Auf der anderen Seite der Nacht

Autor: Nacomi
veröffentlicht am: 03.11.2009




Nachdenklich sa? ich am Feuer und kaute eher lustlos an einem St?ck Brot. Die M?nner um mich schwiegen ebenfalls.
Lu?s a? Oliven, eine nach der anderen verschwand zwischen seinen schneewei?en Z?hnen. Den ganzen Tag ?ber hatte er mich keines Blickes gew?rdigt. Er war kurz nach dem Aufstehen verschwunden und erst kurz vor dem Mittagsessen zur?ckgekehrt.Ich war den ganzen Tag mit Salvador besch?ftigt gewesen und war Diego aus dem Weg gegangen. Dies gestaltete sich Gott sei Dank nicht sonderlich schwierig, das er ja eh mit den anderen bei der Herde war. Bei mir im Lager war nur der Schimmelreiter, aber der schlief laut schnarchend am Feuer.
Sorgsam hatte ich Salvadors Bein mit der stinkenden Salbe eingerieben, die uns der ?lteste der Hirten gegeben hatte und anschlie?end hatte ich sein braunes Fell auf Hochglanz poliert. Nun strahlte es wieder kupfern, so wie ich es liebte und der Wallach erholte sich auch ?berraschend schnell. Ich musste ihn stets anbinden, damit er nicht auf falsche Ideen kam und der Grauschimmelstute nachstellte oder sich mit dem Schimmelhengst anlegte. Allerdings behagte ihm das ganz und gar nicht und sobald ich mich von ihm entfernte begann er zu toben, um seinen Fesseln zu entkommen. Dies wiederum half nicht gerade den Heilungsprozess seines Beines zu beschleunigen. Nun hatte ich ihm einen Eimer mit Futter hingestellt, der ihn f?r eine Weile ruhig stellen sollte.
Nachdenklich tunkte ich das Brot in die Knoblauch Sauce und biss hinein. Kauend beobachtete ich Lu?s, der sich eine weitere Olive zwischen die Z?hne schob. Ich ertappte mich dabei, wie mein Blick etwas zu lange an seinen Lippen h?ngen blieb. Rasch lie? ich meinen Blick weiter wandern und begegnete schlie?lich den Rabenaugen. Sie jagten mir einen Schauer ?ber den R?cken.
Unwillk?rlich dachte ich an die gestrige Nacht, dachte an unseren Kuss. Der Gedanke daran machte mich schier wahnsinnig und ich war mir auf einmal nicht mehr so sicher, ob ich mich tats?chlich zu Diego hingezogen f?hlte oder ob es nicht viel mehr meine ?berspannten Nerven waren, die mir einen Streich spielten.
Schlie?lich war die Flucht sehr anstrengend gewesen und Diego hatte mich f?r einige kurze Momente die ganzen Strapazen vergessen lassen. Unmittelbar nach dem Kuss hatte mich die Realit?t eingeholt und ich war reichlich verst?rt weg gerannt. Ihn schien das derweil nicht entmutigt zu haben, denn ungeniert wanderte Diegos Blick ?ber mein Gesicht und meinen K?rper. Seufzend lehnte ich mich zur?ck und schloss die Augen. Unm?glich! Ich konnte so nicht essen. Von hinten h?rte ich, wie Salvador erneut zu rebellieren begann. Er hatte wohl aufgefressen.
'Ich geh schon' sagte ich, ohne die M?nner anzusehen, stand auf und n?herte mich dem rastlosen Wallach. Wie wild zerrte er an seinem Strick, sch?ttelte den Hals, bockte auf drei Beinen herum, da das vierte ihm anscheinend noch weh tat. Er war schon ganz verschwitzt, so sehr regte er sich auf. Leise begann ich auf ihn einzureden, w?hrend ich mich langsam immer weiter auf ihn zu bewegte. Ich beschrieb einen weiten Halbkreis um ihn herum, um ja nicht von einem der wirbelnden Hufe getroffen zu werden und vor allem damit er mich sah. Nachdem ich in sein Blickfeld ger?ckt war, drehte er mir gleich ein Ohr zu, w?tete aber unbeirrt weiter. Heftig ruckte er an dem Strick und es tat mir in der Seele weh, ihn so verzweifelt gegen die Fessel ank?mpfen zu sehen. Zu gern h?tte ich ihn losgemacht, aber es war nun einmal nicht m?glich, da er sonst nur die fremden Pferde und die ganze Rinderherde in Aufruhr bringen w?rde. Ich hatte mich jetzt bis auf zwei Meter gen?hert und sprach weiterhin mit leiser Stimme auf das Pferd ein.
Langsam, ganz langsam schenkte er mir mehr und mehr seiner Aufmerksamkeit, wor?ber er sein Toben langsam verga?, sodass ich mich ihm schlie?lich nahe kommen konnte, ohne mich in Gefahr zu begeben. Zart blies ich ihm in die gebl?hten N?stern, er blies zur?ck. Sein warmer Atem kitzelte mich und ich musste unwillk?rlich kichern. Aufmerksam richtete er beide Ohren auf mich und schnaubte. L?chelnd streichelte ich sein Maul und kraulte ihm dann die Stirn, dort wo er es so gern hatte.
Langsam entspannte sich das m?chtige Tier. Noch hoben sich seine Flanken wie rasend unter seinen schnellen Atemz?gen, noch war sein Fell feucht vom Schwei?, aber der wilde Ausdruck in seinen Augen war verschwunden.
Rasch warf ich einen Blick ?ber die Schulter zu den M?nnern, die mir stumm zusahen. Als mein Blick den Diegos traf, wand ich mich schnell ab und l?ste das starke Seil, mit welchem Salvador an den Baum gebunden war. 'Komm, mein Guter. Ich will dir wenigstens ein Bisschen Bewegung verschaffen.'
