Allem zum Trotz

Autor: Allegra
veröffentlicht am: 20.04.2006




Kapitel 4

Alex:

Ohne länger darüber nachzudenken, dass Gwen es eventuell in ihre Hände bekommen könnte, schnellte ich zum Fenster und öffnete es. Ich kletterte auf den Fenstersims und sprang raus. Leise landete ich auf meinen Füssen im Garten.
Ich lief den ganzen Weg drei Mal ab. Ich drehte jeden Stein um und schaute unter jedem Blatt nach. Mein Block blieb verschollen. Auch wenn es naiv von mir war, noch zu glauben, dass ich ihn doch verloren habe oder dass er unter mein Bett geglitten sein könnte, als ich meinen Rucksack ausschüttelte, hielt ich mich an diesem Strohheim fest.
Mit meiner Suche war ich mehr als gründlich gewesen, denn ich habe dafür mehr als zwei Stunden gebraucht. Sehr geknickt kam ich wieder nach Hause. Als ich die Tür aufstieß, empfang mich meine Mutter mit einem neugierigen Blick.
-Ich musste noch wohin. – sagte ich, ohne dass sie mich gefragt hatte. Jetzt wollte ich noch in mein Zimmer zurück und es noch auf den Kopf stellen, in der Hoffnung mein Block wieder zu finden.
-Alex. – hielt mich die Stimme meiner Mutter auf, als ich die erste Stufe der Treppe betrat. Ich drehte mich noch mal zu ihr um. – Dein Vater und ich müssen uns mit dir unterhalten. – sagte sie dann in einem Ton, der mir zu verstehen gab, dass ich keine andere Wahl hatte. Ich seufzte und ging ihr nach, zum Arbeitszimmer meines Vaters.
In alter Manier klopfte sie an und machte die Tür erst auf, als sie die Stimme meines Vaters hörte, die uns hereinbat.
-Schatz, - sagte meine Mutter mit einer süßen Stimme. Mein Vater, der hinter seinem Schreibtisch saß und arbeitete, hob seinen Kopf und klappte den Laptop zu. Zumindest nahm ich es an. Er könnte sich auch an seinem Laptop Pornos angeschaut haben, aber daran mag ich nicht einmal denken.
So weit ich zurückdenken kann, waren meine Eltern stets glücklich miteinander. Beziehungsweise hörte ich sie nie streiten. Die Aufgaben in unserem Haus waren strickt verteilt. Meine Mutter kümmerte sich um den Haushalt und mein Vater ging arbeiten. Nie widersprach meine Mutter meinem Vater und sein Wort war Gesetz für sie. Ich weiß ja nicht, ob ich mit einer Frau glücklich sein konnte, die zu allem nur „Ja“ und „Amen“ sagte. Vielleicht war ich deswegen in Gwen so vernarrt, weil sie ständig an mir war auszusetzen hatte.
Wieder ertappte ich mich daran, wie ich an Gwen dachte.
-Du wolltest mich sehen, Vater. – sagte ich, als meine Mutter hinter mir die Tür zumachte.
-Ja, in der Tat. – sagte er, ohne aufzustehen. Er machte eine einladende Bewegung in Richtung der beiden Sessel, die ihm gegenüber standen. Meine Mutter nahm Platz und ich folgte ihr.
-Was gib`s? – wollte ich wissen, denn ich wollte so schnell wie möglich in mein Zimmer zurück.
-Es geht um deine Braut. – sagte mein Vater und faltete die Hände vor sich auf dem Tisch zusammen. Sofort wichen andere Gedanken aus meinem Kopf.
-Meine was? – ich hoffte bloß, dass ich mich verhört habe. Natürlich wusste ich von dem Brauch unseresgleichen, der besagt, dass ich das Mädchen zur Frau nehme, die meine Eltern ausgesucht haben, aber ich hatte nie daran geglaubt und nun war es so weit und ich konnte es kaum fassen.
-Du hast schon richtig gehört. – sagte mein Vater ruhig dazu. – Du bist nun 17 Jahre alt und es wird Zeit, dass du sie endlich kennen lernst. Sie ist vor drei Monaten 17 geworden und wurde sogleich von ihren Eltern gewandelt. Nun sind sie der Ansicht, dass sie bereits ist unseresgleichen vorgestellt zu werden und natürlich auch dir. – erklärte er und ich sah ihm nur mit offenem Mund an. – Am 10. Oktober findet der alljährliche Ball statt und auf diesem wird sie unserer Gesellschaft vorgestellt. – erläuterte er mir, ich war noch immer nicht in der Lage, was zu entgegnen. Nach dem Wort „Braut“ war ich wie gelähmt.
-Wir haben bereits mit ihren Eltern gesprochen und sie … - fuhr er fort, doch ich unterbrach ihn.
