Wenn die Zeit plötzlich stehen bleibt...

Autor: ladybloodex
veröffentlicht am: 28.11.2009




2

Keine Auskunft? Wie bitte sie kann uns keine Auskunft geben. Ich glaub ich habe mich verhört. Ich wusste nicht ob ich auf der Stelle los schreien oder in Tränen ausbrechen sollte. Na, von wegen keine Auskunft, ich werde mir meine Auskunft schon holen, da könnte sie Gift drauf nehmen. Ich stand kurz vorm Platzen. Was bildete die sich eigentlich ein die konnte uns doch nicht einfach weiter im Dunkeln tappen lassen. Wir waren extra hierher gefahren, ich hatte Stunden der Angst hinter mir, ich wollte endlich wissen was los ist. Nein noch länger würde ich nicht warten, die Ungewissheit sollte endlich ein Ende haben.
Doch Jason schloss seinen Arm fester um mich, eigentlich erdrückte er mich fast, und zwar absichtlich. Er wusste, dass ich mit einem Ausbruch noch weniger erreichen würde. Und somit hielt er mich grade von einem riesigen Fehler ab. Er hatte Recht ich dürfte der Frau hier jetzt auf keinen Fall eine Szene machen. Aber was dann? Einfach aufgeben widersprach meiner Natur. Hm, ich musste doch irgendetwas tun, ich wollte doch endlich diese Angst loswerden, diese verdammte Ungewissheit. Ich hatte Angst vor der Bestätigung meiner schlimmsten Befürchtungen, ja und was für eine Angst. Aber diese verfluchte Ungewissheit war einfach nicht zu ertragen, wenn ich nicht bald wüsste, wie es ihm geht, würde ich verrückt werden. Lebte er überhaupt noch? Bei diesem Gedanken, lief mir ein kalter Schauer über den Rücken und meine Lippen begannen zu zittern. Und wieder kullerten Tränen über meine Wangen. Tränen der Angst, der Verzweiflung. Langsam sank ich in mir zusammen. Jason reagierte sofort, zog mich in seine Arme und hielt mich so auf den Beinen. 'Können Sie nicht eine Ausnahme machen? Bitte sagen Sie uns doch wenigstens, ob er noch am Leben ist.' Jason sprach das aus, was ich nicht wagte. Mitleidig sah die Dame von der Information mich an. 'Es tut mir leid, ich darf nur den engsten Verwandten eine Auskunft erteilen' Es tat ihr wirklich leid, das merkte man an ihrem Tonfall. Es klang schon fast mütterlich, wie sie es sagte. 'Aber versucht es doch noch einmal in der Notaufnahme, wenn ihr versteht was ich meine' fügte sie nach einer kurzen Pause mit einem liebevollen Lächeln noch hinzu.Ich verstand nicht, was das bringen sollte, da würde man uns bestimmt auch keine Auskunft geben, weil wir keine Verwandten waren. Doch Jason wusste sofort was sie uns damit sagen wollte. 'Danke.' meinte er erleichtert und lächelte. 'Aber…' setzte ich an, doch Jason unterbrach mich: 'Psst.' Er strich mir zärtlich über den Kopf und nahm mich bei der Hand 'Komm, Hope, wir probieren es in der Notaufnahme.' Ich wusste noch immer nicht, was das Ganze bringen sollte, doch ich ging mit ihm.

'Entschuldigen Sie, mein Bruder hatte vor ein paar Stunden einen Autounfall und wurde in dieses Krankenhaus geflogen. Könnten wir bitte zu ihm?' Bruder? Log Jason da gerade etwa? Ja natürlich, jetzt dämmerte es mir, das war es was die Frau von der Information meinte. 'Wie heißt denn ihr Bruder?' 'Ben Turner' Der Herr im weißen Kittel wechselte schlagartig seinen Gesichtsausdruck von freundlichen Lächeln zum ernsten Überbringer schlechter Nachrichten. Ich war mir sicher, genau so musste ein Arzt dreinschauen, wenn er den Angehörigen den Tod des Familienmitgliedes beibringen musste.
