Auf der anderen Seite der Nacht

Autor: Nacomi
veröffentlicht am: 14.08.2009




Nachdem ich mich weitgehend erholt hatte und sicher auf den Beinen stand, machten wir uns auf die Suche nach Spuren von Salvador. Das war leichter gesagt als getan, denn der Boden war staubtrocken und Hufabdr?cke waren nur schwer zu finden. So lange wir jedoch im Korkeichenwald waren gelang es uns recht gut. Hier und da hatte sich ein Schweifhaar an einem Strauch verfangen, waren ein paar Zweige abgebrochen oder fand sich platt getretenes Gras. Als wir uns nach einer guten dreiviertel Stunde dem Rand des Waldes n?herten und das eh schon lichte Geh?lz immer sp?rlicher wurde, begannen die Zeichen von Salvadors Flucht immer sp?rlicher zu werden. Wir beschlossen bis zur D?mmerung zu rasten, da ich erstens immer noch recht wackelig auf den Beinen war und wir zweitens nicht ausschlie?en konnten, dass nicht noch weitere Hubschrauber auf der Suche nach uns waren. In den Weiten der Graslandschaft h?tten wir keinerlei Deckung gehabt. Als ich mich wieder einmal ersch?pft an den Stamm eines Baumes lehnte, h?tte ich am Liebsten wieder angefangen zu weinen. Doch als ich Lu?s Blick auffing, wusste ich, dass er genau dies erwartete und so lie? ich es bleiben. Ich hatte mir heute schon mal die Bl??e gegeben und einmal war einmal zu viel.
'Was?' blaffte ich ihn daher an und sah mit Genugtuung, dass er auf solch eine Reaktion nicht gefasst gewesen war. 'Du bist unverbesserlich Juliana!' sagte er aber nur und sch?ttelte den Kopf, wie es Erwachsene tun, wenn ein Kind etwas angestellt hat. 'Ach, bin ich das?' brachte ich bissig hervor, doch er lachte nur.
Er lachte sein herrliches, sein grausames Lachen, das vor Selbstbewusstsein und Arroganz nur so strotzte. Sein Lachen, bei dem er seine schneewei?en Z?hne zeigte, bei dem sich hunderte von kleinen F?ltchen um seine Augenwinkel bildeten und das Strahlen seiner Augen nur noch unterstrichen. Unversch?mt! Unversch?mt sch?n! Unversch?mt sch?n anzusehen! Angewidert wand ich mich von ihm ab und blickte auf die Graslandschaft hinaus. Unverst?ndlich wie ich vor einer guten Stunde noch heulend in seinen Armen hatte liegen und mich geborgen f?hlen k?nnen. Ich hatte mich hinrei?en lassen, stellte ich bitter fest. Aber, das versprach ich mir innerlich, das w?rde ganz sicher nicht noch einmal vorkommen.
Vielleicht sollte ich mich der Polizei stellen, damit das Ganze endlich ein Ende hatte. Es schien einfach keinen Ausweg mehr zu geben. Wir waren nun schon ?ber vier Wochen unterwegs, hatten allerlei Strapazen durchgemacht und uns immer wieder zusammen gerauft, doch jetzt wo der Sinn des Ganzen nicht mehr da war, erschien alles umsonst. Was sollte ich mich noch weiter durch die sengende Sonne qu?len und mich mit einem arroganten Spanier herum schlagen? Wieso riskieren, dass die Polizei mich nachher noch f?r einen Schwerverbrecher hielt? War es nicht besser sich zu stellen? Mich von meinem Bruder aus der Sache rausboxen zu lassen? Lu?s zu bezahlen und zur?ck nach Spanien zu schicken? Eine Ewigkeit schien mir vergangen, seitdem ich vom heimatlichen Gest?t aufgebrochen war, um mir das Zuchtgeschehen im benachbarten Spanien anzusehen. Wie lange war es her, dass ich friedlich in meinem Bett geschlafen hatte? Wie lange war es her, dass ich morgens vom Klappern der Hufe auf den Pflastersteinen oder dem heiseren Schrei eines Stieres geweckt wurde? Ja, vielleicht war es besser alles hinzuschmei?en, jetzt wo Salvador eh ?ber alle Berge war. Salvador? Der herrliche Braune mit dem Kupferglanz! Das wildeste, eigensinnigste, heftigste Pferd, das ich je in meinem Leben getroffen habe. Der Wallach der Rasse Alter Real, der unter den Andalusiern in Spanien fast schon so was wie ein Exot war. Ein einmaliges, wundervolles Pferd, zu dem ich in den letzten Wochen eine zarte, aber intensive Verbindung aufgebaut hatte. Nein, ich konnte ihn nicht seinem Schicksal ?berlassen! Was w?rde man nur mit ihm tun, einmal eingefangen? Was w?rden die Beh?rden mit einem derma?en wilden Pferd anfangen, welches sich noch nicht einmal ber?hren lie?? Ich schauderte bei dem Gedanken und wollte mir gar nicht erst vorstellen, welche die logische Konsequenz sein w?rde. Wahrlich, ich w?rde alles geben um ihn zu finden! Auch wenn ich daf?r weiterhin mit Lu?s zusammen arbeiten und sein h?hnisches Grinsen ertragen musste.

