Braune Augen sind gefährlich, aber in der Liebe ehrlich...

Autor: its mee_
veröffentlicht am: 31.05.2009




Den ganzen restlichen Nachmittag halfen Miri und ich ihrem Bruder beim Einrichten seines Zimmers. Obwohl er uns gegenüber wirklich nett war, ging er seinen Eltern bewusst aus dem Weg. Wie würde ich mich fühlen, wenn meine Eltern einfach den Kontakt zu mir abbrechen würden, auch wenn ich einen Mord begangen hätte?
Wahrscheinlich würden sie mich eher unterstützen, als mir in den Rücken fallen. Ich hatte es mit meiner Familie wirklich gut getroffen. Meine Mutter war Hausfrau und schrieb nebenbei Bücher für kleine Kinder. Mein Vater war Fotograf und war früher um die ganze Welt gereist. Jetzt hatte er eine feste Anstellung gefunden, denn er wollte ab nun mehr Zeit mit seiner Familie verbringen. Der Grund für unseren Umzug. Mein Bruder war sechs Jahre jünger als ich und ging noch in die Grundschule. Auch wenn wir uns manchmal stritten, verstanden wir uns eigentlich ganz gut.
Ich fand es toll, dass ich mit meinen Eltern über alles reden konnte und sie nahmen mich auch ernst. Deshalb konnte ich es auch nicht verstehen, dass Leons Eltern ihn einfach im Stich gelassen hatten.
Ansonsten schienen sie eigentlich ganz freundlich zu sein.
Am Abend waren wir fertig und saßen geschafft in dem neuen, gemütlich eingerichteten Zimmer.
Als ich auf die Uhr sah, erschrak ich. Es war später als ich gedacht hatte. 'Ich muss gehen', informierte ich Miri. 'Oh, schade', sagte sie. 'Danke fürs Helfen', Leon lächelte mich an und mir wurde warm ums Herz. Gemeinsam gingen wir hinunter in die Küche, wo ich mich von Miris Eltern verabschiedete. 'Es ist doch schon dunkel. Da kannst du ja nicht alleine nachhause gehen', meinte der Vater und begann seine Autoschlüssel zu suchen. 'Das ist schon okay. Ich kann auf mich aufpassen', sagte ich. Ich wollte nicht heim gefahren werden, als wäre ich ein kleines Kind, das den Schutz eines Erwachsenen brauchte.
'Schon gut, ich begleite dich', sagte plötzlich Leon und mein Herz schlug schneller. Vor Freude? Vor Angst? Oder hatte ich mich gar in so kurzer Zeit bereits verliebt? Ich verdrängte den Gedanken. Das war unmöglich. Ich liebte doch... Nein, ich wollte nicht an ihn denken. Nicht hier. Nicht heute. Diesen Nachmittag hatte ich so wenig wie noch nie an ihn gedacht. Weswegen ich einerseits ein schlechtes Gewissen hatte, andererseits kam die Hoffnung in mir auf, dass ich vielleicht wirklich wieder einmal glücklich sein konnte. Auch wenn...
'Das kommt nicht in Frage', unterbrach Miris Vater meinen Gedankenfluss. Ich fühlte Enttäuschung in mir aufsteigen. 'Habt ihr Angst, dass sie nicht nach Hause kommen könnte?', fragte Leon genervt und ging zur Tür. 'Leon, du weißt, dass es eine Zeit lang dauern wird, bis wir dir wieder vertrauen können und gerade in so einer Sache..'
'Oh Mann, ihr habt ja sowieso keine Ahnung. Glaubt den bescheuerten Typen, die sich aus der Geschichte rauszuhalten versuchten, statt mir. Eurem eigen Fleisch und Blut! Das ist echt das letzte', sagte Leon wütend. Ich zog unwillkürlich den Kopf ein. Erwartete einen Wutausbruch von einem seiner Eltern oder ihm selber.'Na gut', seufzte Miris Mutter, 'Bring sie nachhause. Dann sehen wir ja, ob wir dir je wieder vertrauen können.''Ihr wollt wirklich dieses Risiko eingehen?', meinte Leon ironisch und verdrehte die Augen. Er deutete mir zu folgen. Ich verabschiedete mich von Miri und ging ihm nach. Die Haustür stand bereits offen, er lehnte davor mit einer dunklen Lederjacke und den Händen in den Hosentaschen. Ich schluckte. Ganz ungefährlich sah er wirklich nicht aus. Aber dann schob ich meine Bedenken beiseite. Was sollte schon passieren? Ich ging mit einem Mörder durch die Dunkelheit, aber was sollte schon passieren? Zögernd ging ich auf ihn zu.
