Im Schutz der Dunkelheit

Autor: Zeilenschreiber.
veröffentlicht am: 23.10.2009




Am nächsten Morgen wachte ich auf und blinzelte in die helle Sonne, die durch das Badezimmerfenster schien. Mein Gesicht war total verklebt. Vermutlich hatte ich die ganze Nacht durch geweint. Zwar wusste ich, dass ich in die Schule musste, aber ich konnte nicht. Nicht in diesem Zustand.
Nach einiger Zeit richtete ich mich auf und betrachtete mein Spiegelbild in den Glasscherben, die noch an der Wand hingen. Meine Augen waren rot, durch geweint. Meine Haare hingen verschwitzt und verklebt über meine Stirn. Schrecklich.
Zuerst nahm ich eine heiße Dusche. Es tat wirklich gut und ich fühlte mich gleich viel besser. Nicht noch einmal wollte ich die Gedanken von gestern zu lassen.
Danach kletterte ich aus der Dusche und zog mir meinen blauen Bademantel über.Mein Magen knurrte, doch das ignorierte ich. Immer wieder ging ich von meinem Zimmer in das Wohnzimmer. Es war schrecklich das Chaos zu sehen, doch ich konnte es ja nicht verhindern. Wieder schossen alle Gedanken von gestern in meinen Kopf und somit auch die Tränen.
Warum ging alles schief? Warum immer ich? Wer immer verliert muss doch irgendwann auch mal gewinnen.
Als ich bestimmt schon 20 mal rauf und runter gegangen war, war mein Hunger unerträglich und ich lief schnell in die Küche.
Der Kühlschrank war leer, mal wieder. Super, das auch noch. Würde ich jetzt auch noch verhungern? Schließlich hatte ich kein Geld, um mir etwas zu essen zu kaufen. Wieder ging ich in den Flur und legte mich auf einen Teppich. In mein Zimmer konnte ich nicht. Erstens, weil mein Zimmer ein totales Chaos war. Und zweitens, weil mich das Zimmer zu sehr an gestern erinnerte. An den Mörder.
Im Wohnzimmer konnte ich auch nicht schlafen, aus den selben Gründen.
Trotzdem war ich hundemüde und versuchte auf dem Teppich zu schlafen, doch es war zu unbequem.
Nach einigen Minuten, wenn nicht sogar Stunden, klingelte es an der Tür. Mum! Vielleicht lebte sie noch!
Gerade als ich mich aufrichten wollte, kam mir jedoch der Gedanke, dass es der Mörder sein könnte. Wollte er mich jetzt holen?
Sofort rückte ich ein Stück nach hinten. Jetzt klingelte es noch einmal. Als ich dann noch immer nicht öffnete, fing es an zu hämmern. Mein Herz raste.
Mal wieder hatte ich totale Panik. Dieser Mistkerl würde mich nicht kriegen, niemals. Doch was war, wenn er wieder durch das Fenster kletterte?
Mit dem lauteren Klopfen fing mein Herz an zu rasen.
,,Verschwinde!', rief ich so laut ich konnte, doch bekam keine Antwort. Später verstummte das Klopfen.
Erleichtert legte ich mich wieder auf den Teppich, bis ich Geräusche aus meinem Zimmer vernahm. Mein Herz setzte für einen kurzen Moment aus, als ich Glas klirren hörte.

