Beautiful mess - manchmal kommt alles anders...

Autor: xAlinax
veröffentlicht am: 22.04.2009




Marc probte gerade mit seiner Band. Er spielte Gitarre, Eric saß am Schlagzeug, und Chris begnügte sich mit dem nagelneuen Keyboard, das er von seiner Familie zum Geburtstag bekommen hatte. Eigentlich lief alles gut. Doch sie hatten ein sich immer in den Vordergrund drängendes Problem: Sie brauchten eine Sängerin.
In der ganzen Schule schien es niemanden zu geben, der einigermaßen gut singen konnte. Also mussten die Jungs immer als die Band auftreten, die nicht nur keinen Namen hatte, sondern auch keine Sängerin. Und das hatte wiederum Nachteile: Die Mädchen, besonders die jüngeren, wurden so auf Marc aufmerksam. Als gäbe es Eric und Chris gar nicht liefen sie ihm ständig hinterher und manchmal war das so extrem, dass er keine ruhige Minute mehr hatte. Er bekam sogar schon Briefe von den älteren Geschwistern der 10-Jährigen, die nicht einmal hier auf der Schule waren.
'Alter, wenn wir nicht bald jemanden finden, der singen kann, dann sind wir Geschichte', meinte Chris diesmal und sah missmutig drein.
'Meint ihr, wir sollen uns jetzt einfach so eine raussuchen?'. fragte Eric und polierte seine Sonnenbrille. Eric tat gern auf cool und merkte dabei überhaupt nicht, wie lächerlich er sich dadurch machte.
'Und wen würdest du nehmen?', wollte Chris wissen und zog eine Augenbraue hoch.'Wie wäre es mit… Susan?', schlug Eric vor.
'Susan? Wie kommst du denn auf die?', fragte nun Marc überrascht.
'Naja', grinste Eric und stand auf. 'Die sieht gut aus.'
'Und wenn schon, die singt noch schlimmer als du, und das soll schon was heißen', meinte Chris mit einem spöttischen Unterton. 'Aber Svenja kann gut singen.'
'Svenja?!', wiederholte Eric ungläubig und schnaubte verächtlich. 'Die würde ich als allerletzte nehmen! So wie die aussieht! Mit ihren ganzen Pickeln im Gesicht…'
'Mann, lasst uns aufhören, ich habe echt keinen Bock mehr', mischte Marc sich ein und packte genervt seine Gitarre ein. 'Mr. Baker wollte sowieso noch mit mir reden', fügte er hinzu.
Dann verließ Marc den großen Proberaum im Keller, den die Schule extra für die Schulband angeschafft hatte, und niemand durfte ohne Erlaubnis dort hinein. Den Schlüssel besaßen nur die Bandmitglieder.
Marc konnte Erics Gekeife einfach nicht mehr wortlos mit anhören. Immer wieder, wenn Chris jemanden vorschlug, die etwas schlechter aussah, tat er so, als wäre es der Weltuntergang, wenn sie in die Band kommen würde. Da konnte sie so gut singen wie sie wollte. Bei Eric war sie unten durch.
Mit einem seltsamen Gefühl in der Magengegend steuerte Marc das Büro des Schuldirektors an und klopfte. Doch er bekam keine Antwort.
'Mr. Baker?'
'Ah, Sie sind es, Marc. Nun, kommen Sie rein', kam es aus seinem Büro.
Marc öffnete die Tür. Es war nicht das erste Mal, dass er in Mr. Bakers Büro war. Mr. Baker war nämlich Klassenlehrer, Direktor und Aufsicht in seinem Gang gleichzeitig und hatte ihn schon das eine oder andere Mal erwischt, wenn er etwas Verbotenes getan hatte. Deshalb war er manchmal zum Nachsitzen da.
'Setzten Sie sich', sagte Mr. Baker und strich sich mit der Hand durch das Haar. Er sah noch ziemlich jung aus mit seinen kurzen blonden Haaren. Er hatte keine Falten im Gesicht und einen kurzen Stoppelbart. Irgendwie erinnerte er Marc immer wieder an jemanden, aber er wusste nicht, an wen. Vielleicht an irgendeinen Schauspieler in einem Film.