Nach Einbruch der Dunkelheit brachen wir auf. Wir suchten nun nicht mehr nach Spuren von Salvador, sondern nach Wasser! Lu?s ging voran. Mir war es nur Recht, mochte ich seinen Blick doch noch immer nicht in meinem R?cken. Wir schlugen ein angenehmes Marschtempo an, damit wir lange durchhalten konnten. Wer wusste schon wann wir endlich auf ein Dorf oder zumindest einen Bachlauf sto?en w?rden. Wir wanderten weitgehend schweigend hintereinander her, nur begleitet vom Licht des abnehmenden Mondes, der nur selten hinter einer Wolke verschwand. Der Himmel war weitgehend klar und unendlich weit und lie? mich die Zeit vergessen. Ich wei? nicht wie sp?t es war oder wie lange wir schon unterwegs waren, als Lu?s pl?tzlich stehen blieb und ich fast in ihn hinein gerannt w?re. 'Nicht so st?rmisch?' sagte er leise und packte mich gerade noch rechtzeitig am Arm, da ich vor lauter Schreck gestolpert war und irgendwie das Gleichgewicht verloren hatte. 'Du h?ttest auch einfach fragen k?nnen, ob ich dich umarme.' Ich verdrehte die Augen und warf ihm dann einen b?sen Blick zu. Was der sich schon wieder einbildete. 'Warum bist du einfach stehen geblieben?' fragte ich, nachdem mir keine schlagfertige Antwort eingefallen war. Er lie? meinen Arm los und deutete nach vorn. Angestrengt starrte ich in die Dunkelheit und es dauerte einen Moment bis ich hinter ein paar Str?uchern die Lichter ausmachte. Dann sah ich auch die dunklen Leiber, die sich langsam ?ber das Grasland bewegten. Rinder! Und wo Rinder waren, waren die Hirten nicht weit! Und zu den Hirten geh?rten Pferde? und? Ich bemerkte, dass Lu?s schon weitergelaufen war und stolperte ihm ?rgerlich hinter her. Die Rinder hatten uns schon bemerkt und sahen uns entgegen. Sie hatten keine Angst, sie waren Menschen gew?hnt. Dann entdeckte uns auch der erste Hirte. Er sa? auf einem m?chtigen Schimmel, der laut schnaubend zeigte, dass ihm unsere Anwesenheit nicht sonderlich behagte. 'Wer da?' rief der Mann und Lu?s schubste mich vor, da er sich als Spanier nicht gleich unbeliebt machen wollte...







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