Auf der anderen Seite der Nacht

Autor: Nacomi
veröffentlicht am: 04.07.2009




Hufschlag! Schneller und schneller wird er! Ein wildes Wiehern schallt durch die Luft! Schreie! Schüsse! - Hektisch riss ich die Augen auf. Über mir der herrlich tiefblaue Nachthimmel, übersäht mit unzähligen Sternen. Verwirrt schloss und öffnete ich die Augen erneut: der Anblick der sich mir bot war unverändert das samtene Tuch des nächtlichen Himmels. Es war nichts zu hören, außer dem samten Rauschen der Wellen. Wellen! Meer! Langsam kehrte ich ins Hier und Jetzt zurück. Ich hatte geträumt, der Hufschlag, die Schüsse waren nicht real gewesen, sondern lediglich Ausgeburten meines Unterbewusstseins. Langsam atmete ich aus und mein Herzschlag beruhigte sich etwas. Dafür begann sich der Himmel über mir nun aber zu drehen, es schien mir als ob mein Kopf zerspringen müsse, so sehr schmerzte er von innen heraus. Mein Magen zog sich mit einem Mal mit einem Ruck zusammen, mein Körper bäumte sich auf und ich übergab mich in den Sand. Nur langsam spürte ich seine Hände sanft mein Haare zurückstreichen. 'Luìs?' brachte ich mühsam hervor, weil ich ihn nicht sehen konnte. 'Ja' hörte ich seine tiefe raue Stimme, deren Klang mir einen erleichterten Seufzer entriss. Schon wollte ich die Augen wieder schließen und mich in seine Arme zurücksinken lassen, als er sagte: 'Ich habe was für dich! Dreh dich mal um.' Mühsam stützte ich mich auf den Ellebogen und schaffte es den Oberkörper zu ihm umzudrehen. Sein Gesicht war ausdruckslos, aber seine Augen lächelten. Langsam folgten meine Augen seinem ausgestreckten Arm Richtung Feuer. Suchend blinzelte ich in das helle Licht, an das ich mich erst gewöhnen musste und dann sah ich ihn! Salvador! Als könne ihn kein Wässerchen trüben stand er auf der anderen Seite des Feuers und sah neugierig herüber. 'Er ist ok…' brachte ich schließlich hervor. 'Ja, das ist er. Er ist schon seit ein paar Stunden wieder hier, war nur ein Bisschen verschwitzt, aber er hat sich ganz brav anbinden und putzen lassen.' Erstaunt sah ich von Salvador zu Luìs. Ich wusste auf einmal nicht mehr, was ich sagen sollte. Luìs sah darüber hinweg und reichte mir einen Becher mit Wasser. 'Zum Mundausspülen' fügte er unnötigerweise hinzu. Ich warf ihm einen bösen Seitenblick zu, nahm aber dankbar den Becher. Ich bemerkte wie meine Hände zitterten und beeilte mich zu trinken. Ich wollte nicht, dass er es sah. Doch als ich ihm den leeren Becher zurückgab, verriet mir sein Blick, dass er es schon längst bemerkt hatte. 'Du hast einen Sonnenstich' sagte er auch gleich. 'Die Reaktionen deines Körpers sind vollkommen normal.' Seufzend ließ ich mich, auf die Ellenbogen gestützt, zurücksinken und verdrehte die Augen gen Himmel auf. 'Sonnenstich… vollkommen normal' äffte ich ihn in Gedanken nach, schluckte aber einen bissigen Kommentar. Ich war zu erschöpft, um mit ihm zu streiten. Wenigstens drehte sich der Himmel nun langsamer und ich konnte mich in das Leuchten der Sterne vertiefen. Unwillig nahm ich war, wie sich sein fein geschnittenes Gesicht in mein Blickfeld schob. 'Du solltest jetzt schlafen. Das ist die beste Medizin, die ich dir anbieten kann.' 'Na herzlichen Dank auch' schnaufte ich aus. Ganz kurz sah ich den Anflug eines Lächelns in seinen Augen aufleuchten, dann schaute er wieder ernst drein. 'Ein Sonnenstich kann eine ernste Sache sein. Du warst ziemlich leichtsinnig, Juliana!' 'Ist mir klar' sagte ich genauso ernst und versuchte an ihm vorbei einen Blick auf Salvador zu werfen, was mir nicht gelang. Ich spürte, dass Luìs noch etwas hätte sagen wollen, doch er blieb stumm. 'Schlaf jetzt' sagte er dann mit leiser Stimme und strich mir über die Stirn. Seine rauen Hände schienen mir eiskalt, aber ich wusste, dass es vermutlich meine Stirn war, die glühte. Während ich die Augen schloss, um mich den wohltuenden Armen des Schlafes zu überlassen, merkte ich, wie er mir die Decken bis zum Kinn hochzog. Wie von weit her hörte ich seine Stimme, bevor ich endgültig einschlief: 'Hoffen wir, dass sie bald wieder auf den Beinen ist, Salvador.' Der braune Wallach schnaubte, aber das hörte ich schon nicht mehr.

