Im Schutz der Dunkelheit

Autor: Zeilenschreiber.
veröffentlicht am: 18.10.2009




Als wir vor dem Schulgebäude ankamen setzte er mich vorsichtig ab. Alle Blicke der Schüler hefteten an uns. Normalerweise interessierten sich die anderen einen Dreck um mich. Sie waren alle so oberflächlich und alle gleich. Jeder trug die selben Sachen, die selbe Frisur. Richtig langweilig. Und das alles nur um dazu zugehören. Ich musste lachen, so lächerlich waren sie.
Zum Glück gab es ja auch noch ein paar normale Menschen wie meine Freunde. Sie konnten sogar meine schrecklichen Launen ertragen, die ich an manchen Tagen hatte. Genau wie heute.
Ich war genervt. Genervt von der Schule, den Lehrern, den Schülern. Und andererseits hatte ich panische Angst. Angst vor dem Unbekanntem. Nicht zu wissen, was als nächstes passieren würde. Vielleicht würde ich im nächsten Augenblick auch schon tot sein. Außer Robyn würde das wohl niemand wissen.
Wieder drehten sich alle nach uns um, als wir gemeinsam den Gang entlang liefen. Langsam fing es an zu nerven.
Genau auf den Gong betraten wir die Klasse. Der Döhping schaute mich nur böse an. Warum, wusste ich nicht. Schließlich war ich pünktlich. Vielleicht hasste er mich, aber damit hatte ich kein Problem, schließlich hasste ich ihn auch. Dann wendete ich mich den anderen zu und setze mich auf meinen Platz. Robyn blieb vorne am Pult stehen, da er noch keinen Sitzplatz hatte. Döhpel, sein Spitzname, deutete auf einen freien Platz in der letzten Reihe.
Allerdings saß ich in der zweiten Reihe neben Sue.
,,Wer ist denn dein Freund?', fragte sie mit dem Blick auf Robyn gerichtet.
,,Er ist nicht mein fester Freund, falls du das denkst.'
,,Sehr gut.', sagte sie und himmelte ihn weiterhin an.
Natürlich bemerkte ich, dass sie ihn toll fand. Doch mir gefiel das gar nicht.
,,Könntest du ihn mir vielleicht mal vorstellen?', fragte sie mich.
Na klar, ich mach mich immer wieder nützlich. Was fällt dieser Tussi ein, sich an Robyn ran zu machen?
In mir kochte es.
Daraufhin räusperte sich Döhpel. Sofort blickten alle an die Tafel.
,,Könnten sich die Damen auch mal auf den Unterricht konzentrieren?'
Ich hatte gar nicht gemerkt, dass der Unterricht schon begonnen hatte.
,,Ähm… Ja natürlich. In ihrem Unterricht doch immer.', schleimte Sue.
Hinter uns kicherte es. Ich verdrehte nur die Augen und der Döhping fuhr mit seinem Unterricht fort. Wie schön es doch wäre, ihr eine Rein zuhauen.
Der Unterricht verging wie immer im Schneckentempo. Bis ich irgendwann so verzweifelt war, dass ich die Sekunden zählte.
Döhping schrieb ein paar Aufgaben an die Tafel. Natürlich musste Sue wieder mitschreiben, damit sie gute Noten schrieb. Was für ein Streber… Mathe brauchte doch sowieso kein Schwein.
Nach einigen Minuten war mir jedoch so langweilig, dass ich mitschreiben wollte, um mir die Zeit zu vertreiben. Gerade als ich meinen Collegeblock herausholen wollte, bemerkte ich, dass ich gar keine Tasche mit genommen hatte.
,,Scheiße!', fluchte ich und bereute es sofort.
Alle drehten sich nach mir um. Auch der Döhpel.
,,Gibt es ein Problem, Kimberley?'
Ich hasste es, wenn man mich so nannte. Und ganz besonders ER.
,,Nein.', sagte ich trocken.
Leise stöhnte ich und strich mir die Haare zurück. Bevor Döhping bemerkte, dass ich nicht mitschrieb und auch keine Sachen dabei hatte, musste ich mir ein Blatt und einen Stift von Sue leihen.
Wenigstens wusste sie nicht, dass ich sie hasste. Sonst hätte ich kein Blatt bekommen und wäre aufgeschmissen. Flott schrieb ich die Aufgaben ab und die Lösungen von Sue gleich mit.

