Auf der anderen Seite der Nacht

Autor: Nacomi
veröffentlicht am: 30.01.2010




'Luìs?' wagte ich schließlich zu fragen und er öffnete die Augen. Sie glitzerten im zarten Licht der Sterne über uns und gaben ihnen einen ganz besonderen Glanz. Er lächelte und fuhr sich durch die Haare. 'Uff' machte er und schüttelte den Kopf. 'Du bist einfach unmöglich Juliana!' Empört sah ich ihn an. 'Wie jetzt unmöglich?' entfuhr es mir. 'Was habe ich denn jetzt schon wieder falsch…' 'Nichts' unterbrach er mich. 'Gar nichts, aber halt einfach mal die Klappe!' 'Aber hör mal!' empörte ich mich. 'Sei still!' wiederholte er energisch. 'Du hast mir überhaupt nichts zu sagen!' schnauzte ich und vor Wut übersah ich sein amüsiertes Schmunzeln. 'Du, du' grummelte ich weiter und bohrte ihm meinen Zeigefinger in die Brust. 'Bist so… so was von…' 'Gutaussehend? Charmant?
Zuvorkommende? Ich weiß.' Um Gottes Willen! Er war wieder ganz der Alte. Was für ein eingebildeter Kauz er doch war! Ich hatte ihm gerade gesagt, dass ich ihn verliebt war und was machte er? Er machte sich über mich lustig! Was fand ich eigentlich an ihm? Gerade wollte ich den Mund aufmachen, um ihm mal richtig die Meinung zu sagen. Da legte er mir die Hand auf den Mund. 'Hatte ich nicht gesagt, dass du still sein sollst?' fragte er und hob eine Augenbraue. Diese Augenbraue würde mich eines Tages noch verrückt werden lassen. Wütend versuchte ich mich zu befreien, aber er hatte mir den anderen Arm um die Taille gelegt, sodass ich mich fast überhaupt nicht bewegen konnte. 'Und jetzt?' säuselte er mit sanfter Stimme und einen Moment lang erlahmte mein Widerstand. Er war mir so nah! Wie ich da so fest an seinen harten Körper gepresst dastand, mit seiner Hand auf meinem Mund und dem Arm um meine Taille, fehlte nicht viel und ich hätte ihn angefleht mich endlich zu küssen. Warum fühlte es sich nur so verdammt gut an?! Wieso fühlte ich mich in seiner Gegenwart so hilflos, so schwach und warum hatte ich mich ausgerechnet in ihn verlieben müssen! Es war wirklich zum Haare raufen! Unglaublich, dass ich mich in einen Spanier verliebt hatte! Spanier hin oder her, durch den seidenen Stoff meines Kleides konnte ich jede seiner Regungen, ja sogar seinen gleichmäßigen Herzschlag spüren. Beunruhigt über das Gefühlschaos versuchte ich mich aus seinem Arm zu winden, vergebens. Ich machte es nur noch schlimmer, weil ich durch meine Bewegung seinen Körper nur noch deutlicher wahrnahm. Noch niemals waren wir uns so nah gewesen. Und leider gefiel es mir ausgesprochen gut und der Blick mit dem er mich bedachte tat sein Übriges. Da standen wir also so unter dem herrlichen Nachthimmel, bis mir endlich einfiel, dass er mich gegen meinen Willen festhielt! Endlich endlich erwachte ich aus meiner Starre! Niemand durfte mich einfach so behandeln als wäre ich ein widerspenstiges Fohlen, welches man nur durch energisches Festhalten zur Raison bringen konnte! Und erst Recht nicht Luìs! So wütete, schrie und brüllte ich ihn an, aber alles verschwand in seiner hohlen Hand. Es machte mich rasend, dass er sich so köstlich amüsierte und dann kam mir die Idee. Ich öffnete den Mund und biss zu. 'Ahhhh!' brüllte er auf und nahm die Hand zurück, ließ mich aber leider nicht wie erhofft los. 'Na warte' flüsterte er ganz nah an meinem Ohr. Aber dann schaffte ich es endlich mich loszureißen und ihm davon zu laufen. Er folgte mir nicht.

