Anima

Autor: Bubbles
veröffentlicht am: 20.03.2010




Jemand schüttelte mich ganz leicht an meiner Schulter.
'Wach auf.' Ich grummelte einen unverständlichen Protest und drehte mich auf die andere Seite. Das schüttelten wurde stärker.
'Anima, wir sollten mit unserem Training beginnen.' Hauchte jemand in mein Ohr. Ich zuckte zusammen und schlug meine Augen auf. Vor mir war genau Force Gesicht. Ich stieß einen abgehackten Schrei aus.
'So hat mir noch nie jemand einen Guten Morgen gewünscht.' Kicherte er fröhlich.'Erschreck mich doch nicht so, ich hätte beinahe einen Herzinfarkt bekommen!' brummte ich.
'Wird nicht mehr vorkommen, aber jetzt mach dich fertig, damit wir den Tag aus nützen können.'
Ich stand auf, zog mich an und ging dann ebenfalls in die Küche zu Force. Ich hatte vorgehabt zu frühstücken, doch nach einem Blick in den Kühlschrank verging mir der Appetit. Ich begnügte mich mit einem Glas Wasser.
'Warum haben wir nur Fleisch?'
'Wir sind mitten im Wald, kilometerweit entfernt von Dörfern und Häusern. Da hat man nun mal keine große Auswahl.' Ich verschluckte mich am Wasser und brachte unter ständigen husten heraus: 'kilometerweit entfernt?'
'ja' er sagte das als wäre das selbstverständlich.
'Warum?' Force sah mich unverständlich an. 'Ich meine warum wohnen wir so abgeschieden?'
'Das hat viele Gründe. Der ausschlaggebendste ist, dass es am sichersten für dich ist.' Ich zog meine Augenbrauen zusammen.
'Wäre es in einem Dorf den nicht sicher für mich?'
'Nein, die Malus würden dich sofort finden. Je weniger Leute dich sehen, desto größer sind unsere Chancen unentdeckt zu bleiben.' Folgerte Force.
'Und wie kommen wir an das Fleisch? Das musst du doch auch irgendwo kaufen, also könnten wir unsere Essensauswahl ja erweitern.' Schlug ich vor.
'Nein, das kaufe ich nicht. Ich jage für uns, deswegen war ich auch gestern Vormittag nicht da.'
'Aha' sagte ich lahm. '…und wie? Ich hab noch nie ein Gewehr hier gesehen.'
'Doch ich hab eins. Es ist nur versteckt' zwinkerte Force mir zu. Misstrauisch beobachtete ich ihn. Er lachte, als er meinen Blick sah.
'Also fangen wir an? Wir haben ja noch einiges zu tun!' Ich trank mein Glas leer und wir gingen in mein Zimmer zurück. Wir stellten uns in die Mitte des Raumes, Force blieb vor mir stehen. 'Also vergiss nicht: Du brauchst keine Angst vor mir haben, egal was dein Unterbewusstsein dir sagt!' Versuchte er meine aufkeimende Nervosität zu ersticken. Ich sah ihm in die braunen Augen. 'Es würde mir vielleicht leichter fallen, wenn ich wüsste wie du diese Angst hervor bringst.' Er sah mich lange Zeit nur an, als würde er etwas in meinen Augen suchen. 'Nein, dann würde es dir bestimmt nicht leichter fallen. Ich glaube so fällt dir es noch immer am leichtesten, deine Angst zu bezwingen.' Fragend sah ich ihn an.'Glaub mir die Zeit wird noch früh genug kommen, wo ich dir alles erzählen werde.', Force lächelte mich ermutigend an. 'Also, bist du bereit?'
