Beautiful mess - manchmal kommt alles anders...

Autor: xAlinax
veröffentlicht am: 21.05.2009


Inzwischen war auch der Rest der Leute wach. Neugierig fragten sie, wo Maja sei und was passiert ist, doch Tina zuckte nur mit den Schultern, ohne den Brief vor ihr auch nur einmal anzusehen. 'Ich bin doch nicht diejenige, die einfach so abhaut. Aber jetzt, wo wir schon mal alle wach sind, wie wäre es mit einer Nachtwanderung?'
Charlie schüttelte sich bei dem Gedanken. Sie setzte sich auf einen Baumstamm und sagte: 'Es ist kalt und dunkel. Wir finden niemals aus diesem Wald wieder raus, wenn wir jetzt weggehen. Ich für meinen Teil bleibe lieber hier.'
'Ich auch', stimmte Marc ein und gesellte sich zu Charlie. Die anderen ließen sich von Tinas Tatendrang anstecken und verschwanden einige Minuten später, ausgerüstet mit Kompass und Taschenlampe. Marc fragte sich, was der Sinn einer Nachtwanderung war, wenn man mit Licht unterwegs war. Er fand das kein Stück gruselig.
Charlie und Marc saßen eine Weile schweigend nebeneinander, dann ergriff Charlie das Wort. 'Was war denn jetzt wirklich los? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Maja freiwillig gegangen ist. Man hat ihr angesehen, wie glücklich sie war.'
Marc zog kurz verwundert eine Augenbraue hoch. Er hatte damit gerechnet, dass Charlie von Tinas Plan wusste, da sie ihre beste Freundin war und man normalerweise vor einer besten Freundin keine Geheimnisse hatte. Warum also hatte man ihr nichts davon erzählt?'Es ist Tinas Schuld', sagte er schließlich, 'sie hat ihrer Brieffreundin einen Brief geschrieben, den Maja gefunden hat. Da steht drin, dass wir alle versucht haben, sie von der Schule zu verjagen und jetzt nur nett zu ihr sind, weil es Teil eines Plans ist. Ach und Tinas Ex bin ich neuerdings auch noch.'
Charlie schwieg und schien zu überlegen. Es sah so aus, als würde sie diese Dinge tatsächlich zum ersten Mal hören.
'Von der Erpressung habe ich natürlich gehört, aber der Rest ist mir neu', gestand sie schließlich Stirn runzelnd. 'Es könnte allerdings auch sein, dass Tina bei ihrer Brieffreundin Eindruck schinden wollte, etwas von wegen sie wäre eine ganz Coole. Das würde ich ihr zutrauen. Vielleicht hatte sie ja wirklich nicht vor, Maja hiermit irgendwie zu verarschen.'Marc wiegte nur den Kopf leicht hin und her. Er wusste nicht, was er von dieser ganzen Sache halten sollte. Er wusste nicht, was Wahrheit und was Lüge war. Er wusste gar nichts mehr.'Sie mag dich, hm?', sagte Charlie dann plötzlich.
'Wer? Tina?', entgegnete Marc leicht irritiert.
'Nein. Ich meine Maja.' Charlie sah in das Feuer. Marc wartete darauf, dass sie ihren Gedanken weiter ausführte, doch gerade, als sie den Mund aufmachte, um etwas zu sagen, hielt sie inne und sah sich misstrauisch um.
'Was war das?', fragte sie zischend, als sie Geräusche aus dem Wald hörte.
Marc grinste. 'Wahrscheinlich nur ein Vogel.'
Doch Charlie schüttelte energisch den Kopf. 'So viel Krach macht doch nicht mal ein Wolf. Marc, da ist jemand!'
Sie zerrte hektisch an seinem Arm, aber ehe Marc reagieren konnte, tauchte eine Gestalt zwischen den Bäumen auf und baute sich vor ihnen auf. Es war Mr. Baker, der mit wütendem Gesichtsausdruck auf sie herabsah.