Etwas kitzelte meine Nasenspitze. Ärgerlich rollte ich auf die andere Seite, die Augen fest zusammen gekniffen. Doch es war schon zu spät - das helle Licht war bereits durch meine Augenlider gedrungen und hatte den Schlaf vertrieben. Seufzend öffnete ich die Augen und blinzelte gegen die Sonne. Diesmal ging der Schwindel schneller vorbei, als ich mich aufsetzte. Ich musste lange geschlafen haben, es war bereits Mittag. Wie ich es unter den beiden Decken ausgehalten hatte wusste ich nicht, zumal es auch im Schatten des Felsen, unter dem ich saß, drückend heiß war. Mein Magen rumorte und mir wurde klar, dass ich nun schon seit fast 24 Stunden nichts mehr zu mir genommen hatte. Ich sah mich nach Luìs und Salvador um - sie waren nicht zu sehen. Mühsam rappelte ich mich auf und wankte zur Feuerstelle hinüber. Ein Blick bestätigte mir, was ich schon geahnt hatte: Salvadors Sattel fehlte, was nur bedeuten konnte, dass Luìs mit ihm los geritten war, um Vorräte zu kaufen. Eigentlich hätte mich das nun beruhigen können, weil ich so wenigstens bald etwas zu essen bekommen würde. Aber das tat es nicht. Im Gegenteil Luìs im Sattel von Salvador zu wissen beunruhigte mich zutiefst. Ich wusste nur zu gut, wie schwierig Salvador zu händeln und zu reiten war, auch wenn ich mich in den letzten Wochen mit ihm angefreundet hatte. Aber Luìs kannte seine Besonderheiten nicht, wusste nicht, wie sensibel er reagierte, dass er sogar zwischen der spanischen und portugiesischen Sprache unterschied. 'Hoffentlich passiert ihnen nichts!' dachte ich und machte mich dann auf den Weg zum Bach, weil meine Kehle sich anfühlte wie ein trockener Mühlstein. In tiefen Zügen trank ich das laue Wasser. Nach dem dritten Becher, besann ich mich: noch war der Sonnenstich nicht ausgestanden. Ich musste wenig, in kleinen Schlucken trinken und mich vor allem im Schatten aufhalten. Mir blieb also nichts anderes übrig als am Lagerplatz unter den Felsen zu warten. Als ich mich wieder bei der erloschenen Feuerstelle niederließ, spürte ich wie meine Glieder zitterten. Erneut erfasste mich der Schwindel. Der Weg zum Bach war wohl zuviel Anstrengung gewesen.
Irgendwie musste ich wohl wieder eingeschlafen sein, denn als ich die Augen aufschlug stand die Sonne schon tief über dem brausenden Atlantik. Der Wind draußen musste ziemlich heftig sein, denn die Wellen waren ungewöhnlich hoch. Mit tiefem Donnern schlugen sie auf den flachen Sandstrand auf, sodass ihre weiße Gischt himmelhoch aufspritzte. Wieder spürte ich brennenden Durst in meiner Kehle, widerstand aber der Versuchung schnell aufzuspringen. Und wie ich es erwartet hatte, erfasste mich ein atemberaubender Schwindel, sobald ich mich auch nur aufsetzte, gefolgt von einem stechenden Kopfschmerz. Ich spürte wie mir der Schweiß aus allen Poren rann und versuchte tief und ruhig zu atmen. Zum Sonnenstich kam nun auch noch der leere Magen, der sich schon in unangenehmer Weise bemerkbar machte. Er gab Geräusche von sich die ich noch nie gehört hatte. Immer noch war es mir nicht gelungen aufzustehen, als ich ein lautes Wiehern hörte. 'Salvador' stieß ich, heftig atmend hervor und verschluckte mich fast an meiner aufgequollenen Zunge. Ich drehte den Kopf in die Richtung in der ich den Wallach vermutete und konnte gerade noch einen Schemen wahrnehmen, der aus dem Sattel sprang - dann wurde alles schwarz!







Teil 1 Teil 2 Teil 3 Teil 4 Teil 5 Teil 6 Teil 7 Teil 8 Teil 9 Teil 10 Teil 11 Teil 12 Teil 13 Teil 14 Teil 15 Teil 16 Teil 17 Teil 18 Teil 19 Teil 20 Teil 21 Teil 22 Teil 23 Teil 24 Teil 25 Teil 26 Teil 27 Teil 28 Teil 29 Teil 30 Teil 31 Teil 32 Teil 33 Teil 34 Teil 35 Teil 36 Teil 37 Teil 38 Teil 39


© rockundliebe.de - Impressum Datenschutz