'Wenn du nicht willst, begleite ich dich nicht', sagte Leon, er hatte wohl mein Zögern bemerkt. Doch nichts wollte ich mehr, als dass er neben mir herging, den ganzen langen Weg bis zu meinem Haus. 'Ich hab nichts dagegen', sagte ich ihn anlächelnd und ging an ihm vorbei in die Nacht hinaus. Er folgte mir und schloss die Haustür. Schließlich war er neben mir und wir liefen los. Zwischen uns war sicher ein halber Meter Abstand, was ich bedauernd zur Kenntnis nahm.
'Und du bist neu hier, oder hab ich da was falsch verstanden?', fragte er nach einem langen Schweigen. 'Ja, ich bin vor drei Wochen hergezogen', antwortete ich und sah starr geradeaus. Ich spürte, wie er mich von der Seite musterte. Wieder klopfte mein Herz schneller und ich hatte das Gefühl, als hätte ich das Gehen verlernt.'Erzähl mir was von dir', forderte er mich auf. Ich zuckte die Schultern. 'Ich bin kein interessanter Mensch. Da gibt's nicht viel zu erzählen.'
'Jeder Mensch ist interessant. Und du machst mich neugierig', sagte er.
'Ich mach dich neugierig?', ich grinste und sah hinauf in den Sternenhimmel. Heute waren sie besonders gut zu sehen. Richtig romantisch.
'Ich weiß nicht, du wirkst so geheimnisvoll. Was denkst du gerade?', fragte er. Der Abstand zwischen uns verringerte sich allmählich.
'Was ich gerade denke?', ich überlegte. Was sollte ich ihm sagen? 'Ich finds schön mit dir durch die Dunkelheit zu spazieren', 'Ich würde es toll finden, wenn du noch näher an mich herankommen würdest', 'Ich glaub, ich bin grad dabei, mich in dich zu verlieben'?
Nichts davon würde ich mich trauen auszusprechen. 'Ich denke, dass die Sterne heute richtig schön leuchten', sagte ich schließlich. Denn irgendwie entsprach es ja der Wahrheit.
Wieder musterte er mich eine Weile. 'Ja, romantisch nicht?', sagte er und ich wurde rot. 'Möglich', ich sah auf den Boden und wollte am liebsten im Erdboden verschwinden. Warum nur hatte ich das mit den Sternen gesagt? Wie offensichtlich war denn das?
Eine Weile sagte keiner von uns irgendetwas. Ich konzentrierte mich auf die frische Nachtluft, denn mittlerweile war er so nah, dass ich ihn sogar riechen konnte. Und ich musste gestehen: Er roch nicht schlecht. Irgendein herbes Männerparfüm. Der Duft war mir bekannt, aber ich war mir nicht sicher, bei wem ich es schon mal gerochen hatte. Es war mir auch egal, denn bei demjenigen hatte es bestimmt nicht die selbe Wirkung gehabt. Mein Kopf war komplett vernebelt und mir wurde schwindlig. Es war ein gutes Gefühl, aber ich hatte Angst, mich ihm jeden Moment um den Hals zu werfen, so wie es Miri vor ein paar Stunden getan hatte. Ich wollte nichts mehr, als dass er mich in den Arm nahm, ich seine Nähe spüren konnte, die Wärme seines Körpers.Schnell holte ich mich zurück auf den Boden der Tatsachen. Der Junge neben mir war vorbestraft. Wegen Mordes. Eine Beziehung wäre absolut unmöglich. Meine Eltern würden durchdrehen, egal wie verständnisvoll sie waren. Und wer garantierte mir, dass sie sich wirklich umsonst Sorgen machen würden?