Dann begann Mr. Baker auf seine Finger zu starren. Das tat er immer, wenn er nicht wusste, wie er anfangen sollte.
'Also, Sie fragen sich gewiss, wieso ich Sie habe rufen lassen', begann er schließlich. 'Und das werde ich Ihnen jetzt auch verraten: Nächste Woche Donnerstag kommen zwei neue Schülerinnen zu uns in das Zimmer gegenüber von Ihnen, Eric und Alex. Meine Bitte an Sie ist es, zusammen mit Ihren Freunden den Mädchen die Schule zu zeigen, ihnen alles zu erklären. Ich gebe Ihnen gleich eine Liste mit, auf denen die Namen stehen. Einigt Euch doch bitte, wer wem alles erklären wird. Sind Sie einverstanden?'
Marc nickte zögernd, sichtlich verwirrt über das überraschende Angebot. Damit hatte er nicht gerechnet. 'Aber-… Mr. Baker, wieso eigentlich wir?'
'Die beiden ziehen gegenüber von Ihnen ein, da ist es vielleicht besser. Außerdem weiß ich doch, wie die Mädels auf euch drei reagieren, nicht?' Mr. Baker zwinkerte Marc zu. 'Okay, dann wäre das jetzt geklärt. Warten Sie vor meinem Büro, Marc, ich komme gleich mit den Informationen wieder.' Schwerfällig erhob Mr. Baker sich und ging durch eine zweite Tür in das Sekretariat, welches direkt daneben lang.
Marc ging währenddessen schon mal vor die Tür. Er fragte sich, wer diese Neuen waren, wie sie waren.
Nach einigen Minuten kam Mr. Baker mit einem braunen Umschlag in der Hand wieder. 'So, hier in dem Umschlag befindet sich alles, was Sie wissen müssen', sagte er und drückte Marc den braunen Umschlag in die Hand. 'Auch Informationen, die gar nicht an Sie gerichtet sind, befinden sich nun dummerweise dort drinnen. Beachten Sie es einfach nicht. Sie wurden den Eltern geschrieben und waren nur eine Übersichtshilfe, damit wir sie ungefähr einschätzen können, um dann zu entscheiden, in welches Zimmer sie gehen sollen, damit es keinen Streit gibt. Ach und, Marc? Vergessen Sie unseren Termin nächste Woche nicht, erinnern Sie sich? Das Nachsitzen!'
Mr. Baker klopfte ihm beim Vorbeigehen auf die Schulter und lachte.
Nachsitzen. Wer dachte am letzten Schultag vor den Ferien schon an Nachsitzen?
'Also bis dann- Ach, Marc? Die Mädchen kommen am Samstag, aber lassen Sie ihnen noch einige Stunden, damit sie sich ihr Zimmer einrichten können', sagte Mr. Baker noch, bevor er wieder zurück in sein Büro ging und die Tür hinter sich schloss.

'Ist es nicht seltsam,
dass wir es genießen,
wenn wir alleine sein können,
aber daran verzweifeln,
wenn wir alleine sein müssen?'

Wütend schaltete Maja ihr klingelndes Handy aus und lief zum ebenso läutenden Telefon, um den Stecker zu ziehen. Sie verfluchte dieses verdammte Telefon! Seitdem ihre Freunde wussten, dass sie auf ein Internat gehen musste, klingelte es schon seit Tagen ununterbrochen und stellten Majas Nerven auf eine harte Probe. Sie weigerte sich strikt, mal ranzugehen, doch inzwischen hatte sie wegen dem hartnäckigen Klingeln Kopfschmerzen bekommen und jedes einzelne Läuten schien ein lauter, ohrenbetäubender Schrei zu sein, der von den Wänden des Hauses widerhallte. Und dabei war sie gerade eben erst aufgestanden.