Jetzt sah der Mann mir direkt in meine verheulten Augen und fragte skeptisch 'Inwieweit gehören Sie denn zur Familie?' Jason nahm mich in den Arm und meinte 'Sie ist schon quasi die Schwägerin meines Bruders.' Ernst sah der Arzt uns beide an: 'Es tut mir leid ich kann vorerst nur ihnen etwas sagen Herr Turner, folgen sie mir bitte.'
Ich konnte es nicht fassen? Es musste etwas Schlimmes sein. Meine Befürchtungen würden sich bestätigen und ich würde trotzdem nichts davon erfahren? Das konnte doch nicht wahr sein. Ich war inmitten meines schlimmsten Albtraumes gelandet. Die Tränen flossen mir nur so die Wangen hinab. Dass ich überhaupt noch weinen konnte, woher hatte ich soviel Flüssigkeit. Ein Mensch konnte doch nicht so eine große Menge Tränen weinen. Jason umarmte mich und flüsterte mir ins Ohr. 'Hope du musst jetzt stark sein, ich werde mit dem Arzt gehen und dann hole ich dich dazu. Es wird alles gut werden, vertrau mir nur.' Ich sah ihm in die Augen und nickte zögerlich. Jason gab mir noch einen Kuss auf die Stirn, dann verschwand er mit dem Arzt in den Gang.
Ich begann wieder einmal zu zittern, und schon wieder bildeten sich Tränen in meinen Augen. Ich lehnte mich an die nächste Wand und sank auf den kalten Krankenhausboden. Niemand bemerkte mich in dem Trubel der hier in der Notaufnahme herrschte. Ich sah alles nur noch verschwommen durch meine Tränen hindurch. Meine Gedanken drehten sich mal wieder nur in einem Kreis aus Angst, Schmerz und Verzweiflung. Was würde ich machen wenn ich Ben nie wieder sehen würde? Ich konnte einfach nicht ohne ihn leben. Ihm gehörte mein Herz. Und er wusste es nicht einmal. Was wäre wenn ich nie mehr die Möglichkeit bekäme, ihm das alles zu sagen. Ich liebte ihn so sehr und bloß weil ich so eine Angst vor Verletzungen hatte, wusste es nur Jason. Niemand sonst. Und nun war es vielleicht zu spät, ich würde vielleicht niemals mehr die Chance bekommen ihm meine Gefühle zu gestehen. Bei diesem Gedanken hatte ich wieder das Gefühl es würde mein Herz in Milliarden kleinster Teile zerfetzen. Diese Warterei machte mich verrückt, die Zeit schien wieder still zu stehen. Doch sie sollte es nicht. Ich wollte es endlich wissen. Was war mit Ben? Wenn es ihm doch nur gut ginge. Ich wünschte es mir so sehr. Doch ein gutes Gefühl hatte ich nicht bei der Sache. Von vorneherein hatte ich die schlimmsten Befürchtungen und sie schienen immer mehr zur Tatsache zu werden. Die Sekunden wurden immer mehr zu Stunden. Es brannte in meinem Herzen, von dem ich das Gefühl hatte, dass es jede Sekunde erneut zerreißen würde.Mein verschwommener Blick war stets auf den Gang gerichtet, in dem ich Jason und der Arzt verschwunden waren. Es war seltsam, der ganze Trubel in der Notaufnahme und eben dieser Gang war leer. Was hatte das zu bedeuten? Sicher nichts Gutes. Wenn man die Menschen die dort irgendwo lagen, hätte versorgen müssen, wäre es doch nicht so leer dort. Was wenn es der Weg in den Tod war? Wurden am Ende des Ganges die Toten in einer Art Kühlkammer aufbewahrt? Bitte nicht. Ein tiefer, schmerzender Stich durchbohrte meine Brust. Ich verlor Tränen über Tränen, doch der Schmerz, die Angst und Verzweiflung blieben in meinem Herzen eingeschlossen.