-Moment mal. – warf ich dazwischen und erntete von ihm einen missbilligen Blick, der mir im Moment mehr als egal war. – Ich habe immer gedacht, dass mit der Zwangsverlobung wäre nicht ernst gemeint. – sagte ich dazu. Ich musste kurz überlegen.
-Zwangsverlobung ist wohl einwenig zu hart ausgedrückt. – sagte meine Mutter mit einem zurückhaltenden Lächeln, als ob sie mich nicht für voll nehmen würde. – Du hast ja die Möglichkeit sie kennen zulernen. – sagte sie dann.
-Und wenn sie mir nicht gefällt, kann ich mir dann selbst eine aussuchen? – wollte ich wissen und schaute meine Mutter an, die nur einen hilfesuchenden Blick zu meinem Vater warf.
-Nein. – sagte er bloß dazu. Ich sah meinen Vater nun an. Seine Gesichtszüge waren meinen sehr ähnlich, nur dass seine etwas härter und kantiger waren. Seine schwarzen Augen sahen mich ausdruckslos an, doch ich wusste, dass er keine Widerworte meinerseits dulden würde, doch ich wollte meine Eltern nicht darüber entscheiden lassen, wie ich mein Leben zu leben habe und eine Frau wollte ich mir selbst aussuchen. Da dachte ich wieder an diese eine bestimmte Person.
-Wir leben im 21. Jahrhundert. – sagte ich aufgebracht. – Und ich will mir selbst eine Freundin aussuchen. – bestand ich.
-Du bist noch jung und unerfahren. Du weißt nicht, was gut für dich ist. – sagte meine Mutter geduldig, obwohl ich an ihren Händen, die sie knetete, sah, dass ihr meine Reaktion nicht gefiel.
-Deine Mutter hat Recht. – riss mein Vater das Wort wieder an sich. – Wir wissen am besten, was gut für dich ist und … - doch erneut fiel ich ihm ins Wort.
-Es ist mein Leben. – rief ich dazwischen. Ich war nun auf 180. Die Ruhe, die meine Eltern bei meinem Wutausbruch beibehielten, goss nur noch mehr Öl ins Feuer. – Ich will selbst bestimmen, wen ich heiraten und wann. – fügte ich hinzu.
-Jetzt reicht es, Alex. – sagte meine Vater streng, aber keine Veränderung in seinem Gesicht und in seiner Stimme war zu erkennen. – So bestimmen es unsere Gesetze und du wirst dich daran halten, ob du es willst oder nicht. – bestimmte er.
-Ich scheiße auf diese Gesetze. – sagte ich nur mit vor Verachtung zusammengekniffenen Augen.
-Halt deinen Mund! – schrie mein Vater und sprang auf. Er schlug so fest mit seinen Fäusten auf die Tischplatte, dass diese in zwei brach. Ehr ich verstand wie es mir geschah, war mein Vater schon bei mir. Er hob mich von Stuhl hoch und drückte mich mit einer Hand an meinem Hals an die Wand.
So wütend habe ich ihn noch nie erlebt. Während ich ungefähr 30 Zentimeter über dem Boden hing, hatte ich die Hose gestrichen voll.
-Nie wieder stellte du unsere Gesetze in Frage, hast du mich verstanden. – zischte mein Vater mir ins Gesicht. Er war mir so nah, dass ich seinen kalten Atem in meinem Gesicht spüren konnte. – Du wird diese befolgen und keine Widerworte geben. – fuhr er fort ohne mich loszulassen. –Ich habe dich erschaffen und ich kann dich genauso gut wieder vernichten. – drohte er mir. Wenn mein Herz noch schlagen würde, würde es jetzt bestimmt nicht mehr.
-Richard, das reicht. – hörte ich die Stimme meiner Mutter. Sie legte meinem Vater beruhigend ihre Hand auf die Schulter. – Lass ihn jetzt los. – forderte sie, ohne ihre Stimme zu erheben. Noch einmal sah mich meine Vater mit seinen kalten Augen an und ließ mich dann los. Ich schlug mir den Kopf an der Wand an und fiel dann zu Boden. Ich spürte noch immer seine Hand an meinem Hals.
-Geh ich dein Zimmer. – befiehl mir mein Vater und ich rappelte mich auf um das Weite zu suchen. Ich stieß die Tür auf und prallte mit Stan zusammen.
-Was ist denn los? – wollte er wissen, doch ich stieß ihn bloß von mir und lief hoch in meine Zimmer. Ich knallte die Tür so kräftig zu, dass der Putz von der Decke rieselte.
Den Block hatte ich schon vergessen. Denn die Tatsache, dass Gwen ihn in ihre Hände bekommen würde, war nun mein geringstes Problem.


