Such mich im Meer

Autor: Jeany 11
veröffentlicht am: 19.07.2009




'Erzählen Sie mir, was passierte, Haily!' - 'Was passierte? Wenn ich das wüsste. Ich glaube, ich werde verrückt! Ja, ich werde verrückt! Das Wasser schoss aus dem Hahn, es spritze so stark, dass mein gesamtes Nachthemd nass wurde. Ich konnte es nicht stoppen. Ich drehte an den Armaturen, aber es ließ sich nicht stoppen. Und, wissen Sie, was das verrückteste ist: Ich wollte es eigentlich auch nicht stoppen. In dem Moment, als das Wasser mit seiner gewaltigen Kraft aus der Leitung kam, überkam mich dieses Gefühl, wie ich es lange nicht mehr gespürt habe. Ich war gefangen in einem lustvollen und warmen Nebel, der mich schlagartig umgab. Ich liebte es, ich wollte es.
Und als mein Mann den Raum betrat, da stoppte es. Ich schämte mich so. Ich stand vor ihm, schaute ihn an, und hatte das Gefühl, als hätte er mich gerade auf frischer Tat ertappt, aber wobei, frage ich Sie? Merken Sie, wie paradox das ganze klingt? Ich verstehe es selbst nicht. Es ist so merkwürdig, aber gleichzeitig so schön gewesen! Und ich wünschte mir jede Nacht, jede Nacht.. das es wieder geschieht, dass ich es wieder erleben darf!
Wie weit bin ich gesunken? Wie weit? Das ich mich nach einem Erlebnis mit meinem Wasserhahn sehne?
Ich werde irre..'

Ich komme nach Hause. 'Wie war's bei Tante Sara?', fragt mich mein Sohn, als ich erschöpft durch die Türe komme. Ich lächele ihn an, streichele ihm über den Kopf, und sage: 'Schön, mein Sohn!'
Sie sollen nicht wissen, dass ich einen 'Seelendoktor' aufgesucht habe. Niemand soll wissen, dass ich dort hingehe. Was würden erst die Nachbarn sagen. Das würde sofort die Runde machen! Dann würden sie alle die Frage stellen: Wieso braucht sie denn einen Psychiater? Und dann wird wieder nach einer Antwort gesucht, und wenn man keine findet, wie gesagt, dann wird erfunden. Und egal ob erfunden oder wahr, es macht die Runde. Das geht nicht! Dann hätte ich ja umsonst nie das Lächeln vergessen!

'Hast du deine Hausaufgaben gemacht?' - 'Ja, Mama, habe ich!' - 'Das ist gut! Dann spiel noch ein bisschen mit deinem Bruder, es gibt gleich Abendbrot!'.
Ich liebe meine Söhne, keine Frage. Ich würde mein Leben für sie geben. Für jeden Einzelnen von ihnen würde ich kämpfen, mit allen Waffen und mit aller Kraft, die mir noch bleibt, keine Frage.
Aber auch sie gehören einfach dazu. Auch für sie verhalte ich mich eben so, wie eine Mutter sich eben zu verhalten hat.
Ich komme nicht mehr raus, aus dem Trott, aus dem langweiligen, sich immer weiter drehenden Kreislauf, den ich mein Leben nennen muss.
Ich bin eine Marionette. Hänge an meinen Fäden und lasse mich spielen, Tag für Tag, Nacht für Nacht.
Sooft wünschte ich, ich könnte die Fäden durchschneiden, meine müden Knochen in Bewegung setzten und rennen, einfach rennen. Weg von hier, weg von allem. Raus aus dem Trott, aus dem Kreislauf, aus dem was ich mein Leben nennen muss. Einfach raus.







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