Ich nickte. Und wie die ersten paar Male zuvor geschah es auch nun wieder. Plötzlich schien mir als würde Force sich verändern, und etwas böses würde ihn umgeben. Als hätte mir jemand einen Schlag in den Magen gegeben, stolperte ich zurück, die Augen unweigerlich auf den Mann vor mir gerichtet. Ich erkannte zwar das er mich sanft und beschützend ansah, doch alles in mir schrie, so weit wie möglich von ihm fort zu kommen. 'Anima, du brauchst keine Angst vor mir haben. Ich würde dir nie etwas tun!' Ich hörte seine Stimme nur leise, durch meine trüben Gedanken hindurch. Noch immer ging ich rückwärts. Verschwinde! Gefahr! Brüllte was in mir. Ich spürte die Wand in meinem Rücken. Mir war als würden meine schlimmsten Alpträume zur Wirklichkeit werden und wollten mich nun erdrücken.'Vergiss nicht ich bin da um dir zu helfen. Du musst mich nicht fürchten.' Sagte Force sanft. Er kam zögerlich ein paar Schritte auf mich zu. Bei jeden Schritt, zuckte ich heftiger zusammen. Meine Atmung beschleunigte sich und meine Sicht trübte sich. Er blieb gut 2 Meter vor mir stehen. Ich atmete stoßweise und mein Herz zersprang beinahe in meiner Brust. Ich konnte mich nicht mehr bewegen und mein Körper begann unkontrolliert zu zittern. Mein Blick verlor sich immer mehr im Nichts.
'Anima. Sieh mich an! Beruhig dich. Atme langsam. Egal was du siehst, es ist nur eine Illusion. Deine Gefühle stimmen nicht, denn es ist alles in Ordnung, verstehst du?'. Seine beruhigende Stimme holte mich wieder zurück. Er hatte recht! Es war nicht Wirklichkeit! Ich sah ihn an. Es war als würde ihn etwas schwarzes umgeben, das mit jedem Schritt den er auf mich zu machte, stärker und heftiger wurde. Als würde diese schwarze Hülle versuchen, mich zu ersticken.
'Anima, was siehst du? Rede mit mir.' Meine flüsternde Stimme zitterte: 'Da ist was Schwarzes…je näher du kommst um so stärker wird es…ich hab Angst…mach das es auf hört, Force.' Er stand noch immer dort.
'Egal wie schlimm es aussieht, es kann dir nichts tun, weil es nicht echt ist, Anima.' Ich nickte leicht. Es ist nicht echt! Es ist nicht echt! Er kam einige Schritte näher, blieb dann aber wieder stehen. Lauf! Zischte etwas. Tod! 'Es ist nicht echt!' wiederholte ich laut. 'Genau. Traust du dich zu mir kommen, Anima? Ich verspreche dir, es wird nichts passieren.' Er streckte seine Hände aus, als wolle er mich umarmen. Die Hülle verwandelte sich in schwarze Flammen. Sie züngelten heftig, als wollen sie mich ebenfalls willkommen heißen. Ich tat vorsichtig einen Schritt auf Force zu. Mir kam es so vor als würde meine Haut zerreißen, sie spannte und tat weh. Ich schluchzte laut auf und blieb stehen. 'Meine Haut, Force, sie brennt!'
'Nein, es stimmt alles. Das macht dein Unterbewusstsein, es will dich nur warnen, aber in Wirklichkeit gibt es nichts wovor du Angst haben musst! Komm einfach zu mir.' Seine Augen funkelten beschützend und zärtlich. Seine Arme waren noch immer ausgestreckt. Ich stolperte zu ihm hin und als ich ihn erreicht hatte, schloss er sofort die Arme um mich und hielt mich fest. Mein Körper begann sofort wieder zu zittern und die schwarzen Flammen umschlossen mich. Ich schnappte nach Luft. Seine Hände streichelten beschützend und sanft meinen Rücken.
'Beruhig dich Anima, alles ist gut! Es gibt nichts was dich verletzten kann.' Flüsterte er mir beruhigend ins Ohr. Ich atmete langsam ein und aus. Hielt mich an seiner Jacke fest. Die Schwärze umschloss mich nun vollständig, aber es tat nicht weh.
'Du hast Recht es gibt nichts was mich verletzen kann.' Flüsterte ich noch immer zittrig. Ich schaute runter auf seine Arme. Die schwarzen Flammen tänzelten nun irgendwie ruhiger und nicht mehr bedrohlich. Ich fuhr mit einer Hand zu seinem Arm und bewegte sie in den Flammen, ohne das ich seine Haut berührte. Es tat nicht weh. Eigentlich spürte ich gar nichts.'Was ist da, Anima?' flüsterte er neugierig. Ich überlegte ob ich ihm sagen sollte, was ich sah. Würde er mich für verrückt halten? Vorsichtig antwortete ich: '…da sind überall schwarze Flammen…du bist umhüllt von ihnen.' Ich schaute etwas zögerlich zu ihm auf. Er lächelte mich beschützend an.