Müde fiel ich ins Bett und ließ den Abend Revue passieren.
Nachdem ich Luìs endlich meine Gefühle eingestanden hatte, fühlte ich mich besser, aber es ärgerte mich, dass er gar nichts dazu gesagt hatte. Nachdem ich ihm davon gelaufen war, hatte ich ihn nicht mehr gesehen. Warum war er mir nicht gefolgt? Warum hatte er mich nicht aufgehalten? Als ich auf die Terrasse zurückgekehrt war, wurde ich schon erwartet und hatte keine Zeit mich nach ihm umzusehen. Rosa und ihr Mann nahmen mich gleich in Beschlag und es war auch wirklich amüsant, sodass ich Luìs bis das Fest endlich ausklang schon fast vergessen hatte. Aber jetzt brachte mich der Gedanke an ihn um den Schlaf. War es denn möglich, dass er am Ende meine Gefühle gar nicht erwiderte? Aber warum konnte er dann Diego nicht ausstehen? Sollte ich mir alles nur eingebildet haben? Warum hatte ich nicht einfach den Mund gehalten? Warum musste ich ihm auch gleich meine halbe Gefühlswelt offenbaren? Ich hätte mir auch einfach etwas anderes ausdenken können, anstatt ihm auf die Nase zu binden, dass ich in ihn verliebt war. Vor allem weil ich an dieser Erkenntnis ja selber noch kräftig zu beißen hatte. Ich meine, ich war in ihn verliebt - ok. Das an und für sich war ja schon schlimm genug. Aber wollte ich auch mit ihm zusammen sein? Wollte ich nicht lieber mein Leben weiter führen wie bisher? Eigentlich hatte ich mich ja immer wohl gefühlt auf dem Gestüt, das mein großer Bruder Raul von meinem Vater übernommen hatte, kurz bevor der seiner langen schweren Krankheit erlag. Die Arbeit mit den Pferden und Rindern war anstrengend und verbrauchte die meiste Zeit und Kraft, aber es erfüllte mich jeden Tag aufs Neue. Das tolle Team war unsere Familie, sie hatten uns mit aufgezogen und so fiel es uns nicht schwer den Alltag zu meistern nachdem unser geliebter Vater gestorben war. Alle zusammen lebten wir in dem riesigen Gutshaus und ich war ganz und gar nicht sicher, wie mein Bruder und meine Ersatzfamilie auf den spanischen Hufschmied reagieren würde. Eventuell wollte ich es auch gar nicht so genau wissen. Ich musste mir also ernsthaft die Frage stellen, ob ich Luìs bitten wollte mitzukommen oder aber ob ich ihn, zusammen mit unserer abenteuerlichen Reise, abhakte. Draußen wieherte ein Pferd und ich zog die Decke enger um mich. 'Du solltest erstmal heraus finden, ob Luìs überhaupt Gefühle für dich hat' zischte eine Stimme in meinem Kopf. Ärgerlich drehte ich mich auf die Seite und schloss die Augen, versuchte mich abzulenken. Ich sollte einfach nicht so viel nachdenken. Ich war müde und brauchte meinen Schlaf. Morgen würde Raul mit dem Trailer ankommen und es würde endlich nach Hause gehen. Aber das würde auch Abschied von Rosa und ihrem Mann und von Luìs…. Halt! Hatte ich etwa schon wieder an ihn gedacht?! 'Ja, hast du!' hörte ich wieder die Stimme. War ich jetzt etwa geisteskrank oder warum hörte ich ständig diese ätzende Stimme, die ihren Ursprung irgendwo in meinem Kopf zu haben schien? 'Uff' machte ich, schlug die Augen auf und setzte mich auf. Mein Blick schweifte durch das dunkle Zimmer und blieb am Fenster hängen. Es war geöffnet und der Vorhang bewegte sich träge im lauen Wind. Ich schaltete die Nachttischlampe ein und stand auf. Es war schwül und der Wind der durchs Fenster kam brachte nur wenig Erfrischung. Langsam schob ich den Vorhang ein Bisschen zur Seite und sah auf den nächtlichen Hof. Der Mond war fast voll und tauchte das Anwesen in bleiches Licht. Salvadors Koppel konnte ich von hier aus leider nicht sehen, dafür aber ein paar halbstarke Kälber im Pferch neben dem Stall und die Paddocks der Hirtenpferde. Doch diese waren anscheinend in ihren Boxen. Jedenfalls war alles ruhig. Die Luft war schwer und vom Duft des Oleanders bereichert. Aus dem Augenwinkel nahm ich eine Bewegung wahr. Es war der Schimmelhengst, der gerade auf seinen Paddock trat. Sein weißes Fell zeichnete sich silbrig vom dunklen Nachthimmel ab. Lächelnd beobachtete ich ihn eine Weile, wobei mir die Augenlider langsam schwer wurden. Leise schlich ich ins Bett zurück und schlief ein.