Sie wollte nicht mit ihnen reden, verstanden sie es denn nicht? Sie wollte nicht hören, dass alles gut werden würde, sie wollte nicht hören, dass sie einen anderen Weg finden würden! Sie wollte sich nicht die Hoffnung machen, vielleicht doch hier bleiben zu können, denn sie wusste, dass es zwecklos war.
Mit deprimiertem Gesichtsausdruck sah Maja auf dem Kalender und strich noch einen Tag durch. Noch fünf Tage, dachte sie bitter, Fünf. Irgendwann muss ich mit ihnen reden. Früher oder später…
Mit dem Gedanken, es lieber später als früher zu tun, ging sie aus ihrem Zimmer die Treppe hinunter in die Küche. Es roch verführerisch nach frischem Brot und Kaffee, doch zu ihrer Verwunderung war niemand da. Mit einem letzten prüfenden Blick verließ sie den Raum wieder und betrat das Wohnzimmer. Da entdeckte sie ihre Familie im Garten an dem Tisch. Die Sonne strahlte zu Majas Frustration hell vom Himmel, als wäre es ein wunderschöner, sorgenloser Tag, und die Vögel hatten natürlich auch nichts Besseres zu tun, als diesen Eindruck zu verstärken.
Missmutig stapfte sie hinaus in den Garten, wo Richard sie schon grüßte.
'Morgen, Maja', sagte er mit dröhnender Stimme und es versetzte Maja einen Stich in ihrem schmerzenden Kopf. Irritiert sah sie von Richard zu Jacky, dann zu Konrad und zu ihrer Mutter. Irgendetwas schien heute anders.
'Setz dich!', forderte Richard sie auf und klopfte auf den Platz neben sich. 'Wir wollten dich nicht wecken. Aber schön, dass wir Ostern heute doch noch alle zusammen feiern können!'Ostern?!
'Übrigens', fügte ihre Mutter hinzu, noch bevor Maja überhaupt dazu kam, etwas zu erwidern oder gar darüber nachzudenken, 'ist hier im Garten noch ein Korb vom Osterhasen versteckt. Na, willst du ihn nicht mal suchen?'
Maja schnaubte verdrießlich und setzte sich zu Richard auf die Gartenbank.
'Das kannst du vergessen', erwiderte sie und gähnte. 'Ich bin kein Baby mehr! Ich mach bei diesem Quatsch nicht mit. Das war einmal.'
'Quatsch?' Sylvia Parker sah belustigt drein. Anscheinend hielt sie es für einen Scherz. 'Das ist kein Quatsch, das ist Familientradition!'
Sie strich Maja durch ihr blondes Haar, als wäre sie ein Kleinkind, und Maja schüttelte die Hand ihrer Mutter mit einer fahrigen Kopfbewegung ab. Dass man hier wie ein Kleinkind behandelt wird, scheint auch so etwas wie eine Familientradition zu sein, dachte sie grimmig und griff nach einer Scheibe Brot.
'Ja, Majalein', grinste Konrad mit vollem Mund. 'Das ist Familientradition! Vergiss das nicht.'
'Halt den Mund, Connie', zischte Maja und trat ihm unter dem Tisch ans Schienbein. Konrad verzog sein Gesicht schmerzhaft und zog sein Bein ruckartig zurück. Dabei stieß er versehentlich den Tisch an, der leicht zu wackeln begann.
'Maja!', mahnte nun Sylvia mit vorwurfsvollem Blick. 'Nenn ihn nicht so. Und du, Konrad, denk dran, man spricht nicht mit vollem Mund. Manchmal fühlt man sich hier wirklich wie in einem Kindergarten…'
'Na, Sylvia, Schatz. Nun übertreib mal nicht', mischte sich auch Richard ein.
Jacky hielt sich aus dem Streit raus. Vermutlich bekam sie gar nicht erst mit, was hier im Gange war. Sie hatte die Kopfhörer ihres iPods im Ohr und hatte die Lautstärke so laut gedreht, dass Maja sogar das Lied, das sie hörte, erkennen konnte. Im Takt wippte sie mit dem Kopf kaum merklich hin und her, ihre Lippen bewegten sich stumm. Scheinbar glücklich beschmierte sie sich eine Scheibe Brot mit Butter. Sie hatte keine Sorgen.