Es war der absolute Horror. Jason war immer noch nicht wieder hier. Wo war er? Was war passiert? Ich wartete doch bestimmt schon seit 20 Minuten, Minuten, die sich wie die Ewigkeit anfühlten. Ich konnte nicht mehr länger warten. Ich zog mich langsam an der Wand hoch und ging zielstrebig in den Gang. Meine Schritte verlangsamten sich immer mehr. Bis ich zum Stehen kam. Es war ein Orientierungsschild an der Wand am Ende des Ganges angebracht. Ich wischte mir die Tränen aus den Augen und versuchte es zu lesen. In dicken Lettern standen dort 'Intensivpflege für Komapatienten' mit einem Pfeil der nach links zeigte. Dort drunter stand 'Palliativ-Station' mit einem Pfeil nach rechts. Palliativ-Station? Was war das? Was hatte das zu bedeuten? War das nicht die Station, für die Sterbenden? Ich hoffte, dass ich mich irren würde. Ich wusste einfach zuviel, viel zu viel. Nein, das durfte einfach nicht sein. Vielleicht hatte ja der Arzt hier sein Büro irgendwo auf einer der Stationen, versuchte ich mir einzureden. Aber wo war Jason mit dem Arzt hin? Und wo zur Hölle lag Ben? Links oder Rechts? Ich hatte die Wahl zwischen Koma und im Sterben liegend. Ich konnte nicht mehr. Ich wusste nicht wohin. Die Angst in mir wurde größer. Meine Tränen hätten ein Meer füllen können. Ich lehnte mich an die Wand im Gang und hoffte Jason würde endlich kommen. Mein Kopf wurde immer schwerer, ich ließ mich auf den Boden sinken und legte ihn auf meinen Knien ab.
Ben, bitte nicht, bitte verlass mich nicht. Ich konnte diesen Gedanken nicht ertragen. Ich wollte einfach nicht. Ich brauchte ihn. Es wäre so perfekt gewesen. Er verstand sich gut mit Jason, meinem besten Freund. Ich hatte schon einmal einen Freund verloren. Sollte ich nun auch noch meine Liebe verlieren. Nein, das könnte ich nicht, mein Leben würde mit ihm gehen. Tränennass war meine Hose an den Knien inzwischen, als ich Schritte hörte. Sollte das Jason sein? Ich versuchte mich zu konzentrieren. Kamen die Schritte von links? Oder doch von rechts? Die Kraft aufzustehen und nachzusehen hatte ich nicht mehr. Die Angst wurde immer größer, ich schloss meine Augen, ich wollte nicht sehen von wo Jason kam. Er sollte bei mir sein, vielleicht würde es mir helfen, wenn er mich in seinen Armen hält. Könnte ich es dann ertragen? Ich wusste es nicht. Ich wollte nur, dass es Ben gut geht, ich wollte, dass Jason jetzt bei mir ist. Die Schritte waren nun ganz deutlich zu hören. Immer lauter wurden sie, bis sie schließlich stoppten.
'Hope, mein Engel' Ich traute mich nicht die Augen zu öffnen. Jasons Stimme zitterte. Ich fühlte wie er meine Hände nahm. 'Komm, wir gehen zu Ben.' Wir gehen zu ihm? Er war noch am Leben? Oder sollte das soviel heißen, wie wir gehen, damit du dich verabschieden kannst? Langsam öffnete ich die Augen und lies mich von Jason hochziehen.
