Beautiful mess - manchmal kommt alles anders...

Autor: xAlinax
veröffentlicht am: 20.04.2009




'Ist es nicht seltsam,
dass Erfahrungen, die wir vergessen wollen,
uns am längsten in Erinnerung bleiben,
aber Momente, die wir festhalten möchten,
so schnell an Deutlichkeit verlieren?'

Als Majas Mutter die Haustür öffnete, schlug ihr der Geruch von Reinigungsmitteln entgegen, und gleichzeitig meinte sie einen Hauch ihres Lieblingsessens wahrzunehmen. Irritiert zog sie die Schuhe aus und ging langsam durch den Flur auf die Küche zu, in der das Licht noch brannte.
Die ungewöhnliche Sauberkeit war ihr schon fast ein bisschen zu gruselig.
Sie betrat gerade die Küche, als Maja dem gedeckten Tisch den letzten Schliff verlieh. Als sie ihre Mutter bemerkt hatte, drehte sie sich rasch um und lächelte.
'Oh, hallo Mom!', säuselte sie eine Spur zu künstlich, als dass es natürlich rüberkommen konnte. 'Ich habe nur ein bisschen gekocht. Und aufgeräumt habe ich auch. Setz dich, du hast bestimmt Hunger.'
Sie nahm ihrer Mutter die Jacke ab und hing sie auf die Stuhllehne. Dann drückte Maja sie auf den Stuhl und setzte sich ihr gegenüber. 'Bedien dich.'
Sylvia Parker sah immer noch verdutzt durch die Küche, bis ihr Blick nur noch Maja galt, die sich gerade Salat auf den Teller legte. Schließlich griff auch sie nach der Gabel und begann zu Essen. Maja sah ihre Mutter aus den Augenwinkeln an und wartete darauf, dass diese damit anfing, mit ihr über das Internat zu reden. Doch diese ließ sich reichlich Zeit damit. Sie fing an, über ihren Alltag zu reden, über völlig belanglose Themen, die Maja überhaupt nicht interessierten. Und Maja hatte auch schon fast geglaubt, dass ihr Plan funktioniert hatte, und ihre Mutter sie nun nicht mehr auf das Internat schickte.
Doch plötzlich wurde Sylvias Miene ernst.
'Hör zu, Maja', begann sie und spielte nervös mit einer ihrer Haarsträhnen. 'Es geht um das Einziehen von Richard und Konrad.'
Maja erwiderte nichts. Sie sah ihre Mutter nur mit einer Mischung aus Verzweiflung und Ungeduld an. Doch diese sah mich nicht an, und einige Sekunden herrschte Stille. Plötzlich veränderte sich ihr Gesichtsausdruck. Sie sah erschrocken aus. Maja verfolgte ihren Blick und sah den Brief, den sie vergessen hatte wegzuräumen.
'Du weißt selbst', fuhr sie fort, 'dass wir zu wenig Platz für fünf Personen haben. Und du und Jacky könnt unmöglich zusammen auf ein Zimmer. Es ist wirklich toll, was du dir hier für Mühe gegeben hast- das Essen ist wirklich hervorragend- doch du weißt genauso gut wie ich, dass wir keine andere Möglichkeit haben. Tut mir Leid, dass du es von dem Brief erfahren hast, und nicht von mir. Ich wollte eigentlich früher mit dir reden.' Sie streckte eine Hand nach Majas aus. 'Denk jetzt bitte nicht, dass wir doch loswerden wollen.'
'Das ist doch so, oder? Jacky hat mir immer vorgeschwärmt, wie schön du es fandest, so ganz ohne mich! Und Konrad, der soll jetzt mein Zimmer bekommen, sobald du und dein Richard alles besprochen habt und ich endlich aus eurem Leben verschwinde! So ist es doch, oder?!''Maja.' Sylvia seufzte. 'Ich weiß nicht, mit dir passiert ist, aber du hast dich vollkommen verändert. Wieso verstehst du denn nicht, dass wir dir nur gutes tun wollen? Das Internat ist die beste Chance, endlich mal zu zeigen, was in dir steckt. Da hast du bestimmt keine Lehrer, die dich nicht leiden können. Du findest neue Freunde und-...'