'So ihr Turteltäubchen, hier hat der Spaß ein Ende', sagte er, 'ich würde gerne erfahren, wo die anderen sind.'
Charlie saß geschockt da und Marc ging es nicht anders. Woher wusste Mr. Baker, wo sie waren? Hatte Maja vielleicht etwas mit dem Ganzen zutun? Nein, so was würde sie doch niemals tun!
'Die anderen?', sagte er, als er sich wieder einigermaßen gefangen hatte. 'Wir sind nur zu zweit hier. Der Rest müsste noch in der Schule sein.'
Mr. Baker zog eine Braue hoch. 'Und wieso habt ihr dann drei Zelte, statt zwei? Und die Chips habt ihr ganz alleine aufgegessen?'
Charlie nickte eifrig, sie hatte begriffen.
'Das eine Zelt gehörte Maja, aber die ist vorhin zurück in die Schule gegangen', erklärte sie hastig und strich sich durch ihre blonde Mähne.
Mr. Baker sah Charlie kurz schweigend an, dann sagte er: 'Folgt mir. Wir gehen jetzt, eure Sachen können Sie bei Tag abholen.'
Marc und Charlie rappelten sich auf, klopften den Schmutz von der Jeans und gingen Mr. Baker hinterher durch den Wald. Marc schielte zu seiner Freundin rüber und man konnte ihr ansehen, dass sie nicht wusste, was sie tun sollte. Irgendwann, sie waren etwas zwei Minuten unterwegs, packte sie Marc plötzlich am Handgelenk, zog ihn zur Seite und rannte dann ihm voran durch den dichten Wald. Marc hatte keine Wahl, er musste ihr folgen. Sie irrten durch die Dunkelheit, stolperten über Stöcke und Steine, bis Charlie irgendwann schwer atmend stehen blieb und sich die Seite hielt.
'Was sollte das denn werden?', fragte Marc und sah sich um. Er wusste nicht, wo sie waren oder in welche Richtung sie gehen mussten, damit sie auch wieder in der Schule ankamen. Der Himmel hatte einen hellen Orangeton angenommen.
'Denkst du wirklich', entgegnete Charlie atemlos, 'dass ich mit dem alten Knacker mitkomme? Wenn wir schon Anschiss bekommen, dann alle zusammen!'
Das leuchtete Marc ein. 'Und, was machen wir jetzt?'
Charlie sah sich nun ebenfalls um und als sie merkte, dass es außer Bäumen, Büschen und Blättern nichts zu sehen gab, setzte sie sich auf den Boden, den Rücken gegen einen Baum gelehnt.
Marc setzte sich neben sie. 'Keine Ahnung.'
'Ich bin müde', erwiderte Charlie gähnend. Sie kuschelte sich in ihren Pullover und legte ihren Kopf gegen Marcs Schulter. So verharrten sie einige Minuten, jeder hin seinen eigenen Gedanken nach.
Marc überlegte fieberhaft, wie er die Sache mit Maja nur retten konnte. Sie bedeutete ihm wirklich viel, sie war das erste Mädchen, mit dem er sich normal über ernsthafte Dinge unterhalten konnte. Sie fing nicht bei jeder Kleinigkeit an zu kichern und machte ihm schöne Augen. Sie war einfach sie selbst und hatte ihm zugehört. Marc musste irgendwas dagegen unternehmen. Er wusste, noch einmal würde er so ein Mädchen nicht kennen lernen. Sie war die erste, die ihn nicht wegen seines Aussehens mochte und nicht ständig versuchte, sich irgendwie an ihn ranzumachen.
Er wurde unsanft aus seinen Gedanken gerissen, als Charlie plötzlich leise sagte: 'Ich mag dich, Marc. Wirklich.'