'Kannst du jetzt trotzdem das alles wieder verschwinden lassen? Es ist halt doch unheimlich.' Sagte ich zögerlich.
'Na klar, für heute hat das ja auch gereicht.' Er lächelte noch immer. Plötzlich waren die Flammen und meine noch immer etwas unruhigen Gefühle verschwunden. Es war als wäre das nie passiert, als hätte ich mir alles nur eingebildet. Ich zog meine Augenbrauen zusammen.
'Was ist?' fragte Force besorgt.
'Es ist alles so…als würde das alles nicht passieren. Ich meine…, es kann ja auch gar nicht passieren, aber…ich weiß nicht…es ist als würde ich…verrückt werden.' Beendete ich meinen Satz. Er hielt mich noch immer umarmt. Er lächelte mich verständnisvoll an. 'Anima, glaub mir. Du bist nicht verrückt. Ganz sicher nicht.' Ich gab nur ein unverständliches 'Mhm' von mir und machte mich dann von ihm los. Force folgte mir zum Bett und er setzte sich neben mich, aber wir hielten wieder Distanz zueinander.
'Warum nennst du mich Anima und nicht Elisa?' fragte ich ihn irgendwann.
'Weil du nun mal Anima heißt.' Er sagte das so, als wäre das selbstverständlich.
'Ich weiß zwar nicht, wo du das auf geschnappt hast, aber mein Name ist Elisa. Das kannst du mir ruhig glauben. Ich werde ja wohl noch meinen eigenen Namen kennen.' Erklärte ich ihm mit freundlicher Stimme.
'Du hast von Anfang an Anima geheißen, deine Mutter hat dich dann nur umbenannt.''Nein, das stimmt nicht. Warum sollte sie das tun?'
'Um dich zu schützen. Hätte jeder dich unter Anima gekannt, wärest du leichter zu finden gewesen.' Ich schaute auf meine verschränkten Hände nieder und zog die Augenbrauen zusammen. Plötzlich ging mir ein Licht auf. Ich sprang vom Bett auf und sah Force misstrauisch an. Seine Miene war verwundert.
'Sie hat mich vor dich beschützt!' Meine Stimme war ruhig, aber ich erkannte das es wahr sein musste. Force blickte mich überrascht an.
'Ja, sie hat mich vor dich beschützt, oder?' ich wollte eine Antwort hören. Nun stand auch er auf. 'Sie hat dich vor den Malus, vor mir, und auch noch vor anderen beschützen wollen, ja.' Meine Augen wurden groß. Ich hatte zwar gewusst dass es wahr sein musste, hatte aber nicht damit gerechnet das er mir auch zustimmen würde. Meine Miene wurde abweisend und verschlossen, ich blieb aber stehen wo ich war. Wenn meine Mutter mich vor ihm beschützen wollte, musste er gefährlich sein, schoss es mir durch den Kopf.
'Warum wollte sie mich vor dich beschützen?'
'Deine Mutter dachte so sei es das Beste. Sie glaubte ich wäre ihr und auch dir gegenüber gefährlich.' Das ließ mich aufhorchen. Anders formuliert hieß das so viel wie: Ich bin gefährlich, aber du musst dir keine Sorgen machen. Jetzt wich ich doch ein paar Schritte zurück. Es wär als würde da ein Fremder vor mir stehen. Er runzelte die Stirn und musterte mich. 'Was ist los, Anima?' Da fragt er noch? Vielleicht hatte er doch was mit dem Tod meiner Mutter zu tun. Das wäre nun auch verständlich. Er hatte mich wahrscheinlich schon seit längere Zeit gesucht, und hätte alles Mögliche getan um an mich ran zu kommen. Woher wusste er auch sonst so viel über mich und woher kannte er den Namen 'Anima'?'Du bist gefährlich!' meine Stimme war anklagend.
'und deshalb hatte meine Mutter mich auch vor dir versteckt!' es sprudelte nur mehr so heraus 'Du hättest wahrscheinlich alles getan um an mich ran zu kommen, gleich wie die Malus!' ich stockte. Ich hatte plötzlich eine schlimme Vorahnung
'Du bist ein Malus.' Flüsterte ich.

Geschockt von meiner Selbstoffenbarung wich ich noch weiter Richtung Tür zurück.'Nein! Anima, ich bin kein Malus!' versicherte er mir.