Auf einmal zahm wie ein L?mmchen, folgte mir der gro?e Wallach. Ich f?hrte ihn aus dem Schatten der B?ume auf's Grasland, weg vom Lagerplatz und weg von der Herde. Folgsam humpelte Salvador neben mir her. Es war dr?ckend hei?, wie immer um die Mittagszeit und die Sonne brachte die Luft zum Flimmern. Obwohl wir sehr langsam gingen, war meine Stirn bald von einem feinen Schwei?film ?berzogen. Dennoch ging ich unbeirrt weiter. Erstens wollte ich Abstand zwischen mich und Diego bringen, zweitens tat es Salvador nur gut sich ein Bisschen zu bewegen, damit er nachher wenigstens zu m?de war, um sich gegen seine Fesseln zu wehren. Denn offensichtlich bereitete es ihm gro?e Schwierigkeiten zu gehen und bei jedem anderen Pferd w?re f?r gew?hnlich erst einmal ein paar Tage Boxenruhe angeordnet worden, aber Salvador war nun einmal nicht gew?hnlich. Und ungew?hnliche Tatsachen, forderten ungew?hnliche Ma?nahmen.
Nach einer guten Stunde kehrten wir wieder zum Lager zur?ck. Salvador schnaufte schwer, er hatte sichtbar Schmerzen und ich Gewissensbisse, auch wenn ich wusste, dass es anders nun einmal nicht ging. Ich band den braunen Wallach wieder sorgsam am Baum fest. Er lie? es sich mit h?ngendem Kopf gefallen und so machte ich mich auf einen Eimer Wasser f?r ihn zu holen.
Ich goss eine kleine Menge, aus dem Plastikkanister in den Eimer. Ich stellte besorgt fest, dass die Hirten nicht mehr viel Wasser hatten, was bedeutete, dass sie noch heute aufbrechen und weiterziehen w?rden. Aus Erfahrung wusste ich, dass sie normalerweise nur eine Nacht am selben Ort rasteten, einfach weil es unm?glich war ausreichend Wasser f?r Mensch und Tier mitzunehmen. F?r uns und Salvador hatten sie noch eine zweite Nacht hier kampiert und nahmen damit in Kauf, dass die Rinder einen ganzen tag nichts tranken.
Als ich zu dieser Einsicht kam, beeilte ich mich Salvador das Wasser zu bringen, ?ber das er sich gierig hermachte und kehrte dann schnell zur Feuerstelle zur?ck.
Die M?nner waren nat?rlich schon wieder auf den Pferden und bei der Herde, au?er dem Mann der den Schimmel ritt und Lu?s, die an die Packtaschen gelehnt da sa?en und plauderten. Keiner der beiden blickte auf, als ich n?her kam und mich neben Lu?s nieder lie?.Eine Weile lauschte ich ihrem Gespr?ch, l?chelte stumm ?ber die sprachlichen Missverst?ndnisse, w?hrend die beiden mich einfach ignorierten. Erst als ich mich energisch r?usperte, verstummten sie und der Schimmelreiter erhob sich, nickte mir zu und verzog sich. Er legte sich ein paar Meter weiter hinten unter einen Baum und schloss die Augen.Lu?s r?hrte sich nicht. Ich legte ihm die Hand auf den Arm. Keine Reaktion.
Leicht genervt atmete ich tief ein und aus. 'Lu?s?' 'Was willst du?' fuhr er mich so heftig an, dass ich erschrocken zur?ck fuhr. Was war denn mit dem los? Verunsichert musterte ich ihn von der Seite. Er starrte stur geradeaus. Ich beschloss einfach so zu tun, als ob ich seinen aggressiven Unterton nicht geh?rt h?tte und plauderte drauf los. 'Wir m?ssen uns langsam Gedanken machen, wie wir von jetzt an weiter vorgehen. Wenn wir es schaffen ein Dorf zu erreichen, brauche ich eigentlich nur noch meinen Bruder anrufen und dann w?re alles vorbei.' Er antwortete nicht, ich fuhr fort. 'Die Hirten m?ssen heute auf jeden Fall weiter, die Rinder m?ssen schlie?lich auch was trinken? Was meinst du? Sollen wir sie fragen, ob sie uns den Weg zum n?chsten Telefon zeigen oder sollen wir es auf eigene Faust versuchen?' Lu?s Augenbraue zuckte. 'Was wei? ich?!' zischte er mit zusammen gebissenen Z?hnen und sah mich pl?tzlich voll an. 'Auf dieser Seite der Grenze bestimmst doch du!' Sagte es, lachte trocken ?ber meinen verdutzten Gesichtsausdruck und stand auf. 'A-Aber?' stotterte ich, v?llig von der Rolle. 'Nichts aber!' schnitt er mir mit einer unwirschen Geste das Wort ab. 'Ich habe keine Lust mehr auf deine Spielchen Juliana!' Seine Stimme war fest, aber ich sah, wie seine Lippen zitterten. 'Und sieh mich verdammt noch mal nicht so an!' H?? Wie? Was? Ansehen? Und was f?r Spielchen meinte er? Verwirrung machte sich in mir breit und ich suchte in seinem Gesicht nach Antworten. Als er meine Verwirrung bemerkte, erlosch pl?tzlich etwas in seinen Augen, die steile Falte zwischen den Augenbrauen, die sich bildete wenn er w?tend war, verschwand. 'Ach Juliana' sagte er dann, leise und irgendwie traurig. Dann drehte er sich um und lie? mich sitzen. Jetzt verstand ich endg?ltig gar nichtsmehr. Worum ging es hier eigentlich? Was zum Teufel, hatte ich ihm denn jetzt wieder getan?







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