Maja hatte Mr. Baker - oder eher gesagt, ihrem Vater - alles erzählt, was er wissen wollte. Dass Tina und ihre zwei Freunde hinter den Gemeinheiten steckten, wo sie sich aufhielten und wer da noch alles anwesend war. Vor lauter Wut und Verzweifelung hatte sie gar nicht darauf geachtet, dass sie sich selbst dadurch ebenso verriet, doch Mr. Baker hatte nur milde gelächelt und noch mal ein Auge zugekniffen, weil Maja so ehrlich gewesen war.Nun saß Maja in dem Büro des Schuldirektors und wartete auf seine Rückkehr. Sie wusste nicht, warum sie da bleiben musste, doch sie hatte auch nicht nachgefragt. Ihr Lehrer schien so schon völlig zerstreut gewesen zu sein und schien nicht alles im Griff zu haben, deswegen hatte sie lieber geschwiegen. Sie wollte ihm nicht auch noch zur Last fallen.
Jasmin wurde auf ihr Zimmer geschickt, da sie mit der ganzen Sache nichts zu tun hatte. Maja hatte Mr. Baker nichts von ihrem Nachtgang erzählt, weil sie ihre Freundin nicht noch in Schwierigkeiten bringen wollte und hatte stattdessen behauptet, sie habe den Brief gefunden, als er Tina aus der Tasche gefallen sei.
Plötzlich ging die Tür auf und Mr. Baker betrat den Raum. Ein kühler Hauch wehte mit ihm und es roch leicht nach Wald. Maja musste erstaunt feststellen, dass er alleine war. Sie hatte damit gerechnet, dass gleich der ganze Haufen ankommen würde, doch es war nicht eine einzige Person zu sehen.
'Sie sind weggelaufen', beantwortete Mr. Baker Majas fragenden Blick und stützte den Kopf in die Hände. Er wirkte müde und ungewöhnlich alt. 'Sie dürfen gehen.'
Maja zögerte kurz; sie überlegte angestrengt, ob sie Mr. Baker nun erzählen sollte, dass sie wusste, dass er ihr Vater war oder nicht. Sie hätte ihn gerne so viele Dinge gefragt, doch ihr fehlte der richtige Ansatz. So stand sie auf, jede ihrer Bewegungen war ungewöhnlich langsam, so als hoffe sie, Mr. Baker würde sie noch mal zurückhalten.
'Maja?' Sie zuckte zusammen, als sie ihren Namen hörte und drehte sich überrascht um. Mr. Baker sah sie prüfend an. 'Liegt Ihnen etwas auf dem Herzen? Oder sind Sie krank? Sie sehen gar nicht gut aus.'
Maja überlegte einen Moment, was sie darauf antworten sollte. Dann sagte sie: 'Es ist nur wegen-…', doch noch eher sie ihren Gedanken zu Ende führen konnte, unterbrach Mr. Baker sie nickend. 'Sie werden ihre gerechte Strafe erhalten, machen Sie sich da keine Sorgen.'Maja schwieg einen Moment, die Lippen aufeinander gepresst. Schließlich holte sie tief Luft und sagte dann mit bemüht fester Stimme: 'Darf ich Sie noch was fragen?'
Mr. Baker schien überrascht, doch er nickte.
'Wieso haben Sie mir nie erzählt, dass sie…', sagte Maja und machte nach jedem zweiten Wort eine kurze Pause, 'dass sie mein Vater sind?'
Mr. Baker war sichtlich geschockt über diese Frage und war eine kurze Zeit lang unfähig etwas zu sagen. Dann machte er eine Handbewegung und deutete Maja damit sich zu setzen. Sie folgte seiner Aufforderung und merkte gleichzeitig, wie angespannt die Atmosphäre plötzlich wurde. Sie hoffte, dass dieser Abend nicht auch noch in einem Streit enden würde.'Ich habe es dir nie erzählt', setzte er schließlich an und Maja merkte zu ihrer Erleichterung, dass er sie nun nicht mehr siezte, 'weil deine Mutter das nicht wollte. Sie hat mir erzählt, dass du damit nicht klarkommen würdest oder wahrscheinlich auch noch von hier weglaufen würdest, wenn du das rauskriegst. Ich habe ihr geglaubt, immerhin lebt sie schon dein ganzes Leben lang mit dir zusammen und muss dich ziemlich gut kennen. Ich habe mich an meinen Teil der Abmachung gehalten, aber Sylvia hat es dir anscheinend selbst erzählt. Weiß Gott, was sie sich dabei gedacht hat.'