Gwen:

Alex hatte es recht eilig den Klassenraum zu verlassen. Nachdem er geflüchtet war, blieb ich einige Momente sitzen und dachte nach. Die ganze Zeit über hatte ich Alex beobachtet, doch er ließ sich nichts anmerken. Ich seufzte traurig und vergrub mein Gesicht in meinen Händen.
-Du bist ein Trottel. – schimpfte ich über mich selbst.
-Dem kann ich nur zustimmen. – pflichtete mir jemand bei. Erschrocken fuhr ich hoch und sah Vivi vor mir stehen.
-Was machst du denn hier? – fragte ich sie und sammelte meine Sachen auf dem Tisch auf.
-Ich habe jeden Dienstag Volleyball. Schon vergessen? – erinnerte sie mich. In der Tat hatte ich das. Alex brachte mich total durcheinander, auch wenn er nicht in meiner Nähe war. Während ich noch damit beschäftigt war, meine sämtlichen Sachen in meinen Rücksack zu packen, setzte sich Vivi auf den Lehrertisch und baumelte mit ihren Beinen. – Und jetzt erzähl mir, warum du dich als Trottel bezeichnest? – fragte sie dann und schaute mich neugierig an.
-Ich hatte nur etwas vergessen. – log ich ohne sie anzusehen. Einige Momente lang spürte ich noch ihren Blick auf mir, doch sie fragte zu meiner Erleichterung nicht weiter.
-Hast du heute nachmittags noch etwas vor? – fragte sie mich und ich schüttelte bloß mit dem Kopf. – Willst du mit mir und ein paar anderen Leuten Eis essen gehen? Das Wetter ist so bombastisch. – fragte sie mich.
-Ich weiß nicht. – sagte ich dazu.
-Ja oder nein? – bestand sie mit Nachdruck. Vivi fragte mich fast jeden Tag, ob ich mit ihr was unternehmen möchte, doch ständig musste ich ihr absagen, was mir mehr als leid tat. Es war nur so, dass ich meine Emotionen nicht immer so im Griff hatte, manchmal wurde ich wütend und das so richtig. In diesen Momenten wollte ich keine unschuldigen Menschen um mich herum haben, die ich mit einem Schlag töten könnte.
Ich schulterte meinen Rucksack und sah sie an.
-Ok. – sagte ich dann.
-Wirklich? – fragte sie ungläubig mit einer hohen Stimme. – Du willst wirklich mit mir was unternehmen? – sie konnte es immer noch nicht glauben.
-Wenn du mich weiter damit nervst, dann sage ich ab. – drohte ich ihr scherzhaft.
-Bitte nicht. – flehte sie mit einem Lächeln.
-Lass uns gehen. Für heute habe ich genug. – sagte ich nur pustete mir eine Strähne aus dem Gesicht. Vivi sprang von dem Tisch runter und ließ ihre Tasche fallen. Sie beugte sich vor um diese aufzuheben.
-Ich habe was gefunden. – verkündete sie mir, als sie sich wieder aufgerichtet hatte. Sie hielt mir einen Block im Ed Hardy-Umschlag entgegen. – Wem der wohl gehört? – fragte sie mehr sich als mich und schlug die erste Seite auf. – Schau dir das mal an. Eigentum vom Alex Warren. – las sie vor und mir wurde ganz warm. – Mal schauen, ob er auch immer brav mitschreibt. – meinte sie und kicherte.
-Lass das. – meinte ich streng und riss ihr den Block aus den Händen. – Es ist privat. – meinte ich, obwohl ich selbst mehr als neugierig war.
-Ich habe ihn gefunden, also darf ich auch reinschauen. – protestierte sie lauthals und wollte mir den Block entreißen, doch es gelang ihr nicht.
-Vivianna Johns. – sagte ich streng. – Es gehört sich nicht in Sachen anderer rumzuschnüffeln. – tadelte ich sie. Sie verzog nur das Gesicht und zog eine Schnute.
-Du hörst dich schon an, wie meine Mutter. – sagte sie beleidigt. – Nur die ersten 3, 4 Seiten. – bat sie mich.
-Nein. – meinte ich und zog meinen Rucksack von einer Schulter um den Block reinzulegen. – Es gehört sich einfach nicht. – wiederholte ich.