Sylvia, Richard und Konrad redeten über viele verschiedene alltägliche Dinge, die Maja im Moment völlig bedeutungslos schienen. Und das war es, was sie so wütend machte. Darüber, dass Maja auf ein Internat gehen musste, wurde seit dem Streit zwischen ihr und ihrer Mutter nicht mehr angesprochen und Maja fragte sich, ob sie für ihre Mutter innerlich vielleicht schon längst im Internat war. Weg vom Fenster.
'Maja?' Sylvia Parker riss Maja aus ihrem Gedanken. Sie stellte überrascht fest, dass inzwischen schon alle fertig gefrühstückt hatten und verschwunden waren. Irritiert blinzelte sie erst ihr Brot, dann ihre Mutter an.
'Isst du das noch?'
Maja schwieg.
Sylvia seufzte.
'Okay. Das nehme ich mal als ein Nein.'
Sie räumte den Tisch ab, während sie Maja immer wieder aus den Augenwinkeln ansah, als wartete sie auf etwas. Doch ihre Tochter zeigte keine Reaktion. Abwesend starrte sie auf einen imaginären Punkt an der Hauswand und schien geistig gar nicht da zu sein.

'Hmpf.' Sylvia Parker setzte sich schwerfällig neben ihre Tochter auf den Platz, auf dem vor kurzem noch Richard gesessen hatte. Einige Momente sagte niemand was, und schließlich schien Majas Mutter diese Stille nicht mehr ertragen zu können.
'Maja, Schätzchen. Ich wollte mit dir noch mal über das Internat reden. Ich-' Sie stockte. 'Ich habe mir überlegt, weil ich dir die Entscheidung einfach so abgenommen habe, mache ich dir den Abschied leichter.'
Sie war sich nicht sicher, ob Maja zugehört hatte, doch diese hob überrascht den Kopf und sah sie fragend und ungläubig zugleich an.
'Nun, Richard und ich haben uns entschieden, dass wir unser gemeinsames Sparkonto mal plündern und dir einige schöne Sachen kaufen. Ein neues Handy, neue Klamotten. Na, was sagst du dazu? Das wolltest du doch schon so lange!'
'Schon', brummte Maja zustimmend. 'Aber nicht für diesen Preis.'
Sylvia schwieg eine Weile. Dann seufzte sie erneut. 'Du weißt doch selbst ganz genau, dass wir das nicht ändern können. Und bitte Maja, hör auf, dich auf deinem Zimmer zu verkriechen und dich ununterbrochen mit deiner Gitarre zu beschäftigen. Du spielst dir deine Finger noch blutig. Und außerdem ist es nicht gut, wenn du nur Trübsal bläst. Geh unter Menschen, triff deine Freunde, so lang das hier noch möglich ist. Ich verstehe, wie du dich fühlst, aber-'
'Oh nein!' Majas Augen verengten sich gefährlich und sie stand entschlossen auf. 'Wenn du es wirklich wüsstest, hättest du diesen ganzen Schwachsinn nicht gesagt! Du hast überhaupt keine Ahnung, wie es mir geht. Aber ich habe schon längst aufgehört, zu hoffen, dass du es verstehst. Und wenn du mich jetzt bitte entschuldigen würdest- ich muss noch meine Sachen packen.'
Mit schnellen Schritten ging sie durch das Haus zurück auf ihr Zimmer und holte wütend zwei Koffer aus ihrem Wandschrank hervor. Mit mehr Kraft als eigentlich nötig legte sie einen davon aufs Bett und öffnete ihn.
Innerhalb von zehn Minuten waren beide Koffer voll und Maja musste noch einen Rucksack hinzuziehen, damit all ihre Sachen irgendwo verstaut waren. Wenn ich schon gehe, dachte sie verbissen, während sie versuchte, die Tasche zu schließen, dann nehme ich alles mit. Alles!







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