'Na klar bist du einer! Jetzt ergibt das auch alles Sinn! Mein Unterbewusstsein hat mich vor dir beschützen wollen, so wie meine Mutter. Und ich Idiot hab dir geglaubt und hab mich meinen ganzen warnenden Gefühlen wiedersetzt und bin zu dir gegangen!' Ich drehte mich um und stampfte aus der Tür.
'Anima, jetzt warte mal!' Schon hatte er mich bei den Schultern gepackt und zu sich herum gedreht.
'Nein! Ich werde nicht warten!' Ich zog an seinen Armen und versuchte mich mit aller Kraft zu befreien.
'Es stimmt schon das ich gefährlich sein könnte,…' begann er und betonte ‚könnte' besonders. Doch ich ließ ihn gar nicht weiter reden.
'Sei still! Ich will nichts mehr von dir hören! Lass mich los, Force!' Meine Stimme war ruhig und ich hatte aufgehört mich zu wehren.
'Nein, bevor wir das nicht klar gestellt haben, wirst du nirgendwo hin laufen.'
'Es ist meine Sache, was ich tue. Dir kann das egal sein!'
'Mir ist es aber nicht egal!' Ich wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, da drückte er mir seine Hand auf den Mund und verschloss ihn. Zuerst schaute ich ihn nur ungläubig an, dann wurde ich zornig. Was bildete der sich ein?!
Ich versuchte ihn zu beißen, doch das gelang mir nicht. Er hatte das natürlich mitbekommen und seine Augen leuchteten belustigt, aber bald darauf wurde seine Miene wieder ernst. 'Tut mir leid, aber das musste sein.' Ich sah ihn böse an.
'Ich fang noch einmal an: Es kann schon sein das ich gefährlich sein könnte, doch ich habe weder dir noch deiner Mutter was angetan. Außerdem wusste sie nicht genau Bescheid. Sie hat die ganze Situation falsch eingeschätzt und konnte nicht beurteilen wer Freund und wer Feind war.' Ich murmelte was gegen seine Handfläche, doch das verstand man nicht. Er gab seine Hand weg und ich sah ihn noch immer böse an.
'Dann erklär mir mal die ganze Situation, den ich hab keine Ahnung um was es geht!'

Er überlegte sich seine Worte genau. Er betrachtete mich eingehend, als wüsste er nicht was er mir sagen solle. Dann setzte er jedoch an:
'Es gab eine Prophezeiung. Sie erzählte von einem Mädchen, dass die Macht besaß etwas zu verändern.' Beendete er seinen Satz. Ich wartete doch er sagte nichts mehr.
'Und weiter…? Ich bin kein Stückchen schlauer geworden.'
'Naja, diejenige könnte vieles verbessern, sie könnte vielen helfen, könnte Gerechtigkeit ausüben.'
'Du erklärst das alles sehr oberflächlich, ist dir das Bewusst? Komm mal zum Punkt. Was soll sie verbessern? Wem könnte sie helfen?' langsam wurde ich ungeduldig. Ich hatte nicht die geringste Lust hier herum zu stehen, ich wollte weg, egal wohin, einfach nur weg.
'Naja, das ist kompliziert. Ich kann dir leider nichts genaueres darüber sagen' er sah mich wehmütig an.
'Ja…dann kann ich ja gehen. Es gibt für mich keinen Grund hier zu bleiben.'
'Es gibt aber auch keinen Grund weg zu gehen!'
Machte er Scherze?! Es gab haufenweise Gründe von hier weg zu gehen. Verständnislos sah ich Force an. Ich hob meine Hand und zählte mit meinen Fingern die Gründe auf.
'1. Ich habe keine Lust mitten im Wald von jedem menschlichen Leben abgeschirmt zu leben.2. Ich möchte meine Verwandten und Freunde wiedersehen.
3. Es ist unheimlich nicht zu wissen, wo ich mich befinde.
4. Es passt mir nicht mit einem Killer unterm gleichen Dach zu schlafen.
Und 5. Ich habe keine Ahnung wie ich dich einschätzen kann.' Er wollte gerade etwas sagen, aber ich unterbrach ihn:
'Und…ich werde jetzt nicht diskutieren! Du wirst mich in Ruhe lassen. Ich werde gehen und lebe mein eigenes Leben!' Ich kehrte um. Marschierte zur Tür. Er ging mir weder nach, noch hielt er mich auf.