'Wenn du Glück hast, dann auch noch ein neues Zuhause!', funkte sie dazwischen und war einen Moment überrascht, dass diese Worte aus ihrem Mund kamen. Doch sie fing sich schnell wieder.
Majas Mutter sah sie fassungslos an und ließ langsam den Arm sinken, in dem sie das halb gefaltete Handtuch hielt. Sie fing immer an, aufzuräumen oder Wäsche zu falten, wenn sie nervös war. 'Ich habe versucht, es dir normal zu erklären, aber wenn du nicht willst, bitteschön! Schrei mich nur an! Du kannst wirklich froh sein, dass dein Vater nicht da ist, denn der würde-...'
'Der bedeutete dir sowieso nie etwas! Du hast praktisch dein Leben lang darauf gewartet, dass ihm irgendwas passiert, dass er irgendwann mit einer neuen Braut hier ankommt und dich sitzen lässt!', schrie Maja nun fast und war aufgestanden. Ihre Arme zitterten.'Maja! Nur, weil ich jetzt einen neuen Freund habe, heißt das noch lange nicht, dass ich ihn nicht liebte! Es wird doch auch nicht besser, wenn ich jetzt hier sitze und um ihn trauere! Das Leben geht weiter!', sagte Sylvia nun ebenfalls wütend.
'Kann sein, dass dein Leben weitergeht, aber Dad kannst du nicht einfach so ersetzten! Hast du jemals daran gedacht, was ich von dieser ganzen Geschichte halte?!', erwiderte Maja lautstark und versuchte sich wieder in den Griff zu bekommen.
'Natürlich habe ich das!', sagte ihre Mutter, plötzlich erschrocken. 'Maja, Schätzchen, denk jetzt doch nicht, dass du mir völlig egal bist! Ich will nur das Beste für dich. Ich dachte, es würde dich freuen, von hier wegzukommen. Jacky fand auch, dass es eine tolle Idee ist. Und da ihr ja Geschwister seid, dachte ich, ihr würdet sowieso das gleiche sagen.'
'Oh bitte, hör mir bloß auf mit deinem Psychoquatsch.' Maja drehte sich um. 'Ihr müsst euch wahnsinnig freuen, mich loszuwerden. Wie viel Zeit habe ich noch? Zwei Tage? Drei?''Eineinhalb Wochen', erwiderte ihre Mutter mit brüchiger Stimme. Sie versuchte einen zweiten Versuch, normal mit ihrer Tochter zu reden, doch diese blockte ab.
'Ich gehe ins Bett', murmelte Maja und wandte sich zum gehen ab.
Sie verschwand in ihrem Zimmer und griff nach ihrer Gitarre. Das machte sie immer, wenn es ihr schlecht ging oder sie glücklich war. Sie konnte eine Menge Lieder spielen und wenn sie Trost suchte, spielte sie sich selbst einfach ein Lied, das zu ihrer Situation passte, und sang dazu. Und wenn sie mal kein passendes parat hatte oder eins nicht vollkommen passte, dann schrieb sie diese entweder um oder erfand selbst welche. Es machte ihr Spaß und lenkte sie ab.
Maja verstand nicht, warum ihre Mutter sie immer zu allem zwingen musste. Warum musste sie normal sein? Wieso konnte sie nicht einfach machen was sie wollte, sein wer sie wollte? Wenn sie so über sich nachdachte, merkte sie, wie viel in ihrem Leben von ihrer Mutter bestimmt und abhängig war. Denn diese wollte, dass Maja eben normal war, sich nicht von anderen unterschied.
Einige Male spielte sie die Tonleiter hoch und runter, bevor sie dann anfing, das eigentliche Lied zu spielen...