'Nein', widersprach Maja, 'Mom hat damit nichts zu tun. Sie hat mir nichts von all dem erzählt, ich habe es selbst herausgefunden. Wenn auch mit sehr viel Glück und Hilfe. Aber ich verstehe das nicht - wieso haben Sie sich denn von ihr geschieden? Ihr kommt doch so gut untereinander klar, oder nicht?'
Mr. Baker legte kurz den Kopf schief, ehe er antwortete.
'Du, nicht Sie', korrigierte er und lächelte dann, 'das hört sich so streng an. Nun, ich kann versuchen, dir zu erklären, warum ich damals die Scheidung eingereicht habe. Aber ich werde auch nicht von dir erwarten, dass du das verstehst. Ich war damals berufstätig, in meinem Job lief alles gut. Plötzlich kam Jacky auf die Welt und ich dachte schon, dies sei das Ende, aber ich habe die Kurve gekriegt und habe Familie und Beruf noch unter einen Dach bekommen. Doch plötzlich, ein Jahr später, warst du da. Zwei Kinder, eine überforderte und übellaunige Ehefrau, das war zu viel für mich, ich konnte meinem Job nicht nachgehen. Immer wieder kam ich zu spät nach Hause und war danach immer so müde, dass ich Sylvia nicht zur Hand gehen konnte. Wir haben uns immer öfter gestritten und irgendwann wurde mir das alles zu viel. Ich habe die Scheidung eingereicht, bin kurz danach hierher gezogen, habe eine Ausbildung als Lehrer gemacht und bin zu dem geworden, was ich heute bin. Karriere ist mir sehr wichtig in meinem Leben, Sylvia hat das nie verstanden.'
'Und in all den Jahren ist es Ihnen - ich meine, dir, nie in den Sinn gekommen, mir zu schreiben?', entgegnete Maja und es hatte, ohne dass sie dies beabsichtigt hatte, etwas Vorwurfsvolles. 'Und du hast doch auch das Recht dazu, uns zu besuchen, oder nicht?''Natürlich habe ich das Recht dazu', bestätigte Mr. Baker und nickte schwach, 'aber ich bin nun mal ein sehr beschäftigter Mann, sehr gefragt, wie du siehst.'
'Und warum hast du zu Jacky Kontakt gehabt, aber mit mir nicht?'
'Berechtigte Frage', stimmte Mr. Baker zu. 'Aber ganz einfach zu erklären. Jacky war damals drei, als ich gegangen bin. Du warst kaum zwei und du schienst keine Ahnung zu haben, was da vor sich ging. Du kanntest mich kaum, ich hatte nie Zeit für dich. Deswegen hat Sylvia nach meinem Weggehen auch nie über mich geredet. Irgendwann hast du - ich glaube, da warst du fünf - mal gefragt, wieso alle außer dir einen Vater haben. Und du kennst doch deine Mutter - warum einfach, wenn's auch kompliziert geht? Sie hat dir erzählt, ich sei tot. Und damit war die Sache geregelt.'
Maja gähnte und Mr. Baker sah mit einem raschen Blick auf die Uhr. Dann stand er auf. 'Geh nun ins Bett, ich kümmere mich schon noch um den Rest. Gute Nacht.'
Langsam rappelte Maja sich auf und nickte. Dann ging sie zur Tür und sagte leise, bevor sie auf den Flur trat: 'Gute Nacht… Dad.'







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