'Du wirst nicht weit kommen! Ohne mich würdest du niemals zu einer Straße finden,
geschweige denn zu einem Dorf.'
Ich schnaufte aufgebracht. 'Wir werden sehen!'

Na gut, er hatte Recht gehabt. Dieser Wald war groß und dicht, nur wenig Sonnenlicht drang durch die Wälder auf den Boden. Man konnte weit und breit keinen Straßenlärm hören, geschweige den Menschen. Das letze Mal als ich im Wald war, war mir ein Wolf begegnet. Ich hatte zwar Angst, dass ich nochmal einen traf, doch das Risiko war ich bereit einzugehen. Alles war besser als bei Force eingesperrt zu sein. Verräter, verfluchte ich ihn.
Ich lief bestimmt schon seit 4 Stunden immer geradeaus. Ich hatte keine Ahnung wo ich mich befand, doch irgendwann musste dieser verdammte Wald doch aufhören.
Etwas Müde, aber noch immer voller Hoffnung ging ich weiter.
Ich bereute es nicht weg gerannt zu sein, ich hielt diese Idee noch immer für gut. Ich war bei Force nun mal nicht sicher. Ich hatte die Hoffnung mein eigenes Leben zu finden. Den Stein zu finden. Stark zu werden. Und alles wieder unter Kontrolle zu bringen. Mit diesen Gedanken ging ich immer tiefer in den Wald.

Am nächsten Morgen machte ich mich wieder auf den Weg.
Ich hatte neben einem Baum geschlafen, der harte Waldboden war ziemlich unbequem gewesen. In der Nacht wurde mir bewusst, dass ich hier draußen nicht überleben könnte. Ich brauchte Wasser, fand aber keines. Ich war hungrig, doch hatte keine Ahnung wie ich zu Nahrung kommen sollte und in der Nacht wurde es ziemlich kühl. Mein dünner Pullover den ich trug, reichte nicht aus.
Als der Tag zu Ende ging, war ich weder zu Essen noch zu Wasser gekommen, doch wenigstens war es etwas wärmer als gestern. So wie am Tag zuvor, lehnte ich mich gegen einen Baum und schlief auch bald erschöpft ein.

Ich hatte unruhig geschlafen, Tiergeräusche hatten mich immer wieder aufgeweckt. Am Morgen waren meine Kleider feucht vom Tau und ich hatte etwas Kopfweh. Ich zitterte manchmal unwillkürlich durch die Nässe, die mein Gewand durchzog. Heute war es nicht so warm, noch weniger Licht durchdrang die dichten Äste der Bäume, und bald fing es an zu regnen. Ich fluchte innerlich und suchte einen Unterschlupf. Ich lief viele Stunden umher doch das einzige was ich fand war endloser Wald und ebener Boden. Mittlerweile zitterte ich heftig, ich spürte nicht nur die Nässe sondern auch den gleißenden Durst. Mein Magen knurrte in regelmäßigen Abständen und ich war müde. Lange würde ich es hier draußen nicht schaffen.
Wie aus einem Traum sah ich plötzlich Felsen. Freude packte mich und ich rannte geradeaus weiter, wo ich sie sah und tatsächlich war dort eine kleine Felswand und als ich sie genauer betrachtete fand ich auch eine kleine Höhle, sie war wirklich winzig doch besser als nichts. Bei genaueren hinsehen war es doch eher eine größere Einbuchtung in die Felswand. Ich zwängte mich an die innen liegende Wand und stellte fest, dass ich dort vor dem Regen geschützt war, wenn ich meine Beine einzog. Ich spielte mit dem Gedanken ein Feuer zu machen, doch draußen im Regen würde das unmöglich werden und in der Einbuchtung war kein Platz dafür. Einige Zeit blieb ich einfach dort sitzen, bis mir der Gedanke kam, dass ich das Regenwasser irgendwie auffangen könnte, sodass ich endlich etwas trinken konnte.Bald fand ich ein großes Blatt und ich platzierte es so, dass sich Wasser darin sammelte.Beim Gedanken an Force gefüllten Kühlschrank runzelte ich die Stirn. Wie kam er zu so viel Fleisch? Mir wurde klar, dass er es wahrscheinlich gejagt hatte. Seltsam. Er war zwar oft fort gegangen, doch nie hatte er ein Gewehr oder eine andere Waffe mitgenommen. Zumindest hatte ich keine gesehen.