'I'm not a little girl anymore
I don't need someone
Who make decisions for me
Even though our concern
Seemed perfect
I always knew that
Anything is so wrong
But I kept it to myself

I even can't believe it,
That this is really true
I thought I would be
Every time with you
But now, I cannot hide,
I have to leave you
But now, I hadn't a choice,
I have to go

Why she doesn't understand
That I'm not a little girl anymore?
Why she doesn't see
How much it hurts?
I fooled myself and said that
Everything was okay
But in the end I see
Nothing was so as it seems.'

Verschiedene Bilder rasten ihr durch den Kopf. Sie konnte sie nicht zuordnen. Einmal war sie es als kleines Kind, die weinend in einem Sandkasten saß, mit einem Eimer voll Sand. Ihre Mutter daneben hielt sie fest am Handgelenk, während sie versuchte, möglichst nicht allzu verkrampft in die Kamera zu gucken. Oder als sie beim Ballett vor fünf Jahren hingefallen war und ihre Mutter sie dazu zwang, aufzustehen und weiterzutanzen. Ihre blutigen, schmerzenden Zehen hatte sie dabei überhaupt nicht beachtet.
Viele solcher Momente fielen Maja ein und die Wut auf ihre Mutter verpuffte schlagartig. Zurück blieb eine nur leere, unbeschreibliche Trauer, der ihr einen schmerzhaften Stich versetzte. Die Beziehung zwischen ihr und ihrer Mutter war längst nicht so glücklich und fehlerlos gewesen, wie sie immer schien. Mit jedem Tag war sie ein Stückchen weiter in die Brüche gegangen. Und Maja fiel es jetzt erst auf- doch es schien ihr, als wenn es schon zu spät war…

Maja wurde unsanft aus dem Schlaf gerissen, als ihr Handy klingelte. Müde setzte sie sich auf und es dauerte eine Weile, bis sie auf dieses Klingen reagierte. Es war inzwischen dunkel draußen und sie hatte keine Ahnung, wie spät es war.
'Hallo?', nuschelte sie verschlafen und gähnte herzhaft.
'Maja!' Jos Stimme war unerwartet laut und ein schmerzhafter Stich in Majas Kopf ließ sie kaum merklich zusammenzucken. 'Na, wie geht's?'
'Mir geht's fabelhaft', brummte Maja und rieb sich die Stirn. 'Warum zum Teufel rufst du mich mitten in der Nacht an?'
'Mitten in der Nacht? Wir haben erst halb zehn!', entgegnete Jo leicht irritiert und eine Spur von Besorgnis klang in seinen Worten mit.
'Oh.' Mehr als das brachte Maja nicht zustande.
'Wie auch immer.' Maja sah Jo bildhaft vor sich, wie er die Stirn in Falten zog und sich mit der Hand über das Gesicht fuhr. 'Du weißt bestimmt, warum ich anrufe?'
Maja schüttelte den Kopf, bemerkte dann aber, dass Jo sie ja nicht sehen konnte. 'Nee', knurrte sie deswegen müde. 'Wieso denn?'
'Mein liebes Brüderchen würde gerne mit dir reden', sagte er und der Anflug eines Lächelns war praktisch zu hören. Als Maja verächtlich schnaubte, fügte er hinzu: 'Nun hab dich nicht so, Maja. Er ist in Ordnung und das weißt du! Er würde dich nicht noch einmal-…'
'Hör zu, Jo.' Sie setzte sich ein bisschen höher. 'Du weißt genau, was meine Antwort darauf ist. Er ist selbst Schuld. Wie oft soll ich dir das noch sagen? Und außerdem-' Sie stockte. 'Außerdem wäre es eine ganz schlechte Idee, jetzt hier einen Freund zu haben. Es würden nur Probleme entstehen. Versteh das doch.'
'Was meinst du mit ‚hier'?', fragte Jo, dem es nicht entgangen war, mit alarmierender Stimme. Doch Maja gab ihm keine konkrete Antwort. Stattdessen sagte sie: 'Nicht heute. Ich bin unendlich müde und habe mir vorher vor Wut fast die Augen aus dem Kopf geheult. Morgen erzähle ich euch alles…'
Und damit verabschiedete sie sich, Jos Protest mit Genugtuung ignorierend, und legte auf. Mit wild klopfendem Herzen legte sie sich wieder hin und starrte an die Decke. Wie, dachte sie, wie verdammt soll ich es ihnen sagen? Wie? Wie? Wie?!