-Bist du denn nicht neugierig? Nur ein wenig? – fragte sie mich. Natürlich war ich neugierig, aber ich schüttelte bloß mit dem Kopf. – Vielleicht schreibt er ja seine Geheimnisse rein. „Oh liebes Tagebuch, heute habe ich schon wieder den Macho raushängen lassen“. – sagte sie und versuchte Alex` Stimme zu imitieren, was wirklich daneben ging. Aber trotzdem musste ich lachen.
-Das ist ein Schulheft. – sagte ich nur.
-Ich schreibe in meine Schulhefte auch rein, dass ich Kyle so verdammt sexy finde, also warum sollte Alex das nicht tun? – meinte sie und zuckte mit den Schultern.
-Ich glaube nicht, dass er auf Kyle steht? – scherzte ich und jetzt lachte Vivi.
-Ich meine ja nicht, dass er Kyle sexy findet, aber er könnte doch reinschreiben, auf welches Mädchen er steht. – interpretierte Vivi.
-Ich glaube nicht, dass Jungs so etwas tun. – bezweifelte ich.
-Oh Baby. – sagte sie nur zu mir und legte mir einen Arm um die Schultern. – Du verstehst wirklich nichts von Jungs. – fuhr sie vor. Ich schaute sie von der Seite an. Und das sagte mir eine, die noch nie einen Freund hatte. Doch das behielt ich dann für mich.
Nachdem ich mich von Vivi an der Kreuzung zu ihrem Haus verabschiedet hatte und mich mit ihr um 17:00 Uhr verabredet hatte, setzte ich meinen Weg fort. Die Schultasche fühlte sich unglaublich voll an. Natürlich war mir klar, dass ich mir das nur einredete, denn sie war genauso voll wie auch an den vorherigen Schultagen, doch der Gedanke an den Block machte sie für mich so schwer.
Ich musste den ganzen Weg zu meinem Haus darüber nachdenken.
-Hallo. – begrüßte ich halbherzig meinen Dad, der in unserer offenen Küche am Herd stand.
-Hi Schatz. – begrüßte er mich freundlich. – Wie war die Schule? – erkundigte er sich.
-Gut. – sagte ich nur abwesend.
-Das Essen ist in 30 Minuten fertig. – teilte er mir mit.
-Okay. – entgegnete ich nur und ging die Treppen hoch zu meinem Zimmer. Als ich dort angekommen war, fühlte ich mich sicher. Ich nahm die Tasche von meinem Schultern und legte sie auf meinen Schreibtischstuhl. Einige Augenblicke lang starrte ich sie an, also ob sie gleich in die Luft gehen würde. Ich ging im meinem Zimmer hin und her.
Einerseits hatte Vivi mich auf den Inhalt des Blocks neugierig gemacht. Es kann ja zweifellos sein, dass Alex mehr reingeschrieben hat, als nur seine Schulaufgaben. Andererseits war ich keine Heuchlerin, ich kann Vivi doch nicht davon abhalten und ihr etwas von Privatsphäre erzählen und selbst dann diese verletzten. Ich rankte innerlich mit mir selbst.
Dann beschloss ich mich mit Hausaufgaben abzulenken. Das klappte immer, doch nicht heute. Ich zog meine Englischsachen aus meiner Tasche und stellte diese unter den Tisch, ganz weit von mir weg. Ich schlug das Englischbuch auf und las die erste Aufgabe durch. Dann noch einmal und noch einmal.
-Mist. – schimpfte ich und schlug das Buch wieder zu. Ich konnte mich einfach nicht konzentrieren, es war heute zu viel vorgefallen. Ich legte meinen Kopf auf die Tischplatte und starte aus dem Fenster. Der große Baum vor meinem Fenster wiegte sich im Wind hin und her. Die Blätter rauschten.
Ich schloss meine Augen und entspannte mich. Ich hörte wie unten im Wohnzimmer, meine Brüder sich stritten. Wie meine Mutter im Kinderzimmer mit meiner kleinen Schwester sprach. Wie mein Dad in der Küche Steaks fertig machte und vor sich her sang. Und ich empfang Hass auf sie alle, besonders auf meine Eltern. .







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