Die Sonne stand hoch am Himmel und die Luft flimmerte, als ich den uralten Olivenbaum erreichte und aus dem Sattel glitt. Salvadors Fell reflektierte das Sonnenlicht auf eine einzigartige Weise und sein warmer Atem in meinem Gesicht lies mich angenehm erschauern. Ich verschnallte die Zügel so, dass der Wallach sich nicht in ihnen verfangen konnte und ließ mich am knorrigen Stamm des uralten Baums nieder. Mit einer nachlässigen Handbewegung strich ich mir ein paar Strähnen aus dem Gesicht und steckte einen Grashalm in den Mund. Der dünne Stoff meines T-Shirts klebte an meinem schlanken Körper und ich wünschte ich hätte beschlossen zum Wasserloch zu reiten. Entspannt schloss ich die Augen.Ich musste wohl eingeschlafen sein, denn plötzlich schreckte ich durch ein schrilles Wiehern auf. Salvador stand mit hoch aufgerichtetem Kopf vor mir und starrte Richtung Horizont. Schnell sprang ich auf die Füße und fasste in seine Zügel, nicht dass er noch auf die Idee kam weg zu laufen. Ein leichter Schwindel erfasste mich und ich stützte mich an der bebenden Brust des Wallachs ab. Er war außerordentlich angespannt. Er zitterte erregt und seine Ohren zuckten nervös. Um besser sehen zu können, legte ich die Hand über die Augen und folgte Salvadors Blick den Pfad hinunter von dem wir gekommen waren. Eine Weile lang sah ich nur flirrendes Gras, dann aber nahm auch ich die Staubwolke wahr die sich rasch näherte. Jetzt war ich mindestens genauso aufgeregt wie das Pferd an meiner Seite. Schnell wurde aus der Staubwolke ein gut bemuskeltes weißes Pferd mit einem schwarz gekleideten Reiter. Mein Herz schlug plötzlich schneller und dann hatten sie uns erreicht. Mit einem fast unsichtbaren Kommando ließ der Unbekannte sein Pferd anhalten und ich hatte Mühe Salvador zu zügeln. Ganz offensichtlich war der Schimmel eine Stute. Der Reiter sprang ab und kam direkt auf mich zu. Ich versuchte sein Gesicht zu erkennen, doch es lag im Schatten seines Hutes. Unruhig trat ich von einem Bein auf das andere, während ich alle Mühe hatte Salvador zu halten. Und plötzlich nahm der Fremde seinen Hut ab und lächelte. Eine Reihe strahlend weißer Zähne kam zum Vorschein und dann erkannte ich ihn. 'Luìs! Was machst du denn hier?' Doch er lächelte nur und kam weiter auf mich zu. Ich stand da wie zur Salzsäule erstarrte. Er war mir jetzt ganz nah. 'Juliana!' sagte er sanft, aber ich war unfähig ihm zu antworten. 'Juliana' sagte er wieder, etwas energischer jetzt. 'Juliana!' - Kerzengerade saß ich im Bett und brauchte einen ganzen Moment um zu verstehen, dass ich geträumt hatte.

Ich lauschte in die Dunkelheit. Nichts. Dabei war alles so real gewesen. Besonders seine Stimme, die mich innerlich hatte erzittern lassen. 'Alles nur Fantasterei' murmelte ich. 'Juliana!' Beinahe hätte ich einen Herzinfarkt bekommen, als ich die Stimme wieder hörte. Aber ich war doch jetzt wach? 'Juliana, bitte!' ...







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