wie geht es ihr?'
'Sie ist noch nicht die alte. Es geht ihr aber schon besser. Sie hat einen schweren Husten. Aber ich vertrau auf die Krankenschwester.'
Wir gingen durch die Tür in ihr Zimmer. Starke Medizin und der Gestank von Urin wehte mir entgegen. Ich unterdrückte ein Würgern, der drohte auszubrechen. Carolin sah schrecklich aus. Ich bezweifelte, dass sie noch lebte. Tränen stiegen mir auf. Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter. Ich lächelte Dad leicht an, bemerkte aber, dass sie nicht von ihm stammte.'Camille.' Carolin streckte mir die Hand entgegen, erstarrte aber in der Bewegung.'Wer ist das?' Sie zeigte auf den Tod und ich erschrak. Aber ich ging nicht näher darauf ein.'Wer Schatz? Du musst halluzinieren.' Hörte ich Dads beunruhigende Stimme. Doch Carolins Gedanken schienen weit weg. Sie hatte nur Augen für ihn. Ich erschrak als ich ihn die Lippen bewegen sah. Sie kommunizierten! Und ich bekam nichts von ihrem Gespräch mit. Empört sog ich die Luft ein. Ich ging zu ihr und stellte rasch fest, das sie Fieber hatte. Und zwar äußerst hohen. Ihr Blick wanderte zu mir und erst jetzt schien sie mich wirklich zu sehen. Sie hob ihre Hand und berührte mich. Dann lächelte sie.

'Warum konnte sie dich sehen?' fragte ich ihn zu Hause.
Schweigen.
'Du schuldest mir eine Antwort!' ich hatte es nicht schreien wollen, aber ich konnte nichts dagegen tun. Und ich bereute es nicht mal nach seiner Antwort.
'Ich schulde dir gar nichts.'
Ich hätte gerne so etwas wie 'Verdiene ich nicht mal mehr eine wahre Antwort?' gesagt. Aber meine Sinne waren wie betäubt. Ich wusste die Antwort. Und er, was ich wusste. Doch musste ich es gesagt bekommen, vorher konnte ich es nicht glauben. Oder wollte es nicht. Ich schob meinen Kinn trotzig vor. Ich verengte meine Augen. Er schaute genauso trotzig zu mir. Und dann sah ich es. Das traurige flackern in seinen Augen. Die Bestätigung. Ich schrie auf. Das konnte nicht sein!!!! Das durfte nicht. Oh nein, warum nur?
'S..sie…konnte dich sehen weil, …weil sie sterben wird. Ist es nicht so? Oh du verlogener….verlogener…dreckiger Bastard!'
Ich weinte vor Wut, weinte vor Verzweiflung und Trauer, das ich beinahe daran erstickte. Wenn es einen Gott gab, warum tat er dann so etwas. Ich beschimpfte den Tod weiter, bis mir keine Schimpfwörter mehr einfielen. Dabei hatte ich die schlimmsten Worte vergessen, was mich nur noch wütender machte. Als ich keine geistigen Angriffe mehr an ihm ausüben konnte, nahm ich die einzig Waffe, die ich in die Finger bekam. Eine Vase, gar nicht mal so schlecht. Ich schmiss sie mit einer solchen Zielstrebigkeit und Kraft in seine Richtung, dass es beinahe seine Brust traf. So wich er dem Gegenstand aus und bekam sie nur an der Schulter zu spüren. Wir beide starrten uns überrascht an und wir schauten gleichzeitig beide erstaunt auf seine blutende Wunde. So so, der Tod konnte also bluten. Eher ich blinzeln konnte, lag ich in seinen Armen. Und eher ich wusste was geschah, hatte ich meinen Kopf an seine Brust gelegt und hemmungslos angefangen zu schluchzen.
'Warum stirbt sie? Warum? Warum? Warum? Sie war immer so eine hilfsbereite Person, warum hilft ihr jetzt nur niemand?'
Ich spürte, wie er meine Haarsträhnen von meiner Wange strich. Es war ein beruhigendes Gefühl. Er mochte mich. Ich wusste es. Er konnte fühlen. Er musste mich einfach gern haben, wenn er plötzlich so zärtlich zu mir war. Es war eine plötzliche Gewissheit. Als ich zu ihm aufblickte, sah ich abermals seinen gequälten Blick.







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