Naja, das half mir jetzt aber auch nicht weiter.
Ich blickte mich zwar oft um und suchte auch nach etwas das mir bei einer Jagd behilflich sein konnte, fand aber nichts, außer ein paar stumpfen Stöcken.
Als ich meinen Durst gestillt hatte, schlief ich trotz knurrenden Magen in der feuchten Felshöhle ein.

Als ich aufwachte war ich unterkühlt und hungerte. Es war noch kälter geworden. Wenn mir nicht bald was einfiel, würde ich noch krank werden und das verbesserte die aussichtslose Situation nicht gerade.
Mit der Zeit begann ich an meinen Plan zu zweifeln und hielt die Idee doch für lückenhaft. Vielleicht würde ich niemals eine Straße finden. Was würde ich dann tun?
Ich kannte mich nicht aus, ich hatte die Orientierung (die sowieso schon mies war) verloren und würde auch nicht mehr zurück zu Force finden. Außerdem war ich auch schon zu weit gegangen. Würde ich ohne Umschweife zurückfinden würde ich drei Tage brauchen, vielleicht auch nur zwei ein halb.
Das würde ich nicht schaffen. Meine Glieder schmerzten und als ich mich aufzwang war mir schwindelig. Ich stöhnte unter der Anstrengung auf.

Da mir nichts anderes übrig blieb, ging ich weiter. Es war zwar kühler geworden, doch wenigstens blieb es trocken. Nach geschätzten 3 Kilometern hörte ich ganz in der Nähe Tierlaute. Ich folgte den Geräuschen und bemühte mich leise zu sein. Ich linste an einem Baum vorbei und sah einige Krähen am Boden, sie zupften an einem Kadaver herum. Ich wusste nicht warum ich das tat, aber wahrscheinlich trieb mich der Hunger dazu. Ich lief eilig los und verscheuchte die lästigen Viecher.
Oh Gott. Der Kadaver war ein junges Kitz. Sein Bauch war zerfetzt worden und rote Fleischfetzen lugten heraus. Es hatte tiefe Biss Spuren am Hals.
Übelkeit stieg in mir hoch. Es war klar, dass das ein Tier angerichtet hat.
Ich war hungrig, doch konnte das auch nicht essen. Es schien mir zu makaber. Angewidert sah ich auf das tote Tier hinab und war mir nicht sicher was ich tun sollte. Ich bückte mich und wollte das Vieh gerade aufheben.
'Rühr das nicht an!'
Ich wirbelte herum und mein Mund klappte herunter. Wie kam er hierher? Force stand einige Meter weiterweg und sah sich mit einem schnellen Blick die Gegend an. Dann sah er mich an und wirkte ärgerlich.
'Das gehört nicht dir, fass es nicht an!'
Bitte?! Redete er gerade über den Kadaver? Für wie dumm hielt er mich, ich wusste das es nicht mir gehörte...Aber wem gehörte es denn sonst? Und außerdem hätte ich sowas niemals angegriffen! Da konnte ich noch so hungrig sein! Obwohl ich doch kurz davor war, rief ich mir in Erinnerung.
'Komm sofort her!' forderte er mich auf, während er seinen Blick wieder hastig durch die Landschaft streifen ließ.
Als ich nicht auf ihn reagierte, kam er schnellen Schrittes her, packte meine Hand, zog mich vom Kitz weg und zog mich hinter seinen Rücken.
'Was soll das?' fragte ich etwas erbost.
'Sei still!' fuhr Force mich unwirsch an. 'Und bleib bei mir.' Mit einer Hand hielt er mich noch immer fest.
Plötzlich war es wie schon einige Male zuvor, mein Fluchtinstinkt ließ mich zurück schrecken während schwarze, Flammen seinen Körper zu umhüllen schienen. Er packte mein Handgelenk fester und ließ mich nicht los. Die Panik überrollte mich schlagartig und ich versuchte sie nieder zu kämpfen. Ich musste keine Angst haben, das hatte er mir oft gesagt.Am Rande bemerkte ich das er stur geradeaus sah und mich versuchte hinter sich zu drücken, was ihm auch gelang.
Als ich mich endlich wieder unter Kontrolle hatte, wagte ich einen Blick an ihm vorbei nach vorn. Ich erschrak und zuckte zurück, worauf sein Griff noch fester wurde.