Seine Augen glänzten. Hatte er etwa geweint? Oh nein, bitte nicht. Bitte, bitte nicht. Jason nahm mich in den Arm 'Alles wird gut, Süße. Hörst du? Alles wird wieder gut werden.' flüsterte Jason leise. Dann nahm er mich bei der Hand: 'Komm wir gehen jetzt zu Ben.'Okay, irgendwie kam mir das ganze seltsam vor. Was lief hier eigentlich gerade ab? Was hatte das nur zu bedeuten, das ich so plötzlich zu ihm darf? Durfte ich, weil Ben es erlaubte, musste das nicht so sein? Aber warum zitterte Jasons Stimme so, warum schien es mir als hätte er geweint? Ich spürte, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Ich war mir sicher, dass es Ben nicht gerade gut gehen konnte. Dafür kannte ich Jason zu gut. Alles wird gut? Das klang so als würde er es selbst nicht glauben. Normalerweise vertraute ich ihm, aber mit diesem Zittern in der Stimme, das konnte nichts Gutes heißen. Bitte nicht, bitte, bitte nicht. Ben ich brauch dich so sehr. Es musste ihm einfach gut gehen. Oh bitte, wenigstens einigermaßen.
Hastig schaute ich mich um, wo waren wir nun eigentlich abgebogen? Links? Oder doch rechts? Ein Schild, ein Schild, ich brauch ein Schild. Da. 'Intensivpflege für Komapatienten', ich wusste es, ich wusste es. Nein Ben, bitte nicht. Ich klammerte mich an Jason fest. Koma? Bitte das durfte nicht sein. Der Schmerz in meiner Brust breitete sich aus. Es war wie ein Impuls, der von der Brust ausgeht und den ganzen Körper wie eine Welle nach und nach durchflutet.
Wir blieben stehen. Direkt vor einer großen schweren Metalltür. 'Intensivpflege für Komapatienten' stand dran. Also war es wahr. Ben lag im Koma. Tränen die bis gerade eben noch langsam über meine Wange liefen, strömten jetzt nur so aus meinen Augen. 'Koma? Ben liegt im Koma?' ich schluckte beim Sprechen. Jason sah mich an und nickte ganz leicht. 'Nein, nein, das darf nicht sein. NEIN!' schrie ich Jason an. Ich wusste nicht mehr wohin mit meinem Schmerz. Jason drückte mich ganz fest an sich. 'Ich muss zu ihm, Ben, ich muss zu ihm.' Verzweifelt, wie eine Verrückte klang ich. 'Psst, mein Engel,' versuchte Jason mich zu beruhigen 'Du kannst ja zu ihm.' Er schaute mir in die Augen 'Und Hope, du weißt ich bin immer bei dir, ja?'
Der Arzt sah mich ernst an. 'Bitte, es ist nicht einfach, aber bitte reißen sie sich zusammen. Es geht hier um das Wohl unseres Patienten. Schaffen Sie das?' Zusammenreißen? Ben lag im Koma wie soll ich mich da bitte zusammenreißen? Aber ich musste zu ihm. Ich konnte für nichts garantieren. Doch ich nickte dem Arzt zu. 'Gut. Dann folgen sie mir.' An der Wand drückte er den Schalter und die schwere Metalltür öffnete sich langsam.
'Piep, Piep, Piep.' Hörte man von überall. Der Weg des Arztes führte in eine Art Umkleideraum. Er gab uns je einen grünen Kittel, einen Mundschutz und eine Kopfhaube. 'Es ist wichtig, dass sie dies tragen, um unseren Patienten vor Infektionen zu schützen. Wir wollen jegliches Risiko minimal halten, damit er sich schnell erholen kann und wieder aus dem künstlichen Koma erwacht.' Wir zogen die Sachen über. Mir wurde immer mulmiger. Es musste ihm sicher sehr schlecht gehen. Ich hatte solch eine Angst. Wobei künstliches Koma. Hieß das nicht, dass die Chance groß ist, dass er wieder erwacht? So war das doch. Man wurde doch bei starken Verletzungen in ein künstliches Koma versetzt, damit der Körper alle Kraft für die Heilung zur Verwendung hatte. War das nicht so? Entschieden die Ärzte nicht über das Risiko? Sie mussten doch wissen was richtig war, nicht? Ich hoffte es.







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