'… dabei wurden fünf Leute verletzt, zwei davon schwer. Mehr davon nach dem Wetterbericht, nur hier, bei R3. Einen schönen guten Morgen hier, mit Gisela Palm.'Majas Radiowecker ließ sie ruckartig aufwachen. Mit dröhnendem Kopf rappelte sie sich auf und sah einen Moment verwirrt durch die Gegend, bis ihr Blick auf die Uhr fiel und ihr klar machte, das sie in einer halben Stunde in der Schule sein musste. Sie hatte verschlafen!Wie vom Blitz getroffen sprang Maja auf, zog sich schnell Jeans und T-Shirt über, putzte sich die Zähne, bürstete sich die Haare, schnappte nach einem Brötchen und hatte dann auch schon das Haus verlassen. Mit eiligen Schritten lief sie die kurze Strecke zur Schule und kam anschließend genau rechzeitig zum Klingeln.
Da hast du wirklich noch mal Glück gehabt, Maja, dachte sie mit zusammengebissenen Zähnen, als sie sich auch ihren Platz neben Jo setzte und hastig ihre Deutschsachen aus der Tasche holte. Sonst hättest du wieder nachsitzen können. Und das am letzten Schultag vor den Ferien!
Jo stieß Maja in die Seite und warf ihr einen fragenden Blick zu. Doch Maja wandte sich ab, um ihm zu zeigen, dass er sie in der Pause noch einmal danach fragen sollte.
Maja zählte die Sekunden, die sie noch hatte, bis sie sich ihren Freunden stellen und ihnen diese grausame Nachricht erzählen musste. Sie wusste nicht, wie sie anfangen sollte, oder wie Stella, Jo, Matze, Tatze und Ina darauf reagieren würden. Oder wie sie auf die Reaktion ihrer Freunde reagieren würde. Mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit würde sie dann sogar heulen, wenn auch nur einer von ihnen ein bisschen Trauer oder Verzweiflung zeigen würde.'Maja Parker. Aufwachen!', dröhnte eine tiefe Stimme vor ihr und riss Maja grob aus ihren Gedanken. Es war Mr. Terre, ihr Deutsch- und Klassenlehrer. 'Ich habe dich etwas gefragt!''Äh… ich- … was denn?', stotterte Maja verwirrt. Sie hatte überhaupt nicht zugehört.'Ob du uns sagen kannst, was der Grund ist, warum Leonardo in diesem Kapitel Catherine verlässt?'
'Na, ist doch klar', log Maja und versuchte zu lächeln. 'Weil er sie nicht mehr liebt.'Mr. Terre seufzte theatralisch und machte eine wegwerfende Handbewegung. 'Schlaf ruhig weiter, Maja.'
Nach diesem Vorfall ließ sie ihr Deutschlehrer in Ruhe. Er bedachte sie zwar des Öfteren mit vorwurfsvollen Blicken, doch ließ er seine schlechte Laune an den anderen Schülern aus, wofür Maja ihm insgeheim zutiefst dankbar war. Als es schließlich zur Pause klingelte, hielt Mr. Terre noch mal alle Mitschüler zurück.
'Ich habe nur noch eine kurze Information an euch! Wie ihr vielleicht schon wisst, wird Maja uns nach den Osterferien verlassen. Heute ist ihr letzter Schultag. Ich wollte nur, dass ihr das wisst. Nicht, damit irgendwelche Missverständnisse aufkommen. Alsdann, ihr dürft gehen.'Bei diesen Worten zog sich Majas Herz krampfhaft zusammen und sie beeilte sich, den fragenden Blicken und verzweifelten Rufen zu entkommen. Schon fast fluchtartig lief sie zu ihrem Spind und packte ihre Sachen ein. Plötzlich nahm sie den Geruch von Aftershave war, und als sie zur Seite blickte, sah sie direkt in Jos blasses Gesicht. Mit einer Mischung aus Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit und etwas, das Maja nicht deuten konnte, blickte er sie wortlos an.
So standen sie sich einige Sekunden schweigend gegenüber, bis plötzlich die Spindtür zugeschlagen wurde und Stella, Matze und Tatze im Schlepptau, auf die beiden zukam. Und direkt dahinter entdeckte sie Ina.
'Was blast ihr beiden denn hier so Trübsal?', fragte Stella. Außer Jo war niemand von ihnen in Majas Klasse, und so wussten sie noch nichts davon.
Maja schwieg. Schließlich nahm Jo ihr das Reden ab. Und als er zu reden begann, hörte sich seine Stimme ungewohnt rau und tief an. 'Maja geht auf ein Internat. Das heute war ihr letzter Schultag.'
Vier entsetzte Augenpaare starrten sie ratlos an, so als hofften sie, Maja würde diese Behauptung abstreiten. Doch sie tat es nicht. Achselzuckend nahm sie die Blicke ihrer Freunde war. Sie sprachen Bänder.
'Warum hast du uns nie was davon gesagt?', brach Matze das Schweigen und sah sie schon fast missbilligend an.
'Das', brummte Jo säuerlich und verzog das Gesicht kaum merklich, 'würde mich allerdings auch interessieren.'
'Ich habe es auch erst gestern erfahren…', murmelte Maja entschuldigend. 'Ich-…'Weiter sprechen konnte sie nicht, denn Stella war ihr um den Hals gefallen und drückte sie fest. 'Das schaffen wir schon, Schatz. Vielleicht können wir deine Mutter ja noch-''Nein, Stella. Es ist zwecklos. Ich hab's versucht…'
Und damit wandte sie sich gleichzeitig mit dem Klingeln um und ging ins Klassenzimmer zurück. Niemand bemerkte die Tränen, die sie mit Mühe zu verbergen versuchte, und die unbedingt ins Freie wollten.







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