Meine Vermutungen hatten sich bestätigt. Mein Leben war vorbei, endgültig. Niemand konnte mich beschützen. Noch nicht einmal die Kette. Der Mörder würde mich holen, wie er auch schon meine Mutter geholt hatte und ich konnte nichts dagegen tun. Ganz alleine lag ich auf dem Teppich einer verlassenen Wohnung und wartete auf mein Ende. Warum genau jetzt? Jetzt, wo alles so perfekt war?
Aber ich wollte nicht sterben. Nicht jetzt. Also nahm ich mein Leben in die Hand. Wenn mich schon niemand beschützen konnte, tat ich es eben selber.
Mit einem Besen bewaffnet schlich ich langsam Richtung Zimmer, blieb vor dem Türrahmen stehen und wartete auf ihn. Mühsam versuchte ich mich so weit wie möglich an die Wand zu stellen, um nicht auf zu fallen. Mein Herz raste wieder und ich versuchte nicht zu laut zu atmen, damit er mich nicht hörte. Als er gerade aus dem Zimmer laufen wollte, überraschte ich ihn und schlug schreiend auf ihn ein.
,,Kim, hör damit auf!', rief die schönste Stimme der Welt und ich erstarrte im selben Moment.
Sofort lies ich den Besen fallen und fiel rückwärts um.
,,Alles ok?', fragte er und beugte sich über mich.
Seine Haare leuchteten noch rötlicher als sonst.
,,Nein. Nein!', schrie ich und erneut stiegen die Tränen in mein Gesicht, ohne, dass ich es verhindern konnte. Er hatte mich so erschreckt, dass ich dachte, er wäre der Mörder. Wieder hatte ich eine riesige Panik gehabt, wegen ihm.
,,Was ist denn los?', fragte er verdutzt.
Daraufhin fing ich an zu schluchzen und bekam kaum noch Luft. Den ganzen Schmerz lies ich wieder zu, es war mir egal, was er dachte.
,,Schau dich doch mal um!', schrie ich ihn an.
Verwirrt schaute er sich um und sah mich danach wieder fragend an.
,,Du weißt doch sonst immer alles!'
Keine Reaktion. War er wirklich so blind, dass er das Chaos hier nicht sah?
Ich war ein Wrack, mit mir konnte man nichts anfangen. Am besten wäre es, wenn er mich hier liegen lies.
,,Er hat sie mitgenommen! Alles wegen mir… Das ist alles meine Schuld wäre ich doch nicht…', murmelte ich und wurde von ihm unterbrochen.
,,Hey, hey, was redest du denn da?', fragte er.
,,Er hat meine Mutter!', schrie ich aus Leibeskräften. Es sah bestimmt total lächerlich aus. Wie ich in einem Bademantel auf einem Teppich rum schrie, wie ein kleines Kind.
,,Beruhige dich doch.', sagte er mit sanfter Stimme.
Wie sollte ich mich beruhigen, wenn das Monster meine Mutter hatte, die wahrscheinlich schon tot war?!
Ich schrie vor Wut auf mich selbst und auf ihn, wie er so ruhig bleiben konnte.
,,Es ist alles wegen mir! Sie ist tot und ich bin Schuld!', kreischte ich.
,,Sie ist nicht tot.', sagte er.
Doch ich ignorierte ihn und schrie einfach weiter. Er legte seine Hände an meine Schulter und schüttelte mich, so fest er konnte.
,,Kim, jetzt hör mir endlich zu und beruhige dich!', schrie er dabei.
Sofort war ich stumm.
,,Deine Mutter ist nicht tot, sie lebt.'
,,Du lügst.' Kein Wort konnte ich ihm glauben. Woher sollte er das wissen?
Kopfschüttelnd strich er mir übers Haar.
,,Ihr geht es gut. Keine Sorge.'
Um nicht noch einmal los zu schreien, biss ich mir auf die Lippe. Noch immer glaubte ich ihm kein Wort.
Auf einmal klingelte das Telefon, doch es war mir egal. Alles was ich wollte, war Mum.,,Jetzt geh schon ans Telefon!', sagte er und schubste mich Richtung Wohnzimmer.
Genervt nahm ich den Hörer ab.
,,Hallo?', fragte ich.
,,Hallo? Schatz, bist du es?'
,,Mum?!', fragte ich geschockt.
Sie war es wirklich, Robyn hatte doch Recht gehabt. Vor Erleichterung seufzte ich und wieder strömten die Tränen an meinem Gesicht herunter.
,,Du bist es wirklich.', seufzte ich.
,,Ja. Kim, es tut mir leid. Du musst dir bestimmt totale Sorgen gemacht haben.'
,,Nein, alles ok.', log ich. ,,Was ist denn passiert?'
,,Das weiß ich selber nicht mehr so genau. Auf einmal habe ich nur noch einen Schlag auf den Hinterkopf gespürt und als ich aufwachte, war ich im Krankenhaus.'
Verwirrt fasste ich mir an den Hinterkopf, der gestern noch so furchtbar geschmerzt hatte. Wie konnte das möglich sein? Hatte ich den Schmerz auch gespürt, als sie niedergeschlagen wurde?
,,A-ach-s-so.', stammelte ich und blickte zu Robyn, der sich inzwischen lässig an den Türrahmen lehnte. ,,Wie geht es dir denn?'
,,Im Moment ganz ok. Der Arzt meint, ich habe eine Gehirnerschütterung, eine Platzwunde am Hinterkopf und viele Schnittwunden.', sagte sie gelassen. Für sie war das wohl gar nichts.,,Oh.'
,,Ja, ich komme wahrscheinlich erst heute Abend nach Hause.'
,,Gut, dann bis heute Abend.', sagte ich.
,,Bis heute Abend, mein Schatz.', sagte sie und küsste mich durch das Telefon. Dann legte ich auf.
Erleichtert fiel ich Robyn in die Arme.
,,Sie lebt.', sagte ich und drückte mich so fest an ihn, wie es ging.
Jetzt fing ich noch mehr an zu Weinen. Nach einer Weile löste ich mich von ihm und ein ,,Upps' platzte aus mir heraus, als ich sein klitschnasses T-Shirt betrachtete. Verlegen lächelte ich.
,,Das hab ich doch gesagt.', sagte er.
,,Und woher…?', fragte ich und wurde von ihm unterbrochen.
,,Ich wusste es einfach. Und es war tatsächlich der Mörder, der hinter dir her ist. Er wollte dich holen, doch als du nicht da warst, griff er vor Wut deine Mutter an.', erklärte er.,,Also doch wegen mir.', hauchte ich und sank zu Boden.
Er seufzte und nahm mein Gesicht ganz fest in seine Hände.
,,Jetzt hör mir mal zu. Es ist nicht deine Schuld! Gar nichts ist deine Schuld und jetzt hör auf es zu behaupten!', brüllte er. ,,Du kannst doch nichts dafür, dass der Mörder hinter dir her ist und das er deine Mutter angegriffen hat!'
Doch ich ignorierte, was er sagte.
,,Wenn ich hier gewesen wäre, hätte er mich genommen und nicht meine Mutter…'
,,Kim!', schrie er noch lauter als zuvor.
Ich verdrehte die Augen und seufzte.
,,Es ist alles so schrecklich.', murmelte ich.
,,Ich weiß, aber es wird alles wieder gut. Versprochen.', versprach er mir und küsste sanft meine Stirn.
Dann küsste ich ihn lange und innig. Mit Tränen in den Augen vor Freude, aber auch vor Verzweiflung.







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