Endlich war der Unterricht vorbei. Gleich darauf sprang ich von meinem Stuhl in Robyn's Richtung.
Er lachte, als ich mit ihm zusammen stieß.
,,Upps.' Grinsend stand ich vor ihm und merkte wie mir das Blut in den Kopf schoss. Lange schaute ich in seine wunderschönen grünen Augen, bis ich mich von ihm löste.
Gemeinsam verließen wir die Klasse. Sue war zum Glück schon draußen, denn ich hatte gar keine Lust ihr Robyn vorzustellen.
Auf dem Gang packte jemand Robyn überraschend an der Schulter und drehte ihn herum. Dort stand natürlich Sue mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Sehr wahrscheinlich hatte sie auf uns gewartet. Innerlich bat ich Gott um Erlösung. Wie ihre Art so war, bombardierte sie ihn mit Fragen. Meine Fragen heute morgen waren doch schon genug gewesen.
,,Hi… Ich bin Sue. Du bist neu, oder? Wie heißt du überhaupt? Magst du Mathe? Wie findest du den Döhping? Und die Schule? Seit wann bist du hier?'
,,Äh… ',brachte er nur heraus. Man konnte ihm ansehen, dass er mit all diesen Fragen total überfordert war.
,,Ich geh mal kurz kotzen.', flüsterte ich ihm ins Ohr und ging im doppelten Schritttempo zu den Musikräumen.
,,Warte doch!', rief er und ohne Sue's Fragen zu beantworten, sauste er mir hinterher.
Schon ging er neben mir und hatte überhaupt keine Probleme mit meinem Tempo mitzuhalten.
,,Wer war das denn eben?', fragte er und musste sich ein Lachen verkneifen.
,,Sue.', schnaubte ich.
,,Du scheinst sie ja sehr zu mögen.', scherzte er.
Ich zog nur eine Grimasse. Das war ja noch nett ausgedrückt. 'hassen' oder 'verabscheuen' würde es schon eher treffen.
Ohne noch ein Wort zu sagen setzte ich mich auf meinen Platz. So schnell war ich noch nie auf meinem Platz. Und das kann schon was heißen.
Robyn lies sich neben mir in seinen Stuhl sinken und packte seine Sachen aus. Aber ich musste ein zweites Mal hinschauen, um zu bemerken, dass er heute morgen noch keine Sachen dabei hatte.
,,Woher hast du jetzt diese Sachen?'
Doch anstatt mir die Fragen zu beantworten, stellte er mir eine Gegenfrage.
,,Du bist genervt, hm?'
,,Du hast meine Frage nicht beantwortet.'
,,Du auch nicht.'
Schmollend verschränkte ich die Arme vor meiner Brust. Es hatte doch keinen Sinn mit ihm zu diskutieren.
Er hielt mir ein Blatt Papier hin und einen Stift. Trotzig riss ich ihm die Dinge aus der Hand und schmiss sie auf den Tisch. Wie ein beleidigtes kleines Kind. Giefert hatte schon längst mit dem Unterricht begonnen, was ich gar nicht mitbekommen hatte.
Nach einigen Minuten flüsterte ich ihm zu:
,,Und was wollen wir jetzt machen?'
,,Ähm, aufpassen und lernen?', fragte er verwirrt.Ich schüttelte den Kopf.
,,Nein, was sollen wir machen, damit ich überlebe?'
,,Essen, trinken und eventuell schlafen?'
Verzweifelt stöhnte ich.
,,Jetzt mal Schluss mit lustig! Hinter mir ist ein Mörder her und du machst Witze!'
,,Ich wollte dich nur aufheitern. Aber erstmal müssen wir herausfinden, warum er dir etwas antun will.'
,,Wie sieht dein Plan aus?'
,,Sehr wahrscheinlich wird er bald wieder in unserer Nähe sein. Vielleicht wird er noch andere Leute umbringen, aber das werde ich ja vorher rechtzeitig wissen.'
,,Gut.' Erleichtert atmete ich aus.

Von hinten flog auf einmal ein kleiner zerknüllter Zettel durch die Luft und landete auf Robyn's Platz.
Sofort drehte ich mich um und blickte in das breite Grinsen von Sue. Diese falsche Schlange.Bevor Robyn den Zettel nehmen konnte, hatte ich ihn schon auseinander gefaltet.

'Hallo Robyn! Hättest du Lust, heute mit mir Eis essen zu gehen? Sue.'

Wütend zerriss ich den Zettel. Immer weiter, bis nur noch kleine Schnipsel übrig waren. Was fällt diesem Miststück ein, sich an Robyn ran zu machen? Um nicht vor Wut los zu schreien, presste ich meine Lippen mit aller Kraft aufeinander.
,,Kim, alles ok?', lachte er und fuchtelte mit der Hand vor meinem Gesicht herum.
,,Was sollte nicht in Ordnung sein?!', zischte ich ohne die Zähne von einander zu bewegen.Er lachte und deutete auf die Schnipsel, die ich mit einer Schere vernichten wollte.
,,Ich glaube, der Zettel war an mich. Was stand denn drinnen?'
,,Nicht so wichtig.', sagte ich schnell.
Grinsend zog er eine Augenbraue hoch.
,,Na gut, Sue wollte dich fragen, ob du mit ihr heute Eis essen gehst.'
Dabei biss ich mir auf die Lippe.
,,Warte.', kicherte er, riss eine Ecke von einem Blatt Papier ab und schrieb etwas. Dann faltete er den Zettel zusammen und schmiss ihn nach hinten.
,,Was steht da drauf?!', fragte ich wütend.
Daraufhin grinste er breit.
,,Was gibt's da zu Grinsen?!'
,,Du bist eifersüchtig.', neckte er mich und tippte mir auf die Nase.
Verlegen schaute ich zu Boden, denn er hatte Recht.
,,Nun sag mir schon, was auf dem Zettel steht.'
,,Das ich heute lieber etwas mit dir mache.', sagte er und lächelte.
,,Ist das dein Ernst?'
,,Ja. Aber natürlich nur wenn du willst.'
Überglücklich bejahte ich und lehnte mich erleichtert zurück. Nichts würde ich lieber tun, als etwas mit ihm zu unternehmen, um alles zu vergessen. Nach einer Weile riss ich mich aus meiner Traumwelt.
,,Wo geht es denn hin?', fragte ich schließlich.
,,Lass dich überraschen.'
Aber ich wollte mich nicht überraschen lassen. Ich hasste Überraschungen.







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