'Bereust du's?', fragte ich ihn wie aus heiterem Himmel. Er wusste sofort was ich meinte. 'Ja', sagte er. Mehr nicht, aber ich merkte, dass es ihm ernst war. Anscheinend wollte er nicht mehr darüber reden, denn er wechselte das Thema.
'Was würdest du machen, wenn du wüsstest, dass du nur mehr einen Tag hättest, denn am folgenden würde die Welt untergehen', fragte er. Ich sah ihn verwundert an. 'Wieso willst du das wissen?'
'Wie gesagt: Du machst mich neugierig. Ich will wissen, was in dir vorgeht. Ich will dich kennen lernen. Viele Menschen sind so leicht zu durchschauen. Du bist es nicht', gestand er und ich fühlte mich geschmeichelt.'Wenn ich wüsste, dass am nächsten Tag die Welt untergehen würde, würde ich wahrscheinlich all meine Freunde und meine Familie um mich versammeln und den Tag mit ihnen verbringen. Egal wie, hauptsache mit ihnen', sagte ich und wartete darauf, was er dazu sagen würde.
Stattdessen fragte er weiter. 'Was ist deine Lieblingsfarbe?'
'Schwarz', antwortete ich sofort.
'Warum?'
'Ich weiß nicht. Ich find die Farbe einfach schön. Sie symbolisiert das Ungewisse. Das fasziniert mich.'Er nickte langsam. Dann begann er mich mit Fragen zu bombardieren. Er wollte alles Mögliche wissen. Ob ich Haustiere hätte, was ich verneinte, wie mir die Stadt hier gefiel, was meine Hobbys waren und warum, ob ich in meiner alten Schule viele Freundinnen gehabt hätte und vieles mehr.
Ich antwortete bereitwillig. Meistens kam ich gar nicht dazu zu überlegen, so schnell kamen seine Fragen, und deshalb sagte ich auch oft etwas, was ich normalerweise einem Jungen nie anvertrauen würde. Aber ich kam nicht dazu irgendetwas peinlich zu finden, er ließ mir keine Zeit dafür. Es wunderte mich, dass ihm so viele Fragen einfielen.
Schließlich waren wir vor meinem Haus angekommen. 'Was machst du heute noch?', fragte er und ich antwortete: 'Wahrscheinlich Musik hören, nachdenken und irgendwann schlafen.'
Es schien, als hätte er keine Fragen mehr. Verlegen stand ich vor ihm. Ich wusste, dass mich meine Eltern wahrscheinlich durch die Fenster beobachteten und ich hatte keine Ahnung was ich sagen sollte. Würde er mich küssen? Ich hob vorsichtig meinen Kopf und sah ihm ins Gesicht. Seine Augen ruhten auf mir, seinen Blick konnte ich sogar in der Finsternis ausmachen.
'Okay, dann..', begann er. 'Ja, also..', mein Kopf war leer. Ich musste irgendwas sagen. Irgendwas. Aber es schien, als hätte sich mein Wortschatz in Luft aufgelöst.
'Ich...', er schien etwas sagen zu wollen, aber er brach wieder ab. Seine Lippen waren nicht weit entfernt von den meinen. Ich musste mich nur etwas vorbeugen und er mir nur ein klein wenig entgegenkommen... Plötzlich drehte er sich abrupt weg und hob nur mehr die Hand zum Gruß. Mir fiel wieder ein, was ich hätte sagen können. 'Danke fürs Heimbringen. Und gute Nacht!', rief ich ihm hinterher, aber ich war mir nicht sicher, ob er es noch gehört hatte. Ich seufzte und ging dann die Treppen zur Haustür hinauf.
Als ich an diesem Abend im Bett lag und auf die leisen Geräusche von draußen horchte, überlegte ich, wie ich es anstellen konnte, ihn so bald wie möglich wiederzusehen. Dann schüttelte ich den Kopf um die Gedanken zu vertreiben. Was dachte ich mir nur dabei? Es ging einfach nicht. Es war gefährlich und einfach unmöglich. Und wenn er sich etwas aus mir machen würde, hätte er mich ja vorher geküsst! Oder?







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