Das Tier sah aus, wie das dunkelbraune Vieh das mir schon einmal begegnet war. Doch es war ein anderes. Der riesige Wolf war nicht braun sondern weiß, seine spitze Schnauze war blutverschmiert und ganz eindeutig gehörte ihm das tote Kitz. Der Wolf streifte mich nur eines kurzen Blickes, dann lag seine ganze Aufmerksamkeit wieder auf Force.
Mir kam es so vor, als wüsste keiner von beiden was er nun tun sollte. Force stand noch immer vor mir und hielt mich fest, ich spürte eine eigenartige Spannung die seinen Körper durchzog.
Das weiße Tier hielt großem Abstand zu uns, so als wolle es uns nicht zu Nahe kommen. Sein Blick war noch immer auf Force gerichtet, dann sah er mich an. Der Wolf durchbohrte mich quasi mit seinem Blick, es war kein böser Blick, eher ein…interessierter?
Plötzlich kam aus Force Kehle ein dunkles Knurren. Ein wilder, tierischer Laut. Ich verspannte mich als ich es hörte und das weiße Tier kehrte um und trottete zurück in den Wald. Was war das bloß? Ich wusste nicht was ich von der ganzen Situation halten sollte.Als der Wolf verschwunden war wurde Force wieder entspannter und die schwarzen Flammen, und somit auch das unangenehme Gefühl das mich durchströmte, verschwanden wieder.
Force ließ mich los und drehte sich zu mir um. Ich zuckte zurück als ich seine Augen sah. Sie waren durchzogen mit einem seltsamen Goldton, und die schwarzen Pupillen waren ungewöhnlich groß.
'Was ist mit deinen Augen?' meine Stimme klang kratzig.
Er sah mich merkwürdig an. 'Was soll damit sein?'
'Sie sehen anders aus.'
'Ah. Das legt sich wieder…'
Wenn du das sagst, dachte ich mir.
'Du siehst nicht gut aus, Anima.' Er musterte mein Gesicht genau.
Ja, ich musste wirklich schlimm ausschauen. Ich sagte nichts darauf.
'Komm wir gehen Heim. Du musst hungrig sein.' Sagte er leichthin.
'Wie sollen wir jetzt bitte nach Hause kommen? Wir sind gut 3 Tagesmärsche davon entfernt… Und wie hast du mich gefunden?'
'Ich habe dich nie verloren.'
'Wie soll ich das verstehen?' sagte ich gereizt.
'Ich wusste die ganze Zeit über, wo du bist. Ich wollte dir nur deinen Willen lassen und dir beweisen das dein Vorhaben aussichtslos war, auf mich hast du ja nicht gehört.'
'Du hast mich beobachtet?!' Meine Stimme wurde immer schriller.
'Ja, irgendwer muss ja auf dich aufpassen.' Er tätschelte meine Schulter, als wäre ich ein Kleinkind.
'Hättest du nicht müssen, wie du siehst habe ich es auch ohne dich geschafft!'
'Ja ich seh's: du bist eiskalt, zitterst, hungerst und trägst nasse Kleider. Und noch einen Tag und du wärst höchst wahrscheinlich zusammen gebrochen.' Kritisch sah er mich von oben bis unten an.
'Lass nur… ich bin müde. Können wir noch eine Rast machen, bevor wir aufbrechen?' fragte ich ihn.
'Das wäre nicht gut, es wird immer kälter und wir sollten keine Zeit verlieren. Lass uns gehen, sonst verschlimmert sich dein Zustand nur noch.'
'Welcher Zustand?' fragte ich entrüstet 'Ich bin nur etwas übermüdet! Tu nicht so als hättest du's mit einer Schwer-Kranken zu tun.'
'Anima, du bist krank. Du hast Fieber.'
'Das werde ich schon selbst wissen!'
'Ich werde nicht hier herum stehen und mit dir diskutieren!' knurrte er und schon griff er nach mir, umfasste mich an der Taille und schwang mich über seine Schulter. Zuerst konnte ich es nicht fassen, was er gemacht hat, dann fühlte ich mich wie ein Kartoffelsack, den man umher schleppen konnte, wie es einem gefiel.
Ich trommelte mit meinen Fäusten auf seinen Rücken, doch das schien ihm nichts zu machen. Er ging einfach los.







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